L-Cystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure

L-Cystein: 9 Einblicke, die du noch nicht kennst

Cystein kennt man vom Glutathion – ein sehr wichtiges, körpereigenes Antioxidanz, das der Körper regulieren kann, wie er möchte.

Das ist ein wichtiger Punkt: Der Körper verfügt über eigene Antioxidantien, die er je nach Belieben und Anforderung regulieren kann. Alle diese Substanzen sind Mikronährstoff-abhängig.

So eben auch Glutathion – man spekuliert noch, ob Cystein oder die kleinste Aminosäure, Glycin, rate-limiting wirkt. (Anmerkung: Im Trainingsguide wird sehr ausführlich (!) über die Aminosäure Glycin beschrieben.)

Eine Aminosäure als echter Alleskönner?

Nun – L-Cystein ist für mich ein Schwert, ein großartiges Hilfsmittel, das zu bekämpfen, was uns am Ende wirklich umbringt: Die Entzündung.

Egal welche Krankheit du studierst (Krebs, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Muskelatrophie, Diabetes, Insulin-Resistenz, metabolisches Syndrom und und und …) … egal welche Krankheit du studierst, am Ende entscheidet der Entzündungsverlauf darüber, ob du aus der Nummer heil heraus kommst (= du heilst und bist gesund) oder ob du langsam, aber sicher daran – pardon – verrecken wirst. Schon Jugendliche leiten heute an Low-Grade-Inflammation.

Ich finde das interessant. Und ich finde interessant, dass – obgleich die Datenlage so überwältigend ist – keiner in der Medizin auf die Idee kommt, die Grundlage von Krankheiten einfach zu beseitigen. Aber das ist ein anderes Thema.

Hier mal ein Ausschnitt von dem, was man von der Aminosäure L-Cystein generell erwarten kann.

L-Cystein verbessert lokale Entzündung und stellt die Darm-Homöostase wieder her in einem Schweine-Modell der Colitis 

Ergebnis: L-Cystein verhindert den Gewichtsverlust und verbessert die intestinale Durchlässigkeit […] und verbessert die Darm-Histologie deutlich. Darüber hinaus senkt L-Cystein die Expression pro-inflammatorischer Zytokine, namentlich TNF-alpha, IL-6 etc.

Die Autoren meinen: L-Cystein könnte ein Bestandteil der Behandlung werden.

Kim, C.J.; Kovacs-Nolan, J.; Yang, C. u. a. (2009): „L-cysteine supplementation attenuates local inflammation and restores gut homeostasis in a porcine model of colitis“. In: Biochimica et Biophysica Acta (BBA) – General Subjects. 1790 (10), S. 1161-1169, DOI: 10.1016/j.bbagen.2009.05.018.

L-Cystein-Supplementation reduziert Monozyten-Adhäsion an Endothel-Zellen, verursacht durch hohe Blutzucker- und Ketonkörper-Konzentrationen 

Kurz zur Erklärung: Wie du siehst, induzieren Makronährstoffe, also nicht nur die böse Glukose, sondern auch Ketonkörper, eine Entzündungsreaktion („Monozyten-Adhäsion“) in den Arterien. Langfristig resultiert daraus Arteriosklerose und Herzinfarkt, Schlaganfall oder ein Glied, das nicht mehr in den Himmel gucken kann.

Daher bin ich auch die ewigen, wirklich unnötigen Diskussionen leid, mit Menschen, die vehement darauf beharren, dass nur Kohlenhydrate schuld am Herzinfarkt sind.

Ergebnis: Die Studie zeigt, dass LC die Radikalen-Produktion hemmt und somit die Adhäsion von Monozyten verhindert. Deutsch: Keine (oder weniger) Entzündung. (Langfristig: Kein Arteriosklerose.)

Kanikarla-Marie, Preeti; Jain, Sushil K. (2014): „l-Cysteine supplementation reduces high-glucose and ketone-induced adhesion of monocytes to endothelial cells by inhibiting ROS“. In: Mol Cell Biochem. 391 (1-2), S. 251-256, DOI: 10.1007/s11010-014-2009-3.

