// Ich möchte euch heute Alexandra vorstellen, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin (Science Writerin) von uns. Mit ihrer herausragenden Ausbildung und vielfältigen persönlichen Erfahrungen, verfügt sie über sehr breites Wissen, das sie in Zukunft auch hier teilen wird. //
Vielleicht ist dir diese Situation bekannt: Du stehst auf und gehst in einen anderen Raum – dort angekommen weißt du nicht mehr, was du machen wolltest. Vergesslichkeit kennen wir alle.
Ähnliche Szenen kennen wir aber auch aus Filmen: Honig im Kopf lässt uns lachen und schlucken, Still Alice zeigt das Zerbröseln eines brillanten Geistes und The Father zieht uns in die verwirrte Innenwelt eines Mannes, der sein Zuhause verliert, obwohl er in seinem Wohnzimmer steht.
Im Kino sind es 120 Minuten, die uns in das Leben mit Alzheimer blicken lassen – im echten Leben sind es oft viele Jahre. Für Patienten und deren Umfeld eine schwere Zeit.
Die nüchterne Prävalenzlage ist schockierend: In Deutschland leben in 2024 rund 1,84 Mio. Menschen mit Demenz – die meisten davon mit Alzheimer; 2021 sind es weltweit etwa 57 Mio. Menschen – 60-70% davon mit Alzheimer. Tendenz steigend: Bis 2050 rechnet man mit rund 139 Mio. Betroffenen weltweit.
Schaut man sich diese Zahlen an, wird schnell klar: von Einzelfällen ist nicht mehr die Rede. Zahlen steigen und wir brauchen neue Anhaltspunkte. Nun rückt eine brandaktuelle Nature Studie in den Mittelpunkt und lässt positiv in die Zukunft blicken.
Der Hoffnungsträger: das Metall Lithium.
Ganz so neu und exotisch ist Lithium in der Medizin allerdings nicht. Bekannt ist es seit Jahrzehnten als Stimmungsstabilisator. Pharmakologisch greift Lithium in mehrere Zell-Signalwege ein:
- Es hemmt GSK-3β, ein Schlüsselenzym für Neuroplastizität und Entzündung. Dadurch wird verhindert, dass sogenannte Tau-Proteine ihre Form verändern und sich verklumpen. So können sie weiterhin ihre Stützfunktion erfüllen, und die Nervenzellen können Nährstoffe und Signale besser weiterleiten.
- Außerdem bremst es einen Kreislauf von Botenstoffen, bei dem Inositol eine Rolle spielt. Das führt dazu, dass weniger Kalzium-Signale im Gehirn ausgelöst werden – und dadurch werden die Nervenzellen weniger überreizt.
Insgesamt beruhigt sich dadurch die überaktive neuronale Kommunikation und Dopamin- und Serotonin-Signale kommen wieder ins Gleichgewicht.
Historisch reicht der Einsatz von Lithium weit zurück: Der Däne Carl Lange experimentierte bereits im 19. Jahrhundert mit Lithium bei periodischen Depressionen, und John F. Cade beschrieb 1949 dessen antimanische Wirkung – der Startschuss für moderne Lithiumtherapie. (Q)
Lithium kann aber noch mehr!
In geringen Dosen kann Lithium…
- die Gefäßfunktion verbessern (Q, Q),
- die Herz- und Skelettmuskulatur resistenter gegen Ermüdung machen (Q),
- Knochenaufbau und -Heilung fördern (Q),
- Insulin-ähnlich wirken und den Blutzuckerspiegel senken (Q ),
- antioxidative Schutzsysteme ankurbeln – Stichwort Glutathion (Q, Q),
- und Entzündungen abschwächen (Q).
Kurz gesagt: Positive Effekte auf Herz-Kreislauf, Muskulatur, Knochen, Stoffwechsel und eine antientzündliche und antioxidative Wirkung sind für Lithium beschrieben.
Spannend! Leider basieren diese Erkenntnisse hauptsächlich auf Zell- und Tierstudien. Die Humanstudienlage ist noch begrenzt und robuste große klinische Studien fehlen.
