Heute will ich mal kurz und knackig auf die Genetik der Europäer eingehen. Sie nämlich zeigt sehr schön, warum wir unterschiedlich essen (sollten). Möglicherweise.
Drei Bestandteile in unserer Genetik
Die Geschichte um die Europäer-Genetik ist relativ schnell erzählt. Im Wesentlichen setzt sich unsere Genetik hier aus drei Bestandteilen zusammen:
- Europäische Jäger und Sammler (oft synonym mit Western Hunter Gatherers)
- Frühe Landwirten aus Anatolien (s. g. Early European Farmers)
- Pastoralisten aus der eurasischen Steppe (Steppe pastoralists)
Das Ganze kann man sich so vorstellen:
- Wir haben Jäger und Sammler, die sich vor allem im Zuge des Rückzugs des Eisschilds der letzten Eiszeit vor ca. 20.000 Jahren wieder nach Norden bewegten und Europa besiedelten. Kann man verstehen.
- Des Weiteren gab es eine Massenmigration aus Anatolien – sehr gut belegt ist, dass diese Menschen die Landwirtschaft aus dem Nahen Osten mit nach Europa brachten. Das war vor 8000 (Italien) bis ca. 5000 Jahren (Norddeutschland). Diese Menschen nennt man auch Early European Farmers.
- Zu guter Letzt wurde vor einigen Jahren ein weiteres Mysterium gelöst. Es gab eine zweite große Migrationswelle, dieses Mal aus der eurasischen Steppe, von s. g. Steppen-Pastoralisten aus dem Bereich des schwarzen Meeres, vor etwa 5000 Jahren – besonders dominant hierbei soll die Jamnaja-Kultur gewesen sein.
Am Ende des letzten Gletscher-Maximums vor 20.000 Jahren taucht während des europäischen Mesolithikums eine westeuropäische Linie auf, die als Westeuropäische Jäger und Sammler (WHG) bezeichnet wird. Diese mesolithischen Jäger- und Sammlerkulturen werden in der neolithischen Revolution durch die Ankunft der Linien der Frühen Europäischen Bauern (EEF), die von mesolithischen Populationen Westasiens (Anatolien und Kaukasus) abstammen, weitgehend ersetzt. In der europäischen Bronzezeit kam es in Teilen Europas erneut zu erheblichen Bevölkerungsverschiebungen durch das Eindringen alter nordeurasischer Linien aus den pontisch-kaspischen Steppen.
Diese Migrationswellen sind jeweils auch bekannt als Anatolien- und Steppen-Hypothesen. Jedenfalls im Bereich der Sprachwissenschaft, denn natürlich möchte man gerne herausfinden, woher die indoeuropäische Sprache kam.
Es zeigt sich ein klares Verteilungsgefälle
Interessant ist das, was man im Genom von Menschen messen kann. Man kann die Anteile der drei verschiedenen Bestandteile für jede Population darstellen. Hat man vor einigen Jahren getan, das sieht dann so aus:
Man kann anhand der Abbildung sehr schön erkennen, wie unterschiedlich die Genetik diverser europäischer Populationen zusammengesetzt ist:
- Es zeigt sich, dass der Anteil der Steppen-Pastoralisten-Genetik (Yamnaya) ein Nordost-Süd-Gefälle zeigt, wo die Nordost-Europäer den höchsten und die Sarden den mit Abstand niedrigsten Anteil haben. Dies lässt sich hier nachvollziehen:
- Umgekehrt verhält es sich mit der Landwirt-Genetik – hier zeigt sich, dass die Sarden den mit Abstand höchsten Anteil an Landwirten-Genetik haben, die Nordeuropäer bzw. die Balten den niedrigsten. Dies lässt sich auch anhand folgender Abbildung nachvollziehen:
- Der Anteil an Jäger-und-Sammler-DNA, die ursprünglich in Europa heimisch war, ist generell eher gering und zeigt einen ähnlichen Anteil in verschiedenen europäischen Populationen.
So weit, so gut. Wer lustig ist, kann auf manchen Onlineplattformen (genomelink) sogar den eigenen Anteil schätzen lassen:
… was mich in nord-nordosteuropäisches Gefilde einordnen würde. Ganz falsch würde die Schätzung damit jedenfalls nicht liegen.
Man kann keine Ernährung ableiten, aber…
Klar ist: Anhand dieser Daten lässt sich keine Ernährungsform ableiten. Allerdings sollte man immer bedenken:
- Die Steppen-Pastoralisten waren neueren Untersuchungen zufolge nicht als echte Pastoralisten unterwegs – viel mehr handelte es sich dabei um Populationen, die von östlichen und kaukasischen Jäger-und-Sammler-Populationen abstammten und selbst noch jagen, fischen und sammeln gingen.
- Menschen aus Anatolien, die die Landwirtschaft nach Europa brachten, „kennen“ Landwirtschaft schon seit 10.000+ Jahren. Dies ist bei allen anderen Populationsanteilen nicht der Fall. Die meisten Nord- und Zentraleuropäer tragen einen vergleichsweise niedrigen genetischen Anteil an frühen Landwirten.
Was man also sehr sicher sagen kann, ist, dass jemand mit nordeuropäischer Abstammung ziemlich sicher eine andere Ernährung braucht als jemand, der südeuropäische Wurzeln hat. Ich denke, es ist ganz nett, sowas zu wissen und eine Vorstellung davon zu bekommen, dass wir in Europa weder „alle gleich“ sind, noch in irgendeiner Weise gleich essen können.
Bringt mich zu einem letzten Funfact. Wenn ein Herr Valter Longo aus Italien mit seiner veganen Ernährung („Longevity Diet“) gesund bleibt, dann ist das schön. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht aber höchst fragwürdig, daran abzuleiten, dass dies für alle Europäer oder gar alle Menschen auf diesem Planten gilt.
Referenzen
Wer sich ein bisschen einlesen will, findet
- auf Wikipedia einen passenden Artikel („Genetic history of Europe“),
- oder bei YouTube einen guten Vortrag von Prof. Dr. Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena.
2 comments On Was die Europäer-Genetik verrät
Sehr interessant… Danke!
Spitzen Artikel, Chris! Danke.
Als Hardware dazu empfehle ich das Buch „Die Reise unserer Gene“, ebenso von Prof. Krause, zusammen mit Thomas Trappe.
Gruß Lutz