D-Ribose-L-Cystein-Supplementation beschleunigt Wundheilung in einem Nagetier-Modell 

Ergebnis: L-Cystein gebunden an ein Zucker (Ribose) steigert (vermutlich) intrazelluläres Glutathion und lindert somit die Entzündungsreaktion. Die Entzündung an sich verläuft sanfter und die Wunde an sich verheilt besser („stärker“).

Saltman, Adam E. (2015): „d-ribose-l-cysteine supplementation enhances wound healing in a rodent model“. In: The American Journal of Surgery. 210 (1), S. 153-158, DOI: 10.1016/j.amjsurg.2014.11.014.

Die positiven Effekte einer L-Cystein-Gabe in Relation zur DNA-Oxidation, hervorgerufen durch exzessives Training

Ergebnis: Post-Training OHdG- (Marker für DNA-Schaden), CK- und LDH-Wert waren deutlich niedriger in der Interventionsgruppe. Somit könnte L-Cystein DNA-Schäden verhindert haben. Darüber hinaus schützt L-Cystein vor Muskelzell-Tod und verbessert den Antioxidantien-Status der Zelle.

TSAKIRIS, S; PARTHIMOS, T; PARTHIMOS, N u. a. (2006): „The beneficial effect of l-cysteine supplementation on DNA oxidation induced by forced training“. In: Pharmacological Research. 53 (4), S. 386-390, DOI: 10.1016/j.phrs.2006.01.008.

L-Cystein-Gabe hemmt die Reduktion der Erythrozyten-Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Aktivität nach exzessivem Training

Erklärung: G6PD ist ein Enzym des Pentosephosphatwegs, der unter anderem die Bildung von DNA, RNA und Koenzymen wie ATP, Coenzym-A, NAD oder FAD sicherstellen soll. Es ist somit ein sehr wichtiger zellulärer Reaktionsweg, um die Zellgesundheit und -leistungsfähigkeit zu gewährleisten. (Heißt: Nicht ganz unwichtig.)

Ergebnis: Nach dem (exzessiven) Sport ist die G6PD-Aktivität deutlich erniedrigt. L-Cystein verhindert diesen Abfall via Glutathion und wahrt somit die Konzentration.

Schulpis, Kleopatra H.; Reclos, George J.; Parthimos, Theodore u. a. (2006): „l-Cysteine supplementation protects the erythrocyte glucose-6-phosphate dehydrogenase activity from reduction induced by forced training“. In: Clinical Biochemistry. 39 (10), S. 1002-1006, DOI: 10.1016/j.clinbiochem.2006.06.006.

L-Cystein-Gabe verhindert Leber-Fibrose […] 

Erklärung: Es ist bekannt, dass die Leber (nach Verfettung) nur dann narbig wird und letztendlich kaputt geht (Zirrhose), wenn die Entzündungsreaktion ungehemmt bleibt. Auch hier zeigt sich sehr schön in diversen Arbeiten, dass man die krankhafte Weiterentwicklung einer Fettleber hin zur Zirrhose verhindern kann durch die Hemmung der Entzündungsreaktion.

Ergebnis: L-Cystein verhindert die Progression.

Horie, Takashi; Sakaida, Isao; Yokoya, Fumihiko u. a. (2003): „l-Cysteine administration prevents liver fibrosis by suppressing hepatic stellate cell proliferation and activation“. In: Biochemical and Biophysical Research Communications. 305 (1), S. 94-100, DOI: 10.1016/s0006-291x(03)00691-0.

Mechanismus des Kardio-protektiven Effekts von L-Cystein 

Erklärung: Auch beim Herzinfarkt (und der Reperfusion) spielt der Entzündungsprozess bzw. die ROS-Produktion die maßgebliche Rolle, wenn es um die restliche (= übrig gebliebene) Leistungsfähigkeit des Herzens geht.

Ergebnis: L-Cystein erhöht die ATP-Werte in den Herzzellen, entweder via Glutathion oder via Adenin-Nukleotid-Synthese.

Shackebaei, D.; King, N.; Shukla, B. u. a. (2005): „Mechanisms underlying the cardioprotective effect of l-cysteine“. In: Mol Cell Biochem. 277 (1-2), S. 27-31, DOI: 10.1007/s11010-005-4817-y.

