Alzheimer Plaques

Was im Gehirn passiert, wenn du mTOR hemmst

Guten Tag! Die Studien heutzutage werden immer cooler. Noch vor ein paar Jahren glichen viele Studien eher relativ einfacher Grundlagenarbeit. Heutzutage scheinen viele Wissenschaftler auch begriffen zu haben, auf was es ankommt, und untersuchen entsprechend super spannende Themen.

Was du heute wissen musst

So aktuell geschehen. Dazu musst du für den Artikel drei Dinge verstehen:

  1. Im Gehirn gibt es s. g. Mikroglia. Das sind spezialisierte Immunzellen, die – wenn aktiviert – wie eine Amöbe (amöboid) im Gehirn umher wandern und Viren, Bakterien, aber vor allem Zellmüll „fressen“ und verdauen.
  2. Alzheimer – kennst du – ist charakterisiert durch eine Anreicherung von s. g. ß-Amyloid-Plaques zwischen Nervenzellen des Gehirns. Diese Proteine werden von Neuronen konstant ausgespuckt und haben auch eine biologische Bedeutung, die derzeit erforscht wird (z. B. offenbar antimikrobielle Wirkung). Bei Gesunden werden die aber auch konstant abgebaut und reichern sich nicht an. Alzheimer bricht aus, wenn die sich anreichern.
  3. mTOR ist der klassische Zellschalter, der „Wachstum“ ermöglicht. Die Forschung konzentriert sich seit Jahren sehr um AMPK, der natürliche Gegenspieler, der Zellen in eine Art Schutzzustand drückt, aber zeitgleich das Wachstum bremst.
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Mikroglia sind spezialisierte Immunzellen des Gehirns, die – wenn aktiviert – aussehen und sich bewegen wie ein Amöbe. Sie fressen („Phagocytose“) beispielsweise auch Amyloid-Plaques.

Immer AMPK im Zentrum – was ist mit mTOR?

Klassischerweise fokussiert die Wissenschaft seit jeher AMPK. Grund: Bei uns, also in westlichen Sphären dieser Welt, haben wir meistens ein Problem mit „zu viel Wachstum“. Das ist zwar überspitzt und eigentlich auch nicht richtig, aber wir haben halt meistens zu viel Insulin im Blut (aktiviert mTOR), wir sind zu fett und so weiter – was unterm Strich die natürliche mTOR/AMPK-Balance aus dem Gleichgewicht bringt … und krank macht.

Drum dachte man sich all die Jahre fröhlich: Wir finden einfach Stoffe, die AMPK aktivieren und mTOR unterdrücken … und wir haben die Probleme der modernen Menschheit gelöst. Wie so oft: Leider zu kurz gedacht. Zwar ist es in der Tat so, dass AMPK extrem wichtig ist und ein sehr, sehr entscheidender Schalter ist, wenn es darum geht, Gesundheit zu erzeugen.

Das passiert, wenn man mTOR in Mikroglia hemmt

Man kann aber die mTOR-Aktivität nicht einfach ausschalten und dann glauben, man würde dauerhaft gesund bleiben können. Gesagt, geschehen: Da hat jetzt kürzlich ein Forscher-Team untersuchen wollen, wie Mikroglia die ß-Amyloid-Plaques auffressen … oder auch nicht. Denn klar ist: Wenn Mikroglia diese Alzheimer-Plaques fressen – wie es wohl bei den meisten Menschen ohnehin der Fall ist –, also wenn man wüsste, wie man das forcieren kann, könnte man ja einmal mehr irgendein Medikament dafür entwickeln.

Und man hat „Erstaunliches“ rausgefunden. Die Forscher konnten nämlich beobachten, dass Mikroglia diese Plaques vermehrt futtern, wenn sie ein bestimmtes Protein deaktivierten, was dann als Folge mTOR aktiver macht. Heißt konkret: Mikroglia werden aktiver und besser bei der Alzheimer-Bekämpfung, wenn mTOR aktiv(er) ist. Um das Ganze nochmal genauer zu prüfen, hauten die einfach den klassischen mTOR-Inhibitor und AMPK-Aktivator Rapamycin ins Medium – wohlgemerkt: Rapamycin galt lange Zeit als „Lebenselixier“, weil es AMPK aktiviert und mTOR hemmt.

Nur dumm: Durch die Rapamycin-Gabe wurde mTOR gehemmt, die Mikroglia wurden faul und … Alzheimer-Plaques reicherten sich an. Die Autoren schreiben:

Der mTOR-Signalweg ist ein wichtiger Regulator für wichtige zelluläre Stoffwechselprozesse. Der Zusammenhang zwischen mTOR-Signalen und Alzheimer ist jedoch nicht gut verstanden. In dieser Studie liefern wir überzeugende In-vivo-Beweise dafür, dass die mTOR-Aktivierung in Mikroglia β-Amyloid-bedingte Alzheimer-Pathologien verbessern würde(…). Die Hemmung des mTOR-Signalwegs mit Rapamycin (…) führt zu einer verringerten β-Amyloid-Plaque-Clearance, was darauf hindeutet, dass eine mTOR-Inaktivierung bei β-Amyloid-assoziierten Alzheimer-Patienten schädlich sein könnte. Dieser Befund wird eine bedeutende Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit und einen Nutzen in Bezug auf die Verwendung von Rapamycin bei Alzheimer-Patienten haben, was unserer Meinung nach die β-Amyloid-assoziierten Alzheimer-Pathologien verschlimmern wird.

