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Der wichtigste Stoff für den Fettstoffwechsel?

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Der vielleicht wichtigste Nährstoff für einen funktionierenden Fettstoffwechsel? Welcher könnte das sein? Wir machen es kurz: Wir sprechen vom Cholin. Gilt mittlerweile als essentieller Nährstoff. Hintergrund ist, dass der Körper Cholin eigentlich selbst synthetisieren kann. Das reicht aber nicht. Zudem haben 70-90 % der Europäer Genvarianten des Cholin-bildenden Enzyms (PEMT), das die Aktivität zusätzlich deutlich senkt.

Seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit mehr als einem halben Jahrhundert, weiß man, dass ein Cholinmangel die Leber fett macht. Ohne Cholin kriegt die Leber das Fett nicht los. Was man wissen muss: Aus Cholin macht der Körper das Phospholipid Phosphatidylcholin, das essentieller Bestandteil unserer (Zell-)Membranen ist. Auch die Transportschiffchen, die Fett aus der Leber in den Blutkreislauf transportieren, sind von so einer Lipidhülle umgeben. Fehlt Cholin, können diese Transportschiffchen nicht gebaut werden. Entsprechend dachte man lange, das sei der Grund für die Verfettung der Leber bei Cholinmangel. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit.

Schon 1953 erschien eine bahnbrechende Studie im weltbesten Wissenschaftsjournal Nature. Dort steht geschrieben:

Der lipotrope Effekt von Cholin wurde im Allgemeinen durch die Annahme interpretiert, dass Fettsäuren in Form von Plasmaphospholipiden aus der Leber transportiert werden. Die Rolle dieser Verbindungen für den Transport von Fettsäuren wurde jedoch in Frage gestellt. Die hier vorgestellten Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass Cholin durch die Förderung der Oxidation von Fettsäuren in der Leber wirkt.

Ach so! Cholin wirkt vielleicht doch nicht „nur“ dadurch, dass es hilft, die Fette aus der Leber zu transportieren. Die Ergebnisse dieser Arbeiten zeigten in eine ganz andere Richtung: Cholin schien die Fettsäuren-Oxidation in der Leber direkt anzuheizen. Heißt: Fehlt Cholin, kann die Leber diese Fette nicht los werden. Doch was ist dran an dieser Aussage? Untersucht hat man das beispielsweise 2014 an menschlichen Leberzellen. Die hat man mit Energie überfrachtet und geguckt, was bei unterschiedlichen Cholinkonzentrationen passiert. Resultat:

  • Cholin wirkt der Verfettung, der Bildung von freien Radikalen und dem Abfall der mitochondrialen Leistungsfähigkeit entgegen.
  • Es aktiviert den Zellschalter PPARalpha, der zentral für die Aktivierung des Fettstoffwechsels ist.
  • Folglich erhöhte Cholin Enzyme des Fettstoffwechsels (CPT1und senkte Enzyme der Fettneubildung (FAS).

Ähnliche Ergebnisse wurden 2019 in einer anderen Studie veröffentlicht. Auch dort hat man sich angeschaut, was mit Leberzellen passiert, die mit Energie in Form von Fettsäuren (die bei dir und mir aus dem Speck oder der Nahrung kommen) passiert. Sie fanden heraus: Eine hohe Konzentration von Fettsäuren bremst AMPK aus. Kenner wissen: Ohne AMPK kann der Körper nicht abbauend (katabol) werden, sprich auch Fette nicht loswerden. Auch hier war Cholin extrem nützlich:

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die hochdosierten Fettsäuren (…) den Fettstoffwechsel durch Beeinträchtigung der Fettsäureoxidation, -synthese und -transportproteine schwächen. Cholin (…) reguliert zentrale Schalter des Fettstoffwechsels durch AMPK-Aktivierung (…), um Fettverbrennung und -transport Leberzellen zu fördern.

