„Tiefseewasser“: Besser als Doping

Von was träumen wir nachts eigentlich?

Also, zumindest mit Blick auf die Gesundheit, von einem „Wässerchen“, das uns fit und gesund macht. Jeder möchte gerne mal ein Schlückchen vom Jungbrunnen-Wasser trinken.

Okay, zurück zum Thema. Da ist mir doch irgendwann die Tage etwas Unheimliches passiert.

Wer uns lange liest, weiß, dass unsere Forschung sich im Grunde um PGC1alpha und Mitochondrien dreht. PGC1alpha ist das Protein, quasi ein Schalter, der Mitochondrien vermehrt und gesund hält. Mitochondrien wiederum sind wörtlich der Motor, der das Leben lebenswert macht, uns nämlich Power, Energie und (metabolische) Gesundheit schenkt.

Schon seit Jahren bin ich auf der Suche nach der ultimativen Hilfe. Eine solche Hilfe ist Sport, funktioniert — mit Blick auf PGC1alpha, Mitochondrien und Co. — immer.

Wir wissen aber auch, dass das nur funktionieren wird, wenn der biochemische Background in unseren Zellen stimmt. Ein Vitamin-D-Mangel, als Beispiel, wird das alles schön ausbremsen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass wir in der Natur viele Stöffchen finden, vor allem in Pflanzen, die quasi ohne Zutun Effekte des Sports, zumindest innerhalb der Zelle, nachahmen können.

Nun gut. Neulich stoß ich beim Recherchieren auf das mysteriöse „Tiefseewasser“. Ich bin, was solche Geschichten angeht, der größte Skeptiker überhaupt. Dennoch: Tiefseewasser wirkt — in mittlerweile etlichen Arbeiten — wie ein Wundermittel. Es hilft gegen Diabetes, gegen Bluthochdruck, gegen Fettleber, gegen Fettleibigkeit, gegen … setze ein, was du magst.

Offen gesagt, das juckt mich alles nicht so sehr.

Was meine Aufmerksamkeit geweckt hat, war die fast feine, saubere, lineare Beziehung zwischen Tiefseewasser-Behandlung, im Tier oder im Reagenzglas, und der Mitochondrien-Vermehrung, also mitochondriale Biogenese. Das sieht in Studien etwa so aus:

Oder, um andere Mito-Marker zu nennen:

Kenner können sich vorstellen, dass natürlich auch auf AMPK, Sirt1, PPARalpha, PPARdelta und so weiter getestet wurde. Die Studie ist aus dieser Perspektive unglaublich reich an Daten. So etwas habe ich all die Jahre tatsächlich noch nie gesehen. Sieht fast schon zu perfekt aus.

Also: Alles Magie? Humbug? „Fake News“? Oder irgendein Wundergebräu mit Superstoffen?

Die Lösung des Rätsels könnte eine ganz andere sein. Schauen wir uns dazu doch einmal die Zusammensetzung des tollen Wassers („Balanced DSW“) an:

Im Grunde ist in der Soße überhaupt nichts Spezielles enthalten — außer ein paar Mineralien. Das, was da besonders ist, ist der sehr hohe Magnesium-Anteil von fast 1000 mg pro Liter. So etwas finden wir in unseren Supermarkt-Wässern eher nicht.

Ist Magnesium hier die „Wundersubstanz“, die da wirkt? Grundsätzlich vorstellbar wäre es. In allen meinen Büchern zeige ich immer den Unterschied zwischen einer Magnesium-mangelversorgten und einer Magnesium-vollen Zelle. Jeder Laie erkennt sofort, dass Magnesium etwas mit den Mitochondrien zu tun hat, denn ein Mangel halbiert die Mito-Dichte.

Umgekehrt bedeutet das natürlich, dass Magnesium auch entsprechende Signalwege regulieren muss. Bis heute gibt es dazu aber — aus welchen Gründen auch immer — keine Studien oder validen Daten. Und das, obgleich sogar Computer-Modelle errechnen, dass Magnesium der Hauptregulator unserer Energiegewinnung ist — nahezu die Hälfte aller Enzyme des zellulären Glukose-Abbaus (Glykolyse) sind Mag-abhängig. Und sehr viele der Reaktionen im Citrat-Zyklus sind Mag-sensitiv. Darüber hinaus reguliert Magnesium die Funktion der Atmungskette.

Kurzum: Magnesium entscheidet in der Zelle, wie es um die Energiegewinnung bestellt ist. 

Tiefseewasser klingt hier natürlich total fancy und wirft sicher mehr Geld ab als eine Forschung zu Magnesium. Bevor ich die Ecken des Internets nach Tiefseewasser absuche, würde ich lieber das eine oder andere Magnesium-Tablettchen schlucken.

