studien zum mensch

Der (alte) Mensch

Das Leben ist ja wahrlich faszinierend. Als Menschen dürfen wir im Idealfall 70-90 Jahre hier mitmachen und das Spektakel mal live erleben, bevor wir wieder in die ewigen Jagdgründe des Universums eingehen.

Das wirklich Spezielle am Leben ist, dass man es entweder sehr, sehr kompliziert machen oder sehr, sehr einfach halten kann. Wir Menschen entscheiden uns in der Regel für den komplizierten Weg. Der Löwe mag es wiederum relativ einfach, der braucht kein Biochemiebuch zu lesen.

Das ist übrigens das, was ich unserer Empörungsgesellschaft immer gerne mitgebe. Wenn mal wieder nicht verstanden wird, dass das, was man so in den Mund steckt am Tag, seit Milliarden von Jahren der Hauptschlüssel dafür ist, dass der Organismus funktioniert … oder halt nicht.

„Ich fühle mich wie Alice im Wunderland.“

Neulich lese ich über eine spannende Entdeckung einer Studie:

Eine Zunahme von Albträumen und Halluzinationen – oder „Tagträumen“ – könnte auf den Beginn von Autoimmunkrankheiten wie Lupus hinweisen.

Seit Anbeginn unserer Zeit sollen (Tag-)Träume auch Vorsehungen sein. In den meisten Fällen ist das … na ja … wer mal geträumt hat, weiß, dass dahinter zumeist einfach viel neuronale Sinnbefreitheit steckt. 

Auf der anderen Seite verfügen wir mit der vielfältigen Gefühlswelt unseres Körpers über eines der mächtigsten Messinstrumente für unser eigenes Befinden. Noch heute werden Dinge wie „Bauchgefühl“ oder „Intuition“ genau so belächelt wie diffuse Körperempfindungen, mit denen man nicht selten beim Psychosomatiker landet.

Auch dahinter scheint mehr zu stecken als wir Vermessene wahrhaben wollen. Die Studie zeigt nämlich, dass ein erheblicher Teil an Lupus-Patienten – eine Autoimmunerkrankung der Haut –, über Halluzinations-ähnliche Tagträume bzw. Albträume in der Nacht klagt.

Und zwar zeitlich in starker Korrelation zum Auftritt der Erkrankung und Schüben. 

Die Autoren bestätigen das, was viele Menschen intuitiv (!) wissen: Der Patient merke selbst oft, wenn etwas nicht stimme. Daher legen die Forscher nahe, dass „Albträume auch bei der Überwachung einer so ernsten Autoimmunerkrankung wie Lupus hilfreich sein können“. Tja.

Das kollabierende Ökosystem

Kennen wir. Kollabierende Ökosysteme hatten wir schon in der Mittelstufe und davor. Früh übt sich. Auch heute wird ständige über Kipppunkte gesprochen, unaufhaltsame Lawinen der nachhaltigen Zerstörung. Na ja. Der Natur sind unsere Schreckensszenarien meistens egal, die tauscht halt einfach Arten aus.

Wie dem auch sei… Jeder, der mal einen Lebensweg von Menschen genau verfolgt hat, weiß: Mit zunehmendem Alter werden wir rigider. Wie eine ausdifferenzierte Zelle, die halt nicht mehr allzu viele Möglichkeiten in ihrer natürlichen Plastizität hat.

Menschen, die sehr alt werden, haben sich oft ein Alltagssystem aus Verhaltensweisen aufgebaut, das sie durchs Leben trägt. Während die Verhaltensweisen zunächst nur solche sind, brennen die sich im Laufe des Lebens so tief in die eigene Biologie ein, dass sie wichtige Stützpfeiler zur Gesunderhaltung werden.

Und das liegt daran, dass wir im Laufe des Lebens Kapazitätsverluste haben, die wir durch unsere Verhaltensweisen absichtlich oder intuitiv abfedern. Durch diese Kompensation können wir dann, hoffentlich, lange und funktional leben.

