Wir leben im Zeitalter des Internets – noch nie zuvor (in der Geschichte des Menschen) waren wir einer derartigen Datenflut ausgesetzt.
Da stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, wie unser Gehirn, wie wir damit umgehen und vor allem, ob wir überhaupt damit umgehen können. Ich glaube … nein. Aber dazu gleich mehr.
Michael Schürks, unser großartiger Buch-Lektor, hatte zu diesem Thema einen Link zu einem TED-Video gepostet, Thema: „Internet Porn“.
Die Message: Dopamin regiert uns – und schießt – wenn wir uns auf Porno-Seiten aufhalten – so durch die Decke, dass wir süchtig werden, aber … realitätsfremd. Denn: „… in 10 Minuten Internet mehr ‚hot babes‘ als unser Vorfahr in mehreren Leben“ (Zitat) … ja, „sexuelle Idealobjekte“, mit denen wir uns – dank Internet – täglich und massenhaft bombardieren (lassen).
So ähnlich sieht das auch aus, wenn wir uns um Information im Allgemeinen kümmern. Das Internet ist voll mit Information. Das Gehirn liebt neue Inputs. In der Tat ist das wohl „the driving force“ überhaupt … bezüglich unserer Existenz. Es lässt uns leben und gibt uns einen Sinn. „Vielleicht kommt der Moment …“, ja ja dort hinten finden wir bestimmt das Paradies, wir müssen nur durchhalten.
Stichwort Dopamin.
So ist das auch mit euch.
Es gibt generell zwei Arten von Menschen, die diesen Blog besuchen oder schon mal irgendwann besucht haben. (Anmerkung: Fairerweise sollten wir nicht nur das Absolute sehen, sondern auch wissen, dass viele sich entlang eines Spektrums bewegen).
Beginnen wir doch mit denen, die ich besonders mag: Irgendwann landen sie hier auf der Seite, schnuppern ein wenig, finden Gefallen an den Artikeln und nutzen die Informationen für sich. Diese Sorte von Besuchern übertreibt es nicht. Diese Besucher kommen zwar in aller Regelmäßigkeit, aber pflücken sich mal hier, mal da etwas, sind zufrieden und dankbar, dass es nützliche Infos gibt, die man für sich verwenden kann.
Die Kontaktzeit ist entsprechend mäßig, heißt: die besuchen einen Blog nicht extrem häufig (= nicht täglich 20 x), aber eben – wie gesagt – in aller Regelmäßigkeit.
Diese Sorte ist die mäßige Sorte. Diese Menschen werden nichts übertreiben, sondern nutzen alles irgendwie für sich, aber stürzen sich nicht in ein Chaos durch irgendeinen aufflammenden Fundamentalismus. Sie küssen mir nicht die Füße, wenn sie einen guten Artikel lesen, auf der anderen Seite hassen sie mich auch nicht, wenn der Inhalt von 1-2 Artikeln nicht ihrer Denkweise/Meinung/Ansicht entspricht.
Hier eskaliert „Dopamin“ nicht so stark: weder in die eine, noch in die andere Richtung. Hier finden wir kein Dopamin-Extrem im Kopf, wenn etwas gut ist. Auf der anderen Seite können diese Menschen (kognitiv) wunderbar intervenieren, wenn Dopamin aufgrund irgendwelcher „Fehler“ mal abfällt.
(Anmerkung: Warum man nicht richtig denkt und denken kann, wenn Dopamin niedrig ist … ist Thema meines Buches.)
Die andere Sorte Mensch …
Tag 1: „Du bist ‚der Mann'“, „noch nie bessere Artikel gelesen“, „du bist der Beste“, „edubily ist das Beste, was ich je gesehen habe“ … (Es wird fleißig in alle Foren geschrieben [wie toll alles hier ist], ständig werden Artikel von mir zitiert, die Kontaktzeit ist extrem hoch, ggf. wird das ganze Archiv innerhalb weniger Stunden gelesen, es kommt zu Mail-Kontakten, womöglich sogar zur Zusammenarbeit etc.)