Sachen gibt’s …

Referenz:

Ha, Byung Geun; Park, Jung-Eun; Cho, Hyun-Jung u. a. (2015): „Stimulatory Effects of Balanced Deep Sea Water on Mitochondrial Biogenesis and Function“. In: PLOS ONE. 10 (6), S. e0129972, DOI: 10.1371/journal.pone.0129972.

Ha, Byung Geun; Moon, Deok-Soo; Kim, Hyeon Ju u. a. (2016): „Magnesium and calcium-enriched deep-sea water promotes mitochondrial biogenesis by AMPK-activated signals pathway in 3T3-L1 preadipocytes“. In: Biomedicine & Pharmacotherapy. 83 , S. 477-484, DOI: 10.1016/j.biopha.2016.07.009.

Ich bin Phil Böhm, Mitgründer von edubily.de. Ich absolvierte mein Bachelor-Studium im Fach Sportmanagement und –journalismus an der Hochschule Mittweida. Wegen einer Darmerkrankung musste ich mich schon früh intensiv mit gesunder Ernährung und verschiedenen Diät-Formen auseinandersetzen. Bei edubily kümmere ich mich vor allem um die organisatorischen Abläufe.

11 comments On „Tiefseewasser“: Besser als Doping

  • Das mit dem transdermalen Magnesium „Öl“ ist ein sehr unwissenschaftlicher Hype derzeit, welchem auch ich anheim gefallen bin.

    Fakt ist: Es handelt sich nicht um ein Öl, sondern um ionisiertes Mg-Chlorid. Die Epidermis (Haut) ist aber derartig konfiguriert, dass Stoffe lipophil sein müssen, damit sie über die Haut resorbiert und systemisch wirken können.
    Siehe daher auch sehr eingeschränkte Verfügbarkeit von Arzneimitteln und wenn, sind diese in speziellen, lipophilen transdermalen Zubereitungen und Applikationsformen (alle müssen eine hohe Fettöslichkeit aufweisen) vorliegend.

    Mg-Chlorid Ionen mögen möglicherweise Ihren Weg in das Muskelgewebe finden (wie auch immer das genau geschehen mag – man müsste „Vorher-Nacher“ Muskelbiopsien durchführen und den Mg-Gehalt pro Muskelzelle bestimmen, um die Effizient dieser unbekannten Transport zu messen).

    Systemisch wirken kann es nicht.

    Denn: Wäre dem so, müssten ja auch Kalium-Ionen Ihren Weg über die Haut finden können (Warum nur Magnesium, aber keine Kalium-Ionen könnte man dumm fragen).
    Baden in Gewässern mit hohem Kaliumgehalt (z.b. das Tote Meer) wäre somit HOCHGRADIG Lebensgefährlich- da durch den hohen Kaliumgehalt umgehen eine kardiotoxische Hyperkaliämie erzeugt würde.

    Ergo: gut vermarkteter Blödsinn und wieder mal Placebo-generierte Umsätze.

    PS: Bis zum Beweis des wissenschaftlichen Gegenteils, dass durch die transdermale Anwendung die systemischen Spiegeln deutlich ansteigen können. Aber siehe oben: wie sollte das selektiv nur für Mg, aber nicht für K gelten? Ausserdem wäre auch Mg in hohen Mengen letal….

  • Meine Frau wundert sich immer wieder, nachdem wir aus dem Strandurlaub zurück sind, dass sie etwas abgenommen hat, obwohl sie da deutlich mehr gegessen hat als zu Hause. -> Jetzt wird es klarer warum sie abnimmt.
    Toller Artikel! Leitet die Aufmerksamkeit auf ein Thema, das ich bis jetzt nicht beachtet habe.
    Ein paar praktische Gedanken dazu:
    1. Ich bezweifle, dass sich das Wasser in 500 Meter Tiefe im Vergleich zu 2 Meter Tiefe stark unterscheidet
    2. Die Wirkung von Mg auf Mitos ist vermutlich stärker als die von Ca. Wahrscheinlich ist, dass Ca auch seinen (großen) Beitrag leistet.
    3. Die besten Ergebnisse wurden mit Wasserhärte von ca. 2000 erreicht. Das entspricht 405mg/l Mg und 135 mg/l Ca. Da ich Magnesiumsulfat nicht unbedingt gerne trinken würde ;), schlage ich vor 3.4 g MgCl2 · 6H2O zu nehmen. Die Wasserlöslichkeit von CaCO3 ist sehr schlecht, deswegen zusätzlich 0.34g Calciumcarbonat pro Liter als Kapsel. Einziger Nachteil, da aller Mg aus Chlorid-Verbindung kommt: Chlorid liegt bei 1180mg/l
    4. Andere Möglichkeit bei Mg: transdermale Anwendung mit Magnesiumöl, was an sich dem Baden im Meerwasser entspricht.

