Heute mal ein Wort zum ersten Gebot der Gesunden und jener, die es werden wollen.
Vor einiger Zeit erschien mal eine Arbeit, die zeigte, dass man nur ein einziges Gramm Fett in der Bauchspeicheldrüse verlieren müsste, um den Typ-2-Diabetes loszuwerden. Zur Erinnerung: Diabetes = Bauchspeicheldrüse schüttet bei Bedarf zu wenig Insulin aus. Ein Gramm Fett. Wie das geht, verriet der verantwortliche Wissenschaftler auch gleich: mit Diiiiäääät.
Nicht schon wieder … oder? Immer Diät, Diät, Diät. Seien wir ehrlich: Wir können’s nicht mehr hören. Wir können’s aber in erster Linie deshalb nicht mehr hören, weil wir alle – im Kollektiv – essgestört sind. Sogar auf Geburtstagen kriege ich jetzt davon erzählt, dass „diese 16/8-Methode voll cool“ sei.
Ja, ist total cool! Hilft immerhin, 16 Stunden lang mal das Essen aus dem Kopf zu verdrängen. Bis dann nach 16 Stunden das Fressen losgeht – plötzlich vergisst man alle davor gelebten Konzepte, also … Low-Carb zum Beispiel, und genießt so seinen neu gewonnenen Freifahrtschein. Natürlich wird trotz allem Gewicht verloren.
Und morgen nervt dieses Gefaste und stattdessen switcht man zum neuen Konzept. Wie wär’s mit „If It Fits Your Macros“ (IIFYM)? Oder wieso nicht gleich mal wieder die Kartoffel-Diät („Potato Hack“) ausprobieren? Vielleicht hängt einem die Hähnchenbrust auch zum Hals raus: Veganismus ist auch immer wieder ne gute Option.
Da ist zum einen mal der Irrglaube, zumindest in den meisten Fällen, dass das Gras dort drüben grüner ist. Von dieser oder jener Methoden erhoffen wir uns ja etwas. Zum Beispiel besseren Gewichtsverlust. Meistens stellen wir noch zusätzliche Forderungen. Wir sagen: Gewichtsverlust gut und schön. Aber …
- Es muss möglichst einfach sein
- Es muss maximal effektiv sein
- Ich will möglichst wenig Kompromiss eingehen
- Am liebsten würde ich nur einen geringen Preis dafür zahlen müssen
Genau das ist das Kernproblem.
Martin Berkhan, der Erfinder der oben genannten „16/8-Methode“ (ursprünglich: Leangains), hat diesbezüglich einen Begriff geprägt: Fuckarounditis. Das ist eine Bezeichnung für Menschen, die Monate lang „trainieren“ und kaum Fortschritte machen. Quasi: jedes erdenkliche Protokoll und jede Trainingsmethode ohne großen Erfolg ausprobiert haben – dahinter steckt im Grunde die Angst vor „richtigem“ Training.
Wir können das auch mal härter formulieren:
Uns fehlen die Eier in der Hose.
Ja, uns fehlt die (mentale) Härte. Viele Menschen, die sich von Konzept zu Konzept hangeln, suchen in Wahrheit einfach nur eine bessere Umgehungsstraße. Anstatt sich einzugestehen, dass Gewichtsverlust in den meisten Fällen eben etwas mit Disziplin, Konzentration, Planung und Durchhaltevermögen, also Anstrengung, zu tun hat, flüchtet man sich in die nächste Methode, die „einfachen Gewichtsverlust“ verspricht.
Menschen, die Diätkonzepte entwickeln, meinen es oft genug gut mit ihren Mitmenschen. Denen ist klar, dass die durchschnittliche Petra (sorry, liebe Petras) sich eben schwertut mit „Disziplin“ und so weiter. Und sowieso haben Petras immer schon „jahrelang viel Disziplin an den Tag gelegt und trotzdem hat es nie geklappt“. Ja, nur: Selbst die beste Methode, selbst die spaßigste, effizienteste, einfachste Methode überhaupt, wird irgendwann immer wieder Disziplin, Einsatz, Wille und Durchhaltevermögen verlangen.
