So könnte man kranke Herzen heilen

Wie kranke Herzen heilen könnten

Wir erinnern uns kurz: Ein Dogma ist, dass das Herz eine sehr begrenzte Kapazität hat, sich selbst zu erneuern. Das ist ein Nachteil für all diejenigen, die ein vernarbtes Herzgewebe haben. Zum Beispiel aufgrund eines Infarktes.

Wer selbst schon Probleme mit dem Herzen hatte, der horcht hier auf.

Das eben beschrieben Dogma wurde mittlerweile mehrfach infrage gestellt. Es gibt einige wirklich sehr interessante Arbeiten, die sich mit der Regenerationskapazität des Herzens befassen. Das Herz verfügt potenziell über Möglichkeiten, sich selbst zu heilen, also zu regenerieren. Das Wissen um die Kapazität bringt nix, wenn man nicht versteht, wie man diese Kapazität nutzen kann. In anderen Worten: Welche (molekularen) Schalter müssen gedrückt werden, damit das Herz die Kapazität zur Regeneration nutzt?

Vor einigen Jahren hat eine Forschungsgruppe erste Ideen geliefert. Dort nämlich wurde gezeigt: Herze heilen durch Ausdauertraining, je intensiver, desto besser. 1 Gezeigt wurde das anhand von Ratten.

(Wir denken kurz daran, dass jahrelanges, zu zehrendes Ausdauertraining, also z. B. Marathon, auch nix ist für das Herz. 2)

Wohl auf dieser Studie basierend hat sich ein Herr Doktor Godfrey — nach einem Herzinfarkt — dazu entschlossen, sich selbst einem solchen Programm zu unterziehen. Wohlgemerkt: Er war vorher bereits Sportler. Erstmals wurde gezeigt, dass ein Herzinfarkt heilen kann, tatsächlich verringerte sich das vernarbte Gewebe um ca. 50 %. 3

Doch der Mechanismus dahinter? Unbekannt.

Gestern las ich auf ScienceDailyKranke Herzen hiermit heilen

Die Arbeit wurde im renommierten Nature-Journal veröffentlicht. 4

Die Autoren schreiben auch: Normalerweise kann das Herz nicht so heilen, wie wir das gerne hätten.

Neu: Setzt man Mäuse einer Atmosphäre aus, die statt 21 % nur 7 % Sauerstoff enthält, beginnt das Herz tatsächlich zu heilen. Herzzellen teilen, also vermehren sich.

Interessant ist der Grund, den die Wissenschaftler vermuten: Die DNA der Herzzellen wird konstant bombardiert von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Die sind ein Abfallprodukt des intensiven, aeroben Stoffwechsels, den man in Herzzellen findet. Das wiederum blockiert den Regenerationsprozess. Dadurch, dass man dem Herzen den so wichtigen Sauerstoff nimmt, schaltet das Herz auf einen Stoffwechsel ohne Atmung um. Das bedeutet zwar, dass weniger Energie produziert wird, aber offenbar schaltet es einen Reparaturprozess ein.

Interessant wäre, welche Schlüssel-Faktoren tatsächlich tragende Rollen spielen.

Denn unseren Lesern ist bereits bekannt, dass es bestimmte Proteine gibt, die bei (relativem) Sauerstoffmangel aktiv werden. Hypoxia-inducible factor (Hif) wäre so einer. Den hatten wir erklärt im Zusammenhang mit dem Eisen-Stoffwechsel und dem Glukose-Stoffwechsel. Eisen könnte man grundsätzlich für „Sauerstoff“ stehen lassen. Senkt man Eisen im Organismus künstlich, z. B. durch die Gabe eines Chelators, wird z. B. Hif-1α aktiviert. Der wiederum schaltet den Glukose-Stoffwechsel ein. Glukose wiederum aktiviert den anabolen Signalweg innerhalb der Zelle.

Das ist eine, meine Hypothese: Es wurde bereits vermutet, dass Sport u. a. deshalb so förderlich auf das Herz wirkt, da es den anabolen Signalweg der Zelle via IGF (Wachstumshormon) aktiviert. 5

Interessant in dem Zusammenhang: Intensives Ausdauertraining bzw. hochintensives Intervalltraining lassen (vermutlich) nicht nur IGF ansteigen, sondern auch Hif-1α 6, denn es entsteht eine temporäre, relative Sauerstoffunterversorgung der Zellen.

Natürlich soll hier keine allumfassende Weisheit vom Ast gebrochen werden, aber interessant sind diese (möglichen) Zusammenhänge durchaus.

