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Milchprodukte und Fettverlust

Zu Milchprodukten darf man ein ambivalentes Verhalten haben.

Die Gründe haben wir vielfach erläutert, zum Beispiel hier. Nichtsdestotrotz will ich hier nochmal ein gutes, plakatives Beispiel erläutern, über das ich kürzlich gestolpert bin.

The Good

Halten wir zunächst einmal fest: Vor etwa 20 Jahren hat ein Forscher namens Michael B. Zemel von der University of Tennessee (Knoxville) ganz wichtige Studien zum Thema „Milchprodukte in der Diät“ geliefert.

In einer Humanstudie (RCT) an Übergewichtigen zeigte er 2004 beispielsweise:

Die Patienten, die die Standarddiät erhielten, verloren 6,4 % ihres Körpergewichts, was sich bei der kalziumreichen Diät um 26 % auf 8,6 % und bei der milchproduktreichen Diät um 70 % auf 10,9 % des Körpergewichts erhöhte.

Gleichermaßen stark stieg der Fettverlust unter der calcium-, aber mehr noch unter der milchproduktreichen Diät an. Die Forscher folgerten, dass Calcium ganz nett in der Diät sei, aber „Molkereiprodukte eine wesentlich stärkere Wirkung ausübten.“

Man kann also festhalten, dass Calcium in der Diät eine stark positive Wirkung auf den Körperfettanteil hat, während (calciumreiche Mager-)Milchprodukte diesen Effekt zusätzlich verstärken.

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Calcium verstärkt die Effekte einer Diät, was durch Milchprodukte noch übertroffen wird. 

Zemel hat dieses Thema intensiv erforscht, und den Effekt in mehreren Tier- und Humanstudien verifizieren lassen. Er hat sogar molekulare Ansätze als Begründung geliefert, was wir z. B. in unserem „Stoffwechsel beschleunigen“-Buch genauer erklärten.

Der Grund, warum Milchprodukte, die bekanntermaßen viel Calcium liefern, den Gewichts- bzw. Fettverlust zusätzlich ankurbelten, dürften die außerdem enthaltenen bioaktiven Komponenten sein, etwa:

The Bad and The Ugly

Gleichwohl gibt es eine robuste Datenlage, die darlegt, dass Milchprodukte eine Quelle für hoch bioaktive miRNAs – kurze „Gen-Schnipsel“ – sind, die die Genregulation in unserem Körper in manchen Bereichen zu unseren Ungunsten regulieren.

Ein Effekt davon möglicherweise: Hohe Insulinwerte bei Milchkonsum (mehr dazu hier).

Denn die Aufgabe der Muttermilch ist gerade nicht, ein dünnes Kälbchen zu haben, sondern im Gegenteil, Katabolie (Fett- und Muskelabbau) zu hemmen und Anabolie (Fett- und Muskelaufbau) zu speisen. Auch auf dieses Thema sind wir hier mehrfach zu sprechen gekommen (z. B. hier).

Anekdotische Evidenz zeigt jedenfalls ganz gut, dass selbst dünne Hardgainer mit der GOMAD-Methode aufgehen können wie ein Hefeteig.

GOMAD heißt A Gallon Of Milk A Day. Eine Gallone enthält etwa 3,8 Liter.

Macht etwas mehr als 2000 Kalorien nur aus (Voll-)Milch. Dieses Wissen scheint man auch in manchen afrikanischen Stämmen zu nutzen, etwa bei dem äthiopischen Bodi-Stamm:

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Doch man braucht sich mit Milchprodukten nicht aktiv zu mästen. Das zeigt ein ganz gutes Beispiel eines (stark) übergewichtigen Youtubers. Der hat nämlich mal gepostet, wie viele Kalorien er zuführt und wie:

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Eine Auflistung der verzehrten Speisen ohne konkrete Mengenangaben. 

Kurzum: Dieser fettmachende Ernährungsplan wäre ohne Extrafett – also Extrakalorien –, gerade in Form von Milchfetten, gar nicht möglich. Außerdem würde das Essen ohne Milchprodukte vermutlich weit weniger appetitlich schmecken.

Hier wird die „duale Rolle“ der Milchprodukte im Kontext unserer Ernährung ziemlich klar: Während sie sinnvoll in einer Diät eingesetzt – z. B. als Joghurt – möglicherweise helfen könnten, können sie umgekehrt ungesunde Effekte eines westlichen Lebensstils befeuern bzw. überhaupt erst ermöglichen.

Das muss aber nicht mal der klassische ungesunde Lebensstil sein. Der Gouda interessiert sich herzlich wenig dafür, ob du ihn als Bestandteil einer „traditionellen Ernährung“ oder als Käsedip für die Chips verwendest.

Einfach nur, weil sie eine appetitliche, einfach verfügbare Fettquelle sind, die zudem hauptsächlich aus der „stoffwechselverlangsamenden“ Palmitinsäure (gesättigte Fettsäure) bestehen.

Halten wir fest

Menschen fragen so oft nach dem einen Weg. Merken wir auch immer bei unseren Posts: Es muss möglichst plakativ und kontrastreich sein, damit es das kollektive Nicken gibt. Menschen sind stets auf der Suche nach einfachen Zugängen.

Manchmal gibt es die aber nicht. Speziell im Bereich Ernährung, die so stark von der individuellen Genetik abhängt, wie es ja der Beitrag hier schon … plakativ … andeutet.

