Seit über zehn Jahren schreibe ich hier im Blog. Seit über 15 Jahren lese ich täglich Studien.
Täglich. Nur bei einer am Tag wären das schon weit über 5000 Studien.
Real dürften es doppelt oder sogar dreimal so viel sein.
Natürlich hat sich in all den Jahren die Studienlandschaft verändert. Früher waren es coole experimentelle Studien, relativ einfach zu verstehende Mechanismen.
Heute sind wir viel, viel tiefer drin. Jeder biochemische Pfad wird in seine tausend Einzelteile zerlegt – und jedes Einzelteil lässt sich für sich noch einmal genau studieren.
Wir reden zudem von einer exponentiellen Zunahme an Daten. Allein der Begriff „Nutrition“ wirft im Jahr 2010 ca. 19.000 Publikationen ab. In 2025 sind wir nun bei fast 80.000. Jährlich!
Info-Overload wird realer
Soll heißen: Wir Menschlein kommen an unser Limit. Selbst der allerbeste, maximal belesene Kenner ist inzwischen überfordert. Bleiben zwei Folgen:
- Spezialisierung
- Junk-Noise reduzieren – nur noch höchstwertige Magazine lesen
Ich werde immer wieder gefragt: „Siehst du dieses und jenes (was ich z. B. 2015 geschrieben habe) noch immer so?“
Das kann ich in aller Regelmäßigkeit bejahen, denn auch rückblickend lag ich mit meinen „educated guesses“ – ein gewisses Maß an Extrapolation ins Ungewisse gehört einfach dazu – ganz gut.
Das kann man bei der Datenfülle heute sagen.
Gleichwohl gilt für mich, wie für viele andere: Je mehr man weiß, umso klarer wird einem, wie wenig man weiß. Ich muss daher immer schmunzeln, wenn uns Ingenieure die Biologie erklären wollen *hihi*.
2009: Vitamin C und E ganz böse
Ich kann das Phänomen des Nicht-wissens ganz gut an einem Beispiel belegen.
Der relativ berühmt gewordene Michael Ristow – sehr renommierter Forscher an der Charité, einer mit kleingläsriger Brille –, hatte 2009 gezeigt, dass die Antioxidantien Vitamin C (1000 mg/Tag) und Vitamin E (400 IE/Tag) wichtige zelluläre Effekte vom Sport blockieren.
Seitdem hieß es in jedem ambitionierten Forum: Vorsicht vor Antioxidantien rund um den Sport!
Doch was war mit „natürlichen Antioxidantien“ – wie in Obst und Gemüse? Wie kriegen wir die Message denn jetzt an die Menschen verkauft? Im Ärzteblatt hieß es damals:
Der gesundheitsfördernde Effekt von frischem Obst und Gemüse bleibe unbestritten (…)
Na Gott sei Dank. Ristow selbst verteidigte Obst und Gemüse in der Arbeit mit dem ominösen Satz, dass „Obst und Gemüse trotz der enthaltenen Antioxidantien förderlich wirken“.
Neue Studie stellt alles auf den Kopf
Auch ich habe daran geglaubt. Jedenfalls ein bisschen.
Denn auch ich habe immer wieder gesagt: Vitamin C 1000 und Vitamin E 400 – speziell letzteres –, das ist wirklich hochdosiert. Und da ich selbst in einem Labor gearbeitet habe, das die Wirkung von (Anti-)Oxidantien erforschte, wusste ich, wie wichtig Oxidation in der Zelle ist. (Nicht böse!)
Aber so ganz stimmig fand ich die Logik nie, denn die meisten Pflanzenstoffe, etwa Polyphenole – die laut Ristow förderlich sind –, wirken ja selbst eigentlich immer antioxidativ.
Und tatsächlich: Eine Studie mit Ausdauer-Athleten zeigte 2022, dass schon 5 g Kakao täglich die Effekte des Ausdauertrainings hemmen. Bestätigt dann auch an einem Tiermodell. Es heißt:
Unsere Studie zeigt, dass die Einnahme von flavanolreichem Kakao während der Trainingsphase die Anpassung der mitochondrialen Biogenese hemmt, indem sie die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies unterdrückt, ohne die Trainingsleistung zu beeinträchtigen.
Entspannen und zurücklehnen
Wir wissen also, dass wir nix wissen.
Damals ist natürlich jede Zeitung, jeder Professor, jeder Experte auf den Zug aufgesprungen: Antioxidantien ganz böse. Nur die „künstlichen“. Die natürlichen in Obst und Gemüse bleiben förderlich – vielleicht, irgendwie.
Ätschbätsch. Da haut uns der liebe Gott mal wieder den Mittelfinger ins Gesicht: Ihr wisst nix!
Genau an der Stelle würde ich dir daher zurufen: Bitte, bitte mach nicht wieder den Fehler und glaube, dass die bösen Antioxidantien aus Kakao deinen Trainingserfolg zerstören. Denn Kakao selbst steigert ja die Mitochondrienfunktion – jedenfalls in Tiermodellen ohne Sport… :-)
Iss ihn einfach, genieß ihn, hab Spaß im Leben und trainiere. Alles andere ist akademisierter Kokolores. Mein Eindruck.