Nach einem Monat (- als Kommentar, in diversen Foren o. ä.): „Du erzählst nur Müll“, „… die Inhalte der Artikel sind zu vereinfacht“, „ich kann dieses Gerede nicht mehr hören“ … das sind die, die dann in irgendwelchen Internetforen „cherry picking“ betreiben und Aussagen komplett und in „ihrer Version“ wiedergeben, um zu zeigen, was für ein Müll der jeweilige Blogautor doch so schreibt.
Soll heißen: wenn mir jemand verbal die Füße küsst, obwohl ich das nie wollte, dann weiß ich genau, dass dasselbe Extrem in einigen Monaten nochmal auf mich zukommt, nur eben im Gegenteil: der Hass.
Diese zweite Sorte Mensch kam schnell … und geht schnell wieder. Die sind das, was ich als „Hopper“ bezeichne. Meistens diejenigen, die ständig nach der „Wahrheit“ suchen, die ständig nach „der neuen Abnehm-Methode“ oder nach der neuen, besten Trainings-Routine suchen.
Heute ist Blog XY „in“, dann stoßen diese Menschen (als Beispiel) auf edubily, Blog XY wird abgelöst und „gehasst“ (weil edubily sagt ja, als Beispiel, gesättigte Fette seien nicht so gut) und übermorgen ist es dann Blog AB, der doch gerade besser ins eigene Weltbild passt – dann ist edubily natürlich $/§“!?%§, denn „ich habe gerade die Wahrheit entdeckt und musste feststellen, dass edubily nicht die Wahrheit artikuliert.“
Das sind auch die Menschen, die – wenn sie hierher kommen – 20 verschiedene Ergänzungsmittel einnehmen (man will ja schnellstmöglichen Erfolg) und dann nach 2 Wochen sagen: $/§“!?%§ Citrullin, hatte keinen besseren Pump im Fitness-Studio …
Natürlich sind die dann enttäuscht und ich, als „edubily-Chris“, erzähle Blödsinn und … „das mit Stickstoffmonoxid ist ja sowieso nur an Tieren getestet“ – an die Stelle von „ist ja sowieso nur an Tieren getestet“ kannst du jegliches Gedankengebilde einsetzen, das das eigene Denken rechtfertigen soll.
Im Prinzip ist jeder von euch anfällig für ein derartiges „Hopping-Verhalten“. Das liegt in deiner Natur. Nach einigen Tagen hat sich das Gehirn gewöhnt an die Inhalte hier, an meinen Schreibstil, an meine Denkweise, an meine Lieblingsthemen … etc.
Dann flacht der Kompensationsmechanismus im Gehirn ab.
(Anmerkung: Es sei denn, ich verkünde jeden Tag Sensationsmeldungen – aber … dann würden wir natürlich lügen. Jetzt weißt du auch wie Medien gemacht werden … – das geht auf die Dauer also ebenfalls in die Hose.)
Das kennst du von deiner Freundin (Frau) bzw. deinem Freund (Mann). Wenn du verliebt bist, dann kannst du sie/ihn jeden Tag sehen, dann willst du es. 3-6 Monate Dauerkontakt, 24/7.
Tja … danach, das weiß jeder, muss man sich ein bissel anstrengen. Dann flacht der Kompensationsmechanismus im Gehirn ab und man muss konzentriert sein, man muss sich konzentrieren auf das Beziehungsleben. Man muss denken, man muss sich aktiv (!) fokussieren auf das Gute, man muss mit sich selbst reden und sich selbst zeigen, was man eigentlich „gut“ findet. Das ist anstrengend, ich weiß.
Das ist nicht (= weniger) der Fall, wenn … wir die Kontaktzeit verringern. Wenn wir uns weniger oft sehen. Dann bleibt das Interesse erhalten und wir können uns immer wieder neu darauf einlassen (und erfreuen).
