Warum schmilzt dem einen das Zahnfleisch weg, während es beim anderen ein Leben lang erhalten bleibt? Wir sprechen von der Gingivitis (milde Entzündung des Zahnfleischs), die später gerne zur Parodontitis (kaputtes Zahnfleisch mit Knochenschwund) wird.
Lange ging man ja davon aus, dass die bösen Bakterien schuld sind. Das Problem ist nur, dass jeder so viele Bakterien im Mund, dass es eigentlich irrsinnig ist, darüber zu philosophieren, ob man diese nun in Atombomben-Manier abtöten sollte oder nicht.
Mittlerweile haben wir ja gelernt, dass Bakterien einfach zu uns gehören. Egal ob auf der Haut, im Ohr, im Darm oder halt im Mund. Wie immer ist das, was von innen, also vom Körper kommt, entscheidend – also, wie das Immunsystem darauf reagiert. Das ist mittlerweile auch in aktuellen Forschungsarbeiten zum Thema angekommen.
Gehen wir mal vom klassischen Fall aus: Bakterien dringen in tiefere Schichten des Zahnfleischs ein. Dort treffen sie beispielsweise auf bestimmte Körperzellen, sogenannte Fibroblasten. Die erkennen die „Bakterien-Signaturen“ und lösen … genau … eine Entzündungsreaktion aus.
IL-6 macht das Immunsystem scharf
Wichtig ist hierbei das sogenannte Interleukin-6. Im Grunde handelt es sich dabei in vielen Fällen um einen „Wirkverstärker“ für das Immunsystem. Das Immunsystem wird aggressiver. Und eine Entzündung wird stärker.
Das ist prinzipiell ja kein Problem. Wir bekämpfen Bakterien lokal, wo ein aggressives Immunsystem wünschenswert ist. Was ist aber, wenn da dauernd Bakterien sind (wie im späteren Verlauf einer chronischen Zahnfleischentzündung) oder wenn der Körper seine eigenen Körperstrukturen als „Feind“ erkennt?
Genau. Dann ist „mehr IL-6“ oft weniger gut.
Die schlechte (oder gute?) Nachricht ist nämlich, dass IL-6 nicht nur lokal gebildet wird und dort wirkt, sondern auch systemisch wirken kann. Es gibt, was IL-6 betrifft, zwei unterschiedliche Szenarien:
- (Metabolisch) kranke Menschen haben häufig relativ hohe systemische IL-6-Werte. Da zirkuliert also konstant mehr IL-6 im Blut als bei normalen Menschen. Wenn dieses IL-6 jetzt an Entzündungsherden vorbeikommt, intensiviert es die Entzündungsreaktion. Ergo: Deshalb „schmilzt“ das Zahnfleisch – um bei unserem Beispiel zu bleiben – bei metabolisch kranken Menschen direkt mal schneller weg.
- Irgendwann aber hat man herausgefunden, dass auch der Muskel bei Belastung (Sport) IL-6 sezerniert, also in den Blutstrom abgibt – was eine 100-fache Erhöhung der IL-6-Werte im Blut hervorrufen kann. Dieses temporär anflutende IL-6 kann prinzipiell natürlich auch Entzündungen befeuern, es zeigt sich allerdings, dass es unter diesen Umständen häufig gegen Entzündungen wirkt – zudem aktiviert es die Lipolyse (= Fettsäurefreisetzung aus dem Fettgewebe), die Fettverbrennung und erhöht die Glukose-Aufnahme in den Muskel … und hemmt die Entstehung von Tumoren. „Exercise derived“ IL-6 ist also nicht böse, sondern gut.
Zu viel IL-6 genauso schlecht wie zu wenig IL-6
Lange Rede, kurzer Sinn: Ein Zuviel an IL-6 kann prinzipiell …
IL-6 stimulates the inflammatory and auto-immune processes in many diseases such as diabetes,[26] atherosclerosis,[27] depression,[28] Alzheimer’s Disease,[29] systemic lupus erythematosus,[30]multiple myeloma,[31] prostate cancer,[32] Behçet’s disease,[33] and rheumatoid arthritis.[34]
… sämtliche entzündliche Krankheiten „verschlimmern“.
Und auf der anderen Seite …
We investigated the impact of loss of IL-6 on body composition in mice lacking the gene encoding IL-6 (Il6-/- mice) and found that they developed mature-onset obesity that was partly reversed by IL-6 replacement. The obese Il6-/- mice had disturbed carbohydrate and lipid metabolism, increased leptin levels and decreased responsiveness to leptin treatment.
… kann ein „Zuwenig“ IL-6 (hier: via gezieltem Gen-Knockout) unter anderem die Entstehung von Fettleibigkeit fördern und den Energiestoffwechsel lahmlegen.
Hemmen Vitamin-K-Verbindungen Entzündungsreaktionen?
Es bietet sich also grundsätzlich an, mal über dieses IL-6 nachzudenken und bei Zuviel IL-6 ein bisschen zu handeln. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine wollen wir heute besprechen. Eine ganz interessante Arbeit titelt:
Interleukin 6 production by lipopolysaccharide-stimulated human fibroblasts is potently inhibited by naphthoquinone (vitamin K) compounds.
Also hier wieder: Fibroblasten sezernieren IL-6, wenn sie mit „Bakterien-Bestandteilen“ (hier: Lipopolysacchariden) in Kontakt kommen. Und offensichtlich lässt sich das durch sämtliche Vitamin-K-Abkömmlinge hemmen. Wir lesen:
All of these compounds are capable of inhibiting IL-6 production with a rank order of potency: KCAT > K3 > DMK > K2 > K1.
KCAT und DMK interessieren uns nicht. Auffällig ist, dass besonders K3 und K2 gut abschneiden – und, wie wir gelernt haben, ist es spielend leicht sehr hohe K2-Mengen über die Nahrung zuzuführen.
K3 gilt eigentlich als toxisch und ist daher kein „Vitamin“ im klassischen Sinne – zeigt aber in Studien eine starke Wirkung gegen Krebs. Und: „Neuerdings“ weiß man, dass K1 im Körper in K3 umgewandelt und danach zu K2-MK4 wird. Heißt: Bei einer hohen K1-Zufuhr fällt möglicherweise auch einiges an K3 an.
Speziell K2 – dessen tägliche Zufuhr auch ich unterschätzt habe, schließlich lernen wir gerade, wie hochkonzentriert es in möglicherweise vielen fetthaltigeren, tierischen Lebensmitteln vorkommt – könnte damit ein unterschätzter Nahrungsbestandteil sein, der vor Entzündungsreaktionen schützt. Aber, um es mal wieder klar zu sagen: Wer täglich viel Salat isst, der nimmt auch viel K1 auf – und das wird im Körper sowohl zu K3 als auch zu K2-MK4. Man muss also nicht zwingend „Käse, Schwein oder Huhn“ essen.
1 comments On Vitamin K(2) als Mittel gegen Entzündungen?
Danke für den informativen Artikel! Ich finde es super, dass du auch vor einer Überdosierung warnst. Das vergessen viele leider oft.