ölwechsel zellmembran

Ölwechsel für die Zellen

Sportler haben es gut. Die können über vieles, über das die Wissenschaft tagtäglich rätselt, nur schmunzeln.

Beispiel: Ein Sportler wird eher keine Probleme mit Insulinresistenz bekommen. Die Wissenschaft findet in der Zwischenzeit drölfzig mögliche Erklärungen dafür. Völlig überflüssig, würden Menschen nur ihren Allerwertesten bewegen.

Und so geht das weiter. Es gibt ja quasi keine Variable im Körper, die nicht positiv von Sport und Bewegung beeinflusst wird. Das ist keine Floskel, im Gegenteil. Das ist so profund, dass Sport schlichtweg Leben rettet und es in der Qualität drastisch aufwertet.

Alles im Körper wird besser durch Sport: Das Herz, die Lunge, das Gehirn, die Gedächtnisleistung, der Energiestoffwechsel, das Immunsystem, die Leberfunktion, Knorpel, Knochen, Sehnen und Bänder – alles.

Der Witz: Dafür muss man nicht mal täglich raus. Sich 2-3 x die Woche zu verausgaben bringt schon 80-90 % des hier genannten Ertrags – leichter, kostengünstiger, nachhaltiger und effektiver wird’s wohl nicht.

Insulin wirkt besser bei weicher Membran

Um verstehen zu können, warum sich Sport z. B. so positiv auf die Insulinwirkung auswirkt, muss man etwas über den Muskel wissen. Denn der Muskel ist jenes Gewebe, das am meisten Insulin schluckt und verbraucht – das Gegenteil von Insulinresistenz.

Die Muskelzelle, wie jede andere Zelle im Körper, ist umhüllt von einer Membran, die zu wesentlichen Teilen aus Fettsäuren besteht. Die essen wir im Alltag und speichern sie im Fettgewebe. Wir bilden sie teilweise auch selbst.

Sie werden dann u. a. in der Muskelmembran verbaut. Der Punkt: Je nachdem, was da verbaut wird, wirken Hormonrezeptoren, auch der Insulinrezeptor, besser oder schlechter. Allgemein gilt: Der Insulinrezeptor mag es kuschelig weich – sprich beweglich.

Seit Jahrzehnten weiß man daher, dass Insulin im Muskel umso besser wirken kann, je beweglicher die Muskelmembran ist (vgl. Liu et al. 1994). Man spricht von erhöhter Membranfluidität. Die wiederum hängt wesentlich vom Gehalt an ungesättigten Fettsäuren ab, vornehmlich von der Ölsäure und Omega-3-Fettsäuren. (vgl. Pilon 2016)

Die Ölsäure ist eine einfach ungesättigte Fettsäure. Omega-3-Fettsäuren, wir sprechen von DHA und EPA, gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Ihre chemischen Eigenschaften sorgen für die Beweglichkeit der Zellmembran. Versteht übrigens jeder, der mal Olivenöl (viel Ölsäure) gesehen hat. 

Sport macht Ölwechsel bei Zellmembranen

Und hier setzen sehr spannende, etwas ältere Experimente an, die es bis heute so in der Form nicht mehr gibt. Die stammen von Agneta Andersson, die heute leitende Forscherin im Bereich Diätetik an der Universität Uppsala (Schweden) ist.

agneta andersson
… sieht sympathisch aus. 

Im Rahmen ihrer Diplomarbeit demonstierte sie eindrücklich, wie sich die Muskelmembranzusammensetzung ändert, wenn etwas ältere Herrschaften für sechs Wochen trainieren durften (Andersson et al. 1998). Und das sieht so aus:

  • -7 % Palmitinsäure (gesättigte Fettsäure, die eng in Verbindung zur Insulinresistenz steht)
  • +15 % Ölsäure (einfach ungesättigte Fettsäure, die Membranen beweglicher macht und vor Insulinresistenz schützt)
  • -7 % Omega-6-Fettsäuren und ein nicht-signifikanter Trend zur Erhöhung der Omega-3-Fettsäuren, was die O6/O3-Ratio von 11 auf 8 absenkt (gut) – die O6/O3-Ratio gilt noch heute „als wichtiger prädiktiver Biomarker für die Behandlung von Typ-2-Diabetes“, wobei eine höhere Ratio eng in Verbindung mit Diabetes und einem Mangel an Insulinwirkung steht (vgl. Shetty et al. 2020)