Das wird umso relevanter, je mehr wir Dopamin-süchtig sind. Viel Dopamin(-Abhängigkeit) und wenig gedankliche Intervention = Chaos.
Daher muss ich immer schmunzeln, wenn ich – aus der Ferne – so ein Verhalten von einigen (wenigen) meiner Besucher erleben kann. Erst rast Dopamin durch die Decke und nach wenigen Wochen ist das hier alles … „so normal“. Und klar: Wer dann nicht mental eingreift und sich daran erinnert, dass das hier Qualität hat, der springt zum nächsten Blog und dort wird dasselbe Verhalten an den Tag gelegt, immer auf der Suche nach der Wahrheit … denn die Wahrheit würde uns ja tief befriedigen.
Umgekehrt weiß ich, ähnlich wie in einer guten Beziehung … Leute, die monatelang kommen, am besten mit einer „mäßigen“ Kontaktzeit, die werden diese Arbeit hier auch weiterhin wertschätzen und sich das pflücken, was sie für ihr eigenes Leben brauchen. Glücklicherweise ist das die Mehrzahl der Besucher (dazu siehe unten).
Wie ein Selektionsprozess – derjenige, der auch nach Monaten regelmäßig einen Blog besucht, ohne dabei einem Extrem zu verfallen, gehört einer Sorte Mensch an, die sich kontrollieren kann, die sich mäßigen kann und weiß, dass es nicht „die Wahrheit“ gibt … dass es nur realistische Ziele gibt.
Das sind auch die, die einem nicht jedes Wort im Mund rumdrehen, sondern genau wissen, warum man etwas so macht wie man es macht.
Consistency – „Dabeibleiben“. Ein Fremdwort für uns, aber der Schlüssel zum Erfolg.
Kleines Schlusswort noch: Wir von edubily, insbesondere ich (Chris), sind so froh über die tolle Entwicklung hier und über jeden Besucher, dem wir etwas Gutes tun können und der uns etwas Gutes tut mit Hilfe von netten Worten, konstruktiver Kritik, Vorschlägen etc. Daher bin auch froh, dass sich edubily gerade durch die hohe Besucher-Qualität auszeichnet. Vielen Dank an dieser Stelle.
PS. Erkennst du das „Power Law“?
19 comments On Die Psychologie der Blogbesuche – Dopaminsucht?
Genial wäre auch statt dem forum es einfach hier zu schreiben weil man dann direkt die meinungen und fragen hat sowie es bleibt dann dieses suchen und finden aus.
Nur.ne meinung
Lg
Servus Vera,
wir haben es im Menü verlinkt oben rechts. Sonst auf der Startseite! :)
VG
Heute kann ich irgendwie das Forum nicht finden!! Jetzt merke ich, daß ich auch süchtig bin- und auf Entzug!!
Was ist passiert – Hilfee!
LG Vera
Moin, moin, Chris,
zu welcher Gruppe gehörst Du (Du bist ja selbst, so schreibst Du, der Dopamin-Typ)? :-).
Ich bin zwar, so ähnlich wie Christine, „immer“ auf der Suche, versuche aber dabei, einigermaßen entspannt zu bleiben. Klar, recherchiere ich viel, insb. im Netz, und probiere Einiges an mir aus. Aber meine Quellen wechseln nicht ständig. Dein Blog ist auf jeden Fall mit dabei :-).
Dass ich die letzten Tage jeden Tag auf Deiner Seite war, liegt daran, dass ich noch auf Deine Antwort auf meine Frage im Beitrag „Was die Muskelfaser für …“ warte :-).
Mach bitte weiter so!
Viele Grüße, Peter.
Hallo Peter,
interessanter Input von dir!
Du hast mich ertappt. Klar – Dopamin kann viel leisten, hält einem am Leben und ist wohl auch der Grund, warum ich allgemein nicht zu depressiven Verstimmungen o. ä. neige, aber ja: ich muss mich auch drosseln.
