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Drei Gründe, warum Kaffee Energie rauben kann

Newsletter vom 18.10.20

Im Alltag konsumieren wir Getränke und Nahrungsmittel ganz selbstverständlich. Das, was man im Supermarkt, beim Bäcker oder sonst wo kaufen kann, ziehen wir uns halt rein. Diese Selbstverständlichkeit sorgt bei vielen dafür, dass sie erst mal realisieren müssen, dass es gesündere und weniger gesunde Optionen gibt. Daher müssen viele Menschen erst mal lernen, lieber den Apfel statt das Nougathörnchen zu essen. 

Genauso selbstverständlich trinken wir unseren Kaffee. Macht ja jeder. Kann so schlecht also nicht sein. Und es gibt viele Studien, die zeigen, dass Kaffee protektiv wirken kann, zum Beispiel vor Leberkrebs schützt … oder so.

Kaffee ist gesund – oder auch nicht

Natürlich: Derjenige, der Kaffee unbedingt trinken will, wird zweifelsohne Studien finden, die zeigen, dass Kaffee „gesund“ ist. Denn immerhin ist Kaffee der Top-Polyphenol-Lieferant in unserer Ernährung – und Polyphenole bzw. Pflanzenstoffe, konsumiert in Maßen, machen ja nachweislich gesund.

Zwei Punkte:

  1. Die meisten Studien, die positive Effekte von irgendwelchen Interventionen finden, werden an normalen Menschen durchgeführt. Also solche Menschen, die – etwas überspitzt formuliert – ein halbes Leben lang stoffwechselkrank sind ohne es zu merken. Bei den Amerikanern ist das besonders prävalent, dort stehen die meisten schon im Alter von 40 Jahren mit einem Bein im Grab. Natürlich wird es diese Menschen gesünder machen, wenn sie statt Cola dann eine Tasse Kaffee trinken.
  2. Speziell was Pflanzenstoffe angeht, zählt das Paracelsus-Motto „Die Dosis macht das Gift“ besonders. Denn eigentlich dient vieles von dem, was wir so über den Konsum von Pflanzen(teilen) zu uns nehmen dem Fraßfeindschutz. Dank der Evolution sind wir daran angepasst und profitieren sogar noch davon. Denn in der Tat wirken viele dieser Stoffe leicht „giftig“ in uns, machen uns dadurch aber stärker, gesünder und besser (Stichwort Xenohormesis).

Viele von uns trinken also quasi literweise Kaffee am Tag, ganz selbstverständlich, sehen dabei aber nicht, dass Kaffee im Prinzip kein Getränk ist, sondern eher eine Substanzmischung mit pharmakologischer Wirkung. Kaffee enthält über eintausend Substanzen und erhält noch mal eine grundlegende chemische Modifikation durch z. B. Röstung, was die Potenz oft deutlich steigert. Daher liest man in aller Regelmäßigkeit über neu entdeckte potenziell pharmakologisch aktive Substanzen aus dem Kaffee.

Wir bekommen immer wieder das Feedback unserer Leser, dass Kaffeeabstinenz nicht nur guttut, also z. B. die Schlafqualität verbessert, sondern auch dafür sorgt, dass man wieder (viel) mehr Energie hat, gleichmäßig über den Tag verteilt.

Drei Gründe, warum Kaffee Energie rauben kann

Es gibt viele Erklärungen, warum Kaffee dir Energie rauben kann, zum Beispiel:

1. Koffein und andere im Kaffee enthaltene Substanzen sind s. g. Adenosinrezeptor-Antagonisten.

Adenosinrezeptoren werden bei „Müdigkeit“ bzw. Erschöpfung aktiviert. Die im Kaffee enthaltenen Antagonisten hemmen diese Wirkung, daher fühlen wir uns nicht oder weniger müde, wenn wir Kaffee trinken. Langfristig aber hemmen wir damit die Anpassungsfähigkeit unserer Zellen. Denn erst durch die Aktivierung u. a. dieser Rezeptoren „versteht“ die Zelle, dass sie erschöpft ist, und erst dadurch kann sie z. B. mehr Mitochondrien, also Kraftwerke in den Zellen bilden. Etwas ausführlicher haben wir dies im aktuellen Artikel (hier klicken!) besprochen.

