Du darfst nix mehr

Was ist nur los mit uns?

Das frage ich mich oft.

Ich sitze dann da, überlege und frage mich alles Ernstes, wie der Mensch hat überleben können.

Da muss man nur mal in die Natur fahren und die vielen Pflanzen mit ihren hochtoxischen Verbindungen untersuchen. Überall in der Natur lauert das tödliche Gift. Ein Biss von einem Hund und schon kann es lebensgefährlich werden, denn der hat tolle Bakterien auf den Zähnen. Wie war das wohl damals? Mit dem Großwild?

Stimmt. Damals waren es eben nicht die neumodischen Toxine.

Heute lebt der verweichlichte Mensch in seiner Plastikwelt (im wahrsten Sinne), „keimfrei“, und hat Angst … Quasi vor allem.

Hormesis hatten wir die Tage. Da haben wir auch anklingen lassen, dass wir sterben … NICHT, weil wir uns irgendwelchen Stressoren oder Giften aussetzen, sondern weil wir verweichlichen, verweichlicht sind. Nicht nur körperlich, sondern vor allem im KOPF.

  • Die Muscheln? Dürfen wir nicht essen, weil sie die Gifte der Meere sammeln.
  • Milchprodukte? Besser nicht. Bloß keinen Quark von „nicht-grasgefütterten Bio-Rindern“ (so ein Schmarrn!).
  • Thunfisch? Voll mit Schwermetallen.
  • Obst? Geht nicht, enthält Fruktose und Zucker.
  • Soja? Hör mir auf! Voll mit Phytoöstrogenen – und genmodifiziert.
  • Shrimps? Will ich nicht, kommen ja aus Aquakulturen, wo schlimme Abfälle verfüttert werden.
  • Getreide? Enthält Gluten, Lektine etc.
  • Heilwasser? Da ist viel Uran drin.
  • Rinder-Leber? Bloß nicht. Da sammeln sich die Giftstoffe drin.
  • Wasser aus Plastikflaschen? Niemals. Xenobiotika! Die machen unfruchtbar.
  • Weintrauben? „Die“ vergiften uns mit Glyphosat!
  • Fisch aus den Weltmeeren? Gerade war doch Fukushima!
  • Etc.

Merken wir noch was?

Das war ja nur der Bereich „Ernährung“.

Das Spielchen könnten wir beliebig weiterführen und auf alle Bereiche des Lebens übertragen.

Das geht meines Erachtens soweit, dass manche Menschen reale Gefahren nicht mehr erkennen. Sich stattdessen mit Kleinkram herumschlagen. Die Relationen aus den Augen verlieren.

Ist das schon Paranoia?

Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass mittlerweile, dank des Internets, massive Verunsicherung induziert wird. So sehr, dass es sich schon fast hin zu Verschwörungstheorien entwickelt — in den Köpfen mancher Menschen.

In diesen Köpfen ist der Wissenschaftler kein normaler Mensch, sondern der Bösewicht Dr. Evil. In diesen Köpfen wird jeder Bauer zum Verbrecher, der sich dieser Ausbeuter-Gesellschaft anschließt, weil er sich ja hergibt – er nutzt ja die Spritzmittel auf den Feldern.

Bei diesen Menschen muss man sich rechtfertigen, wenn für Bücher, Texte und Information Geld verlangt wird. In diesen Köpfen darf man sich nicht kommerziell betätigen, denn damit begebe man sich auf die dunkle Seite der Macht.

Was ist los mit unserer Gesellschaft? Gibt es bei uns noch was anderes als „Schwarz oder Weiß“? 

Neulich wurde in einer Gruppe öffentlich gefragt, warum wir Cellulose in die Zink-Kapseln mischen. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, was ich von dieser Frage halten soll und verkneife mir an dieser Stelle den Kommentar. Nur so viel: Vielleicht besteht ja die Kapsel aus Cellulose?

In aller Regelmäßigkeit erreichen uns Mails, in denen wir darauf aufmerksam gemacht, wie schädlich die Citronensäure (als Anion für Zink bzw. Magnesium) in unseren Produkten sei. Hm …

Wir haben die Relationen aus den Augen verloren!