Genau das ist der Punkt: Es gibt Situationen oder Sachverhalte im Leben, die kann man drehen und wenden, wie man will. Es gibt Wahrheiten, die man als solche annehmen muss. In unserer Aber-Gesellschaft kommt leider immer irgendein Klaus (sorry, lieber Klaus), der den Leuten weismachen möchte, dass es so eben nicht ist. Dass es nicht hart ist, nicht weh tut, uns keine Schweißperlen kostet.
Das ist eine Lüge! Wieso können wir das nicht akzeptieren? Es ändert nichts! Sich manche Wahrheiten eingestehen zu müssen, tut weh, ja. Ab gewissen Punkten kann man allerdings nur Fortschritte machen, wenn man einsieht, dass es hart wird und weh tut, und man mit der entsprechenden Voreinstellung an die Sache rangeht. Manchmal muss man eben den Finger in die eigene Wunde legen!
Jeder, der sein Leben ändern will, sollte zunächst mal ein paar Wahrheiten anerkennen und sich bereiterklären, diese auch als solche zu akzeptieren. Nur so kann man die (mentale) Härte entwickeln, die man braucht, um Fortschritte zu machen. Damit wir uns richtig verstehen: Das heißt nicht, dass man sich selbst ohne Grund kasteien soll oder glauben soll, dass man nur dann Erfolg hat, wenn es maximal weh tut. So auch nicht!
Aber, bitte: Über jedem Stoffwechselzentrum in Deutschland sollte ein großes Schild hängen mit der Aufschrift:
Deinen Diabetes kannst du mit Fleiß, Wille und Einsatz wieder loswerden – durch DIÄT.
(Kleingedruckt: Sollte es damit nicht funktionieren, kannst du immer noch gerne wieder kommen!)
In den meisten Fällen brauchen wir keine neuen Diät-Konzepte, kein 16/8, keine Medikamente, nichts von alle dem, sondern in erster Linie
Eier, wir brauchen Eier!
Oder, um bei den Worten von Jack Lalanne zu bleiben:
Leben bedeutet, Arsch aufreißen. Sterben ist einfach.
PS: Noch größere Eier braucht man, wenn man – gesundheitlich betrachtet – mal so richtig tief in der Scheiße steckt. Dann lehrt einen das Leben zu strampeln. Warum? Weil man irgendwann lernt, dass es keine andere Option gibt, außer das Strampeln. Aufgeben ist sowieso keine Option und „einfache Methoden“ gibt es nicht. Der Weg zur Gesundung und zur Gesundheit führt immer wieder über das erste Gebot.
12 comments On Das erste Gebot der Gesundheit: DU BRAUCHST EIER (IN DER HOSE)!
Äh, es gibt einen Erfinder der 16/8 Intervallfasten? Irre
Da lässt man seit Jahrzehnten das Frühstück weg und jemand ne das 16/8 Intervallfasten.
Faszinierend.
BTW: Abgenommen oder Gewicht gehalten habe ich damit jedenfalls nicht.
Ja, Alles richtig hier und mal wieder ein sehr treffender Artikel. (Tolles Bild)
Die Willenskraft „einfach zu tun“ oder vielleicht besser die „emotionale Flexibilität“, wie es Sascha Fast auch mal beschrieben hat, fehlt so Manchem.
Allerdings muß man auch beachten: Manchmal liegt es einfach an fehlenden Grundlagen, wie genügend T3, Testosteron, Dopamin etc., um die dazu notwendigen Lebensgeister und den „Willen“ in uns zu wecken.
So kann man so manchem Patienten manchmal „Eier“ basteln. Daher hilft nicht immer: „So reißen Sie sich doch mal zusammen und tun Sie!“, sondern häufig vorher auch messen und die Grundlagen dafür schaffen.
