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Part V: „Gesund ernähren geht nicht dauerhaft“

Gut. Jetzt haben wir alle mit dem Kopf genickt, verstanden.

Manche leben das ja auch alles schon seit Jahren. Und laufen trotzdem immer wieder gegen eine Wand. Das kann auch passieren, hat seine Ursachen aber meistens in der Art, wie gesunde Ernährung praktiziert wird.

Zunächst einmal sollte man verstehen, dass „gesund ernähren“ nicht bedeutet, nie wieder Schokohörnchen oder Pizza zu essen. Wer sagt denn sowas? Wir sollten uns immer etwas Spielraum lassen. Das tut nicht nur der Psyche gut, weil es Druck nimmt und ein kleiner „Trick“ ist (Wer sich Spielraum lässt, wird automatisch disziplinierter sein – wer zu diszipliniert sein will, wird den Faden verlieren).

Es wird auch dem Sozialleben guttun und … Leptin bzw. Schilddrüsenhormone am Laufen halten. Das hatten wir hier schon mal ausführlicher besprochen, wird aber in diesem Kontext auch nochmal relevant, weswegen ich es wenigstens kurz ansprechen wollte.

Denn an dieser Stelle kommen mir oft schmächtige Frauen in den Sinn, die sich 24/7 zu Brokkoli mit Hühnchen prügeln, weil das ihre Vorstellung von gesunder Ernährung ist. Man kann sich hier also die Finger wund schreiben und es erklären, letztlich framen wir alle und verstehen es auf unsere subjektive Weise.

Daher möchte ich noch einmal daran erinnern, dass gesunde Ernährung nicht selten dazu führt, dass wir unseren Energiestoffwechsel paradoxerweise ein bisschen (arg) quälen. Denn mit gesunder Ernährung ist es relativ „einfach“ zu wenig zu essen. Das liegt daran, dass Insulin fällt (= nimmt den Hunger), aber auch daran, dass gesunde Ernährung eine niedrige Kaloriendichte hat und man relativ schnell keine Lust mehr hat, größere Mengen zu essen.

Das ist gut. Das hält ja … eigentlich gesund. Wenn man aber den Bogen überspannt, kehrt es sich ins Gegenteil um und gesunde Ernährung wird zur Qual. Einfach, weil wir den Energiestoffwechsel (er-)drosseln. Wir machen also das Gegenteil von dem, was wir uns erhoffen.

Das hat viel mit der Wirkung von Schilddrüsenhormonen in den Geweben zu tun. Wenn Gewebe zu wenig Energie abbekommen, wird die Umwandlung von Thyroxin zu T3 gehemmt. Das spüren wir vor allem in Form von Lethargie, Leistungsabfall, Unlust, langsamer Muskelregeneration, aber auch „Energielosigkeit“.

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Modifizierte Abbildung aus unserem Buch GoLs: Wer zu lange zu wenig isst, hemmt die Umwandlung von Thyroxin ins aktive Schilddrüsenhormon T3. Das macht – wie schon Liedermacher Funny van Dannen wusste – ziemlich „schlechte Laune“… :-)

Das taucht häufig zusammen mit einem Abfall der Leptinkonzentration auf. Beide Signalwege werden nämlich ähnlich reguliert. Leptin macht uns dann oft hungriger oder erhöht die Lust auf … Schokohörnchen und Pizza. Und genau an dem Punkt scheitern viele, weil sie sich gefangen zwischen Brokkoli und Hühnchen bzw. Schokohörchen und Pizza fühlen. 

Na ja. Niemand hat je gesagt, dass man wenig essen soll. Man kann auch mit gesunder Ernährung genug Kalorien essen. Und: Niemand hat gesagt, dass man sich samstagsabends nicht auch mal eine Pizza gönnen darf. Mehr in Richtung Essstörung geht dann schon das Vorgehen von Ori Hofmekler mit seiner „Warrior Diet“, wo er postuliert, dass es völlig okay ist, sich abends eine Pizza reinzuziehen, wenn man den ganzen Tag wenig gegessen hat.

