Unter dem Motto, „Oops! He Did It Again“, könnte man Robert Krugs neuen Beitrag auf der Strunzschen Plattform führen. Dass dort nicht immer ganz so sauber gearbeitet wird, hatte ich an gleicher Stelle neulich schon skizziert.
Komm mit mir ins Kitava-Land
Dieses Mal werden die Kitava-Islander ins Spiel gebracht und als Referenz genutzt, um Low carb zu promoten. Ausgerechnet die! Die wurden in den 90er-Jahren intensiv von dem inzwischen verstorbenen Forscher Staffan Lindeberg untersucht („Kitava Study“) und waren (sind) für genau drei Dinge bekannt:
- Ausgesprochene „Leanness“, also Schlankheit
- Niedriges Nüchterninsulin
- Niedriges Aufkommen an westlichen Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt)
Also ein Paradebeispiel für ein Naturvolk, das sich so gegenteilig zu uns präsentiert.
Robert zitiert nun die vielleicht bekannteste Studie, in der der niedrige Insulinspiegel dieser Menschen mit den Insulinspiegeln ihrer westlichen Verwandten, also den typischen Schweden, verglichen wird.
Argumentation: Niedriges Insulin = Stoffwechselgesundheit = gute Kohlenhydrat- und Fettverbrennung, also metabolische Flexibilität. Bis hierhin alles tutti. Doch dann wird’s wieder problematisch.
Daraus soll nämlich abgeleitet werden, dass wir dann viele Kohlenhydrate essen können, wenn der Insulinspiegel besonders niedrig ist. Kitava-Islander, so Robert, seien ein gutes Beispiel dafür, denn die haben ein sehr niedriges Insulin, aber …
essen halt 70 % Kohlenhydrate.
Nach dem Motto: Die können es sich halt erlauben.
Insulin runter, Kohlenhydrate rauf?!
Tatsächlich steht in der Studie aber was anderes. Dort heißt es:
Ernährungsphysiologische Merkmale, die möglicherweise von Bedeutung sind, sind der niedrige Energie- und Fettgehalt der Kitavan-Ernährung, die daher sättigend ist, und der niedrige glykämische Index.
Die sehr geringe Fettzufuhr in Kitava, etwa 20 % der Kalorien, ist möglicherweise wichtig, da eine fettreiche Ernährung die Insulinresistenz fördern kann. Möglicherweise spielt auch das hohe Verhältnis von n-3 zu n-6 PUFA eine Rolle.
Im Gegensatz dazu wird die Annahme, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung eine Ursache für Insulinresistenz ist, durch die niedrigen Nüchterninsulinwerte in Kitava, wo schätzungsweise 70 % der Kalorien aus Kohlenhydraten stammen, nicht unterstützt.
Hier wird diese kohlenhydratreiche, fettarme Ernährung explizit als Grund für die niedrigen Insulinspiegel angeführt! In Roberts Artikel wird also Ursache und Wirkung vertauscht – und zwar ganz bewusst.
Weil man sich im Artikel auf dünnem Eis bewegt, wird die intensive Bewegung der Kitava-Islander als weiterer Grund genannt, warum sie so viele Kohlenhydrate essen können, angeblich steht das so in der Studie. Tatsächlich schreibt die Studie gegenteilig:
Das typische Niveau der körperlichen Aktivität in Kitava ist recht hoch und vergleichbar mit dem von Westlern, die sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit mäßig aktiv sind.
Die schwache Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Seruminsulin bei Schweden deutet jedoch darauf hin, dass Bewegung nicht die Hauptursache für die niedrigen Insulinwerte der Kitavaner ist.
Wenn also nicht der Kohlenhydratanteil der Nahrung oder die mäßig intensive Bewegung der Kitava-Islander für ihren niedrigen Insulinspiegel verantwortlich ist, was ist es denn?
Körpergewicht ist keine neutrale Variable
Die Antwort darauf könnte man ja auch in der Studie nachlesen. Dort heißt es:
Ein niedriger Seruminsulinspiegel könnte teilweise die geringe Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei den Kitavanern erklären und hängt wahrscheinlich mit ihrer ausgeprägten Schlankheit zusammen.
Exakt. Ein dicker Körper ist kein neutraler Zustand. Ein dicker Körper an sich erhöht Insulin, und zwar drastisch. Und hält uns so gefangen in der metabolischen Dysfunktion. Denn ein hoher Insulinspiegel erschwert natürlich ganz erheblich das Schlanksein – immerhin hier stimmen Robert und ich überein.
Genau das hatte ich in einem zu diesem Thema veröffentlichten Artikel vor fünf Jahren niedergeschrieben. Zwei Ableitungen:
- Gewichtsverlust senkt das Nüchterninsulin ganz erheblich
- Gewichtszunahme lässt das Nüchterninsulin deutlich ansteigen
Und dabei ist es egal, mit welcher Diät oder Ernährungsform dies geschieht. Wenn also die Kitavaner mit hohem Kohlenhydratanteil eine geringe Nahrungsenergie zuführen, weil sie für sie sättigend ist, erklärt dies perfekt, wie es zu ihrer „ausgeprägten Schlankheit“ und den sehr niedrigen Insulinspiegeln kommt.
Und genau so wird es uns in der Studie auch erklärt. Mit dem höflichen Verweis auf den Unterschied zwischen den Kohlenhydratformen auf dem Speiseplan der Kitava-Islander und unseren Schweden bzw. den anderen Europäern:
Möglicherweise ist die Qualität der Kohlenhydrate wichtiger als deren Menge: Kohlenhydratreiche Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index und einer hohen Nährstoffdichte, wie die Knollen und Früchte der Kitavaner, könnten raffinierten Getreideprodukten und Zucker vorzuziehen sein.