Die TCM lehrt uns:
„Ein Vorhaben (Plan, Wunsch) nicht auszuführen, verbraucht genausoviel Energie wie diesen auszuführen.“
Man möge mal kurz drüber nachdenken, wieviel Zeit und Kraft man in dieses Suchen nach Ausreden bzw. ständige Abwägen aller „Für und Wider“ steckt.
Da bliebe wohl genug über um es einfach mal zu machen und auch dran zu bleiben (ginge allemal schneller) – denn – mit der Zeit macht Schmerz beim Training süchtig – zumindest meiner Erfahrung nach.
Genau darum geht’s!
Es gibt auch durchaus sehr kluge Leute, die sagen, daß nicht der Mutige die Welt erobert, sondern der Vorsichtige und Achtsame. Der hat im Zweifel die Jagd auf den Säbelzahntiger eher überlebt, als der Haudrauf und Fürchtenix. Nicht nur im Krieg sind die Mutigen sehr schnell und als erstes unter der Erde. Mut und Risikobereitschaft zahlen sich oft nicht aus, ohne dem geht es aber auch nicht. Ein großes Dilemma!
Nun gut. Ich rede nicht vom Mut, von einer Klippe aus in unbekanntes Gewässer zu springen. Ich rede auch nicht von: „Eier in der Hose“ heißt, mich in König-Leonidas-Manier als Kanonenfutter ins Schlachtfeld zu stürzen. Wir sprechen von Training und Ernährung – nicht von Weltkriegen. Auch diese Argumentation ist für mich wieder eine Ausrede :P
Ja, das mit dem „Umsegeln des Sturms“ habe ich auch so verstanden. Dennoch ist und bleibt der Mensch (allgemein gesehen) sehr bequem und vor allem extrem leidensfähig, bevor er den einen Schritt macht und eine Sache dann auch durchzieht. Da stelle ich mir die Frage nach dem Warum? Ist es nur die Angst vor dem Unbekannten, die evolutionäre Angst sich Schaden zuzufügen oder ist es eben doch nur Bequemlichkeit? Letzteres hätte dann aber mit Mut nicht viel am „Hut“.
Wenn man mutig ist, dann belohnt einen oft das Leben (siehe auch Evolution des Lebens). Ich bin aber nicht sicher, ob Mut nur eine Frage der Einstellung ist. Es soll scheinbar auch ein „Wander-Gen“ geben, dass nicht alle Menschen besitzen sollen. Es beschreibt die Menschen, die seit je her nie dem Mainstream folgten, sondern oft entgegen dem Strom schwammen, und dabei auch meisten Ihr Leben oder deren Reputation riskier(t)en. So sollen auch Adrenalin-Junkies das Gen besitzen. Eine Laune der Natur, die jedoch die Menschheit an den Punkt heranbrachte, wo sie heute ist.
Ganz genau: das ist ja der springende Punkt. Wir sind von Haus aus bequem, faul und springen nur, wenn’s unbedingt sein muss. Das ist das, was das „System Mensch“ von Haus aus mitbringt. Weil ihn das Leben früher womöglich genau zum Gegenteil gezwungen hat und die Evolution entsprechend eine Bremse installierte.
Auch hier nochmal: Natürlich gibt es Extreme, Dispositionen und Voraussetzungen, die der eine hat aber nicht der andere. Nicht jeder hat „so viel Eier in der Hose“ (oder so viel Adrenalin in der Birne) als SEK-Beamter irgendwelche Rockerbanden niederzuknüppeln (und umgekehrt). Aber genau diese Punkte, die angeführt sind, sind all die Ausreden die viele Menschen im Kopf haben, wenn es darum geht – ganz banal ausgedrückt – den inneren Schweinehund zu überwinden. „Ich kann das eben nicht, weil andere von Natur aus viel mehr Eier in der Hose haben als ich“ – und ich sage, dass die in den meisten Fällen selbst sehr „mutige Menschen“ nicht von Haus aus mehr Eier in der Hose haben als der Average Joe. Viel mehr geht es oft ums „Machen statt Denken“, „Springen statt Stehenbleiben“ und „Durch- statt Umsegeln“ – und das setzt Einstellung voraus.