Die Idee ist völlig richtig. Wer tagsüber voll im Fettstoffwechsel bzw. in negativer Energiebilanz ist, kann abends natürlich mehr oder weniger unbeschadet auch Pizzen reinschieben. Das sind aber im Endeffekt auch wieder Extreme, die wir unbedingt vermeiden wollen, weil es langfristig zu nix führt und nur von wenigen wirklich toleriert wird.

Daher heißt „gesunde Ernährung“ für die meisten erst mal, regelmäßig minimalprozessiert zu essen. Das lässt sich trainieren. Alles weitere ergibt sich dann, je nach individueller Ausprägung. Denn mit der Zeit kommt die Adaptation und eröffnet neue Handlungsspielräume.

Fassen wir diesen abschließenden Beitrag nochmal zusammen:

  • Gesund essen heißt erst mal minimalprozessiert zu essen.
  • Ein eigentlich positiver Nebeneffekt kann sich zu einem negativen Nebeneffekt entwickeln: Wir essen zu wenig.
  • Jeder von uns hat eine andere Vorstellung von „gesunder Ernährung“ – manche legen es zu streng aus.
  • Niemand hat gesagt, dass man zu jeder Zeit „perfekt“ essen muss – im Gegenteil, Fastfood usw. sind manchmal willkommen.
  • Hintergrund ist, dass wir hormonelle Entgleisungen in Form von mangelnder Schilddrüsen- und Leptin-Wirkung vermeiden wollen.

Und auf dieser Basis klappt es bei den meisten auch mit „gesunder Ernährung“ und einem guten Energie- bzw. Fettstoffwechsel ;-)

Jetzt ist die Möglichkeit für Fragen. Wenn dir nach der Reihe noch Fragen in den Sinn kommen, dann schieß los! 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

9 comments On Part V: „Gesund ernähren geht nicht dauerhaft“

  • Dankeschön für die immer wieder inspirierenden Artikel! Ihr gebt Euch so viel Mühe!
    Ich beschäftige mich schon lange und gerne mit meiner guten Ernährung und bin definitiv ein Verfechter abwechslungsreicher, ausgewogener Ernährung. Also against the extrrme (weder vegan noch Burger jeden Tag). Mich interessiert, ob es Blutwerte gibt, die mir Aufschluss darüber geben, dass ich auf einem guten Weg bin. Oder anders: Welche (Blut)Werte sollten in welchem Bereich sein? Wäre um einen Hinweis sehr dankbar, da ich einfach mal eine wissenschaftliche Bestätigung haben möchte, ob ich das richtig mache (oder nicht).

    • So einfach ist das nicht. Prinzipiell zeigt ein gutes Lipidpanel (Leberfettstoffwechsel) schon mal an, ob man auf dem richtigen Weg ist, also z. B. durch niedrige Trigs. Aber auch ein guter Schilddrüsenwert, ein gutes Ferritin wären wichtige Marker.

  • Hallo Chris
    Zu den Hülsenfrüchten steht immer etwas wenig. Ok für wenig prozessierte Nahrung? KH-Anteil! Und was ist mit 100%-Linsennudeln?
    Danke und liebe Grüsse
    Gabi

  • Hi Chris,

    ich bin meist nur stiller Mitleser, aber hier möchte ich gerne einen Kommentar hinterlassen. Danke dir/euch für diese tolle Artikelreihe! Vor allem dieser Schlussartikel (Part V) rundet das Bild gut ab. Die Punkte zur Zusammenfassung (minimalprozessiert, keine Extreme, keine Perfektion) leuchten ein, vor allem, wenn man schon eine Weile mitliest.