Halten wir fest: Wer heute sein Herz heilen will, der besteigt entweder den Mt. Everest, senkt seinen Ferritin-Wert oder sprintet auf der Bahn im Stadion. Ich weiß, den Medizinern, die das lesen, dreht sich gerade der Magen um. Daher: Immer schön in Absprache mit dem Arzt :-)

Referenzen

  1. Waring, Cheryl D.; Vicinanza, Carla; Papalamprou, Angela u. a. (2012): „The adult heart responds to increased workload with physiologic hypertrophy, cardiac stem cell activation, and new myocyte formation“. In: Eur Heart J. 35 (39), S. 2722-2731, DOI: 10.1093/eurheartj/ehs338.
  2. (2011): „Diverse Patterns of Myocardial Fibrosis in Lifelong, Veteran Endurance Athletes“. In: Wilderness & Environmental Medicine. 22 (3), S. 281, DOI: 10.1016/j.wem.2011.05.007.
  3. Godfrey, R.; Theologou, T.; Dellegrottaglie, S. u. a. (2013): „The effect of high-intensity aerobic interval training on postinfarction left ventricular remodelling“. In: Case Reports. 2013 (feb13 1), S. bcr2012007668-bcr2012007668, DOI: 10.1136/bcr-2012-007668.
  4. Nakada, Yuji; Canseco, Diana C.; Thet, SuWannee u. a. (2016): „Hypoxia induces heart regeneration in adult mice“. In: Nature., DOI: 10.1038/nature20173.
  5. Huang, C.-Y.; Yang, A.-L.; Lin, Y.-M. u. a. (2011): „Anti-apoptotic and pro-survival effects of exercise training on hypertensive hearts“. In: Journal of Applied Physiology. 112 (5), S. 883-891, DOI: 10.1152/japplphysiol.00605.2011.
  6. Abe, Takaaki; Kitaoka, Yu; Kikuchi, Dale Manjiro u. a. (2015): „High-intensity interval training-induced metabolic adaptation coupled with an increase in Hif-1α and glycolytic protein expression“. In: Journal of Applied Physiology., S. jap.00499.2015, DOI: 10.1152/japplphysiol.00499.2015.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

6 comments On Wie kranke Herzen heilen könnten

  • Gibt es hierzu schon neuere Studien die das Ganze weiter belegen?

    Ich kämpfe gerade mit meiner 2ten Herzmuskelentzündung (bin 31 Jahre alt, die 1ste hatte ich mit 18 Jahren) und dementsprechend vernarbtem Gewebe. Habe bald wieder ein Termin beim Kardiologen und würde das gerne mal ansprechen.

    Grüße Tobse

    • Hast du dir die Herzmuskelentzündungen eingehandelt weil du immer zu schnell nach Infektionen wieder mit Sport angefangen hast? Denn wenn das so ist, dann denke jetzt erstmal nicht an derartige Interventionen und kuriere erstmal die Entzündung gut aus und sorge danach dafür, dass du dein Immunsystem maximal stärkst (Vitamin D, Multi, Zink, Eiweiß etc) und den gleichen Fehler nicht nochmal machst mit dem zu früh sporteln.

      LG Jens

      • Hallo Jens,
        das mit dem Sport war mit der Auslöser der 1sten Entzündung. Seitdem achte ich sehr auf mich und arbeite auch mit dem Multi, VitD, Zink etc. Das klappt mal mehr mal weniger gut aber Sport gibt es bei mir erst nach gut ausgeheiltem Infekt.

        LG Tobse

  • Gilt diese These auch für die Diagnose Dilatative Kardiomyophatie?
    Im besten Fall auch dann, wenn die Ärzte keine Heilung in Aussicht gestellt haben?

  • Epidemologisch gesehen habe ich auch zwei Studien hierzu:

    „30% reduction in deaths from coronary artery disease at >1000 meters“

    https://s3-us-west-1.amazonaws.com/paperchase-aging/pdf/kLv5jievRxBADM638.pdf

    “ 22% less heart disease death for every +1000 meters in altitude, and 12% less stroke death.“
    http://circ.ahajournals.org/content/120/6/495

  • Kann man überprüfen ob die Interventionen anschlagen?
    Wegen einer Herzklappen-Rekonstruktion vor 2 Jahren soll ich auch noch Baby-Aspirin nehmen. Mal davon abgesehen das ich es nicht tue, wäre es trotzdem interessant zu wissen ob es eine Möglichkeit zur Kontrolle gibt. Dann hätte ich das aus dem Kopf. (Bitte nicht nachmachen)

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