Boom. Einmal mehr zeigt sich, dass Wundermittel keine sind. Einmal mehr zeigt sich, dass man die Biochemie nicht dauerhaft in eine Richtung „drücken“ kann, z. B. durch Medikamenten, und danach erwarten, dass man gesund ist oder bleibt. Es kommt immer auf eine Balance an, hier am Beispiel von mTOR vs. AMPK anhand von Alzheimer-Plaques gezeigt. Zyklen!

Ein funktionierender Energiestoffwechsel schützt

Wer weiter denkt und schon ein bisschen mit edubily und den Themen vertraut ist, wird jetzt direkt … was verstehen. Denn: Was aktiviert denn im Gehirn eigentlich mTOR, den so genannten anabolen Signalweg? Richtig: Insulin. Insulin muss also nicht nur im Muskel wirken (Stichwort Insulinsensitivität vs. -resistenz), sondern auch im Gehirn. Drum weiß man schon seit bald Jahrzehnten, dass Insulinresistenz im Gehirn und damit ein Mangel an mTOR-Aktivität und Anabolie … mit Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen assoziiert ist.

Aha. Manchmal ist es gar nicht so kompliziert. :-) Ob Naturvölker Demenz und Alzheimer haben? Ach Moment, da war doch was

Eine neue Studie zeigt, dass zwei indigene Gruppen im bolivianischen Amazonasgebiet eine der niedrigsten Demenzraten der Welt aufweisen. Ein internationales Forscherteam fand heraus, dass unter den älteren Tsimane und Moseten nur etwa 1 Prozent an Demenz leiden. Im Gegensatz dazu sind in den Vereinigten Staaten 11 Prozent der Menschen im Alter von 65 Jahren und älter demenzkrank.

Tsimane laughing
Haben gut lachen: die Tsimane

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

4 comments On Was im Gehirn passiert, wenn du mTOR hemmst

  • Hallo Janett,
    tut mir Sehr Leid mit Deiner Erkrankung! Beratung zu seltenen genetischen Erkrankungen kann man natürlich hier nicht erwarten.
    Ist es diese Form? Passt allerdings nicht ganz mit Deiner Angabe einer Lipid-Phosphatase-Störung zusammen.
    https://www.orpha.net/de/disease/detail/773#:~:text=Adulte%20Refsum-Krankheit;%20HMSN%204;%20HMSN%20IV;%20Heredopathia%20atactica
    Hier gibt die Empfehlung, Phytansäure (z.B. aus Rindfleisch und Milchprodukten) zu meiden.
    Würde mich freuen, falls das weiterhilft. Alles Gute!

  • Hallo liebes Team, ein sehr interessanter Bericht!!👍

    Ich hab eine Frage : ich habe eine Erkrankung hmsn 4 b 2 im Mitochondrien Bereich. Eine Lipid Phosphatase Stoffwechselstörung. Mir geht’s mittlerweile sehr sehr schlecht. Meine Erkrankung kann nur durch mtor Senkung gestoppt werden. Ich weiß nicht was ich tun soll zwecks medikament, habt ihr vielleicht eine Idee wie man mir helfen kann???

    Hoffnungsvoll und hochachtungsvoll

    Janett Werrmann

  • Ein erstaunliches Ergebnis! Bis jetzt las ich, daß bei Alzheimer die ketogene Ernährung sinnvoll wäre. Der Prozess würde gestoppt und die Erkrankten könnten wieder klar denken, sofern das Gehirn nicht schon zu sehr geschädigt wurde.
    Die Ketone übernehmen die Aufgabe der Glucose, die aufgrund der Insulinresistenz nicht mehr verarbeitet werden kann.
    Dummerweise fördert Keto aber AMPK und bremst mTor aus…Wie geht das zusammen?

    • Das geht insofern zusammen als dass KD als Therapeutikum die Biochemie der neuronen wieder vermehrt auf „gesund“ polen und dem Gehirn dadurch und durch anti-entzündliche Effekte hilft, normal(er) zu funktionieren. Mir ist aber keine Arbeit bekannt, die KD mit Blick auf die Plaques untersucht und darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass die Insulinwirkung im Gehirn anders reguliert wird als im Muskel. Nur zur Erinnerung: Im Gehirn werden keine Fettsäuren oxidiert und daher greift hier kein Randle Zyklus und die typischen negativen Effekte von zu viel Fett auf den Muskel gibt es so im Gehirn nicht.

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