Wer also vom „starren Alten“ spricht, der jeden Morgen um 7.35 seine Zeitung braucht – in meinem Zivildienst waren das die 70-jährigen Damen, die pünktlich um 7.01 zu mir ins Hallenbad wollten, ich war Bademeister ;-) –, der beschreibt genau das.

studie

Die Bestätigung dafür gibt’s von einer aktuellen Studie: Je fragiler das Körpersystem wird, umso mehr Kapazitätsverluste zeigen sich im und um den Körper, und umso mehr Kompensation braucht es durch noch funktionale Systeme. Bis ein … Kipppunkt … erreicht ist, der das ganze System zum Kollabieren bringt.

Muskelkraft mal wieder

Normalerweise im höheren Alter dann. Die Autoren erklären das beispielsweise so:

Ein belastbares Funktionssystem verfügt beispielsweise über ausreichende Reserven an Muskelkraft, so dass eine Verschlechterung der Muskelkraft, z. B. während der Bettruhe, nicht zu einem Verlust der Gehfähigkeit führt, was wiederum zu depressiven Symptomen führen könnte.

Einen Wink mit dem Zaunpfahl gibt es aus einer anderen, dritten Studie (lustigerweise auch noch von derselben Uni). Die konnte anhand genetischer Daten von über 300.000 Finnen zeigen, dass eine Genetik, die mit höherer Muskelkraft assoziiert ist, vor altersbedingten Erkrankungen schützt.

Eine höhere Muskelkraft spiegelt die intrinsische Fähigkeit einer Person wider, sich gegen pathologische Veränderungen, die während des Alterns auftreten, zu wehren und zu schützen.

Der Grund dafür steht weiter oben hier im Text: Muskulatur ist einer der wichtigsten Prädiktoren für eine erhöhte funktionale Kapazität im Alter. Versteht man:

  • Muskeln schützen den Stoffwechsel (Diabetes und Co.)
  • Muskeln halten aktiv (Energie!)
  • Muskeln schützen vor Stürzen
  • Muskelkraft im Alltag hilft, Wasserkisten zu schleppen (= sich selbst zu versorgen)

Muskelkraft im rechten Bein hilft folglich auch, wenn das Knie im linken Bein anfängt zu zwicken. Das ist funktionale Kapazität und Kompensationsmöglichkeit. Und jetzt zu unserem Glück:

Das ist trainierbar! 

Hat natürlich wie immer etwas mit Tun und Wollen zu tun. Hier trennt sich zumeist die Spreu vom Weizen. Lässt sich auch auf andere Domänen übertragen, beispielsweise gesunde Zähne. Wer die noch mit 60 haben will, sollte halt schon spätestens ab Mitte 30 wirklich gar keinen Haushaltszucker mehr zuführen.

Sich die Zahnarztrechnungen im Alter zu sparen, ist auch so ein … Funktionsgewinn.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

