Machen Kalorien krank?

 

Manchmal muss man sich fragen, woher die ganzen Auswüchse, die es da gibt, kommen. Mit „Auswüchse“ meine ich … die ganzen Spinnereien bei uns im (Ernährungs-)Leben. Man muss nur lange genug lesen und ein paar verschiedene Seiten besuchen und schon weiß man, dass grundsätzlich jedes Nahrungsmittel und jeder Makronährstoff krank macht. Natürlich je nach Meinung. Das hatten wir ja schon alles thematisiert.

Punkt ist nur: Das, was uns augenscheinlich mal krank gemacht hat, kann — in einem anderen Kontext — plötzlich neutral oder gar gesund sein!

Kalorien machen krank. Definitiv. Denn ein Zuviel an Kalorien über längere Zeit … macht sich bemerkbar. Zum Beispiel anhand des Körperfetts. Und ein Zuviel davon macht systemische Entzündung, Insulinresistenz, die Leber kaputt, die Arterien kaputt, halt alles kaputt. Das liegt daran, dass der menschliche Körper ja bekanntermaßen ein System ist und alles irgendwie zusammenhängt. Überfetten wir also zum Beispiel die Leber, wird das globale Auswirkungen haben, eben nicht nur die Leber betreffend.

Ein „Mehr“ an Kalorien kann aber bei Menschen mit, zum Beispiel, Magersucht … Wunder bewirken. Und freilich ist uns allen klar, dass Kalorien uns eben nicht krank machen, sondern gesund halten und uns das tägliche Machen, das am Leben partizipieren, überhaupt erst erlauben.

Kontext!

Das Gleiche gilt natürlich für alles. Für die Kohlenhydrate zum Beispiel. Wenn der Körper keine mag, weil wir insulinresistent sind, machen sie unter Umständen krank oder, sagen wir, kränker. Also verzichten wir drauf. Vielleicht sind wir früher oder später unser überschüssiges Körperfett los, die Insulinsensitivität stimmt wieder und … schwups stehen wir vor neuen „Problemen“. Denn plötzlich bräuchte der Körper vielleicht sogar mal welche, weil er einen höheren Umsatz vertragen kann oder sogar gerne hätte.

Und so hat jede Glaubensrichtung seinen Ursprung. Wir „überfrachten“ den Körper eine ganze Zeit lang mit irgendwas, der schiebt den Riegel vor, macht nicht mehr das, was er soll und wir finden einen Schuldigen, der uns krank gemacht haben soll und den wir ab sofort meiden. Können wir solche banalen Hirngespinste eigentlich nicht durchschauen? Es ist immer genau das gleiche Prinzip.

Die Wahrheit ist:

Der Körper mag das Mäßige.

Das schreiben wir seit vier Jahren hin und sogar dafür und deswegen muss man sich heutzutage rechtfertigen. Wohlgemerkt: Akzeptiert sind „radikale Umstellungen für eine gewisse Zeit“, weil wir die „radikalen Folgen unseres Fehlverhaltens der Zeit vorher“ irgendwie umkehren müssen. Bevor wir also in den Graben fahren, sollten wir noch mal stark einlenken, um wieder in die Spur zu kommen. Aber dann gilt:

Der Körper mag das Mäßige.

Alles andere, jedes „Extrem“ wird auf Dauer nämlich neue Probleme machen. Und so spielt das Leben dann Ping-Pong mit uns, weil wir statt geradeaus, immer stark nach links, dann wieder stark nach rechts lenken.

Mäßigung heißt in erster Linie … die eigene Biologie oszillieren zu lassen.

Liest sich sinnig, stimmt’s? Ist nur in der Realität, wie wir immer wieder sehen, ganz schwer in die Köpfe zu bekommen. (Gilt übrigens auch für uns selbst!)

PS: Ich kenne sie, die ewig langen Diskussionen, die theoretischen Abhandlungen hinter irgendwelchen Stoffwechel-Pfaden im Körper … und was er alles so Tolles kann, wenn er in irgendwelchen magischen Zuständen ist. Das sind alles massive Träumereien! Nicht mehr, nicht weniger. Denn alles, was der Körper versucht, ist, sich im Gleichgewicht zu halten. Und genau deshalb wird er jede Spielerei von uns kompensieren wollen. Wenn wir Glück haben, fühlt sich dieser Übergang für ein paar Tage dann ganz toll an — früher oder später werden wir dann aber feststellen müssen, dass der Körper eben die Homöostase mag. Wer das mal verstanden hat, der lehnt sich ein bisschen zurück, erfreut sich seines Hintergrundwissens und isst mal ein Stückchen Kuchen … oder eine Brezel. :P

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

6 comments On Machen Kalorien krank?

  • – „Der Körper mag das Mäßige.“
    – „Der Pfeil deutet die Stelle an, wo du – sowieso schon halb-tot, in eine Zone gelangst, wo du eigentlich nie hin solltest: Der point of no return. Man nennt das auch: „Bereich mit Folgeschäden“.“
    – „Die menschliche Biologie wird immer gleich bleiben, zumindest solange wir Menschen sind. Darum können wir versuchen, uns von unserem Ursprung zu entfernen (wie wir das sowieso täglich tun). Aber wie ein Jo-jo werden wir automatisch wieder zurückgezogen.“

    Wie man am Beispiel der heutigen zahlreichen Zivilisations- und Autoimmunkrankheiten sieht, ist es ja leider offenbar durchaus möglich, die Homöostase des Körpers, nach der er laut dir immer wieder zurückstrebt, nachhaltig zu zerstören (mit nachhaltig meine ich, dass man sich nicht mehr gesundheitlich erholt. Ein Blick in verschiedene Betroffenenforen genügt da ja).