Noch drastischere Unterschiede fand Andersson in einer weiteren Studie zwischen Sportlern und Nicht-Sportlern. Auch hier war:

  • die Palmitinsäure deutlich erniedrigt,
  • der Omega-3-Gehalt deutlich erhöht und
  • das O6/O3-Verhältnis stark verbessert: 5 bei den Sportlern und knapp 10 bei den Nicht-Sportlern (sensationelle Erkenntnis!) 

Und das bei sehr ähnlicher qualitativer Zusammensetzung der Nahrung. Sport macht unsere (Muskel-)Zellmembranen also schön weich, geschmeidig, sodass z. B. Insulin besser wirken kann. 

Nur, damit wir uns richtig verstehen: Viele Menschen wollen ihre O6/O3-Ratio – aus gutem Grund – verbessern. Sport macht das nebenbei. Einfach so, als nettes Begrüßungsgeschenk quasi. Ohne Ergänzungsmittel. Ohne Nachdenken.

Ölwechsel mit Nahrungsfetten

Andersson publizierte im Verlauf eine weitere Arbeit, die zeigte, dass auch Nahrungsfett ganz maßgeblich die Membranzusammensetzung beeinflusst. Das ist für uns nicht neu. Dafür weisen wir ja immer auf die Qualität von Nahrungsfetten und einer guten Omega-3-Zufuhr hin.

Sie folgerte damals, dass Sport und Nahrungsfette die Fettsäurenzusammensetzung der Muskelmembran beeinflussen, „was sich auf die Insulinempfindlichkeit und die Glukosehomöostase auswirken kann.“ Simpel.

Dass man – in der Regel Sitzenbleiber (Nichtsportler) – sich die Insulinwirkung deshalb mit bestimmten Nahrungsfetten zerschießen kann, wissen wir auch. Ein hoher Anteil an Palmitinsäure in der Nahrung wäre dafür beispielsweise ein Garant. Aus diversen Gründen. 

Umgekehrt: Zellen scheinen sich vor zu vielen gesättigten Fetten (vor allem Palmitinsäure) zu schützen, indem sie sie zu Ölsäure (via Elongase und Desaturase) umsetzen und so die Membranfluidität und Insulinwirkung wahren. (vgl. Collins et al. 2010)

Als besonders schädlich für die Membranfunktion haben sich Transfette erwiesen. Sie machen die Zellmembranen auch rigider, also steifer, was sehr wahrscheinlich ein wichtiger Grund ist, warum sie stets mit Insulinresistenz und Übergewicht assoziiert sind. (vgl. Ishibashi et al. 2018; Tyler et al. 2019)

Halten wir fest

Gesunde Zellmembranen sind also ziemlich wichtig. Und Sport, sowie Ernährung, haben hier wie so oft eine Schlüsselrolle.

Keine Lust, mehr zu schreiben für heute. :-)

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

14 comments On Ölwechsel für die Zellen

  • Was ist mit Leinöl? Sinnvoll?

  • Hi Chris,
    schöner Artikel.
    Wie wäre es mal mit einer Liste von Ölen, die man besonders häufig zu sich nehmen sollte, bzw. was absolut gemieden werden werden sollte.
    Leider ist die Palmitinsäure ja tkrotz ihrer vielen schädlichen Wirkungen kaum vermeidbar, sie steckt ja auch in Fleisch und Milchprodukten und Stearinsäure (in meiner heißgeliebten Bitterschokolade) ist auch nicht so toll.
    Ich versuche mal eine „gute Liste“:
    Olivenöl
    natürlich Fischöl, hochgereinigt
    Macademia Öl (leider sehr teuer geworden), enthält aber die wunderbare Palmitoleinsäure
    Rapsöl?

