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Was kann Intervallfasten wirklich?

Newsletter vom 29.11.20 

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Intervallfasten ist heute in aller Munde. Der Begriff ist ein bisschen … wie soll man sagen … angepasst. Angepasst an den Mainstream, um große Versprechungen zu machen.Bis ein bekannter Fernsehmoderator vor wenigen Jahren im Zuge seines neuen Diät-Programms, scheinbar durch Magie, zehn Kilo in drei Monaten abnahm, nannte man Intervallfasten noch Intermittent Fasting, deutsch: Intermittierendes Fasten.

Was Fasten ist, weiß oder versteht jeder. Nix essen. Intermittierend bedeutet, das Fasten immer wieder zu brechen.

Google-Suchanfragen der letzten Jahre für den Begriff Intervallfasten: Vor 2017 nicht existent und jedes Jahr pünktlich im Januar eine Spitze.

Die Hintergründe

Kenner wissen Bescheid: Seine Anfänge hatte all das irgendwo in den 00er-Jahren mit der Warrior Diet von Ori Hofmekler, seines Zeichens Ernährungs-Experte und früherer Soldat einer Spezialeinheit. Kerngedanke: Kein Mensch auf dieser Welt hat je alle drei oder vier Stunden Nahrung zugeführt. Im Gegenteil: In 99 % der Menschheitsgeschichte dürfte die Mahlzeitenfrequenz eher niedriger gewesen sein als heute. Hofmeklers Ansatz sah daher vor, dass man tagsüber wenig (nicht nichts) isst, die undereating phase, und dies dann on point mit einer größeren Mahlzeit im Laufe des Tages bzw. abends kompensiert, in der overeating phase.

Stellen wir uns den Kalorienbedarf also als Echtzeit-Verbrauch vor, essen wir quasi 80 oder 90 % des Tages unter der Kalorienideallinie. Die anderen 10 bis 20 % dann über der Linie. Am Ende des Tages stimmt die Netto-Zufuhr wieder. In der Fachsprache nennt man das calorie shifting. Wir essen unterm Strich am Ende des Tages zwar so viel wie wir brauchen, haben die Kalorienzufuhr aber anders aufgeteilt. Studien, die sich damit befassen, zeigen immer wieder eindrucksvoll, dass das Timing sehr entscheidend sein kann.

So weiß man aus Nager-Studien beispielsweise, dass die fitter sind, weniger zunehmen und auch nicht so schnell stoffwechselkrank werden, wenn man ihnen das Fast-Food in einem bestimmten Zeitfenster verabreicht. Doch auf diese gedanklichen Spielereien wollten wir gar nicht hinaus. Hofmeklers Idee war, dass man mit dieser Art der Ernährung das Hormonprofil verbessert. Und edubily-Leser wissen: Ein anderes Hormonprofil zu haben, heißt, auch ein anderes Profil an bestimmten zellulären Botenstoffen zu haben. Stichwort cAMP, Stichwort AMPK. Simpel ausgedrückt könnte man sagen:

Wir geben dem Körper Zeit, sein eigenes Körperfett zu verbrennen.

Wichtiger Punkt. Wir modernen Menschen, die Zootieren ähneln, sind es gewohnt, quasi konstant zu essen. Wir hangeln uns von Mahlzeit zu Mahlzeit. Dass das aber irgendwie ein anormales Verhalten ist, verstehen wir gar nicht. Zum Glück wird das von einer gesunden Biologie kompensiert: Die meisten von uns bekommen dann mal mehr, mal weniger Hunger.

16/8: Leangains back in the days

Es gibt aber auch einen großen Prozentsatz an Menschen, bei denen diese Regulationen nicht mehr funktionieren. Das ganze hormonelle Profil ist hier entgleist. Das Blut dieser Menschen schwimmt im Fett (sic!), aber die zelluläre Energiekrise treibt trotzdem immer mehr Energie in den Körper. Diese Menschen essen immer zu viel, weil der Körper konstant im Energiemangel ist.

Die mächtigste Waffe, diesen Teufelskreis zu brechen, ist das Fasten.