Ich liebe „Lernen“ und die Informationsvielfalt im Internet, allerdings bin ich sehr lange „im Geschäft“ und kann mittlerweile gut abschätzen, wie die Medienmacher mit uns und dieser Dopaminsucht spielen. Außerdem bin ich soweit, dass ich weiß, dass es „die Wahrheit“, den heiligen Gral nicht gibt.
Und: ich habe gelernt in meinem Kopf zu intervenieren und bin meinem Dopamin-Haushalt nicht so ausgeliefert. :-)
Insgesamt sind wir uns da ziemlich ähnlich, glaube ich.
Spannend jedenfalls!
Ich suche mal deinen Kommentar :-)
Chris, ich würde mich an deiner Stelle nicht so aufregen über Gruppe 2.. :-)
Du weißt doch, dass du gut bist… ;-) Steh drüber und laß sich Gruppe 2- Angehörige doch einfach selbst mit ihrer Dopamin imbalance quälen… ;-)
Und wie kommt man als Hopper von seinem Trip wieder runter? Also mit welchen Mitteln bringt man seinen Dopamin-Haushalt wieder in die Balance? Entzug? Knallharte Selbstreflexion?
Wenn wir beim Beispiel „Internet Porn“ bleiben, dann heißt es … totale Abstinenz. Das lässt sich aber halt nicht vereinbaren, da die Info-Beschaffung ja Teil des Berufsalltags ist (im Vgl. zum Porno-Gucken).
Vielleicht mal eine bewusste Selektion durchführen. Bewusst auch mal Informationsquellen meiden, die nicht einem aktuellen Ziel dienen.
Und was kann man nun dagegen tun, wenn man zur 2. Gruppe gehört?
Das ist eine ernstgemeinte Frage.
Gehörst du sicher zu den Menschen, die heute etwas in den Himmel heben und morgen hassen?
Und: Immer bedenken, dass ich gerade zwei „Absolut-Werte“ des Spektrums beschrieben habe. Es gibt sicherlich auch Mischformen :-)
Hm, also ich sage es mal so. Die „Richtung“ ist schon seit einer Weile konstant, aber trotzdem lese ich mir viel zu viel an und ich bin wirklich immer aus der Suche nach „DER“ Wahrheit. Dann bin ich vielleicht am oberen Ende Deiner Skala, aber meine Frage war wirklich ernstgemeint. Angenommen mit meinem Dopaminsystem stimmt was nicht, und bin schon perfekt organisiert hinsichtlich NEMs, was dann? Manchmal frage ich mich, ob ich nicht einfach mal alles weglassen soll, und mir verbiete für einen gewissen Zeitraum neue Bücher zu kaufen. Aber ich würde gerne an der Ursache etwas ändern, warum ich immer auf der Suche nach dem neuen „Kick“ bin.
Cooler Artikel – ohje gehöre ich jetzt schon zur zweiten Sorte??? *lach*
Ha ha, nein Quatsch :-)
ohje *erwischt :-)
… dachte ich mir doch :-) :-)
A new hero was born!
Anno 2014. Digital WWW.
Übrigens:
Bei aller Epigenetik spielt hier die genetische Grundausstattung wohl auch eine Rolle: bei manchen funktioniert das endogene Endorphin-System nicht so gut, die MAO ist zu aktiv oÄ: Anfälligkeit für Extreme (siehe Schaupspieler, „Stars“ die sich in Drogenexzessen wiederfinden und die Aufmerksamkeit „brauchen“. Gibt einen interessanten Artikel von Dr. Bandelow, deutscher Psychiater der Uni Göttingen dazu. Natürlich nur eine von vielen theoretischen Erklärungsversuchen, aber die Psychiatrie bietet da schon einiges. )
Lg!
Hallo Doc,
Angebot steht ja nach wie vor … du darfst gerne Artikel hier schreiben. Würde mich freuen.
Du bist der Mann! Ich habe noch nie einen besseren Artikel gelesen!
:-) Oh neeein.