climate carnivore

Ich bin ein Klimakarnivore

Ja, ich oute mich an der Stelle! Endlich weiß ich nämlich, was ich wirklich bin. Dank einer wichtigen Studie aus dem Jahr 2016.

Die stellte sich nämlich die Frage:

Wie können die EU-Klimaziele erreicht werden?

Klimaziele erreichen – mit (viel) Fleisch?

Dafür nutzten die Forscher „eine kombinierte Analyse der technologischen und nachfrageseitigen Veränderungen in der Lebensmittel- und Landwirtschaft“. Aha!

Denn bis 2050 sollen in der EU bekanntermaßen bestimmte Klimaziele erreicht werden. Bis dahin wollen (genauer: sollen) wir möglichst „klimaneutral“ werden.

Zuerst mal die gute Nachricht: Wir müssen erst mal nichts tun, denn nur durch bessere Technologien können wir Emissionen um 8-90 % reduzieren.

Jetzt kommt der Haken: Wie viele Treibhausgase man tatsächlich einsparen kann, hängt ein bisschen von unserer Ernährung ab. ;-)

Und da zeigen uns die Autoren tatsächlich etwas Unerhörtes. Etwas, was in unserer medialen Landschaft überhaupt nicht präsent ist, vielleicht absichtlich an uns vorbeilaufen soll – man weiß es nicht.

Fleischessende Klimaschützer

Die Erkenntnisse der Studie werden durch folgende Abbildung gut zusammengefasst:

klima karnivore

Wir sehen die CO2-Äquivalente je nach Ernährung und je nach Technologisierungsgrad (links: jetzt, mittig: optimiert, rechts: optimistisch).

  • Die Current diet ist genau das: Die aktuelle Ernährung der Menschen
  • Baseline: Hypothetisch unter Zunahme des Rindkonsums (auf dem Level der US-Amerikaner)
  • Less Meat: Unter Annahme eines verringerten Fleischkonsums
  • Dairy Beef: Eine nachhaltigere Variante der Rinderzucht
  • Vegetarian: Unter Annahme, Menschen würden sich vegetarisch ernähren
  • Climate Carnivore: Jemand, der Fleisch isst, aber Rind ausspart
  • Vegan … selbstredend.

Ich finde das sensationell spannend. Denn man erzählt uns ja immer, die Veganer und Vegetarier seien besonders klimafreundlich unterwegs.

Und plötzlicht taucht da ein C. Michalk in den Statistiken auf: Ich persönlich esse nämlich relativ wenig Rind und Milchprodukte, dafür vergleichsweise viel Geflügel, ab und an Schwein und Fisch. Und die nennen mich Klimakarnivore!

Unter deren Annahmen esse ich sogar mehr Fleisch als alle anderen, dreimal so viel Fleisch wie Menschen, die „wenig Fleisch“ essen, also vorbildliche Flexetarier sind.

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Und urplötzlich werden all meine Träume und Wünsche wahr: Ich gehöre ja doch zu den Guten! Ich bin jedenfalls besser als Vegetarier und fast so klimafreundlich wie Veganer – mit viel Fleisch!

Die Autoren meinen dazu:

Bemerkenswert ist, dass unabhängig vom Technologieniveau die CH4- und N2O-Emissionen sowohl bei Klimakarnivoren als auch bei Veganern nahe an die 300 kg-Grenze heranreichen oder darunter liegen.

Daher kann eine Ernährung mit viel Fleisch aber ohne Wiederkäuerprodukte, auch mit den sehr langfristig erforderlichen strengeren Klimazielen vereinbar sein.

Tatsächlich legen die Autoren sogar nach, und behaupten: Ich, als Klimakarnivore, könnte mehr als doppelt so viel Fleisch essen wie ein Deutscher bisher (!) – also 120 kg pro Jahr – und wäre „höchstwahrscheinlich auch im Rahmen der strengeren Ziele, die für Reduktionen von mehr als 80 % erforderlich sind.“

Sensationell.

Hehe!

Ja, sicher merkt man mir den spöttischen Ton an! Das liegt daran, dass ich solche Infos ganz allgemein natürlich genüsslich konsumiere. Nicht, um mich wirklich besser zu fühlen.

Einfach, weil man zurückgelehnt in seinem Sessel sitzt und die Welt mehr als eine Art Sitcom konsumiert.

Denn wenn ich jetzt Donnerstagabend wirklich den TV anschalte und Maybrit Illner gucke, werden dort natürlich die bekannten Gesichter sitzen, die uns alle erklären, wie schlimm und böse der Fleischkonsum an sich ist. Null Differenzierung wie immer.

Die Realität – siehe Studie – läuft am Leben der meisten Menschen komplett vorbei. Nochmal: Ob gewollt oder nicht, wir Menschen leben nicht in derselben Realität.