Wir haben mittlerweile ein neues Level der Angststörung erreicht. Mit dieser Einstellung braucht man eigentlich gar nicht mehr zu leben. Ein bisschen mentale und körperliche Härte täte dem einen oder anderen wirklich gut. Vielleicht liegt’s ja am Testosteron. Kann man sich spritzen lassen. Ach Stop, ich vergaß, das muss ja irgendwo herkommen … Könnte mich umbringen.

Mensch: Was willst du leben? Hast du dir mal darüber Gedanken gemacht? Als Selbstversorger? Irgendwo alleine? Du? Du würdest so ja nicht mal einen Winter überleben — mit der Einstellung. Da friert der Körper. Da verletzt man sich vielleicht mal und blutet! Im Boden leben zig Millionen Mikroben. Böse Clostridien, die dich umbringen können.

Du träumst von einer keimfreien, toxinfreien, allesfreien Welt, die niemals existieren wird. Du hast die Relationen aus den Augen verloren, lebst im Schlaraffenland und merkst es nicht.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

17 comments On Was ist nur los mit uns?

  • Also ich finde den Artikel zur „Erdung“ genau wie eure anderen einfach nur super.
    Was ich mich allerdings schon frage…wo ich das Einfgabefenster für eure SuMa geblieben…^^? Nach der Umgestaltung der Seite und Themenlistung ist das bei mir verschwunden. (liegt das am veralteten FF Browser?) Fand ich früher sehr nützlich da man so immer mal nach bestimmten Stichworten und Aminos suchen konnte.
    Vllt. könnt ihr ihr das ja mal wieder recyceln…^^ Früher war halt doch manches besser :-)
    Gruß Scotty

  • Vorab: ein weiteres mal Dankeschön für Deine kontroversere Sicht der Dinge. Deine Intention ist wahrscheinlich auch an dieser Stelle der Masse einen Stoß geben zu wollen, damit sie sich von beiden extremen Enden des Spektrums wieder in Richtung gemäßigte Mitte bewegt.

    Ich denke ein beträchtlicher Teil Deiner Leser ist dadurch motiviert Deine Einträge zu lesen, dass Ihnen (ein bisschen) Gesundheit fehlt. Die meisten dürften sicherlich bereits hin und wieder Leber essen, etwas über Stickoxid erzählen können, den Stellenwert von Jod, Entspannung und Sport kennen, und bis oben hin vollgestopft sein mit NEM. Eventuell ist sogar das Waffenarsenal an NEM wieder abgebaut durch einige Deiner Posts und die Einsicht, dass es noch andere Faktoren geben muss, falls alles bisherige nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.

    So glaube ich, dass eben ein guter Teil dieser Leser noch nicht am Ziel ist. Die müssen sich dann überlegen woran es liegen könnte und weiterhin, an anderer Stelle, recherchieren. Da hat zumindest meine Recherche ergeben, dass einige namhafte Experten der Meinung sind, Glyphosat und Schwermetalle bzw. Umweltgifte beeinträchtigten unsere Gesundheit ziemlich stark. Vielleicht sogar grade die Schnittmenge, die einer höheren Belastung ausgesetzt ist oder durch genetische Veranlagung schon früher an Kapazitätsgrenzen stößt. Somit sind zumindest aus meiner Sicht Umweltgifte, vor allem in Anbetracht Deiner Lesergruppe, keineswegs nur eine Sau, die durch das Dorf getrieben wird. Ich kann natürlich an dieser Stelle nicht bewerten wann ein Zuviel an Giften oder Zuwenig an Entgiftungskapazität herrscht. Aber du eben auch nicht (für Deine Leser).

    Du hast das Thema Gluten und Deine eigene Empirie angesprochen. Für mich sind´s eben Umweltgifte und meine persönliche Empirie. Experten hin oder her. Und ich glaube, dass sich jeder, der auf oben beschriebene Art und Weise noch nicht ans Ziel Gesundheit gekommen ist, mit Umweltgiften beschäftigen sollte. In Anbetracht der Tatsache, dass ich Deine Leserschaft zumindest teilweise für diejenigen halte, die doch überdurchschnittlich motiviert sind/sein müssen gesünder zu werden, weil eben „Forever Young“ nicht funktioniert hat, finde ich diesen Artikel etwas unangebracht.