2. Kaffee ist sehr polyphenolreich – mit Auswirkungen auf die Schilddrüse. 

Sehr lange bekannt ist, dass phenolische Verbindungen in Pflanzen … gesund sind. Resveratrol – aus dem roten Wein – hat es sogar in die Schlagzeilen geschafft. Und auch heute noch ist Resveratrol wohl mit das bekannteste Polyphenol überhaupt.

Es gibt allerdings auch Schattenseiten. Wie oben erwähnt wirken viele dieser Pflanzenstoffe in niedrigen Dosen sehr gesund. Schnell aber überschreitet man die Schwelle: Pflanzenstoffe hemmen eine Vielzahl körpereigener Enzyme. Sie hemmen z. B. auch Entgiftungsenzyme in der Leber, weswegen man seit vielen Jahren überall lesen kann, dass man am besten keine Zitrusfrüchte bzw. daraus hergestellte Säfte bei Medikamentengabe oder vor Operationen zuführen soll.

Ganz klassisch ist auch die Wirkung auf die Schilddrüse. So hemmt z. B. die im Kaffee enthaltene Chlorogensäure das Enzym Thyreoperoxidase in der Schilddrüse. Dieses Enzym sorgt aber für die Produktion von Thyroxin, gemeinhin bekannt als T4. Andere phenolische Verbindungen, vor allem Flavonoide – die auch im Kaffee enthalten sind – hemmen oft Deiodasen. Das hemmt wiederum die Umwandlung von T4 zum hochaktiven Schilddrüsenhormon T3. 

Mit solchen Pflanzenstoffen kann man Tieren in Versuchen schnell und einfach eine Unterfunktion entwickeln lassen. Das sollte man immer auf dem Schirm haben – nicht nur, wenn man gerne und viel Kaffee trinkt, sondern auch, wenn man meint, literweise grüne Smoothies trinken zu müssen.

3. Kaffee bzw. Koffein hat Auswirkungen auf den Eisenhaushalt.

Unlängst wurde gezeigt, dass Koffein das Eisenspeicherprotein Ferritin – zumindest in Zellstudien – hochregulieren kann. Das sorgt dafür, dass mehr Eisen in den Speicher wandert und der Zelle weniger Eisen zur Verfügung steht. Das wäre eine gute Sache für die Krebs-Prophylaxe, fühlt sich unter Umständen aber auch nicht optimal an. Denn unsere Zellen sind eisenhungrig, und speziell das, was Energie produzieren soll – die Mitochondrien – sind maximal abhängig von der Eisenverfügbarkeit. Abgesehen davon kann Kaffee die Eisenaufnahme im Darm selbst hemmen.

Wie immer: Kontext beachten!

Natürlich ist immer alles eine Frage der Dosis, der Verarbeitung und der Zufuhrhäufigkeit. Kaffee ist und bleibt eine geniale Substanzmischung – aber nur für denjenigen, der Kaffee nicht inhaliert, sondern bewusst und in Maßen einsetzt bzw. trinkt.

Hinzu kommen genetische Voraussetzungen: Wie leistungsfähig sind unsere Entgiftungsenzyme? Wie schnell verarbeiten wir Koffein? Wie schnell verarbeiten wir die Pflanzenstoffe? Wie aktiv sind wir beim Abbau von Stresshormonen? All jene Faktoren werden die Effekte bzw. Wirkungen vom Kaffee modulieren, weswegen es wieder einmal unsere eigene Aufgabe ist, herauszufinden, wie viel Kaffee wir ohne nennenswerte „Nebenwirkungen“ vertragen.

Neues Ebook upcoming

Neben vielen weiteren Themen, werden wir auch auf die Wirkung von Kaffee im neuen kostenlosen Ebook eingehen. Der Inhalt des Ebooks wird sich um die Frage drehen, welche Nahrungsmittel bzw. -bestandteile dem Energiestoffwechsel ein Bein stellen und uns möglicherweise dadurch Energie rauben.

Das Ebook wird in wenigen Wochen erscheinen. Die kostenfrei bestellbare Print-Version wird schon zeitnah gedruckt.

Stay tuned und genieß den Kaffee ;-) (oder auch nicht).

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

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