11 comments On Der (alte) Mensch

  • Kleine Geschichte heute. Die Nachbarin meiner Mutter, selbst 94, die NAahbarin glaube ich an 75 (??) übergab mir die Zeitung.
    “ Wie geht es?“
    “ Ach, wenn ich nur gerade gehen könnte“
    “ Wie wäre es mit Muskelaufbau?“
    “ Haben die ja versucht“
    Und dann, nichts mehr? Wir pushen unsere Mutter und die bekommt -da alle Sehnen im Rechten Arm gerissen sind – training. Der Muskel soll es teilweise übernehmen. Sie macht jede Übung zu Hause nach. Sie will ja wieder Auto fahren.
    Und Sturzprophylaxe- Da wird mit ihr eben anderes trainiert. Aber, wenn das all die alten Leute nicht wissen, dass sie quasi auf Rezept trainig bekommen…
    Meine mutter kann heute noch 2,4 km am Stück gehen (langsam aber sie macht es), vom Stuhl ohne Hilfe aufstehen. Auch ohne Hand Unterstützung. Geht ins Auto mit einem Bein Zuerst rein, setzt sich und dann das andere Bein. Wie eben eigentlich jeder sich in jungen Jahren ins Auto setzt. Macht ihren Haushalt alleine. Bügelt, wäscht. Sie will.Ist offen für vieles.
    Bei allem muss der Wille da sein und Veränderungen zu lassen.. Ohne Will gibt es auch keine Hoffnung ohne Pflege den Rest seines Lebens zu leben.
    Wie du sagtest: Ärzte geben gerne Rollatoren. Ich bin der Überzeugung mit Training ginge vieles. Bei uns ist eine 80 Jährige mit Rollator ins Studio gegangen und nach Monaten ohne dieses Verlassen. Sie wollte.
    Aber da haben wir ein weiteres Problem: Geld. Menschen die einem Zeigen, was man tun kann, für sich.
    Ich bin ja auch über 60 und habe Ringe und Kettlebell gefunden. Würde gerne paar Calisthenics Skills können, aber irgendwie will das was nicht :) Ziel: nie ein Rollator :)

    • Danke für die Geschichte.
      In diesen Wochen durfte ich eine ´muskuläre Verjüngungˋ erfahren dank Fußbädern mit Magnesiumchlorid.
      Die offizielle Medizin bestreitet die Wirksamkeit einer transdermalen Magnesiumgabe. Doch tausende Patientenberichte erzählen etwas anderes. Den Artikel ´Magnesium transdermalˋ von Dr. Kammermayer, Ambulantes Schmerzzentrum München, nahm ich zum Anlaß, es auszuprobieren. Keine gelegentlichen Krämpfe mehr, leichtes Problem an einem Oberschenkel-Aduktor weg, bessere Dehnbarkeit der Beinmuskulatur, Körpergefühl wie nach einer Massage. Kostet 5,5 Cent pro Anwendung (60 g MgCl aus dem Toten Meer – aus dem Zechsteiner Meer das Vierfache).

      • Wie es funktioniert weiß ich nicht genau. Vermutet wird eine Aufnahme über die Schweißdrüsen (600 pro cm2), eventuell auch eine Beteiligung des äußeren Lymphsystems.
        Jedenfalls wird MgCl die Fähigkeit nachgesagt, altersbedingte, degenerative Verkalkungen lösen zu können (im Extremfall eine komplett verknöcherte Wirbelsäule bei einem Jesuitenpater wieder beweglich zu machen). Klingt wie Zauberei.

      • Wie lange und wie oft wendest du das Fußbad an? Habe in der Vergangenheit auch mit (reinem) MgCl experimentiert. Sowohl als „Magnesiumöl“, als auch Fußbad. War bei beidem etwas zwiegespalten, würde dem Fußbad aber gerne noch eine Chance geben. Habe allerdings bisher immer einen Eimer genutzt, was bei meinen großen Füßen zu einer eher verkrampften Haltung führte und den entspannenden Effekt des Magnesiums vllt gleich wieder zunichte gemacht hat 😄