Bevor wir uns die Erkenntnisse der neuen Studie anschauen, müssen wir erstmal verstehen:
Was passiert bei Alzheimer?
Ganz allgemein entsteht Alzheimer durch Ablagerungen von Proteinen, die schlussendlich die Signalweiterleitung stören. Verantwortlich dafür sind zwei verschiedene Proteine:
- Amyloid-β (Aβ)-Peptide (extrazellulär)
- Tau-Proteine (intrazellulär).
Klinisch zeigen sich dadurch sogenannte Amyloid-Plaques (außerhalb der Neuronen) und neurofibrilläre Tangles (in den Neuronen).

Mit diesem Wissen können wir uns nun der neuen Studie widmen – endlich.
Die Ergebnisse der neuen Nature-Studie
Lithium kommt natürlicherweise im menschlichen Gehirn vor. Das weiß man seit 1983, als Lithium in Autopsien von Gehirnen nachgewiesen wurde. Vor diesem Hintergrund fanden die Forscher aktuell heraus:
- In Gehirnen von toten Menschen mit Alzheimer und einer Alzheimervorstufe MCI (engl. Mild Cognitive Impairment; dt. leichte kognitive Beeinträchtigung) – ist Lithium als einziges Metall verringert.
- Zudem wird Lithium von Amyloid-Plaques gebunden, wodurch seine Verfügbarkeit weiter sinkt. Alzheimer sorgt also dafür, dass ein Mangel noch verstärkt wird.
In einem zusätzlichen Mausmodell haben die Forscher die Auswirkungen eines Lithiummangels weiter untersucht.
- Lithiummangel führt in Alzheimermäusen zu einem signifikanten Anstieg an Amyloid-Plaques; gesunde Mäuse zeigten höhere Aβ42-Spiegel, welche die Plaquebildung beschleunigen.
- Ein Mangel an Lithium kann parallel dazu die Anhäufung von Tau-Proteinen, Entzündungen und den Verlust von Synapsen und Myelin (“Schutzmantel” von Nervenzellen) fördern.
Was 2016 unter Dr. Michael Nehls als Hypothese in den Raum gestellt wurde, wird durch diese Studie nun zu einem potentiellen Puzzleteil in der Prävention von Alzheimer. Aber bevor man jetzt los läuft und Lithium holt, ist noch wichtig zu wissen:
Die Krux!
Jede Medaille hat zwei Seiten, so auch die von Lithium.
In der EU gilt Lithium als Arzneimittel und ist verschreibungspflichtig. Als Nahrungsergänzungsmittel ist es in Deutschland derzeit folglich (noch) nicht zugelassen.
Außerdem hat Lithium ein schmales therapeutisches Fenster, das heißt wirksame und toxische Dosen liegen nah beieinander – von willkürlicher Eigenmedikation ist also abzuraten.
Fest steht: Lithium ist für den Menschen ein wichtiges Metall und spielt – vor allem für die Gehirngesundheit – eine wichtige Rolle.
In Lebensmitteln kommt es allerdings nur in geringen Mengen vor – man müsste sich mit herkömmlichen Lebensmitteln schon sehr viel Mühe geben, um adäquate Lithiumspiegel aufzuweisen.
Wenn du trotzdem von den physiologischen Wirkungen von Lithium profitieren willst, findet man relevante Mengen in bestimmten Heilwässern:
- Hirschquelle – 1,31 mg/l
- Ensinger Schiller Quelle – 0,9 mg/l
- Staatl. Fachingen Still – 0,77 mg/l
Die kann man auch ganz legal im Supermarkt erwerben … und so möglicherweise Alzheimer vorbeugen. :-)
1 comments On Lithium: Wiederentdeckte Wunderwaffe gegen Alzheimer?
Super, dass das Thema Lithium jetzt auch bei euch entsprechend publik gemacht wird! Allen Lesern, die durch den letzten Abschnitt des Artikels nun aber zurückhaltend auf die Lithiumeinnahme reagieren, empfehle ich das recht frische Buch „Das Lithium-Komplott“ vom genannten Dr. Nehls. Das hilft beim Einschätzen der Breite des therapeutischen Fensters ;)
Beste Grüße und macht weiter so!