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Alterung mal anders

Die meisten von uns streben nach einem möglichst langen, aber vorrangig gesunden Leben. Und klar: Es gibt manche, die gerne 120 Jahre alt werden würden. Andere – so wie ich – geben sich mit 85 zufrieden, wenn das heißt, dass man bis zum letzten Tag noch auf dem Fahrrad ins Nachbardorf fahren konnte.

Im Hintergrund wird fleißig an der Alterung geforscht. Zum einen, weil man bis heute nicht klar definieren kann, was Alterung eigentlich ist. Altersforschung ist bis heute eine eher deskriptive Disziplin.

Zum anderen, weil wir uns natürlich erhoffen, durch bestimmte Maßnahmen sowohl Krankheit fernzuhalten als auch die maximale biologische Lebensspanne eines Menschen (geschätzt: 120-150) auszureizen. Freilich: Und manche glauben an das „ewige Leben“ … im Diesseits verteht sich.

Zwei Grundsätze aus der Altersforschung

Forschungen des vergangenen Jahrzehnts haben spannende Erkenntnisse für uns parat.

  1. Alterung ist wie ein in uns programmierter Timer. Der lässt sich – Stichwort Yamanaka-Faktoren (Medizin-Nobelpreis 2012) – sinnbildlich auf 0 stellen. Man kann heute einzelne Zellen quasi in ihren Ursprungszustand zurückversetzen („Induzierte pluripotente Stammzelle“). Und auf Basis dieser Erkenntnisse schon ganze Gewebe verjüngen.
  2. Krankheit usw. beschleunigt unsere Alterung. Kehren wir aber in unseren physiologischen Status zurück, z. B. bei Genesung, wird die Altersuhr wieder auf ihren eigentlichen Wert korrigiert (Poganik et al. 2023).

Letzteres wurde relevant, als uns unser toller Gesundheitsminister nach nächtlichem Überfliegen von Studientiteln per Twitter (heute: X) mal wieder zugeworfen hatte, dass uns Covid schneller altern lässt. Ja. Hat nur vergessen nahezulegen, dass das ein temporärer Zustand sein könnte (s. o.).

Das „Lustige“ daran ist, dass Stress die Alterung beschleunigt (Harvanek et al. 2021). Eine Infektion ist bei den allermeisten temporär. Stress wird für viele zum Dauerzustand. Lauterbach-Paniktweets haben viele Menschen wohl mehr altern lassen als die Coronainfektion an sich.

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Stressoren (z. B. Infektionen) erhöhen unser biologisches Alter. Diese Veränderungen kehren sich danach aber wieder um. 

Wir stellen auch vorübergehende Veränderungen des biologischen Alters bei größeren Operationen, während der Schwangerschaft und bei schwerem COVID-19 bei Menschen und/oder Mäusen fest. Zusammengenommen zeigen diese Daten, dass das biologische Alter als Reaktion auf verschiedene Formen von Stress schnell ansteigt, was sich nach der Erholung vom Stress wieder umkehrt.

Die Altersuhr verlangsamen

Doch zurück zum Thema: Ist das nicht spannend? Jetzt gerade tickt unser Timer. Durch Analyse der Methylierungsmuster unserer DNA können wir auch relativ genau messen, wie alt wir sind. Bis vor kurzem hat man das noch an physiologischen Merkmalen abgeleitet (z. B. Herzgesundheit, sportl. Leistungsfähigkeit etc.), Stichwort „biologisches Alter“ – heute misst man das direkt an der DNA („Epigenetic clock“).

Durch Sport und gesunde Ernährung können wir das Ticken des Timers verlangsamen. In männlichen Erwachsenen >50 Jahre konnte ein Lifestyle-Programm (Ernährung, Schlaf, Bewegung und Entspannung sowie ergänzende Probiotika und Phytonährstoffe) die DNA-Alterung schon nach acht Wochen um drei Jahre verlangsamen (Fitzgerald et al. 2021).

In ähnlicher Weise konnte ein einfaches, achtwöchiges Ausdauertraining bei Frauen (50-70 Jahre alt), die besonders schnell altern, „das DNA-Methylierungsalter um 2 Jahre verringern“. Bei Frauen, die ohnehin langsam altern – also offenbar schon einigermaßen gesund leben –, passierte hingegehen nichts Signifikantes (da Silva Rodrigues et al. 2023).

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Die „biologische Alterung“, die man modern in Form des DNA-Methylierungsmusters misst, lässt sich verschnellern oder verlangsamen. (Haupt et al. 2021

Warum du alterst

Doch warum hat uns die Natur eine tickende Zeitbombe eingebaut? Denn wenn die Natur potenziell in der Lage ist, uns unendlich lange leben zu lassen, warum tut sie es nicht? Die Antwort im Politikersprech: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern…“ :P

Im Ernst: Du bist einfach ein biologisches Auslaufmodell. Im Zuge der Adaptabilität einer Art will die Natur, die Evolution bzw. der liebe Gott, dass die Karten mit jeder Generation neu gemischt werden. Nur so kann ein Artfortbestand gesichert bleiben – denn auch die Umwelt verändert sich konstant.

