Wenn es um die Frage geht, wer oder was du bist, wird’s schwierig.
Du bist erst mal das Wesen, das durch die Augen in die Welt blickt. Können wir festhalten.
Man könnte dir beide Beine abschneiden, meinetwegen die Ohren, sogar Teile deines Gehirns – du wärst ja immer noch der, der da in die Welt guckt, lacht, leidet, fühlt.
Aber ab hier wird’s spannend. Denn wenn man *dir* – beispielsweise durch einen Unfall – den präfrontalen Kortex, die Hirnregion hinter der Stirn, zertrümmert, macht das Leben für dich nicht mehr so viel Spaß.
Denn dort wirkt Dopamin. Mit dem präfrontalen Kortext erlebst du überhaupt erst Antrieb, Freude, Rausch – nur dank dieses Bereiches kannst du überhaupt sinnvoll planen und – wichtig – am Ball bleiben.
Du bist also ganz sicher nicht mehr „du selbst“. Also derjenige, bei dem du dich seit Geburt zuhause fühlst. Denn du kennst ja nichts anderes als dein Innenleben. Und das macht … unter anderem dein Gehirn.
Du merkst schon: Man kann das Ich und was dazu gehört, ziemlich differenziert beschreiben. Und man *muss* unterscheiden zwischen dir, der in die Welt blickt, und dem, der du dank deiner Biologie bist.
Bist du dein Gehirn?
Ein bisschen abstrus, um nicht zu sagen, amüsant, lustig, wird es, wenn Techniker, also sowas wie Ingenieure, über Biologie philosophieren. Da muss ein Biologe vielleicht ein bisschen schmunzeln.
Soeben passiert bei Elon Musk. Der trägt vor:
Das menschliche Gehirn ist ein bemerkenswertes Organ.
Wir sind unser Gehirn.
Grundsätzlich kann man eine Herztransplantation oder eine Nierentransplantation erhalten, aber ich kenne niemanden, der eine Gehirntransplantation erhalten hat.
Man ist also sein Gehirn.
Tolle Logik. *Ich* bin ganz bestimmt nicht mein Gehirn. Denn selbst wenn man mir mein halbes Hirn amputiert, dann bin *Ich* ja immer noch da. Nur halt vielleicht verändert in meinem Wesen, also in dem, was ich fühle und was ich der Welt zeige.
Dass Biologen ob der unterkomplexen Sichtweise von manchen Menschen oft ein bisschen schmunzeln müssen, hat auch ein Gerald Hüther erfahren. Selbst erfahren, als Biologe, im Labor. Man höre und staune.
In einem etwas älteren Vortrag (s. unten, ab Min. 4) berichtet Hüther von einem Hiwi, der etwas herausgefunden hat, was er und seine Kollegen mit ihren festgefahrenen Vorstellungen nicht herausfinden konnten.
Hüther et al. wollten nämlich Lerneffekte im (kleinen) Gehirn einer Schabe beobachten. Die glaubten, sie finden diese Lerneffekte vor Ort im Gehirn. Erst der Hiwi, der die geköpften Schaben entsorgen sollte, fand heraus, dass die Schaben auch ohne Gehirn lernen. Ups.
Elon Musk würde – unwissend – sagen: Schaben sind ihr Gehirn. Vielleicht, vielleicht auch nicht ;-) Denn die Schabe hat halt nicht nur Nervenzellen im Kopf, sondern im ganzen Körper.
Das Ich mal anders
Das für mich Erstaunlichste im Leben ist, dass aus dem Nix – dem leblosen Universum – das Ich entsteht. Unglaublich. Wer das ein bisschen weiterdenkt, kann nur zu zwei (vielleicht drei ;-) Schlüssen kommen:
- Jemand hat „uns“ erschaffen. Da sind wir dann beim Glauben. Oder…
- Das Universum selbst ist „Ich“ und folglich bist du das Universum. Im Übrigen wie der Salat, den du isst. Nur, dass der nicht deine kognitiven Fähigkeiten hat.
(Es gibt noch eine dritte Variante, nämlich dass alles eine Simulation ist,..)
Was der Mensch ganz reduktionistisch häufig ganz anders sehen will. Der denkt sich, dass die Kuh kein Ich hat, der tolle Mensch dank seines tollen Gehirns aber urplötzlich … ein Bewusstsein. Ergo, das Gehirn macht mein Ich und mein Bewusstsein.
Apropos Bewusst-sein. Zu verstehen, dass es überhaupt ein Ich gibt, ist Bewusstsein. Nur, weil eine Kuh oder ein Affe kein Bewusstsein hat, heißt es nicht, dass sie kein Ich haben. Der Alzheimerpatient weiß vermutlich auch irgendwann nicht mehr, dass es ein Ich gibt.
Trotzdem hat er eins. Manchmal täte uns eine Prise mehr Demut gut.
 