Wer glaubt, Milchprodukte (immunologisch) zu vertragen, also keine Hautausschläge, Juckreize, depressive Verstimmungen, dünne Stuhlgänge, Antriebs- bzw. Energielosigkeit, unklare Gewichtszunahmen etc. davon trägt … wird vielleicht davon profitieren können.

Auf wen das nicht zutrifft, dem schaden sie möglicherweise. Das wiederum lässt sich einfach feststellen. 30-60 Tage mit und ohne Milchprodukte.

Diese begrenzte Maß an Flexibilität sollte man von Ernährungs- und Gesundheitsinteressierten schon erwarten können ;-) Und dann hat man selbst Hard Facts.

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

4 comments On Milchprodukte und Fettverlust

  • Ich muss zugeben, dass ich oft auch die einfachen Lösungen suche. Ich bin in meinem Leben sehr eingespannt, vorallem durch die Arbeit und lese da sehr viel, dass privat Zeit und Energie fehlen, sich mit den wissenschaftlichen Aspekten tiefergehend auseinander zu setzen. Dass die Hintergründe auch für Laien verständlich erläutert werden, bestätigt mich allerdings jedes Mal wieder darin, auf Aussagen und Produkte von edubily Vertrauen zu können, auch wenn ich, anders als bei diesem Beitrag, oft nicht weiter nachlese.
    Die meisten eurer Beiträge lassen sich mit „Leb gesund, dann wird alles besser“ zusammenfassen. Oft ist mir gar nicht wichtig, welche Krankheit genau besser wird.
    Hilfreich wäre für Leute wie mich daher, wenn ihr eure Beiträge (vorallem auf Instagram) mit einer herausgehobenen Verhaltensempfehlung versehen könntet und in den folgenden Bildern des Beitrags Hintergründe und Folgen dieses Verhaltens zeigt. Z.B. „Iss nur selten Milchprodukte und prüfe durch Verzicht, ob du sie wirklich verträgst“ / „Leber (vorallem vom Rind) liefert dir Vitamin A, wie du es aus keiner Pflanze bekommst“ / „Fleisch hat mehr Vorteile als nur viel Eiweiß, die von veganen ‚Alternativen‘ nicht abgebildet werden“

    • Danke für den Kommentar.
      Ja, wir sehen uns nicht als Ratschlag- oder Empfehlungsgeber, jedenfalls nicht in dem Ausmaß, wie es sich der eine oder andere wünschen würde. Stattdessen erklären wir seit vielen Jahren Hintergründe zu komplexen Themen – so, wie du uns konsumierst, ist das leider nicht zielführend, auch wenn ich dein wertschätzendes Feedback gerne zur Kenntnis nehme.
      Zu deinem Wunsch: Wir haben eine Vielzahl an Beiträgen auf Instagram, die genau diese Themen ansprechen, sogar im Wortlaut. Dass dann ggf. auf der ersten oder letzten Slide nicht explizit steht „iss jede Woche Leber“ fällt für mich in den zumutbarem Bereich des Abstraktionsvermögens bzw. Leseverständnisses (da wir z. B. das Thema Leber gleichermaßen oft behandeln).
      Daher mein Wunsch an dich: Einfach etwas mehr lesen! Wer (wirklich) will, der kann.

  • Das Bild im Titel…fürchterlich. Bei allen aufgezählten (potentiellen) Vorteilen vergeht einem ja die Lust auf Milch-Zeug…

    Sag mal, Chris, hast du das Bild gewählt, weil du ähnliche Erfahrungen machen konntest in der Vergangenheit. (Ich meine, ich kenne das selber, diese Zeit, als alles noch so ‚2012‘ war, die Bewusstheit eingeschränkt, wir liefen alle umher wie in einer Bubble, welche team-andro. und MuscleFitness Zeitschrift für uns erzeugten…)

    Herrlich, es heute doch besser zu wissen. Ich kann nur sagen: Wozu riskieren das mit der Milch? Wenn ich doch genau weiß, daß ein Hähnchen vom Gasgrill, oder ein mit frischen Kräutern und eine wenig buntem Pfeffer gewürzter Hackfleischberg von der Pfanne, mir weder Suchtverhalten die nächsten Tage noch Verdauungsstörungen bereiten wird, und reine harte Muskeln…

    Und überhaupt, wie geil wäre es denn, die Milchindustrie pleite gehen zu sehen? Die sind mindestens genauso böse wie Ölbarone!

    • Hi Dawid,
      nee solche Bilder nutze ich nur aus Spaß an der Freude :-)) Ein bisschen Kontrast tut immer gut! Aber ja, allgemein waren wir alle Mal auf Magerquark und so weiter.
      Über genau das, was du gerade erzählst, habe ich erst neulich intensiv nachgedacht. Der Mensch ist nun mal nicht (per se) rational, sondern (viel zu oft) „anders gesteuert“. Der macht halt oft irgendwas, ohne eigentlich zu verstehen, warum. Aber für das „irgendwas“ findet er oft genug (für ihn plausible) Gründe. Die meisten Menschen werden Milchprodukte also essen, weil sie schmecken – ein Döner ohne Joghurtsauce ist halt gleich kein Döner mehr ;-) Würde man nach den Gründen fragen, käme dann alles, was irgendwie logisch klingt.
      Ich persönlich hab nix gegen ein Stück Rohmilchkäse oder so. Es ist eher so, dass wir überall Zugänge dazu haben und sich viele aus gesundheitlichen Gründen keinen Gefallen damit tun (ohne es zu wissen). Speziell im Bereich Stoffwechselgesundheit.
      Beste Grüße

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