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Low Fat oder Low Carb – Wer gewinnt?

Die Amerikaner sind lustig. Schon seit Jahren wird in der Ernährungsszene gestritten. Weniger Fett und mehr Carbs oder viel Fett und wenige Carbs? Was ist besser? Vor allem mit Blick auf den Gewichtsverlust?

Es gibt unter „Experten“ quasi zwei Lager. Das Lager um Taubes, Eades und Co., das andere Lager um Hall, Aragon, Guyenet etc. Die einen trinken Butter-Kaffee zum Frühstück, die anderen löffeln Haferflocken, mal etwas überspitzt formuliert.

Guyenet erforscht Fettleibigkeit mit Blick auf neuronale Strukturen. Was passiert im Gehirn bei Gewichtszu- oder abnahme? Darüber hat er neulich ein Buch geschrieben. Sein Punkt ist, dass Protein der entscheidende Faktor ist. Nicht nur für eine langfristige Gewichtskontrolle via Set-Point etc. — Guyenet meint auch, dass der Protein-Anteil der Ernährung darüber entscheidet, ob „Low Carb“ oder „Low Fat“ besser ist.

In einer relativ neuen Meta-Analyse vom Kollegen Hall steht genau das: „Low Fat“ schneidet ganz minimal besser ab als „Low Carb“, wenn das Design bzw. die Auswertung wichtige Parameter, wie beispielsweise den Protein-Anteil, angleicht. 1

Guyenet hat aber noch andere Theorien, etwa: Makro-Extreme könnten leichte Vorteile bringen. Eine ketogene Diät könnte dann besser funktionieren als „20 % Carbs“ und eine extrem kohlenhydratreiche Ernährungsform (Blue Zones, Kitava, Tsimane etc.), die sehr wenig Fett enthält, könnte ebenfalls besondere Effekte zeigen. Dieses Thema wurde von Denise Minger z. B. in diesem Video angesprochen. Die geht einen Schritt weiter und sagt: wir sollten kritisch bleiben und an die vielen Experimente denken, wo diese extrem kohlenhydratreiche Kostform Menschen geheilt hat — nachweisbar. Die eindeutig belegen, dass diese Kostform eben nicht krank macht.

Nun gut.

Seit Jahren lese ich immer mal wieder bei freetheanimal.com mit, denn hier zeigen sich diese sinusförmigen Verläufe extrem gut. Was der Blog-Autor jetzt gerade, basierend auf dem Beschriebenen, macht?

The idea is simple

  1. Target lots of lean protein.
  2. When eaten with higher fat, go low-carb.
  3. When eaten with higher carb, go low-fat.

Das ist die „neue“, extrem simple Ernährungsform. Die Idee: Man nehme mageres Protein und kombiniere es mit … z. B. Kartoffeln oder Nüssen.

Oh, wow. Die „Idee“ gab es vor drei Jahren schon im Handbuch — siehe unten. Fußte auf theoretischen Überlegungen (metabolische Flexibilität, Schilddrüsenleistung, Hormonhaushalt, Autophagie etc. etc.), auf den o. g. Beobachtungen und der Frage nach der Machbarkeit. Es stellte sich heraus, dass es für einige Menschen extrem schwer ist, „mageres Protein“ mit „einer fettarmen Kohlenhydratquelle“ zu kombinieren, weil Menschen sich auf ihr Vollkornbrot mit Tomaten und Schinken, häufig noch Butter streichen wollen und sich dann fragen, ob 10 g Butter „noch in Ordnung“ sei.

Ernährungsempfehlungen edubily

Oder: wie viele Stunden nach einer fettreichen, KH-armen Mahlzeit wieder Kohlenhydrate gegessen werden dürfen.

Das hat letztlich dazu geführt, dass ich mir dachte: Mensch, dann lass es am besten bleiben, iss eine normale Mischkost, aber — Achtung — achte auf einen hohen Proteinanteil und deine Gesamtkalorien, spiele mit Kalorien, faste morgens, wenn du mal nicht hungrig bist und iss Kohlenhydrate, wenn dein Körper danach verlangt. Überhaupt: wie wärs mit einer „intuitiven Diät“?

Wäre am sinnvollsten, wird aber auch wieder nicht funktionieren, weil mir dann 10 Leute schreiben, dass ihr Leptin-Haushalt kaputt ist, sie immer Hunger haben, sofort zunehmen, wenn sie essen, wie sie wollen … und so weiter.

Was sagt uns das? Der „Ernährungskrieg“ wird bei Laborratten (= homogene Gemeinschaft) schnell beendet sein, während wir Menschen scheinbar unterschiedlicher nicht funktionieren könnten. Deshalb wird die Julia bis an ihr Lebensende an ihre Keto-Diät glauben, während Brad sich abends die selbstgemachte Pizza reinfeuert.

Mir ist selbstverständlich klar, dass es im Endeffekt völlig egal ist, was man isst. Denn all das gilt nur für uns Menschen heute. Für Homo atrophiert. Für uns, die Zoo-Tiere. Wir sind Astronauten: uns wird jeder Krümel von irgendwas krank und dick machen, weil uns Stressoren fehlen. Das lernen wir ja gerade. (Schwerkraft,) Kälte, Wärme, Strahlung, (giftige) Pflanzenstoffe, Sport, Nahrungsmangel, Protein-Mangel, Kohlenhydrat-Mangel … Das Problem ist, dass wir vor allem Angst haben, meinen, der Körper bestünde aus Glas. Bevor man sich jedoch so „quält“, streit man sich lieber über die „richtige Ernährungsform“.