Nein, doch, oh!
Low carb ja, Lügen nein
Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, warum man Studien für eine eigene Auslegung nutzt, wenn sie etwas ganz anderes aussagen. Im Gegenteil, ich finde das im Zeitalter der Desinformation auch gefährlich.
Das wäre m.E. gar nicht nötig, denn es gibt genug hochwertige, gute Studien zu Low carb und Co., die ja viel besser darlegen, warum die Ernährungsform für manche Personengruppen vielleicht lebensrettend ist.
Umgekehrt darf man aber halt nicht unter den Teppich kehren, dass ähnliches auch zur veganen Ernährung publiziert ist. Und dass man eben auch mit einem hohen Kohlenhydratanteil in der Nahrung ausgesprochen stoffwechselgesund sein kann.
Klar, mit dem Marmeladenbrötchen und den Cornflakes wird’s eher nix.
Was man nicht tun darf: Tatsachen verdrehen und Ursache mit Wirkung vertauschen. Absichtlich!
8 comments On Kitava-Islander und Insulinresistenz
Ich finde die Beiträge als Korrektiv hervorragend! Danke.
Ich mag auch die Strunz Seite und eigentlich auch die Beiträge von Robert Krug. Wie bei so vielem heutzutage, muss man leider immer das Gelesene mit einem „Korrekturfaktor“ deuten.
Warum er auf so drastische Art- und Weise Low Carb heilig schreiben möchte ist allerdings nicht verständlich und kann nur mit einer tiefen Ideologisierung erklärt werden. Ich finde auch, dass wäre doch gar nicht nötig. Er kann doch trotzdem über seine und generell erlebten Vorteile und Wirkungsweisen von einer Ernährung mit weniger Kohlenhydraten schreiben.
Für mich muss die Quelle autentisch sein.
Ich mag Dr.Strunz, weil er bewiesen hat, dass er Recht hat.
Er hat Sport angefangen mit knapp 50 und hervorragende Ergebnisse erzielt.
Er ist jetzt über 80 und nach seinem schrecklichen Fahrradunfall über 60 mit mehrfachen Wirbelbrüchen weiterhin aktiv im Körper und Geist.
Das nenne ich autentisch.
Wer 30-40-50 Jahre alt ist und kann 5km in 30 Minuten laufen oder 4Watt/kg 5 Minuten lang durchtreten am Fahrrad, beweist für mich gar nix.
Wer mit 50 Jahren 5km in 30 Minuten laufen kann und 10 Jahre später die gleiche Distanz in 20 Minuten, dann werde ich hellhörig.
Das hat nur so rein gar nichts mit dem Beitrag zu tun und ist genau genommen das dümmste Argument überhaupt. Wenn du’s mir nicht glaubst, erkläre ich es dir gerne!
Leider eine Seuche heute.
Man hat Überzeugung, mit der man sich positioniert.
Erwählt Argumente, die passen.
Natürlich Studien(ausrisse), die zu funktionieren scheinen.
Bewirkt werden sollen Emotionen, keine Bildung, die Fakten seien ja „da.“
Empowerment nur für die Rhetorik.
Am Ende verlangen Blogs wie Regierungen, Grüne Mehrheitsbewegungen und sonstige teilverbindliche Kapazitäten Loyalität, keinen Diskurs.
„Überzeugungen sind größere Feinde der Wahrheit als Lügen“ (Nietzsche).
Und größere Anstifter.
Und wieder kann ich nur sagen:
Danke fürs Dranbleiben!
Sehr gut dokumentiert!
Es gibt bei Strunz News ja wirklich sehr gute umd .Informative Berichte,mich stört aber auch das immer die Kohlenhydraten alls Sündenbock herhalten müssen und immer alles nur auf low od. no Carb abziehlt!
Eben.
hi chris,
da es an dieser stelle ja mehr um „robert“ geht… sag´ ich zwar: danke dafür! denn…
DAS GEHT SO EINFACH NICHT,- er ist ja kein „dummer“!!!
du kennst robert ja – auch – schon ´ne weile (schwermetalle)/ich ein wenig anders/berlin/schwermetalle, sodass ich – ist halt nur mein senf dazu(!) – eben darauf aufmerksam machen möchte, dass wenn man sich z.b. seine (z.t. älteren) youtube-videos anschaut… (also, WER und WIE ist robert eigentlich/scheint robert zu sein?), schon auch „ein wenig“ erkennen/deuten kann, warum das, was nun leider wiederholt(!) passiert ist, eben passiert!
blöd! doch: bitte reib dich da nicht weiter auf.
!! wo fängste an – wo hörste auf !! ?
euch ein danke für alles – und weiter so (vielleicht eben OHNE robert!?)
grüüüüße!
Danke für den Kommentar.
Ich mag Robert persönlich ja auch und wir schreiben seit vielen Jahren immer mal wieder Mails hin und her. Aber ich denke, systematisches Verbreiten von Falschinformationen braucht eine Gegenstimme.
Daher hat dieser Beitrag nicht unbedingt was mit Robert zu tun. Es fällt in mein Themengebiet und ich habe das Gefühl, ich sollte eine Gegenstimme präsentieren, wie ich es eigentlich schon immer getan habe mit dem Blog.
LG