zucker gegen krebs

Mit Zucker gegen Krebs

Ich liebe Gegensätze. Denn sie zeigen auf, dass vieles, vielleicht alles im Leben kontextabhängig ist und dass Scheuklappen – zumindest mit Blick auf die Gesundheit – meistens nicht so nützlich sind.

Die Wahrheit ist, dass es sich oft nur auf den ersten Blick um Gegensätze handelt. Man muss manchmal nur kurz innehalten (Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken) und gedanklich nicht zu schnell abbiegen.

Neue Studie: Fruktose gegen Krebs

wow
Solche Studien machen ganz schnell hellwach! 

Zur Überschrift: Kein Witz. Soeben ist so eine Studie an Tieren im renommierten Fachmagazin Cell Metabolism erschienen, die da titelt:

Dietary fructose-mediated adipocyte metabolism drives antitumor CD8+ T cell responses

Die Überschrift per Deepl übersetzen zu lassen, verzerrt die Botschaft hier. Friemeln wir das mal auseinander:

  • Es hat was mit Fruktose zu tun
  • Adipozyten ist der Fachbegriff für Fettzellen
  • Fruktose (…) „drives antitumor (…) responses“ – Fruktose bewirkt also etwas gegen Tumore
  • Und CD8+ T-Zellen sind T-Killerzellen (auch: zytotoxische T-Zellen genannt), die u. a. virusbefallene und Krebs-Zellen abtöten. Aha!

Wirkt erst mal noch etwas unverständlich. Verständlicher wird es, wenn man etwas über die Anti-Tumor-Immunität und unseren Energiestoffwechsel weiß. Wieder einmal scheinen beide verknüpft zu sein.

Leptin energetisiert auch Immunzellen

Und das geht so: T-Killerzellen werden, wie wir alle, mal müde. Diese Immunspezialeinheiten haben auch nur eine begrenzte Leistungsfähigkeit. Irgendwann sind sie erschöpft.

Das nennt sich T cell exhaustion (wörtl. T-Zell-Erschöpfung). Forscher zeigen nun, dass Fruktose diese Erschöpfung umkehren und diese Zelle energetisieren kann. So, dass die wieder mehr Power haben, um Krebszellen (oder halt z. B. Viren) zu bekämpfen.

Auch das kennen wir: Wenn die Batterien bei uns leer werden, z. B. während einer Diät, hilft ein Leptinboost. Was nutzen wir dafür in der Regel? Genau, Zucker, wovon 50 % Fruktose ist. (Mehr dazu hier, hier und hier.)

Leptin, das hauptsächlich von Fettzellen freigesetzt wird, ist das universelle hormonelle Signal deines Körpers, dass er genug zu essen hat. Die Zellen verstehen das und aktivieren ihren Stoffwechsel, um mehr Energie zu verbrauchen.

Genau das passiert hier: Fruktose erhöht in der Studie die Bildung von Leptin in Fettzellen. Leptin fungiert dann als Signal, um die T-Killerzillen zu energetisieren. Und die belohnen uns mit einer erhöhten Anti-Tumor-Immunität.

Um ihre Story etwas runter zu machen, zeigen die Forscher zudem, dass ein erhöhter Leptinspiegel bei Lungenkrebspatienten mit einer besseren T-Zellfunktion korreliert. 

fruktose überleben tumore
Die verbesserte Anti-Krebs-Immunität durch Fruktose funktioniert nicht bei jedem Krebs gleich gut – bei Zellen vom schwarzen Hautkrebs (Melanom; links) sterben mehr Tiere als bei Lungenkrebszellen (rechts). 

Mehr mTOR, mehr Leptin, bessere Anti-Tumorimmunität

Die Autoren verstehen auch prompt, was sie da herausgefunden haben. Denn genau das, was sie da beschreiben, kennen wir alle, die mal diätet und die Erschöpfung mit einem Refeed umgekehrt haben, ganz genau:

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Fruktose in der Nahrung ein möglicher prophylaktischer Auslöser für die Induktion von Leptin und einer durch Leptin verstärkten Antitumorimmunität sein könnte.

„Prophylaktischer Auslöser“ für die Leptinproduktion in Fettzellen. Heißt bei uns: Refeed.