    • Hi Dennis,

      herzlichen Dank für deine (gute) Ausführung.

      Mit deinem zweiten Satz hast du bereits ins Schwarze getroffen.

      Vielleicht hast du mal unsere Mail-Serie gekriegt, wo ein Punkt die Metall-Entgiftung ist, wir nehmen das Thema also auch ziemlich ernst.

      Wie gesagt: Es geht nicht um das Auseinandersetzen mit relevanten gesundheitlichen Themen (das machen wir hier ja zur Genüge). Viel mehr die Art und Weise. Dazu gehört auch darauf aufmerksam zu machen, dass man a) nicht den straw man bekämpfen soll und b) nicht der selektiven Wahrnehmung verfällt. Wer überall Gifte finden will, der wird sie überall finden, völlig gleichgültig wie relevant das ist oder nicht.

      LG, Chris

      • Hi Chris,

        freut mich, dass du antwortest. Danke dafür!

        Ein Satz meines Psychologie-Profs ist mir im Kopf geblieben, der an dieser Stelle gut passen könnte: Wessen einziges Handwerk ein Hammer ist, der sieht auf der ganzen Welt nur Nägel. Oder eben Umweltgifte…

        Und dennoch finde ich, dass es noch nicht an der Zeit ist die Masse, aber vor allem Deine (Leser-)Masse, von den Gefahren der Umweltgifte wegzubewegen. Grade weil ich eben glaube, dass Deine Leser verhältnismäßig stärker davon betroffen sein könnten, als die gesamte Population.

        Aber auch allgemein gesprochen halte ich es für extrem schwierig Akzente für die Mehrheit zu setzen, wenn man grade so subjektiv für sich selbst behaupten kann die richtigen gefunden zu haben. Daher läge mir mehr daran möglichst breit aufzuzeigen was alles beeinflussen kann ohne aber wertend Gewichte zu setzen. Das ist an anderer Stelle vorzüglich gelungen. (Mir ist bisher weder ein Artikel, noch ein eBook von Euch entgangen ;))

        Falls du den Stellenwert von selektiver Wahrnehmung aufzeigen wolltest, dann möge mir meine (hoffentlich konstruktive) Kritik gestattet sein, dass dies nicht geklappt hat.

  • Hallo, das Problem mit der Hormesis ist eben die Dosis. In manchen Fällen haben wir nur einen Versuch. Es ist richtig, dass das Internet und die Vielzahl der Literatur ein Verunsicherung erzeugt, deswegen möchte ich beides aber nicht missen. Was einseitige Information bedeutet, das durfte ich sehr lange persönlich erleben. Zu den Punkten oben:
    – Muscheln sind mir an sich widerlich.
    – bevorzuge Milchprodukte von „Gras-fed Cows“
    – Thunfisch – habe eine Fisch-Abneigung, warum weiß ich nicht
    – Obst gern, nicht jedes, und im Verhältnis zu Gemüse
    – Soja? Nicht gut für Testo, oder liege ich da falsch?
    – Shrimps – siehe Muscheln
    – Getreide: jetzt eher Roggen
    – was für Heilwasser?
    – Leber? hab jetzt mal mit Puten-Leber angefangen
    – Wasser kaufe ich in Glasflaschen
    – Weintrauben wasche ich gründlich
    – Fisch hatten wir schon
    Habe ich nun Paranoia?
    Denke, der Artikel klingt etwas – ironisch. Man ist damit irgendwie doch allein gelassen. Man müsste dann schon ein klares Statement abgeben, z.B.: es bringt garnichts, Wasser aus Glasflaschen zu bevorzugen, weil … oder: Glyphosat hat nachgewiesenermaßen keine negativen Auswirkungen … oder: es ist egal, was Kühe fressen …
    Trotzdem vielen Dank für Eure Artikel, auch wenn sie mitunter zum Widerspruch herausfordern

  • Hi,

    „…

    Einer meiner Professoren erforscht Pflanzenkrankheiten, Pilzbefall etc.
    Das ist ein hochintelligenter Mann, hat schon in Stanford gelehrt.
    Manche Leser haben Angst ein paar Weintrauben zu essen. