Manchmal im Leben passieren unglaubliche Dinge. So jetzt die Tage geschehen.
Der Kontext
Am vergangenen Sonntag haben wir einen Newsletter rausgeschickt. In dem kritisieren wir, kritisiere ich, die neuen und alten Empfehlungen der DGE, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Zur Erinnerung: Ein hauptsächlich durch Steuern finanziertes Fachgremium, das der deutschen Gesellschaft erklären soll, wie man sich zu ernähren hat.
Dort schreibe ich unter anderem:
- Die Empfehlungen für eine kohlenhydratlastige Vollwertkost mit über 50 % Kohlenhydratanteil ist nicht mehr evidenzbasiert, es fehlen die Alternativen – sprich flexiblere Makronährstoffverteilungen –, die die Wissenschaft längst anbietet.
- Die DGE empfiehlt nur noch ein Ei pro Woche. In einem Podcast mit einem DGE-Wissenschaftler wird dargelegt, dass es dabei ausschließlich um Umweltfragen ging, nicht um z. B. die Cholinzufuhr (Eier gehören zu den wichtigsten Cholinquellen) – die ist in Europa aber nicht gut (siehe hier).
- Die DGE hat soeben ihre Referenzwerte für Jod – die Versorgung der Bevölkerung wird wieder schlechter – und Vitamin E gesenkt. Beide Begründungen dafür kann man nicht nachvollziehen. Die ergeben einfach keinen Sinn.
Im gleichen Newsletter schreibe ich unter anderem über das fragwürdige Vorgehen des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) bei der Berechnung ihrer Höchstmengenvorschläge für Nahrungsergänzungsmittel.
Über das konkrete Vorgehen hatte ich hier mal genau berichtet.
Auf diese Weise soll sich die Bevölkerung z. B. mit 800 I.E. Vitamin D zufriedengeben, während diese Dosis nachweislich nicht ausreicht, um die meisten Menschen gut zu versorgen und die EFSA selbst eine sichere Dosis von 4000 I.E. vorgibt.
Plötzlich kommentiert die EFSA
Dieser Newsletter wurde kräftig verschickt. Einmal sogar an die DGE selbst, die nur lapidaren Unfug darauf antwortete. Der Newsletter wurde außerdem gekürzt und im Blogformat in Englisch von einem Linkedin-Profil geteilt.
Über den bin ich zufällig gestolpert und ich konnte meinen Augen nicht trauen.
Denn darunter hat ernsthaft ein Junior Researcher der EFSA höchstpersönlich kommentiert. Du weißt schon, ein junger, ganz wichtiger Mann mit Kongresspass um den Hals, der für die oberste Behörde für Lebensmittelsicherheit in Europa arbeitet.
Und der schreibt: „I disagree!“. Er widerspricht. Und dann legt er – in Englisch – los.
- Es gebe keine (!) Evidenz für eine unzureichende Cholinzufuhr in Europa. Außerdem müsste man das ja sehen, weil Cholinmangel Muskel- und Leberfunktionsstörungen mache.
- Vitamin D bringe nix, auch wenn manche Studien was anderes sagen.
- Vitamin E finde man ja reichlich in Pflanzenölen.
- Der RDA-Wert sei so konzipiert, dass der größte Teil der Bevölkerung dann ausreichend mit einem Nährstoff versorgt sei.
- Ratschläge von einer NEM-Firma sollte man eh nicht annehmen.
An diesen Aussagen ist vieles falsch oder verkürzt. Aber die EFSA höchstpersönlich muss es ja wissen – denken sicher viele Leute.
Meine Richtigstellung hatte ich schon formuliert, da ist mir das Handy ausgegangen. So soll es sein.
Fairerweise müssen wir der EFSA an der Stelle natürlich noch zugestehen, dass ein vermutlich Mitte-20-jähriger angestellter Forscher nicht die ganze Institution repräsentiert.
Es gibt mittlerweile … KI
Jetzt kommen wir aber zum entscheidenen Punkt. Ich weiß, dass ich recht habe. Weil ich ja beispielsweise nicht einfach so behaupte, dass wir schlecht mit Cholin versorgt sind.
- Es gibt erstens eine robuste Datenlage, die zeigt, dass der Körper die benötigte Menge selbst nicht herstellen kann (Stichwort Depletionsstudien, PEMT-Polymorphismen).
- Zweitens gibt es ja Studien, die genau darlegen, dass wir Europäer sehr wahrscheinlich teilweise deutlich zu wenig Cholin zuführen („keine Evidenz!!1“).
- Und drittens mehren sich doch die Studien, die uns genau erklären, dass Extra-Cholin protektiv wirkt. Will man das nicht haben?
Früher hätte mich das extrem geärgert. Weil ich das Gefühl habe, dass mir Unrecht getan wird. DGE, BfR, EFSA – das sind Autoritäten und der Autoritätsstempel wirkt. Was die sagen, muss stimmen.
Heute läuft das aber ein bisschen anders. Die Welt hat sich verändert und das ist mehr als eine Kampfansage an die wissenschaftliche Obrigkeit.
Die nennt sich KI.
Ich gleiche mittlerweile nahezu alles, was ich im Bereich Wissenschaft behaupte, mit einem Deep Research ab. Ich doppelchecke also alles, was ich recherchiere nochmal mit einer intensiven KI-Recherche.
Mir ist wichtig, dass Plausiblität passt und dass Gedankengänge mindestens einmal ordentlich durchgespielt sind. Natürlich habe ich genau das auch vor dem besagten Newsletter getan.
Die KI und die Wahrheit
Mich wundert an der Stelle, dass Menschen nicht einfach den Kommentar dieses EFSA-Juniors mit der KI gegenchecken. Dann müsste ihnen ja was auffallen. Der KI-Check fällt – stark gekürzt – wie folgt aus:
-
- Cholin: EFSA selbst berichtet, dass weite Teile der Bevölkerung die Adequate Intake nicht erreichen – Defizite sind also real, wenn auch oft subklinisch.
- Vitamin D: Große Megatrials zeigen bei Gesunden oft keine Effekte. Bei Personen mit nachgewiesenem Mangel jedoch sehr wohl (z. B. Infektionsprävention, Knochengesundheit). Ein relevanter Anteil der Europäer ist defizitär.
- Vitamin E: Zwar in Ölen enthalten, aber die durchschnittliche Zufuhr liegt in vielen Ländern unterhalb der Empfehlungen.
- DRV-Werte: Diese sichern die Versorgung im statistischen Mittel, berücksichtigen aber nicht individuelle Faktoren (Stress, Genetik, Medikamente, Erkrankungen). Sie bilden außerdem nicht die optimale Zufuhr ab.
- Interessenkonflikte: Diese bestehen im Supplementmarkt, aber auch in offiziellen Ernährungsempfehlungen. Wichtig ist die differenzierte Betrachtung: Supplemente können echte Versorgungslücken schließen.
Kurz: Pauschale Aussagen wie „kein Defizit“ oder „kein Nutzen“ widersprechen den eigenen EFSA-Daten und großen Subgruppen mit Unterversorgung.
Das beruhigt mich. Denn es zeigt, dass die auch von mir befürchtete Technokratie vielleicht ausbleibt – dank einer Technologie.
Dass Wissenschaftler, vorrangig Professoren, wichtige Menschen, echte „Experten“, uns einfach was vom Pferd erzählen, auch wenn die Daten was ganz anderes zeigen, wird bald nicht mehr möglich sein. F… y…!
Manche Zeiten sind bald vorbei!
Ich bin wahrlich nicht schadenfroh.
Aber wir brauchen in Zukunft keine exponierten Menschen mehr, die uns im Namen der „Wissenschaft“ pseudoreligiös die Welt erklären, während sie uns in Wahrheit nur ihre eigene Weltsicht aufdrücken.
