Sind gesättigte Fette wirklich gesund?

Sind gesättigte Fettsäuren gesund?

Häufig war in der amerikanischen Paleo-Szene zu hören, dass gesättigte Fettsäuren und insbesondere Palmitinsäure (C16), die präferierten „Treibstoffe“ unserer Zellen seien.

Schon im „Handbuch“ habe ich hingeschrieben, dass ich von einer Fettsäure, an die wir „evolutiv angepasst“ sind und die unser präferierte Treibstoff sein soll, andere Dinge erwarte.

Das hatte ich damals ausführlichst niedergeschrieben.

Geglaubt wird es nicht: Im Gegenteil.

Überall kann man heute auch in Deutschland lesen, wie toll die Effekte von gesättigten Fettsäuren sind – Gesättigte Fette, so sagt man, seien lebenswichtig.

Insulinresistenz durch zu viele Carbs?

Im Gegensatz zu Kohlenhydraten. Die induzieren darüber hinaus auch noch Insulinresistenz.

Bitte, bitte: Wenn jemand das behauptet, dann darfst du ihm kein Wort mehr glauben! Schon bei Wikipedia (!) kann man die Gründe einer Insulinresistenz nachlesen (und hier, von mir zusammengefasst vor bald einem Jahr). Und es stimmt sogar.

(Klar: Ein chronisch erhöhtes Insulin wird auch IR induzieren via Negativ-Feedback [Passiert im Übrigen auch durch Aminosäuren]. Aber: Was zerstört uns grundlegend die Glukose-Toleranz? Nicht das Insulin …)

Hauptsache dagegen

Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich diese Szenen verhalten wie Kleinkinder: Zum Trotz wird erst recht das Gegenteil gemacht. Jahrelang „durften“ wir keine Butter essen, jetzt wird’s erst recht gemacht. Mit aller Gewalt.

Schaue ich mir aber die zellulären Effekte an, sprechen die Ergebnisse eine ganz eigene Sprache:

„Saturated palmitic and stearic acids decreased insulin-induced glycogen synthesis, glucose oxidation, and lactate production. Basal glucose oxidation was also reduced. Palmitic and stearic acids impaired mitochondrial function as demonstrated by decrease of both mitochondrial hyperpolarization and ATP generation.“

Also: Gesättigte Fettsäuren (Palmitin- und Stearinsäure) induzieren Insulinresistenz und beeinträchtigen darüber hinaus die Mitochondrienfunktion.

In derselben Arbeit steht: Ungesättigte Fettsäuren tun das nicht.

Andernorts können wir Ähnliches lesen:

„In contrast, saturated fatty acid exposure caused insulin resistance, reducing PI3K (phosphoinositide 3-kinase) and ERK (extracellular-signal-regulated kinase) activation while increasing activation of stress kinases JNK (c-Jun N-terminal kinase) and p38.“

Wohl gemerkt: Hier werden „Stress-Kinasen“ aktiviert, die normalerweise bei diversen potenziell toxischen Umwelteinflüssen aktiv werden.

Außerdem scheinen gesättigte Fettsäuren, wie keine anderen Makronährstoffe, das PGC-1alpha-Signaling zu blockieren:

„ Although overnight exposure to high insulin, glucose, glucosamine, or amino acids had no effect, saturated fatty acids potently reduced PGC-1alpha and -beta mRNA expression. Palmitate decreased PGC-1alpha and -beta expression by 38% (p = 0.01) and 53% (p = 0.006); stearate similarly decreased expression of PGC-1alpha and -beta by 22% (p = 0.02) and 39% (p = 0.02).“

Nun: Das hier ist kein Cherry-Picking – jeder seriöse Wissenschaftler, der den (muskulären) Zellstoffwechsel untersucht, wird Ähnliches berichten.

Der Fettsäure-Lastigkeit aktueller Ernährungsformen stehe ich sehr kritisch gegenüber.

Eine fettlastige Ernährungsform – oder gar eine ketogene Diät – mag für Einige momentan viel Sinn machen, aber – ich kann mich nur wiederholen – wie sieht das in drei Jahren aus … oder 10?

Ich glaube: Wir schaffen uns durch solche Extrem-Interventionen viele Probleme.