  • Ich finde die Na-Werte viel „irrer“

    • Die finden sich aber nur in dem nativen Wasser…;-)
      In jenem in der Studie verwendet „aufgereinigten“ (balancierten) Wasser ist der NaCl-Gehalt geringer als in manchen Supermarkt-Wässern.

      Solch hohe NaCl-Werte würde der Körper in hohen Mengen wohl auch nicht tolerieren ohne massiv hypertonisch zu dekompensieren.

      Interessant ist das Fehlen der Bikarbonatwerte. Das Wasser wäre somit vom pH sehr sauer….Das SO4- wurde als Anionenquelle ja auch herausgereinigt.

      Übrigens enthalten auch diverse Gebirgsquellen in den Alpen fast vergleichbar hohe Mineralwerte. Im Engadin gibt es eine Quelle mit knapp 500mg Mg2+ auf den Liter aber auch 5g! HCO3- .

      Grüße

      • So ein Gebirgsquellen-Wasser mache ich mir regelmässig selber.
        Mineralwasser kalt stellen (man könnte natürlich auch ein Sodastream-Gerät nehmen, wenn man sowas hat), damit beim Öffnen nur wenig CO2 verloren geht, dann 2 gehäufte Teelöffel Mg-Carbonat rein, zuschrauben, umschütteln und 2 Tage warten, bis sich das reaktionsträge Zeugs umgesetzt hat. Dann habe ich habe ich auch viel Magnesium und viel Bikarbonat, und der Sprudel ist natürlich weg. Das ist aber auch gut, da wir ja seit kurzer Zeit wissen, daß Sprudelwasser dick macht…

        https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28228348

        Grüße
        Ashton

        • In der zitierten Studie ist nicht erkennbar, dass Sprudelwasser dick macht.
          Es ist die Rede von verschiedenen, mit Kohlensäure versetzten Getränken (carbonated beverages, gaseous beverages) – auch von Soft-Drinks und ausdrücklich nicht nur von Wasser.

          Für mich ist aus dem Abstract nicht ersichtlich, um welche Art Getränke (reines Wasser, SoftDrinks mit Zucker/Zuckarten/Süfstoffen/Farbstoffen/Säuren etc) es sich genau handelt und was für einen Effekt die einzelnen Getränke generieren.

          Woher will man dann differenzieren, dass die Kohlensäure der Faktor für den Ghrelinanstieg und insbesondere die beschriebene Leberverfettung sein soll?
          (Jeder der hier mitliest weiß ja sicherlich, dass HCFS-reiche Softdrinks in jedem Fall zu einer Verfettung der Leber führen – und diese sind mehrheitlich karbonisiert).

          Gruß

          • Stimmt, es ist aus dem Abstract nicht ersichtlich. Ich hatte keinen anderen Link zu dem Artikel. In dem Artikel wird das natürlich noch genauer beschrieben.
            Die Getränke waren Wasser, RCB (regular carbonated beverage), DCB (diet carbonated beverage) und DgCB (degassed RCB). Am Ende war der Lipidgehalt in der Rattenleber bei RCB und DCB grob doppelt so hoch wie bei der Kontrollgruppe mit Wasser. Bei den Ratten, wo das CO2 aus dem Getränk entfernt wurde war der Lipidgehalt etwas höher im Vergleich zur Wassergruppe, aber immer noch viel niedriger (vielleicht ca. 60%).
            Die Ghrelin-Sekretion wurde am Rattenmagen gemessen (ex vivo). Das Bild sah ähnlich aus, DgCB etwas höher als Wasser, RCB und DCB ungefähr Faktor 3 höher, wobei DCB noch etwas höher als RCB war.
            Außerdem findet sich auch noch eine Grafik zu einer Ghrelin-Messung (Blutwert) an Menschen. Die bekamen 1 Stunde nach dem (gleichen) Frühstück 330ml eines Getränks. Die Wassergruppe hatte den niedrigsten Ghrelin-Wert, DgCB ungefähr Faktor 2 höher, während die anderen Gruppen Faktor 4-5 höher lagen.
            Diesmal auch dabei: CW (carbonated water), was noch einen Tick höher lag als RCB/DCB. Auch hier wieder DCB etwas höher als RCB.
            Natürlich war mein letzter Satz mit dem Sprudelwasser etwas plakativ und auch ein wenig humorvoll gemeint, aber ein bißchen was scheint schon dran zu sein.

            Grüße
            Ashton

  • Ich will jetzt aber lieber Tiefseewasser als Magnesium! ;-) Das klingt viel zu banal und simpel, Tiefseewasser klingt toll! ;-)

Leave a Antwort:

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .

Site Footer