Für langjährige edubily-Leser gibt es noch eine weitere nette Connection: Denn es ist das durch Fruktose aktivierte mTOR, das die Leptinbildung in Fettzellen antreibt. Auch das hatten wir längst mal besprochen (hier).

Gegensätze sind also nicht wirklich Gegensätze. Der Mechanismus ergibt durchaus Sinn.

Dein Körpergefühl

Doch Vorsicht. Das ist kein Freispruch für die Zucker-Cola oder die Sahnetorte. Denn auch die Autoren legen dar, dass ein chronisches Zuviel an Zucker bzw. Fruktose in der Nahrung auch als Krebsbeschleuniger fungieren kann. Bekannt.

Hier zeigt sich viel mehr die Bedeutung eines weiteren, langjährigen edubily-Puzzlestücks:

Yin und Yang, Zyklen

Du musst anhand deines Körpergefühls verstehen lernen, wann du welche Schalter am besten drückst. Dafür gibt es keine Ratgeber, keine Erklärungen und kein Studienwissen. Leider nimmt uns die in unserem Lande zunehmend gelebte Technokratie dies immer mehr.

Aber solche Studien sind bedeutungslos, wenn du nicht verstehst, wann Zucker für dich okay ist und wann besser nicht.

Wenn du das aber verstehst, gilt für dich vielleicht der Satz:

Fruktose in der Nahrung vermindert den Switch von CD8+ T-Zellen in die terminale Erschöpfung, was zu einer überlegenen Antitumor-Wirkung führt.

Referenz

Zhang et al. (2023): Dietary fructose-mediated adipocyte metabolism drives antitumor CD8+ T cell responses 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

17 comments On Mit Zucker gegen Krebs

  • Ein äußerst interessanter Artikel, bin Krebsbetroffene (Lynch-Syndrom) und werde das noch genauer anschauen. Wenn ich rekapitulieren: habe unter konsequenter Zuckerfreiheit und Lowcarb weitere Krebserkrankung bekommen. Seit langem kein Zuckerverzicht, aber maßvoller Genuß, und mir geht es prima!

  • Habe auch Bücher vom Strunz gelesen, aber auch Dr. Spitzbart und zudem die Blogs von Chis und Phil, finde ich alle sehr wertvoll.

    Ich denke, dass der menschliche Stoffwechsel weiß, warum er die verschiedensten Energiequellen nutzen kann. Von daher ist Glukose/Fructose/Galaktose nicht grundsätzlich schädlich, sondern die „Dosis macht das Gift“. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass man ohne Glukose/ Fructose und Galaktose gesund leben könnte und ist daher nicht essenziell.
    Seitdem ich meine Kohlenhydrate reduziert habe und dafür mehr Proteine zu mir nehme, ist mein allg. Wohlbefinden insbesondere beim Sport wesentlich besser geworden.

    @ Chris wie sieht es eigentlich mal mit einem Blog über Galaktose aus, wäre doch aus sportlicher Sicht auch sehr interessant, da soviel ich weiß, Galaktose die schnellste Energiequelle für die Zellen ist.

    • Bin kein Fan von Galactose. Wie du es ja richtig sagst: Es gibt für Zucker (auch: Galactose!) keine physiologische Notwendigkeit.
      Seit ich aber weiß, dass man Galactose in Tiermodellen nutzt, um eine Alterung zu induzieren, bin ich kein Fan mehr davon.

      • Danke für Deine Antwort.

        Galaktose scheint aufgrund der Tatsache, dass der Mensch Galaktose selber herstellt (endogen) essenziel zu sein. Daher scheint Galaktose gegenüber Glukose/ Fructose sehr wichtig zu sein. Ob es für den Sport geeignet ist, halte ich ehrlich gesagt für PR um Produkte zu verkaufen. Was mich aber interessieren würde, ist, wie reagiert der Stoffwechsel auf viel zu viel Galaktose z. B. wenn man extrem viel Quark/ Milch zu sich nimmt. Was passiert in bzw. mit der Leber?

        Interessant finde ich auch deinen Einwand mit der induzierten Alterung.