Daher sage ich ganz offen: Schafft Empfehlungen – von der DGE, vom BfR –, die ausschließlich von Menschen verfasst sind, ab! Sie sind fehleranfällig, gebiast und schaden sogar vielen Menschen noch!
Ich muss das an der Stelle nicht mal verkünden wie ein Revoluzzer :-) Denn die Zeit läuft gegen solche Leute. Die Zeiten, dass Personen, die sich für besonders wichtig halten, irgendeinen Stuss in die Welt blasen, sind bald vorbei.
Ganz automatisch. Zumindest das lässt sich mich zuversichtlich in die Zukunft schauen.
PS:
Wenn du noch immer nicht unseren Newsletter abonniert hast, solltest du es schleunigst nachholen :-) Den kriegen so weit ich weiß rund 100.000 besonders aufgeklärte Menschen.
7 comments On Plötzlich kommentiert die EFSA
Moin Chris,
ich meide soziale Medien und derartige Plattformen aus verschiedenen Gründen. Insofern mal einfach nur als Vermutung: Wer sagt denn, dass der Junior Researcher wirklich ein jemand von der EFSA war? Vllt. war es auch nur ein Hausmeister aus dem Laden? :)
Auch wenn es leider sehr pessimistisch ist: Ich glaube oder kann nicht mehr daran glauben, dass diese ganzen Vorgaben-Institutionen es wirklich gut mit dem Mensch meinen. Dafür gibt es viel zu viele Störeinflüsse aus Politik, Medien, Ethik und Lobby.
Ich habe mittlerweile gewissen Berührungsängste mit Chatgpt/Gemini abgelegt und profitiere fast täglich von dieser sehr einfachen Informationsbeschaffung. Auch zu Trainings-, Ernährungs- und Supplementthemen kann man sich wunderbar informieren. Klar merkt man hier und da ggf. Lücken aber mit gewissen Vorkenntnissen ist das einfach eine enorme Erleichterung und macht regelrecht Spaß. Insofern sollte man die Antworten als erfahrener Praktiker mit ein wenig Vorsicht aufnehmen und Spielraum für Fehler zugestehen.
Ein PS als kleine Kritik: Ich sehe mich wegen euch gezwungen, mich bei Instagram anzumelden. Ich werd´s vermutlich überleben ;) aber cool wäre es schon, wenn ihr gespiegelt die Inhalte hier auf der Homepage oder im Forumsbereich zur Verfügung stellen könntet.
Weil ein Linkedin-Profil sehr ausführlich gestaltet ist und er überall offiziell gelistet ist.
Ich teile deine Ansicht zu Institutionen. Ich versuche mir seit geraumer Zeit zu erklären, wie es zu solchen Verschiebungen kommen kann – also von eigentlich gut gemeinten Vorhaben zu einer totalen Dysfunktion. Aber das ist ein Thema für sich :-)
Thema KI: Mir ist eine KI, die kleinere Fehler macht, aber objektiv bleibt lieber als Menschen in Gremien, die Unsinn erzählen und die man gar nicht korrigieren kann. Das ist so mein Takeaway.
Zu Instagram: Also wir arbeiten mittlerweile eigentlich nach einem Newsroom-Prinzip. Das heißt, Themen spielen wir möglichst auf verschiedenen Kanälen. Instagram ist halt einfach ein bisschen interaktiver und näher. Solltest du dich extra für uns dort anmelden: vielen Dank!
LG
>Aber wir brauchen in Zukunft keine …
Jupp, herrliche Ansage :-)
„Ob es uns gefällt oder nicht, das alte System wird in der neuen Wettbewerbsumgebung des Informationszeitalters nicht mehr lebensfähig sein.“ — Davidson, Rees-Mogg, „Das souveräne Individuum“
Nice Day!
Puh, also ich will ja nicht abstreiten das KI eine Erleichterung sein kann, beim zusammen Tragen von Informationen, aber das überprüfen ging auch davor bereits. Sofern man sich eben die Mühe gemacht hat und es selbst gesucht hat. Was ja bereits durch das Internet deutlich erleichtert wird.