Mir ist durchaus bewusst, dass keiner sich ausschließlich von gesättigten Fettsäuren ernährt – glücklicherweise können einfach & mehrfach ungesättigte Fettsäuren (z. B. Ölsäure und DHA/EPA) die negativen Effekte von einigen gesättigten Fettsäuren puffern.

Dennoch sollte man sich – ganz neutral – informieren und gewisse Aspekte, die man jetzt gerne praktizieren möchte, nicht „freisprechen“ oder gar mit Hilfe der selbst erdachten Evolution (und daraus resultierenden Konsequenzen) legitimieren.

Ich bin um meine Insulinsensitivität besorgt – und dabei stehen weder hohe Mengen an Fettsäuren auf dem Speiseplan, noch die Butter oder die Sahne. Stattdessen hat Fettsäure-Qualität den Vorrang – Ölsäure und mehrfach ungesättigte Fettsäuren helfen dir und deiner Gesundheit. Deine Insulinsensitivität wird es dir danken.

Aber gut … wem sag ich’s?

Quellen

Hirabara, Sandro M, Rui Curi, and Pierre Maechler. „Saturated fatty acid‐induced insulin resistance is associated with mitochondrial dysfunction in skeletal muscle cells.“ Journal of cellular physiology 222.1 (2010): 187-194.

Kennedy, Arion et al. „Saturated fatty acid-mediated inflammation and insulin resistance in adipose tissue: mechanisms of action and implications.“ The Journal of nutrition 139.1 (2009): 1-4.

Lee, Jong Sam et al. „Saturated, but not n-6 polyunsaturated, fatty acids induce insulin resistance: role of intramuscular accumulation of lipid metabolites.“ Journal of applied physiology 100.5 (2006): 1467-1474.

Manco, MELANIA et al. „Insulin resistance directly correlates with increased saturated fatty acids in skeletal muscle triglycerides.“ Metabolism 49.2 (2000): 220-224.

Montell, Eulàlia et al. „DAG accumulation from saturated fatty acids desensitizes insulin stimulation of glucose uptake in muscle cells.“ American Journal of Physiology-Endocrinology And Metabolism 280.2 (2001): E229-E237.

Salvado, L et al. „Oleate prevents saturated-fatty-acid-induced ER stress, inflammation and insulin resistance in skeletal muscle cells through an AMPK-dependent mechanism.“ Diabetologia 56.6 (2013): 1372-1382.

Yang, Chenjing et al. „Mitochondrial dysfunction in insulin resistance: differential contributions of chronic insulin and saturated fatty acid exposure in muscle cells.“ Bioscience reports 32.5 (2012): 465-478.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

16 comments On Sind gesättigte Fettsäuren gesund?

  • Hey Chris, du schreibst Palmitin sei nicht so gut. Ich nahm jetzt immer Palmitin, also Kokosfett zum braten. Was sollte ich stattdessen nehmen?

    Liebe Grüße

  • Für alle, die mal was anderes als Olivenöl verwenden möchten, kann ich das Byodo Bratöl aus „high oleic sunflower“ weiterempfehlen. Je nach Ernte enthält es zwischen 70 bis 80% (von 90% Fettanteil) Ölsäure bei nur typischweise 12% PUFA (fast nur O6), gesättigte FS sind vernachlässigbar. Etwa direkt beim Hersteller erhältlich:

    http://shop.byodo.de/byodo-bratoel-klassik-high-oleic-sonnenblumen-0-75l

    Der Rauchpunkt liegt übrigens je nach Quelle (und Qualität) zwischen 160 und 230° C, also für Bratkartoffeln und Gemüse langt das allemal. Nur mit so tollen Polyphenole wie beim Olivenöl schaut es mau aus.

  • Hi Chris.
    In dem Artikel kommt es so rüber, als ob man gesättigte Fette tunlichst meiden sollte – am besten ganz darauf verzichten, denn sie sind böse und haben nur negative Folgen, die sich dann durch ungesättigte fette teilweise eindämmen lassen.

    Ich glaube, dass es viele gibt die nach diesem Artikel wieder Margarine kaufen und sich im schlimmsten Fall noch nen schuss rapsöl statt Milch in den Kaffee hauen.