       
 
 
												 
												
7 comments On Lustige Ansichten
> Apropos Bewusst-sein. Zu verstehen, dass es überhaupt ein Ich gibt, ist Bewusstsein.
Das ist nur EINE von verschiedenen Definitionen. Es kann sehr schwierig sein, über Begriffe wie „Ich“ oder „Bewusstsein“ zu philosophieren, weil diese recht unterschiedlich besetzt sind.
Für mich ist Bewusstsein die Summe aller Wahrnehmungen, die sich also zusammensetzt aus sinnlichen Wahrnehmungen sowie Gefühlen und Gedanken. Sinnliche Wahrnehmungen schließen die Wahrnehmungen des eigenen Körpers mit ein. Gedanken sind audiovisueller Natur, also die Stimme im Kopf, die den ganzen Tag redet sowie Bilder, die gesehen und Filme bzw. Szenen und Bildsquenzen, die gesehen und gehört werden. Gefühle geben dem Ganzen eine Färbung wie z.B. Freude, Angst, Stolz, Geborgenheit. Häufig treten all diese Dinge in typischen Kombinationen auf.
Ein „Ich“ bzw. „Ich-Verständnis“ kommt in diesem Bewusstseinsstrom nur in Form von Gedanken sporadisch vor. Wenn ich gerade völlig in einer Sache aufgehe oder im Flow bin, dann gibt es da kein Ich. Dennoch bin ich ja bei Bewusstsein.
Nun jetzt hast du die Begrifflichkeiten aber etwas vielschichtig benutzt :-) „Ich bin bei Bewusstsein“ ist ja was anderes als „sich seiner Bewusst-sein“ (sic…). Der erste Ausdruck wird eher im Kontext von Medizin genutzt und der letztere ist eher eine Art philosophischer Stellvertreter, im Sinne von „Ich bin mir sehr bewusst über die Dinge, die mich betreffen“.
Im Übrigen hast du dir ja selbst eine Antwort auf deinen letzten Satz gegeben: In dem Moment, in dem du – medizinisch – bei Bewusstsein bist, ist dein ICH voll da. Selbst im Flow, der bekanntermaßen als der höchste Zustand des Ichs und des Seins definiert ist, bist DU ja da. Du schaust ja durch die Augen in die Welt und erlebst den Flow. Nur DU erlebst den Flow. Das „Affengeschnatter“ im Gehirn, also das, was dein Gehirn so rausspuckt, das wird aber etwas in Abseits gedrängt, sodass DU vollkommen BIST. Das ist ja exakt die Zen-Lehre.
Ich denke, man muss einfach die Abstraktion schaffen und das Ich als das definieren, das hier z. B. gerade schreibt und auf die Zeilen blickt. Also die Entität, die *ist*. Alles andere ist Biologie. Aber das, was durch die Augen in die Welt schaut, *ist* einfach nur.
Danke für das verbreiten des Videos. Beim anschauen musste ich, durch aktuelle Entscheidungen der Politik, an die Kindheit der entsprechenden Politiker denken und welchen Druck und welche Angst sie ausgehalten haben müssen um ihre heutige Haltung zu entwickeln. Egal wo ich hinschaue, überall finde ich Menschen, die mir leid tun, da sie nicht anders können als sich zu verhalten wie sie es eben tun, weil die Kindheit sie nichts anderes lehrte. Dein letzter Absatz ist, wie ich finde, aber nicht richtig. Wie kann man annehmen, das Affen und Kühe kein Bewusstsein haben? Affen sind uns sehr ähnlich und bestehen den Spiegeltest, was ja als Beleg gilt. Aber der Spiegeltest wird auch noch nicht die letzte Erkenntnis der Wissenschaft sein.
Ich verstehe deinen Gedanken. Kindheit prägt. Aber sie entschuldigt nicht. Sie erklärt also, warum ein Mensch so wurde, aber nicht warum er so bleibt.
Empathie sollte hier nicht die Ausrede werden, Verantwortung abzugeben…
LG 😊
Ich habe mich auf das Video bezogen, indem erklärt wird, wie Erfahrungen das Sein prägen und wie dem von Außen begegnet werden kann. Wer gelassen seine Umwelt betrachtet, hat Möglichkeiten Wer festgefahren in seiner Angst den eingefahrenen Weg geht, der kann nicht anders. Es erklärt und entschuldigt nichts, aber für den Hirnbenutzer ist klar, das sich von selbst an der eingefahrenen Haltung nichts ändern wird.
PS: ich glaube ihr redet von zwei unterschiedlichen Arten von „Ich-sein“
Bezogen auf das Video: Ja, Kindheit entscheidet viel, oft viel mehr als den meisten einer Lebzeit lang klar ist.
Letzter Absatz: Gibt ja genug Menschen, die abstreiten, dass Tiere ein Bewusstsein oder gar ein Ich haben.
LG