  1. Hall, Kevin D.; Guo, Juen (2017): „Obesity Energetics: Body Weight Regulation and the Effects of Diet Composition“. In: Gastroenterology., DOI: 10.1053/j.gastro.2017.01.052.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

11 comments On Low Fat oder Low Carb – Wer gewinnt?

  • Die „Idee“ find ich auch ziemlich praktikabel. Wo ich nur gedanklich bei der Theorie dahinter nen Klemmer hab: viel KH in Kombination mit viel Fett sollte man doch wohl meiden, aufgrund des Insulins (ausgehend von den KH). Aber warum „darf“ man dann Protein mit Fett kombinieren, wobei ja Protein auch teilweise satrk insulinogen wirkt? Oder ist die absolute Insulinmenge bei Protein dann doch viel niedriger als bei entsprechender Menge KH? Oder anders ausgedrückt: Aufgrund der Thematik „MTor / AMPK“ hätte ich jetzt eher gedacht, dass man entweder Mtor anpeilt durch KH und oder Protein oder eben AMPK durch Fett oder Fasten.

    Will jetzt keine Erbsen zählen, nur den Hintergrund verstehen.

  • Ach ja… . Die gute, alte Mischkost.

    Und dabei hast du doch sogar schon „die perfekte“ Makroverteilung genannt. War da nicht was mit 40/30/30? ;-)

  • Der letzte Abschnitt gefällt mir sehr, danke Chris :-)

    Ein gesunder leistungsstarker Körper kann so viel kompensieren.

    Die Schreibtisch-Rambos mit ihren Glaubenssätzen.

    Einfach mal wieder eine Nacht draußen Schlafen.
    Mal einen Tag nichts Essen.
    Sich den Arsch beim Sport aufreißen, öfters auch mal ans Limit gehen.
    Sauna, Eisbäder.
    NEMs ergänzen und ggf. Mängel ausgleichen.

    Dann ist man ein verdammter Cyborg ;-)

  • „In einer relativ neuen Meta-Analyse vom Kollegen Hall steht genau das:“

    Wenn lt Halls eigener Studie die Anpassungen an VLC im Minimum 2 Wochen brauchen (bis die meisten Marker relativ stabil sind, N-Balance usw), wie sinnvoll ist dann eine MA mit Studien die z.B. 5 Tage gehen und Halls eigene Studie mit einem Monat die längste ist.

    • Viel praxisrelevanter, abseits „kontrollierter Fütterung“.
      Hall: „Nevertheless, very low carbohydrate diets with limited protein likely reduce appetite by promoting an increase in circulating ketones,48 although the
      mechanism for this effect is unclear.49“

      48 . Do ketogenic diets really suppress appetite? A systematic review and meta-analysis
      „the clinical benefit of a ketogenic diet is in preventing an increase in appetite, despite weight loss“

      • Manche Menschen merken gar nichts mehr, nicht wahr? Muss denn einer von einer Reli-Fraktion JEDES MAL seinen Murks verteidigen? Jedes Mal? Auch, wenn es überhaupt gar nicht darum geht? Ist doch wirklich unglaublich.

        Edit: Nichts für ungut. Jeder, der hier liest, weiß um die Vor- oder Nachteile einer jeden Ernährungsform. Man muss es nicht Mantra-artig wiederholen.

  • Guter Artikel! Mir ging dieser ganze Glaubenskrieg schon immer sehr auf die Nerven. Als ob es DIE EINE perfekte Ernährung gäbe und alle Menschen, die an etwas anderes glauben, Idioten sind. Erst neulich hatte ich wieder einen solchen dogmatischen Kommentar unter einem Artikel, den ich schon vor Jahren mal über Kohlenhydrate geschrieben hatte. Alle Menschen, die X glauben liegen völlig falsch, weil die Wissenschaft hat ja eindeutig bewiesen, dass Y die einzige Wahrheit ist. Igendwie scheint der Menschen dieses „wir sind die Guten und die anderen 50 Prozent der Welt sind dumm“-Weltbild für sein geistiges Wohlbefinden zu brauchen. Schade.

  • Die Logik die Ihr vor Drei Jahren beschrieben habt (Gott so lange ist dies schon her?), weicht wenig davon ab was hier gerade als „Trend“ kommen könnte. Insofern Glückwunsch dazu!

    Es ist insgesamt unfassbar, wie kompliziert dieses Thema mittlerweile gemacht wird. Und es ist kein Wunder dass die durchschnittliche Hausfrau mittlerweile genügend Ausreden dafür gesammelt hat, dass es bei Ihr eigentlich gar nicht funktionieren kann.

    Wie wir etwas so simples, Gottgegebenes und natürliches wie die Ernährung über ein Jahrhundert so kaputtreden konnten ist der Hammer…

    • Mir tat immer (!) Gut: 5 bis 6 Stunden zwischen den Mahlzeiten. Natürliche Lebensmittel.kein Industrie Müll. Hunger dauert ca. 20 Minuten….danach wohl Gefühl pur.

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