Dankeschön, für diesen Artikel. Eine Sichtweise, die ich teile. Gilt bestimmt auch für andere Bereiche des Lebens wie z.B. Ausbildung, Bewältigung einer Ehekrise, etc.
Unbeantwortet bleibt die m. E. zentrale Frage: wie kommen die Eier in die Hose?
Um bereit zu sein, sich selber „den Arsch aufzureissen“ muss man entweder viel Motivation mitbringen, oder es gibt jemanden, der in einem den wahrscheinlich bereits vorhandenen Funken zu einem Feuer auflodern lässt. Vielleicht genügt es bereits, sich mit dem „Projekt“ selbst verwirklichen zu wollen? Diese 3 Möglichkeiten, an die gewünschten Eier zu gelangen, können höchstwahrscheinlich nur mit einem genügend hohen Spiegel an Katecholamine einhergehen. Ansonsten wird es wahrscheinlich schwierig, die nötige Willenskraft zu erzeugen. Es gibt aber wahrscheinlich noch eine „einfachere“ Möglichkeit, an die „Eier“ zu kommen: Angst bzw. wenn der eigene Leidensdruck dermassen gross, dass man bereit ist, „einiges“ liebgewonnenes aufzugeben. Während dem Verlauf braucht es natürlich auch hie und da Erfolgserlebnisse bzw. eine Verbesserung, ansonsten man die Eier schneller als man glaubt, wieder aus der Hose verliert.
Für jemanden, der bereits mehrfach „strampeln“ musste, da keine anderen Optionen am Horizont ersichtlich waren, staune ich immer wieder, dass selbst Schwerst-Lungenkranke nicht bereit sind, das Rauchen aufzugeben. Andererseits bin ich unwissend, bzw. habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie gut sich eine Zigarette bzw. Nikotin anfühlen muss.
Sehr guter Kommentar! Danke dafür.
Mir geht es in erster Linie um die Einstellung: Das Erkennen und vor allem Akzeptieren, dass es für einige wichtige Dinge im Leben keine Umschiffung gibt, sondern man sich bewusst dafür entscheiden muss, in den (meistens ja nur gefühlten) Sturm zu segeln. Und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass auch die Frage nach dem „woher sollen die Eier eigentlich kommen?“ eher ein Ausweichen ist. Die müssen nirgendwoher kommen. Die Eier in der Hose sind einfach nur der Mut zu springen, und das ist Einstellung. Denn der Witz an der ganzen Geschichte, deshalb auch „gefühlter Sturm“, ist ja, dass sich der Sturm an sich meistens als Lüftchen entpuppt, man sich mit der Sache gut arrangieren kann und Erfolgserlebnisse den passenden Aufwind geben. Das ist der „Trick“ an der Sache: Manche verbringen Jahre damit, zu versuchen, den Sturm zu umsegeln, statt das Herz zu haben, da – mit allem was man hat – mal reinzufahren und zu gucken, ob das wirklich so schlimm ist.
Vergessen wir auch nicht, dass wir belohnt werden, wenn wir den Sprung wagen und lossegeln. Der Eine bleibt in seiner vermeintlichen Komfortzone und leidet dennoch unter den Folgen. Der Andere verlässt die Komfortzone und merkt später, dass die alte Komfortzone gar nicht so komfortabel war, wie sie sich mal anfühlte. Erst recht, wenn die Probleme richtig akut werden und der Doc einem die Diagnose „Diabetes“ stellt oder wenn einen der erste Herzinfarkt oder Schlaganfall aus den Latschen gehauen hat, wie das inzwischen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis geschehen ist.
Ich könnte mich höchstens dafür ohrfeigen, nicht schon viel früher losgesegelt zu sein. Vielen Dank für eure vielen inspirierenden Artikel, die dazu einen wichtigen Beitrag geleistet haben.
Super ausgedrückt! Und danke für deine lieben Worte!