    Jens

    • Hi Jens,
      ich möchte das an der Stelle nochmal ganz klarstellen: Ich hab überhaupt nix gegen tierische oder gesättigte Fette. Für jemanden, der sich viel bewegt, der sportlich ist, sind sie wertvollste Nahrungsbestandteile – natürlich in Maßen. Man soll jetzt keine 100 g Butter essen oder ständig ne Packung Bratwürste/Mettenden am Tag. Ich denke, das ist einleuchtend. Alles andere ist relativ simpel: Man nutzt Olivenöl, Kokosöl, normale Mengen Butter, tierische Fette im normalen Umfang. Und fertig.

      Auf der anderen Seite haben wir in der westlichen Küche oft ein Missverhältnis: Diese Leute sitzen zu viel und bewegen sich zu wenig, da reicht auch kein ausgedehnter Spaziergang. Man beginnt den Tag mit Leberkäse, Lyoner, Käse, Wurst, nutzt überall für alle Speisen Milchfette, zum Kuchen Schlagsahne. *Das* ist der toxische Aspekt von Tierfetten/gesättigten Fetten.

      Hier im Blog bzw. in GoLs oder „Stoffwechsel beschleunigen“ findest du Tabellen mit Fettquellen, die das aufschlüsseln. Nur ich nehme davon zunehmend Abstand, weil es aus den o. g. Gründen irreführend ist.

  • Und einige Weichbirnen diskutieren über pro/contra Bundesjugendspiele und vernachlässigen völlig den Schulsport…
    Da muss man sich nicht wundern …

  • Hi Chris!
    Wenn Bewegung nicht (mehr) möglich ist, wie zum Beispiel bei bettlägerigen Menschen, ist es dann trotzdem möglich, die Zellen mittels Ernährung und anderen Maßnahmen (Schlafhygiene, Stresshygiene etc.) „fit und gesund“ zu halten? (Wenn ja, nehme ich mal an, mit Einschränkungen?)
    BG Melanie

  • Nicht verwunderlich. Der Vogel fliegt, der Fisch schwimmt und der Mensch läuft (eigentlich). Ohne gleich zurück auf die Bäume zu gehen, können wir einfach unserer eigentlichen Natur bzw. Biologie vertrauen und ein bißchen was von dem loslassen, was uns die neolithische und industrielle Revolution so als ungesunde Nebenwirkungen gebracht haben. :)

  • Der Aufatz hat viele Fragen, die ich mir oftmals stelle, exzellent beantwortet. Vielen Dank, Chris.

    Doch: Warum kann eine omega6-Fettsäure nicht die gleiche kuschelige Umgebung für die (Insulin)-Rezeptoren wie eine omega3-Fettsäure bieten? Die chemischen als auch physikalischen Eigenschaften diesr physiologischen o3/o6-Fettsäuren sind ja verdammt ähnlich.

    • Ja, stimmt ja auch. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren, allen voran die langkettigen PUFAs C20-C22 (vereinfacht also DHA/EPA, aber auch Arachidonsäure und Docosapentaensäure), die 4-6 Doppelbindungen tragen und damit hoch ungesättigt sind (= hohe Membranfluidität), sind alle mit guter Insulinsensitivität assoziiert. Sekundär spielt irgendwann aber auch die O6/O3-Ratio mit rein, weil das über ein eher entzündliches oder anti-entzündliches Milieu bestimmt, was wiederum Einfluss auf die Insulinwirkung hat. Und hier schneiden O3F bekanntermaßen günstig ab. Daher ist allgemein eine Anreicherung von O3F in Membranen und damit ein niedrigeres O6/O3-Verhältnis günstig. Ich denke, hier geht es weniger um das Verhältnis per se, sondern eher darum, dass westliche Ernährungen allgemein arm an DHA/EPA sind und ein Mehr der Zelle bzw. dem Körper einfach guttut. Das zeigt ja der O3-Index sehr gut an: Stimmt der, stimmt auch das O6/O3-Verhältnis, mehr oder weniger ohne Änderung der O6-Zufuhr. Aber gut, dass du gefragt hast, weil das macht eine wichtige Ergänzung zum Text! Danke für deinen Kommentar.

  • Klasse zusammen gefasst.
    Was ich immer selbst gern betone b.d.A. hat mit Abstand das größte Potential um Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern.

    PS: Und schreibt einer, der selbst erst mit 47 angefangen hat, regelmäßig zu Joggen.

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