  • Hallo Chris, wieder mal ein exzellenter Artikel. Ich stecke selber in einer Pflegesituation, vieles wäre absolut vermeidbar, bzw um Jahre nach hinten verschoben, wenn die Leute Kraft, Balance und Beweglichkeit trainieren würden.
    Habe meiner Mutter Mini Kettlebells (4kg) besorgt, da machen wir immer ein paar Übungen, sie findet das total dämlich und bleibt nicht dran. Dabei würde 3x die Woche 20 Min viel ausmachen und die Leute haben eh Zeit.
    Die Ärzte pushen die Leute bei der geringsten Gangunsicherheit zum Rollator, dann verliert man den Rest der Balance anstatt Übungen zu verschreiben.
    Ich finde man sollte ab 60 verpflichtend einen Kurs (bei Chris 👍) belegen müssen, der diese Zusammenhänge Muskel, Stoffwechsel, Herz/Kreislaufsystem, Osteoporosen etc. aufzeigt und Präventionskurse anbieten, die darauf abgestimmt sind.
    Gerade die Woche gab es die Schlagzeile, dass eine Welle von Pflegebedürftigen auf uns zu rollen und die ersten der Boomer Generation im Pflegeheim landen. Abgesehen davon, dass wir gar nicht die Pflegekräfte haben, die Kosten sind exorbitant und die trägt die Allgemeinheit.
    Es wird immer gejammert, dass wir nicht genug Fachkräfte in dem Bereich haben, jedoch appelliert niemand an die Eigenverantwortung und erklärt die Möglichkeiten, die jeder einzelne hat.
    Sicherlich gibt es Krankheiten, für die man nichts kann, vieles ist jedoch vermeidbar oder aufschiebbar, so dass man mehr Kapazität hat, um sich um die unvermeidbaren Fälle zu kümmern.
    Ich würde gerne mehr zu dem Thema lesen 🙂.

    • Das ist einfach ein ganz ganz großes und hausgemachtes Ding. Die „Wohlstandserkrankungen“ wird einen so großen Anteil der (westlichen) Bevölkerung dahinraffen. Ich bin wirklich sehr gespannt wie das soziale Netz das auffangen will, meiner Meinung nach absolut unmöglich, da diese Leidenswege charakteristisch lang und schmerzvoll sind.

      Prävention, also die richtige, sollte einfach das wichtigste im Leben werden und am besten schon ab Kindergarten, der Routine wegen, etabliert sein. Ich weiß allerdings nicht ob es ein Image, Marketing, oder ein „der große Eisberg vor dem man einfach aufgibt“ Problem ist… das Gerede von „Gesunde Menschen bringen der pösen Pharma/ Ärzten und den ganz fiesen NEM Verkäufern kein Geld“ halte ich für haltlos, es mag teilweise eine Berechtigung finden, aber wenn alle tot sind verdienen die ja noch weniger.^^
      Vielleicht liegt es an der zerstörerischen Natur des Menschen…falls dieser eine solche besitzt.

  • „… immer bereit, ja das Lob ich mir, Hauptsache beim Small bleiben…“

    … Och herje, was ich da immer losstoße für anstößige Unziemlichkeiten mit diesen unangebrachten Kommentaren. Wenigstens kassier ich hier nicht direkt eine ab, wär ja nicht das erste Mal gewesen… aber sofern es nur beim Schmunzler bleibt und nicht zum Runzler wird.. alles Gut.

    Um die Sauerei wieder etwas auszubügeln, füge ich die Behauptung hinzu, dass schon ein kleiner täglicher Ausbruch aus Routinen erfrischende biochemische Prozesse in Gang setzt. Mal ein anderer Weg eingeschlagen, mal die Helga statt der Petra erobert, eine neue Schwimmart ausprobiert (Totstellen, um Hilfe schreien).. vom Führer zum Verführer ist oft nur ein kleiner Weg… ^^

    Neue Reize braucht das Hirn

  • Oh lala, wusste ja gar nicht, dass du so ein Badehosencasanova warst, die knusprigen Damen waren jedenfalls bereit ihre Routine zu brechen und dem „.. looking for freedom“ nachzugehen.. herrliches Kopfkino

    …. jedenfalls ein guter Artikel; Mitch ^^

    • Herrlich! Sicherlich haben sie noch abseits vom Bad das ein oder andere mal über den „Badehosencasanova“ schwadroniert^^

    • Auch wenn ich herzlich schmunzeln musste ;-)) muss euch „enttäuschen“, das Hallenbad (in einem Therapiezentrum, wohlgemerkt) war klein und ich konnte vollbekleidet aus meinem Häuschen den Überblick behalten… :P
      Und natürlich, der 19-jährige, freundliche Jungspund kam gut an und war immer bereit für einen morgendlichen Smalltalk!

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