Rekombination auf Gametenebene – sprich über Eizelle und Spermium – ist der beste Weg, um Adaptilität einer Art zu wahren. Die Eizelle und das Spermium bringen die Infos über die Umwelt in Form der Epigenetik mit. Und schon auf dem Weg zur Eizelle darf sich jenes Spermium durchsetzen, das unter aktuellen Umweltbedingungen am Fittesten ist.

All das kannst du nicht leisten. Und genau deshalb ist unser eigenes Haltbarkeitsdatum begrenzt. Vermutlich besser so.

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

13 comments On Alterung mal anders

  • hätteschönseinkönnen

    Euer letzter „wöchentlicher“ Blog war am 19. März. Jetzt ist der 09. April. Alles gut bei Euch? Fange an mir Sorgen zu machen! lG

    • Haha, nett von dir. ;-)
      Aber nein, uns gibt es noch… Wir haben im Tagesgeschäft nur manchmal so viel zu tun, dass hier mal zeitweise wenig passiert. Sind jetzt aber mit einem Artikel zurück ;-)

  • Chris@, deine Altersvorgabe mit 85 hätte ich ja jetzt erreicht. Zusammen mit meinem Mann kämpfe ich mich durch mein altes Leben. Alles in Allem ist es, als sind wir 75. Natürlich frustriert es, wenn z.B. weder NMN noch Cordizeps einen spürbaren Effekt auslösen.
    Auch wir nehmen inzwischen fast 100 NEM und gehen 2x/ Woche ins Gym und stöckeln 2x3km/W. durch den Park und bilden uns ein,
    dadurch den Verfall aufzuhalten. Leider kann man nicht eifach, wenn man meint, „es reicht“ den Stecker ziehen.

    • Hallo Vera, ich freue mich immer sehr, wenn Du Dich gelegentlich zu Wort meldest, ob hier oder nebenan im Forum.
      Es ist so nachahmenswert, wie ihr euch eure Mobilität erhaltet. Ich glaube, daß man es genauso machen muß, um aufgeschlossen zu bleiben. Die verschiedenen Aktivitäten bieten ja ein riesiges Potenzial für neue Entdeckungen. Das macht das Leben so spannend.
      Für mich bist Du ein Vorbild.

    • Liebe Vera,
      ihr seid große Vorbilder!
      Ich denke, mit zunehmendem Alter wird es wichtiger, in therapeutische Bereiche mit manchen Substanzen zu gehen. Ich weiß nicht, ob ihr das mit NMN probiert hattet. Aber speziell der Bereich „Senolytika“, also Stoffe, die quasi gezielt alte Zellen töten, ist sehr sehr wichtig, je älter man wird. Das ist quasi wie ein Mittel gegen den Rost. Vielleicht wird das demnächst mal ein Post von mir.
      Beste Grüße
      Chris

  • Besonders hervorzuheben wäre hier der Unternehmer Bryan Johnson, der sich leidenschaftlich und mit praktisch unbegrenzten finanziellen Mitteln dem Thema Anti-Aging widmet und auch einen “Blueprint” dafür entwickeln möchte. Mich würde einmal sehr interessieren welche Meinung ihr bei edubily zu ihm habt?

    • Mich auch! Zumal sein Ernährungsprotokoll ja hauptsächlich vegan unterwegs ist. Ob man all die fehlenden Bestandteile von Fisch, Fleisch, Eiern und Co. wirklich auf Dauer mit über 100 Pillen am Tag ausgleichen kann!?

    • Mir tut er irgendwie leid. Ich habe nicht das Gefühl, dass er wirklich weiß, was er macht. Als Beispiel: Niemand sagt, dass man CR in Kombination mit Veganismus machen muss. Es gibt dafür keine Datenlage. Er hungert sich hier also nicht nur in Sachen Kalorienrestriktion runter, er lässt seinen Körper auch an Keynährstoffen verarmen, was allein betrachtet ja auch Langlebigkeitsschalter aktiviert, aber „doppelt genäht hält besser“ klappt in der Biologie in der Regel nicht.

      Im Gegenteil. Er macht dann solche Faxen wie Testosteron-Replacement, obwohl der Abfall der Hormonspiegel ja wichtige Signalwege triggern. Wenn du CR machst, dann ist nicht CR per se das, was langlebiger/gesünder macht, sondern die Sekundäreffekte, also z. B. ein Abfall der Hormone. Hier fehlt es mir einfach massiv an Verständnis. Wenn er die Nährstoffe, die ihm wegen seiner veganen Ernährung fehlen, mit NEM auffüllen will, macht er vom Prinzip her genau den gleichen Fehler.