Das Fasten – oder starkes undereating – senkt Insulin maximal stark. Das sorgt umgekehrt dafür, dass HGH, das Wachstumshormon, ansteigt. Diese beiden haben eine gegenläufige Beziehung. Wenn Insulin sinkt, steigt HGH. Das macht den Weg frei für die optimale Verbrennung körpereigener Fettreserven. Da es sich hierbei um einen uralten Mechanismus handelt, der Abermillionen von Jahren alt ist, und an quasi allen Hungersnöten und Hungerperioden der Menschheit lernen konnte, kann sich der Körper optimal einstellen. Wir verspüren oft ziemlich wenig Hunger.

Richtig populär wurde Intermittierendes Fasten dann Anfang der 10er-Jahre. Das haben wir einem Schweden mit dem Namen Martin Berkhan zu verdanken. Glücklich ist, wer live dabei war und alles minutiös mitverfolgt und miterlebt hat. Das waren Zeiten im (internationalen) Gesundheitsinternet! Martin Berkhan hat „16/8“ auf seiner Plattform leangains bekannt gemacht. 16 Stunden fasten, 8 Stunden essen. Freilich: Obgleich Berkhan immer wieder betonte, dass diese Anleitung das Diäten ziemlich leichtmachte, wies er auch immer wieder darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine magic bullet handelt, und am Ende des Tages trotzdem die Kalorien zählen ;-)

Hier steckt auch gleich die ganze Wahrheit drin: Es kommt auf die Kalorien an. Jedenfalls rein physikalisch betrachtet. Es gibt allerdings Wege, die Kalorienrestriktion sehr viel leichter zu gestalten. IF kann hier ein Weg sein. Wir betonen: ein Weg.

Die Schatten- und Sonnenseiten

Denn das Ganze hat auch Schattenseiten. Jeder Praktiker weiß das: Wer abends hart trainiert, braucht morgens einfach oft Kalorien. Eine feste Vorgabe, das uns diesen Handlungsspielraum nimmt, ist oft kontraproduktiv. Überhaupt: Strikte Templates sind oft kontraproduktiv und helfen nur in gewissen Phasen.

Bei vielen ufert es aus, es wird zur Essstörung. Der Weg von 16/8 zu „one meal a day“ ist kurz. Und überhaupt: Es gibt mittlerweile Studien, die zeigen, dass speziell Frauen auf eine gleichmäßige Kalorienzufuhr über den Tag angewiesen sind. Die weibliche reproduktive Achse scheint hier besonders empfindlich zu reagieren. Wir kennen genug junge Frauen, die ihre Periode nicht mehr bekommen – auch deswegen.

Ein liberaler Einsatz von Fastenphasen kann aber ein extrem mächtiges und wertvolles Tool werden. Vielleicht für die Weihnachtszeit, oder für danach. Denn eins ist gewiss: Der Fastenmodus, der nach einem kurzweiligen Überfressen ;-) besonders einfach zu erreichen ist, hilft enorm dabei, die überschüssige Energie zu mobilisieren und wieder zu verbrennen.

Trau dich ruhig einmal, es auszuprobieren. Nahrungskarenz klingt böse, ist aber in den meisten Fällen ganz einfach, tut gut und kann sehr bereichernd sein. Unsere Bitte: Übertreibe es nicht. Mach‘ daraus keine Ideologie und lass dich von Ernährungskonzepten nicht einschränken.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

10 comments On Was kann Intervallfasten wirklich?

  • Ich möchte schon lange mal fasten. Habe aber das Gefühl, dass es meinem Körper einfach überhaupt nicht bekommt (Ich bin ein Mann, SD-Werte sind niedrig). Stoffwechsel für meinen Geschmack zu langsam. Wenn ich das Fenster durchhalte, dann wird mein Essverhalten abends oft unkontrolliert.
    Fasten möchte ich, um den Körper auf ein gesundes KFA-Level zu bringen. Das ist etwas zu hoch (nicht mega, aber es stört mich).

    Macht es in meiner Situation überhaupt Sinn, zu fasten? Und falls ja, habt ihr Tipps, um das Ganze besser zu vertragen? Morgens Elektolyte? Vllt. ein paar EAAs (aber dann wäre es kein fasten mehr). Mir fällt einfach nichts ein und ich fühle mich einfach unwohl, weil ich ständig Hunger habe (und nein, ich esse nicht super low calorie. Aber für 100kg BW sollte da mehr Umsatz sein.