    Du sagst extreme seien schlecht, aber Artikel dieser Art fallen für mich schon leicht in den Bereich der Auslöser für Extremdenken.

    Sehe dich generell als größtes Vorbild und praktiziere viele deiner Empfehlungen. Dies war nur mein erster Eindruck vom Artikel, der von Reaktionen einiger Bekannter nach dem Lesen bestärkt wurde.

    • Hallo Thomas,

      wieso denn Extrem?

      Ich zeige lediglich zelluläre Effekte von gesättigten Fettsäuren (hier: Palmitinsäure und Stearinsäure) auf.

      Weiter merke ich an, dass ungesättigte Fettsäuren, die negativen Effekte puffern und schreibe zusätzlich, dass im echten Leben ja nicht nur gesättigte Fettsäuren gegessen werden.

      Dieser Post richtet sich vor allem an diejenigen, die vehement darauf beharren, dass gesättigte Fettsäuren per se viele vorteilhafte Eigenschaften haben.

      Es geht also nicht darum, dass man gesättigte Fettsäuren per se meiden soll. Sie haben – wie Fruktose – einen Platz, in einer ausgewogenen und wohl durchdachten Ernährung.

      Dennoch sollte es uns allen um Optimierung gehen und in diesem Zusammenhang würde ich jedem eine Ölsäure-lastige Ernährungsform raten.

      Bitte bedenke: Tierische Fette an sich sind nicht nur gesättigt, sondern weisen eine 1:1-Ration (gesättigt:ungesättigt) auf.

      Punkt ist: Wenn wir nur die Zelle studieren, dann sieht es eben so aus, wie oben dargestellt. (Bei Mischköstlern – bei ketogen lebenden kann das wieder ganz anders sein – nur das praktiziert eben nicht jeder.)

      Vor 10 g Butter auf dem Brot (oder sonst wo), braucht sicher keiner Angst zu haben.

      LG, Chris

  • Volek und Phinney haben übrigens in „Art and Science of Low Carbohydrate Living“ ein ganzes Kapitel über C16 geschrieben. Interessant in diesem Zusammenhang ist insbesondere, dass die Fettsäurenzusammensetzung im Blut nicht die gleiche ist wie in der Nahrung sondern dass es zum einen auf den Gesamt-Fettanteil ankommt, es zum anderen aber auch eine enorme individuelle Bandbreite gibt.

  • Hey Chris,

    heißt das, das so hoch angepriesene Kokosfett zum braten dann doch gar nicht so optimal ist? Was ist mit dem Experiment wo ein Typ sich nur von Eiern ernährt hat? Hat der also wahrscheinlich eine Insulinresistenz aufgebaut? Weiterhin sollte man dann doch das tierische Fett meiden?
    Gruß Felix

    • Hi Felix,
      nein Kokosöl ist damit nicht gemeint, da es wieder eine andere Fettsäurenzusammensetzung hat. Es geht um Palmitinsäure. Kokosöl empfehlen wir weiterhin. Wir dachten uns schon, dass nach Kokos gefragt wird bei dem Titel. :-)

      Schöne Grüße,
      Phil

    • Eine Insulinresistenz bekommt man, wenn man gar keine Kohlenhydrate isst, sowieso. Das nennt sich „physiologische IR“ und ist recht schnell umkehrbar.

      Mir geht es vor allem darum, dass man auf seine Zellgesundheit (Mitochondrien, Entzündungen usw.) aufpassen soll.

      Tierische Fette haben normalerweise ein Verhältnis gesättigt:ungesättigt, von 1:1. Das ist nicht schlecht, aber ich habe andernorts (wird gerade überarbeitet) dargelegt, warum das nicht optimal ist.

      (Wer wertvolle, einfach ungesättigte Öle nicht meidet und sich nicht nur von Butter/Sahne/Speck ernährt, der wird sich sicher nicht so viele Gedanken machen müssen.)

      Ein Verhältnis gesättigt:ungesättigt von 2:1 halte ich für optimal.

      Hier im Blog findest du deinen Artikel, wo wir sämtliche Öle und Fette auflisten.

      Der Artikel sollte aufklären, nicht Angst machen!

      LG, Chris

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