      Es ist ja schön, dass er z. B. an sein Langlebigkeitsfrühstück glaubt, aber das Zeug, das er sich da zusammenstellt, ist nix Besonderes. Jeder, der einigermaßen gesund lebt, führt solche Phytonährstoffe usw. zu. Auf der anderen Seite sind in seinem Essen wirklich so viele Antinährstoffe, dass ich mir vorstellen könnte, dass die Darm- und damit Immungesundheit bei ihm leidet.

      Alles in allem quält er sich für fragwürdige Effekte. Jeder Horst, der ein bisschen Sport macht und sich gesund ernährt, altert nicht wesentlich schneller als er. Und im Endeffekt wird er – je nachdem, welche Genetik er mitbringt – 5-10 Jahre gutmachen können. Er wird deshalb keine 120 Jahre.

      So wie er es macht, ist es m. E. eine Perversion und alles andere als ein Vorbild.

      • HarrHarrHarr… selber schuld! Mein Mitleid mit überheblich wirkenden Größenwahnsinnigen hält sich in Grenzen… :-P

        Gönne mir jetzt erstmal einen klassischen Burger… :-)

        Mein von Sport und strenger Morgenroutine leicht ausgezehrter Körper sagt mir, dass der im jetzigen Kontext eine verjüngende Wirkung haben wird… :-D

      • Interessant, in diese Richtung musste ich auch denken. Warum ernährt er sich vegan obwohl es dazu in Bezug auf Langlebigkeit keine Datenlage gibt und führt dann alles mögliche über Supplemente zu?
        Außerdem fand ich es witzig wie stolz er auf sein „ganz besonderes“ Olivenöl ist welches bei uns halt der „normale“ Standard im Supermarkt ist.

        Finde ich sehr schade da er eigentlich extrem leidenschaftlich an die Sache geht.. das könnte er sicher besser.

        • Man kann die unendliche Liste von Supplementen, die sich Bryan Johnson täglich reinfährt, nicht mit einem Mangel an Nährstoffen aus veganer Ernährung erklären. Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es bei seinem Essen v.a. um eine Maximierung der Ballaststoffzufuhr bei gleichzeitiger Kalorienreduktion. Selbst ohne Kalorienreduktion kann man sich ja nur eine begrenzte Menge an gewissen Stoffen zuführen; in Pillenform sind den Dosierungen quasi keine Grenzen gesetzt. (Ob der Körper das dann alles aufnehmen kann oder sollte mal dahingestellt.)

          Die Logik hinter dem Spektakel ist, dass man mit “normaler, ausgewogener Ernährung” halt keine Wunder wirken kann, aber mit dem Blueprint-Programm vielleicht schon. Unklar, ob BJ das aus Selbstbespaßungsgründen macht oder weil er die Sache irgendwann vermarkten möchte. Vermutlich beides. Der Claim, er stelle sich sozusagen als Versuchskaninchen zur Verfügung, um die Menschheit in ihrer Suche nach Unsterblichkeit voran zu bringen, ist jedenfalls totaler Unsinn, aber hey, mit der Behauptung einer Verallgemeinerungsfähigkeit der eigenen individuellen Erfahrungen ist er in der Wellness-Szene ja nun wahrlich nicht alleine, und wenn man sich in den entsprechenden Ecken des Internets rumtreibt, ist es immer gut, auf dem Schirm zu haben, dass Ernährungwissenschaften usw. ein sehr komplexes Feld sind, in dem es sehr wenige einfache Wahrheiten gibt.

          Btw, nicht dass ich an die Wunder glaube, die dieses Olivenöl angeblich bewirken soll, aber Olivenöl kann sich in der Quali schon recht signifikant unterscheiden, insofern kann man davon ausgehen, dass sein Superöl nicht nur normalem Supermarktstandard entspricht.

          • >> Unklar, ob BJ das aus Selbstbespaßungsgründen macht oder weil er die Sache irgendwann vermarkten möchte.

            Definitiv vermarktet er das. Das läuft schon. Ich war in so einer Testgruppe, die bestimmte Supps von Ihm bekommt und auch eine bestimmte Vorgehensweise einhalten musste. Es war mir in Summer aber viel zu teuer, um da teilzunehmen. Aber definitiv geht es darum, mit diesem Blueprint Konzept Kohle zu machen. Das soll perspektivisch die einzige Quelle der „Ernährung“ sein. Zusätzlich dann noch diverse andere Protokolle, Messungen, Behandlungen etc – je nach dem was man finanziell machen kann.

            Es klang alles sehr verlockend und „einnehmend“ – aber letztendlich ist es neben dem lieben Geld auch eine Abwägung, ob man SO leben will. Jeden Tag 100 Pillen schlucken, viele Protokolle/Restriktionen einhalten. Irgendwo sollte ja auch noch Leben stattfinden. Sein komplettes Leben nach einem „Blueprint“ auszurichten ist eine sehr individuelle Entscheidung.

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