Ist das nicht spannend? Doch das ist nicht alles. Denn Cholin wirkt nicht nur auf die Aktivität des Fettstoffwechsels an sich. Ohne Cholin funktionieren auch die Mitochondrien nicht normal – und das ist ja gerade der Ort, wo Fettsäuren verbrannt werden. Man liest in der gleichen Arbeit:

Es gibt zunehmend Hinweise auf spezifische Effekte von Cholin auf den mitochondrialen Stoffwechsel. Ein niedriger Cholinspiegel führt zu einer veränderten Zusammensetzung der mitochondrialen Membranen, einer verringerten Funktionsfähigkeit der Mitochondrien (Membranpotenzial), einer verringerten Energie-Produktion und einer Störung der Fettsäuren-Oxidation bei Ratten, die mit einer cholinarmen Diät gefüttert wurden.

Dass das ganze globale Auswirkungen hat, wurde auf einem Symposium von einer kanadischen Wissenschaftlergruppe um die Forscherin Laila Cigana Shenkel erörtert, die ihrerseits schon ein paar Studien zur Wirkung von Cholin veröffentlicht hat. Sie kommt zum Schluss:

  • Cholin-Supplementierung reduziert Hypertriglyceridämie, Fettleber und Fettleibigkeit
  • Der Reduktionsmechanismus umfasst die Stimulation der Lipolyse (Fettsäurenfreisetzung aus dem Fettgewebe) und der Fettverbrennung.
  • Die Cholin-Supplementierung verbessert das Verhältnis von Membranfetten.

Und wenn sich der eine oder andere jetzt fragt, ob diese Mechanismen auch und speziell für den Muskel gelten, wo der Körper ja ohnehin die meisten Fettsäuren umsetzt, dem sei gesagt:

Überraschenderweise reicherten auch die Muskelzellen Fette in Form von großen Lipidtröpfchen an. Diese Fette stammen von Fettsäuren aus dem Fettgewebe und sind das Resultat eines langsameren Fettstoffwechsels bei Cholinmangel. In dieser Studie wurde zum ersten Mal festgestellt, dass die Verfügbarkeit von Cholin die Zusammensetzung der Muskelmembranlipide und den zellulären Lipidstoffwechsel beeinflusst, und sie unterstreicht die Bedeutung von cholinreicher Nahrung für eine gute Muskelfunktion.

Heißt: Nicht nur die Leber wird fett bei niedriger Cholinzufuhr, sondern auch der Muskel. Sind das nicht sensationelle Erkenntnisse, die jetzt sofort auch dein Leben maßgeblich beeinflussen könnten? Denn jetzt kommt der Punkt, sozusagen die „Pointe“: Es gibt nur wenige wirklich gute Cholin-Quellen in der Nahrung. Pflanzliche Lebensmittel sind bis auf wenige Ausnahmen (Soja- und Sonnenblumenlecithin) generell sehr cholinarm. Cholin kommt hauptsächlich in tierischen Quellen vor, allen voran Eier und Leber. Ein Ei deckt ca. 25 % des Tagesbdarfs an Cholin100 g Leber decken den Tagesbedarf sogar gänzlich. 

Jäger und Sammler scheinen um diese Kostbarkeit zu wissen. In einem Youtube-Video, wo die Hadza besucht werden, hört man:

Okay, ich weiß nicht, was es mit der Leber auf sich hat, aber es scheint für jede Kultur auf diesem Planeten zu gelten, egal ob in Sibirien oder in Tansania: Leber ist eine der ersten Dinge, die man immer isst. Es ist wohl immer das beste Teil des Tieres.

Auf der anderen Seite gibt’s in unserer Gesellschaft aktuelle Ernährungstrends. Immer diese „Trends“. Jedenfalls erschien erst 2019 ein Artikel im British Medical Journal, der titelte: „Could we be overlooking a potential choline crisis in the United Kingdom?“ Die Autorin Emma Derbyshire stellt fest, dass die Cholin-Zufuhr in quasi allen westlichen Nationen zu kurz kommt, und merkt an:  „Dies ist (…) beunruhigend, da die derzeitigen Trends offensichtlich in Richtung pflanzliche Ernährung gehen.“ … was die mögliche weitverbreitete Unterversorgung noch verstärken könnte.

So schließt sich der Kreis. Cholin ist essentiell. Better watch out … dass du genug davon kriegst. Denn… mit einem Cholin-Mangel spaßt man nicht – hier geht’s zu unserem Blog-Artikel zu Cholin.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

8 comments On Der wichtigste Stoff für den Fettstoffwechsel?

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