    Eine interessante (Forschungs-)Frage wäre dann doch: wenn dieses Aushebeln der Homöostase im Negativen möglich ist – müsste es dann nicht auch im Positiven möglich sein?

    Also: kann man nicht nur gesund, sondern immer gesünder, fitter, leistungsfähiger, stressresistenter werden?

    • Homöostase ist aber kein „zentraler Urzustand“, sondern einfach ein Gleichgewichtszustand, der nicht in Stein gemeißelt oder irgendwie vorgeschrieben ist. Auch in einem kranken Körper kann sich ein Gleichgewichtszustand einstellen – schreitet die Krankheit dann fort oder wird schlechter, nennt man das in der Medizin „Dekompensation“. Umgekehrt aber kann speziell „gesunde Fitness“ nur erreicht werden, wenn man dem Körper an die jeweilige Grenze bringt und ihn regenerieren, sprich adaptieren lässt (=> Gleichgewicht stellt sich ein). Auch nach oben gibt es Kompensationszustände, die schnell dekompensieren und dann einen krankhaften Charakter bekommen können. Die Übergänge sind fließend, weswegen viele Extremsportler zwar überdurchschnittlich leistungsfähig erscheinen, in Wahrheit aber in einem Zustand des Kompensierens sind. Heißt: Gesund wird oder bleibt man, solange man sich innerhalb seines genetischen Rahmens an die „Gesetze der Anpassung/Adaptation“ hält, ohne dabei mittel- oder langfristig eine Kompensation bzw. Dekompensation zu riskieren. Das besprechen wir übrigens ausführlich in unseren Büchern :-P

  • Hallo Chris,

    Du hast wahrlich ein Stück Weisheit gefunden, wie auch ich in den letzten Wochen auf ganz anderem Gebiete. Die Weisheit, von der Du gerade ein bisschen gefunden hast liegt in uns allen, oftmals tief verborgen unter Irrungen und Wirrungen begraben, nur muss Sie jeder Selbst finden, was auch für viele anderen noch zu entdeckenden Dinge gilt. Vielen ist es verwehrt, dieses Glück selbst zu haben und schliessen sich lieber einem Seelenfänger, oder vermeintlichen Seelenfänger an, der ihnen sagt, was denn das Glück dieser Erde sei und wie man alles zu tun habe.
    Du hast das Glück ein Entdecker zu sein und dafür beglückwünsche ich Dich und wünsche Dir noch viele tiefe Entdeckungen im weiteren Verlauf.

    Das Leben ist schön

    Grüßlis

  • Es wird unmöglich sein, aufgrund von biochemischen Erkenntnissen zur richtigen Ernährung zu finden. Zu jeder Studie läßt sich eine Gegenstudie finden. Außerdem betrachten Studien immer nur winzige Ausschnitte eines höchst komplexen Prozesses, den kein Experte dieser Welt in seiner Gesamtheit versteht. Schließlich ist erst ein sehr kleiner Teil bekannt und das Wissen wächst rasant und wirft Vieles über den Haufen. EINFACH wird es allerdings, wenn wir epidiomologische Studien betrachten, die die Ernährung langlebiger Völker unter die Lupe nehmen. Und siehe da, es kommt heraus, was wir auch schon vorher mit dem gesunden Menschenverstand ableiten konnten: eine schlichte, mäßige, möglichst naturbelassene Mischkost einschließlich wenig tierischem Protein und auch gelegentlichem Fasten erhöht die Chance auf ein langes Leben mit wenig chronischen Krankheiten oder Übergewicht. Nebenbei ist diese Kost dann auch ethisch vertretbar, denn soviel Fleisch, wie z.B. die Paläos benötigen, wäre nur für eine kleine Elite verfügbar, aber niemals für die ganze Menschheit.

    • Genau das habe ich in dem vor einigen Tagen in Deutsch erschienenen, sehr empfehlenswerten Buch von Dr. Valter Longo: Iss dich jung gelesen. Seine Ernährungsempfehlungen stützen sich auf 1. Grundlagenforschung, 2. Epidemiologie, 3. klinische Studien, 4. Untersuchung von Hundertjährigen, 5. Studium komplexer Systeme und entsprechen weitgehend der oben geschilderten Ernährungsform. Als Beispiel für mangelnde wissenschaftliche Hintergründe wird die eiweiß-, fettreiche und kohlenhydratarme Ernährung aufgeführt, die sich höchstens auf ein bis zwei Säulen und nicht auf alle wissenschaftlichen Fundamente stützt. Das führt dann dazu, dass solche Diäten nach wenigen Jahren widerrufen werden.

  • Touché.
    Leider kann man aber wohl mit gemäßigten und sinnvollen Positionen und Sichtweise kaum einen „Radikalo“ erreichen. Extremes rockt und Ernährungsweise wird immer mehr zur Ersatzreligion; leider.
    Last euch trotzdem nicht unterkriegen und macht weiter so!

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