    Danke für eure Antwort,
    Alex

    • Wie ist denn dein Essverhalten aktuell?
      Vielen hilft es schon nur 3 mal am Tag zu essen. Dazwischen ganz strikt keine Kalorienaufnahme. Wenn das gut klappt, kannst du es ja immer weiter Richtung 16/8 verschieben.

  • Super Artikel!

    Mal eine Frage an den Autor:
    Wie nutzt du dieses „Tool“, fasten, für dich selbst? Bewusst in Form von bspw. 1-2 festen Fastentagen pro Woche, im Rahmen von Diäten, oder grundsätzlich nach Hunger essen?

    • Gar nicht mehr bewusst. Habe das früher jahrelang strikt durchgezogen. Aber heute alles gefühl … morgens muss man nichts essen, wenn man keinen Hunger hat. Und überhaupt muss man nicht „dreimal am Tag groß Essen“. Meistens esse ich nur 1-2x „groß“. Dazwischen aber nicht ganz fasten, sondern eher „undereating“ (s dazu unsere Artikel-Reihe). LG und danke ;-)

      • Hey Chris! Ich hätte eine Frage bzgl. deiner Aussage „wenn man keinen Hunger hat muss man nicht essen“:
        Ich habe mal in einem Newsletter von einem anderen Blog gelesen, dass wenn man morgens nach dem Aufstehen keinen Hunger hat ist es ein Zeichen für einen gestressten Körper. Außerdem sollen die meisten Menschen heutzutage Schwierigkeiten haben über mehrere Stunden Glykogen zu speichern und infolgedessen morgens mit einem leeren Glykogenspeicher aufwachen, welchen man schnellstmöglich wieder aufüllen soll damit man mit besser mit unseren stressigen Umgebung umgehen kann. Was hälst du von diesen Aussagen?

        • Hallo. Man muss nicht essen, wenn der Körper keinen Hunger hat. Statt immer neue Konzepte und vermeintliche Wahrheiten zu lernen, könnte man ja mal wieder lernen, auf den eigenen Körper zu hören und ihn zu spüren :-) Du merkst morgens schon, wenn die Glykogenspeicher so leergepumpt sind, dass man unbedingt KHs braucht. Im Regelfall übt der Körper damit aber ja seine Fettverbrennung, was Glykogen spart.

          • Ja, danke für die Erinnerung an das wohl Wichtigste, dass man bzgl. Ernährung verstehen sollte: auf den eigenen Körper hören. Das vergisst man gerne mal und übernimmt einfach irgendwelche Konzepte, die mit einem selber überhaupt nicht einstimmen. Ich glaube man sollte Konzepte, Vorschläge, Ideen etc. von anderen lediglich als Inspiration sehen anstatt als feste Regeln, die man unbedingt folgen muss. Das fällt aber auch nicht immer einfach, wenn man jetzt speziell im Ernährungsumfeld viele „biased“ Experten vorfindet, die ultimative Aussagen treffen wie. „Jeder sollte sich ketogen ernähren!“. Man sollte echt aufpassen, woher man seine Informationen bezieht.
            Wohingegen im Edubily Blog finde ich Experten vor, die differenziert vorgehen und offen sind etwas neues zu lernen und bestehende Ansätze zu hinterfragen.

  • „Das waren Zeiten im (internationalen) Gesundheitsinternet!“

    Allerdings! Ich fand das damals alles super spannend und aufregend und hab jeden Trend mitgenommen.

    Musste da schon mehrmals schmunzeln in letzter Zeit. Als ich mit dem ganzen IF Ding quasi schon längst durch war und sich das für mich wie ein alter Hut angefühlt hat, kamen auf einmal meine Tante und ihr Lebensparter an und erzählten von diesem neuen Intervallfasten das sie jetzt machen und mit dem es ihnen sooo viel besser geht. Oder meine Mutter die mir eine Essstörung einreden wollte als ich auf einmal nicht mehr frühstückte und dann irgendwann selber auf den Low-Carb/BulletProofCoffee/IF Zug aufgesprungen ist.

  • Nur damit ich es richtig verstehe: d. h. Dicke wie ich lieber lange Fasten (wirklich nix!) ?

    Oder lieber Proteinfasten, also bei Hunger immer auch mageres Protein (Hähnchen, Whey, etc.) essen?

    Danke!

  • Intervallfasten ist richtig, richtig cool & genau das was zu mir passt!

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