        • Hi Tom,
          wenn ein Mensch etwas selbst bilden kann, dann ist es per definitionem nicht essenziell. Darüber hinaus sind Fruktose aber vor allem Glukose weitaus wichtiger als Galactose für sämtliche Stoffwechselwege des Körpers. Zu Galactose kann ich dir nicht mehr sagen an der Stelle.
          Beste Grüße
          Chris

          • Hi Chris,

            Danke, das reich mir schon. Mein Interesse an den Stoffwechselweg des Körpers ist nicht nur sportlicher Natur. Meine Tochter hat Galaktosämie und kann aufgrund eines Enzymmangels Galaktose nur vermindert in den Zellen aufnehmen. Wenn diese Enzyme nicht vorhanden währen, dann würden Gehirnzellen absterben, da diese nicht ausreichend versorgt werden können. Folgen sind Spätentwicklung in der Sprache und Motorik (ähnlich wie Parkinson). Daher versuche ich Informationen über den Stoffwechsel zu bekommen, um das ganze Thema richtig zu verstehen. Da die Pharma kein Interesse hat, passiert da nichts und Ärzte sind unwissend. Ich hoffe daher von der alt. Medizin und die, die Ahnung in Bicho/Chemie haben Erkenntnisse zu erlangen um das Thema besser zu verstehen. Mir ist auch klar, dass Ihr mir nur indirekt helfen könnt. Aber überall, aus jedem Gespräch nehme ich was mit. Natürlich ist das Wissen auch für mich, bei mir läuft auch was nicht rund, wo Ärzte nur mit der Schulter zucken und von irgendwelche Morbus Irgendwas faseln. Allerdings bin ich durch Euren Blogg auf fT3 (T3) gestoßen und lasse das bald klären. Mein Gesamteiweiß ist unter min. obwohl ich bei 70 kg täglich 80 bis 120 g Proteine zu mir nehme. Bisher in Form von Quark, Morzarella, Fleisch oder Euer Whey bzw. Vegan Protein. Bilirubin und Harnstoff etwas erhöht. Aber anderes Thema.

            Gerade ist Euer Buch angekommen „Gesundheit optimieren“ mal sehen was ich daraus mitnehme :-D

            Nochmals Danke für das Gespräch und Infos.
            LG
            Tom

  • Die Forschungen über Galactose/Tagatose – Zucker von Dr. J.F. Coy sind bezogen auf
    “Mit Zucker gegen Krebs” richtig interessant und einer näheren Betrachtung wert.

  • Überraschend, aber gut!
    Es gilt wohl wie immer: Nichts ist nur schlecht, nichts ist nur gut !

  • Toller Artikel und super auch die Verlinkungen zu den älteren Artikeln, das rundet das Verständnis wunderbar ab und hat mir geholfen, mich nochmal in das Thema reinzufuchsen.

    Ich nehme daraus für mich als sportlich sehr aktiven Menschen folgendes mit:
    Zucker gezielt hier und da mal einsetzen. Z.B. an einem Muskelaufbautrainings-Tag, an dem ich, wie ich es immer nenne, ohnehin schon ordentlich geballert (also „gefressen“) habe, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn abends vor der Glotze dann nochmal ein oder zwei Haribo-Roulettes oder ein Magnum dazukommen.
    Ich versuche meine Woche ohnehin so zu steuern, dass ich neben 2-3 Tagen mit relativ hartem Training und viel bis sehr viel Nahrungsaufnahme, 2 Tage dabei habe, an denen ich kalorienrestriktiv und absolut clean esse. Dazu streue ich zwischendurch einen Cardio-Tag mit ner ordentlichen Laufeinheit ein und alles ist gut.
    Dieses Konzept der Zyklen, auf das ich erst durch Euch aufmerksam geworden bin, ist für mich absolut perfekt und im Alltag funktional. Ich echt bin total dankbar, dass Ihr mir damit aus diesen dogmatischen Denkmustern in Sachen Ernährung rausgeholfen habt. Und es macht ja auch einfach sowas von Sinn wenn man mal genauer darüber nachdenkt.
    PS: das muss ich an dieser Stelle erwähnen: Euer Clean-Whey und das Citrullin plus sind wirklich sensationell gut!

  • Strunz Jünger kriegen Schnappatmung

  • Ein ganz feiner Nugget… Très magnifique, merci beaucoup!

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