Dass wir in Deutschland die Welt nicht dadurch retten, dass wir weniger Tiere konsumieren, hatte ich schon mal hier im Blog aufgearbeitet. Und diese Woche erst gab es von uns einen Instagrampost, der darlegte, warum es schwierig ist, wie mit dem Thema Fleisch umgegangen wird. Lesen lohnt.

Wir können jetzt jedoch mit Sicherheit festhalten: Es gibt auch gute Fleischesser ;-) 

Quelle: 

Bryngelsson, D., Wirsenius, S., Hedenus, F. & Sonesson, U. (2016). How can the EU climate targets be met? A combined analysis of technological and demand-side changes in food and agriculture. Food Policy, 59, pp. 152-164. doi: 10.1016/j.foodpol.2015.12.012.

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

8 comments On Ich bin ein Klimakarnivore

  • Mir ist ehrlich gesagt schleierhaft, weshalb du einen Artikel schreibst der sich mit der CO2 Thematik befasst.

    Wenn wir ein Problem haben, dann das wir uns vergiften mit allen möglichen Substanzen, aber sicherlich nicht mit CO2. Ein reiner CO2 Anstieg wäre sogar sehr förderlich für das Wachstum der Pflanzen.

    • Pssst, Dave, ich verrate dir was… Mit was ich mich befasse und worüber ich Artikel schreibe, entscheide ich selbst :-) LG

  • Bzgl. Antibiotika im Fleisch fand ich folgenden Artikel:
    https://www.t-online.de/gesundheit/ernaehrung/id_81756480/antibiotika-im-fleisch-wie-schlimm-ist-es-wirklich-.html
    Dort heisst es:
    „Greenpeace beleuchtet mit der Schwarzlichtlampe Fleischproben, die Knochen enthalten. Denn diese Form von UV-Licht ist in der Lage, in Tierknochen eingelagerte Tetrazykline zu ermitteln. Tetrazykline sind Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten. Wie der Lebensmittelexperte Jochen Wettach von der Stiftung Warentest im Gespräch mit der Gesundheitsredaktion von t-online.de sagte, sind eingesetzte Antibiotika noch lange danach im Tierknochen nachweisbar. Der Verbraucherschützer betont aber auch: „Die Antibiotika sitzen fest im Knochen drin.“ In das Fleisch würden die Medikamente dagegen nicht übergehen. Selbst das Auskochen eines Knochens könne das Antibiotikum nicht lösen. Das bedeutet im Ergebnis: Die von Greenpeace im Schwarzlicht dingfest gemachten Antibiotika befinden sich nicht im Fleisch und gelangen auch nicht dort hinein. Die Methode ist daher ausschließlich dazu geeignet, den Verbrauchern zu zeigen, dass das beleuchtete Schwein oder Huhn früher Antibiotika bekommen hat.“

    Demnach scheint das das Thema Antibiotika im Fleisch eher vernachlässigbar zu sein. Oder?

    • Ja, so ist das. Wenn überhaupt gibt es Rückstände in den Knochen, die aber mehr oder weniger kaum Relevanz für den Konsum haben.

  • Hey Chris, warum isst Du fast kein Rind? Ich dachte immer, Fisch ist heutzutage nicht mehr sonderlich gesund, wegen der Schwermetalle. Bei Geflügel sollte man auf Bio achten wegen der ganzen Antibiotika etc. – und bei Schwein auch? Irgendwo habe ich auch gelesen, dass Schweinefleisch für viele nicht gesund ist. Bei mir zeigt der Alcat-Test (Test zum angeborenen Immunsystem), dass ich Schweinefleisch nicht gut vertrage.

    • Hi Barbara,
      die Gründe dafür (Neu5Gc, Hämeisen, Stoffwechselfunktion etc.) habe ich im Blog ja mehr oder weniger rauf und runter diskutiert. Mir tut viel rotes Fleisch einfach nicht gut, dazu zähle ich übrigens auch Schwein.
      Dass in Geflügel besonders viel Antibiotika vorkommt, stimmt ja nicht. Man muss das Geflügel halt von einer Fleischerei des Vertrauens kaufen, ob Bio oder nicht. Und Fisch sollte man schon essen, nur halt nach dem Motto SMASH (Salmon=>Lachs, Makrele, Anchovies, Sardinen, Hering) und halt im Rahmen von 1-3 x pro Woche.
      LG

  • Und um es nochmal mehr zu erweitern: die Tabelle erwähnt nicht einmal Fleisch aus regenerativer Landwirtschaft, in der mit Rindhaltung die Böden wieder aufgebaut werden, sprich das Fleisch kann sogar einen negativen co2-Fußabdruck haben. Wie die Statistik dann wohl aussähe? ;-)

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