Der kombinierte Effekt von Metformin und L-Cystein bezüglich Entzündung, oxStress und Insulin-Resistenz in einem Raten-Typ-2-Diabetes-Modell

Ergebnis: Sowohl Metformin (alleine), als auch L-Cystein (alleine) oder in Konjunktion verbessern die Krankheitsentwicklung deutlich via Senkung der krankhaft hohen Freie-Fettsäuren-Konzentration, oxStress, Entzündungsparameter […], wobei Metformin zusammen mit L-Cystein die höchste Wirksamkeit zeigte.

Salman, Zenat K.; Refaat, Rowaida; Selima, Eman u. a. (2013): „The combined effect of metformin and l-cysteine on inflammation, oxidative stress and insulin resistance in streptozotocin-induced type 2 diabetes in rats“. In: European Journal of Pharmacology. 714 (1-3), S. 448-455, DOI: 10.1016/j.ejphar.2013.07.002.

L-Cystein-Gabe senkt Blutglukose, HbA1c, CRP, MCP-1, oxStress und inhibiert NFkB-Aktivierung in der Leber von Zucker-Diabetic-Ratten 

Ergebnis: Die Gabe von niedrigen Mengen L-Cystein senkt die Blutzucker-Konzentration um 18 %, die HbA1c-Konzentration um 8 %, C-reaktives Protein um 23 % und verbessert Insulin-Resistenz um 25 %.

Jain, Sushil K.; Velusamy, Thirunavukkarasu; Croad, Jennifer L. u. a. (2009): „l-Cysteine supplementation lowers blood glucose, glycated hemoglobin, CRP, MCP-1, and oxidative stress and inhibits NF-κB activation in the livers of Zucker diabetic rats“. In: Free Radical Biology and Medicine. 46 (12), S. 1633-1638, DOI: 10.1016/j.freeradbiomed.2009.03.014.

L-Cystein ist kein Spielzeug

Es wird also klar, dass L-Cystein kein Spielzeug ist, sondern eine hochpotente Aminosäure, die viele Dinge für uns tun kann, in erster Linie via Glutathion.

Fakt ist …

Jemand, der L-Cystein in ein Produkt packt, will damit langfristige und nachhaltige Dinge erreichen. L-Cystein ist kein „Doping“, sondern soll Gesundheit abrunden, erhalten oder helfen, sie wiederherzustellen. 

Es gibt immer ein Yang zu einem Yin. Es muss ein Gleichgewicht da sein. Wir brauchen Freie Radikale als Signalmoleküle, weshalb eine geschickte Supplementation selbstverständlich bedacht werden muss.

Ach ja … L-Cystein rundet die Effekte von Citrullinmalat oder Arginin (beispielsweise) ab, denn es hilft, eine gesunde (!) NO-Konzentration zu generieren.

Ich habe in diesem Artikel ausschließlich über eine L-Cystein-Gabe referiert, nicht etwa über die Ergebnisse von N-Acetyl-Cystein (NAC), die noch deutlich vielfältiger vorhanden sind. Aber da kann sich jeder selbst ein Bild machen.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

16 comments On L-Cystein: 9 Einblicke, die du noch nicht kennst

  • Mich würde Mal interessieren, wann man bei aktiven Sport Antioxidantien nehmen sollte, um nicht sein Training zunichte zu machen?

    Lieben Dank, Gutes Neues Jahr. Karl

  • Hallo nochmal,
    nehme seit dem Winter nun immer L-Cystein (von Now Foods in Tablettenform) und das ist zusammen mit Glutamin und Glycin so wirksam gegen alle Entzündungen, dass ich diesen Winter nie krank war. Und das schon mit 1 g Cystein.
    Habe damit auch (auch mit Vit. D) die Colitis Ulcerosa meiner Tochter in den Griff bekommen. Die Schulmedizin schafft so etwas nicht ;-))
    Aber ich frage mich, womit soll man die freien Radikale abfangen, die im Körper durch Cystein entstehen? Mit Vit. C, E, Selen???