    Persönlich versuche ich auch immer, (m)eine Balance zwischen „Fokus auf Gesundheit“ und „Spielraum für Genuss“ zu finden und aufrechtzuerhalten. Genussmittel wie Alkohol und Nikotin (und derlei Dinge) sind für mich glücklicherweise gar kein Thema. Aber „Genuss“ bedeutet für mich (wie beispielhaft im o.g. Artikel beschrieben) dass es okay ist, wenn man sich hin und wieder auch mal „ungesunde“ Nahrungsmittel wie Pizza und Co. einverleibt.

    Manchmal spiele ich ein kleines Gedankenexperiment durch und versuche mich in eine Retrospektive zu versetzen: Was nützt es mir, krampfhaft alles (bis an die 100%) zu optimieren und zu perfektionieren, um dann hoffentlich ein (persönliches) maximal hohes Alter zu erreichen, wenn ich in eben diesem hohen Alter dann zurückblicke und mir denke, das Leben nicht so ausgekostet zu haben, wie ich es hätte tun können/sollen? Umgekehrt wäre es mir im Alter aber mindestens genauso unangenehm, einen übermäßig „ungesunden“ Lifestyle im Nachhinein bereuen zu müssen, der mich vielleicht wertvolle Jahre oder gar Jahrzehnte meines Lebens gekostet hat.

    Daher denke ich, die (persönliche) Balance macht es aus. Denn wenn man nicht unglücklich erkrankt oder verunfallt muss am Ende ja jeder selbst mit sich „im Reinen“ sein, denke ich.

    LG Dominik

  • Servus Chris,
    hab vor gut 2 Jahren mit Kraftsport (3x Wöch.) begonnen weil ich einfach nicht zugenommen habe und ich mich einfach unwohl gefühlt habe (2020: 186cm, 74kg). Mir wurde dann gesagt ich esse viel zu wenig und müsse Kraftsport machen. Seither schaue ich das ich auf gut 3000kcal am Tag komme mit einer sehr ausgewogenen gesunden Ernährung (Ich bin Koch und koche meist frisch und achte auch auf Gute Qualität). Ich kann jedoch schon immer „fressen“ was ich will und nehme nicht wirklich zu. Andere schütteln den Kopf und sagen mir wo ich das alles hinesse. Klar ich verputze keine 2 Burger mit Fritten jeden Tag und sauf dazu 2 Weightgainer weil ich das gar nicht möchte und mir denke auch wenn ich dadurch nicht zunehme ist es doch ungesund. Aber jetzt meine Frage: Heißt das für mich als „Hardgainer“ (falls es das überhaupt gibt?) das ich locker 4000-5000 kcal futtern könnte (wozu ich mich schon fast zwingen müsste) und es trotzdem noch gesund ist weil ich ja eben eine sehr athletische Figur habe und ziemlich Lean bin (186cm, 85 kg, ca. 8% Körperfettanteil)? Die Kollegen im Studio sagen immer „Isst du nur Steak und Salat oder was?“ Nein ich baller schon immer gut KH, Proteine und Fett aus 90% unverarbeiteten Quellen.

    Sorry für diejenigen die sich schwer tun abzunehmen aber bei mir ist es genau andersherum und Sprüche wie „dürrer Hering“, „Spargeltarzan“ etc. sind da gleichermaßen verletzend.
    Lg Stefan :)

    • Hi Stefan, sagen wir mal so: Du hast da genetisch bedingt auf jeden Fall einen Puffer, der dich vor metabolischer Entgleisung mit assoziierten Erkrankungen schützt. Natürlich ist das kein Freifahrtschein für eine schlechte Ernährung, weil die auch unabhängig davon zu Störungen und Krankheiten führen kann. Hinzu kommt, dass du ggf. Probleme mit zu wenig Anabolismus im Alter bekommst. Allgemein kann man aber schon sagen, dass du den Kalorienhahn sicher auch etwas stärker aufdrehen kannst als andere, vor allem wenn es aus gesunden Quellen ist.

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