In wie weit nun die KI bessere Ergebnisse liefert, als die eigenen Recherche würde ich auch nicht pauschalisieren, zumal das ja auch lediglich an der Programmierung und Qualität der Trainingsdaten liegt.
Diese Obrigkeitshörigkeit ist eher ein gesellschaftliches Problem und wird sich nicht durch die KI wirklich beheben lassen, da diese meines Erachtens ein menschliches Problem ist. Da sehe ich dann zukünftig eher das Problem, dass die Menschen alles glauben was ihnen die KI erzählt, was auch nicht besser ist.
Es geht darum, dass man Ernährungswissenschaften – ein Feld, das stark von Ideologie, Politik, auch Wirtschaft und anderen Faktoren geprägt wird – viel wertfreier und neutraler hinbekommt mit KI. Es ist ein dringend benötigter Neutralitätsfaktor. Ich weiß nicht, ob du täglich mit Studien, Studiendatenbanken und wissenschaftlichen Daten arbeitest, aber KI ist hier ein unglaublicher Effizienzfaktor. Beides zusammen ist ein unglaublicher Fortschritt bei der Wissensvermittlung. Genau das wird bald jeder verstehen.
Wie schon oben geschrieben geht es mir nicht darum die, in deinen Worten „Wissensvermittlung“, der KI zu kritisieren, sondern was die Menschen daraus machen.
Andererseits sehe ich eine große Gefahr dadurch das die Menschen auch hier zu Leichtgläubigkeit neigen werden, ähnlich derer die Institutionen oder Titel mehr Wert/Glauben schenken als dem eigenen Verstand/Intuition. Insbesondere dann, wenn die eigenen Fähigkeiten nicht mehr ausreichend sind um eindeutige Fehler der KI und/oder Trainingsdaten und dem entsprechend falscher Ausgabe der Daten, auch wenn die KI nicht halluziniert.
Gerade im Hinblick auf Corona sollte dies Gefahr eigentlich klar und deutlich sein.
Nebenbei bemerkt ist die KI nichts anderes als eine Blackbox, nur der Input und der Output sind bekannt und was dazwischen passiert ist völlig intransparent. Was ich definitiv als kontraproduktiv betrachte. Die Anzahl der Menschen die in der Lage sind den Code einer KI vollständig zu verstehen sind so verschwindend gering, dass das ein großes Problem ist. Damit meine ich Menschen, von denen man das erwarten würde. In diesem Fall KIT Karlsruhe Data Science und Künstliche mit entsprechendem Dr. Titel.
Mir geht es hier nicht darum primär die KI schlecht zu machen, sondern was ich befürchte/sehe was die Menschen daraus machen, deshalb schrieb ich auch „menschliches Problem“.
Ja, ich mein, man sollte Technologien immer kritisch gegenüberstehen. Bzw. ganz generell gesellschaftlichen Neuerungen. Wenn ich z. B. sehe, was das Internet an Gutem aber auch an Katastrophalem gebracht hat, was wir *heute* erst verstehen und wofür wir vielleicht ernsthaft Regularieren brauchen – ähnlich wie das beim Rauchen auch war –, will ich nicht so weit gehen und die KI dahingehend verherrlichen.
Das, worüber ich hier explizit spreche, ist der schmale Korridor des Auswertens von (wissenschaftlichen) Daten. Das kann eine KI jetzt schon erheblich besser als Menschen. Wie gesagt, weil sie neutraler ist, weil sie einen anderen Weitblick hat und weil es ihr im Endeffekt egal ist, was wir damit machen. Wir Menschen fuchteln an wissenschaftlichen Daten oft so lange rum, bis sie das machen, was wir wollen.
Ich würde aber niemals so weit gehen, zu sagen, eine Gesellschaft muss irgendwie von einer KI gelenkt werden. Ich bin ganz allgemein der Meinung, dass viele Menschen das Potenzial der KI auch überschätzen, weil sie Biologie unterschätzen.
LG