  • Hallo,
    Habe bisher immer NAC genommen, um die Glutathionsynthese anzukurbeln. Wurde nun allerdings durch eine Fußnote in dem Buch „Glutathion“ von Doortje Cramer-Scharnagl verunsichert. Sie schreibt: „NAC besteht zwar zu 74 % aus Cystein, aber individuell unterschiedlich stehen davon nur 10-20 % für die Glutathionsynthese zur Verfügung.“
    Wäre es dann doch besser, L-Cystein anstatt NAC zu nehmen????

    LG

  • Hallo Chris, ich habe vor, meinen Eltern und meiner Tante dein neues Produkt zu bestellen.
    Selbst habe ich noch N-Acetyl-L-Cystein von myprotein. Welche Dosierungen empfiehlst du und wann?

  • Giuseppe Gorgonzola

    In welchen Nahrungsmitteln kommt das vor?

  • Ich weiss ja nicht was für ein neues Produkt das werden wird, aber wer schon jetzt experimentieren möchte probiert’s mit: ACC von Hexal, 600mg Brausetabletten (Schleimlöser). Pro Tablette hat man allerdings nur 438mg Cystein weil man die Masse der Acetylgruppe noch abziehen muss. Das ist ungefähr die Menge, die man bekommt wenn man eine Portion (25g) Whey Protein zu sich nimmt. Dort sollen ja um die 2g/100g drin sein.

    Die Pharmazeutische Zeitung hat auch einen interessanten Artikel zum ACC:
    http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=26357

    Anmerkung: Die Acetylierung dient der besseren Löslichkeit, der Körper spaltet die Acetylgruppe offenbar leicht wieder ab.

  • Yin und Yang (Yin ohne g!) finde ich ein sehr schönes Symbol, weil es ein harmonisches Wechselspiel zwischen Gegensätzen symbolisiert. Man nimmt immer nur ein Zuviel oder Zuwenig von irgendwas wahr und es fehlt so ein Gefühl für ein Gleichgewicht, für ein Denken im Gleichgewicht.

    Es ist bestimmt richtig, nicht nur die anti-oxidativen, sondern eben auch die pro-oxidativen Faktoren zu sehen. Und das auch nicht bei der Suche nach einer immer besseren Radikalenabwehr aus den Augen zu verlieren.

    Optimierung erfolgt im harmonischen Wechselspiel, nicht im Extrem. Daran soll man sich beim Yin-Yang-Symbol erinnern.

    • Hi Thorsten,

      ja, stimmt – danke für den Hinweis mit dem Typo, hab’s editiert.

      Und dem Rest deiner Ausführung kann ich uneingeschränkt zustimmen. Sehr gut ausgedrückt.

      LG, Chris

  • Hallo, erstmal besten Dank für einen wieder mal interessanten Artikel. Gleich ne allg. Frage: kann man nicht mal Timestamp für die Artikel einführen? Ich kann mir die mit Datum irgendwie besser merken und „sortieren“. Zu Cystein, meine bei Dr. Müller-Wohlfahrt gelesen zu haben, dass C. als Entzündungshemmer fungiert und damit in jede Reiseapotheke gehört. Habe es selbst und im persönl. Umfeld diesen Winter, mit den bekannten Aminosäuren zusammen, gg. den üblichen Viren- u. Bakterien“dreck“ erfolgreich eingesetzt…^^
    Wie siehts mit der Einnahmedosis + Zeitpunkt aus? Und sollte man es zusammen mit Vit C einnehmen um „Steinchen“ zu verhindern?
    LG Scotty

    • Den Vorschlag mit Timestamp werden wir besprechen.

      Ja, L-Cystein unterstützt das Immunsystem via Glutathion.

      Was meinst du mit Steinchen?

      Dosis 1-4 g, Zeitpunkt egal.

      • Hallo Chris, meine irgendwo gelesen zu haben, man solle es zusammen mit Vit C (1:1?) nehmen, damit man Steine in Niere oder Galle (?) vermeidet. Aber wie gesagt, bin biochem. Laie. KA zu was das abgebaut wird bzw. zu was das werden kann fall es mal nicht optimal läuft oder überdosiert wird. Falls es sowas geben kann? Aber dafür seid ihr ja hier…um uns aufzuklären…^^
        Danke + LG, Scotty

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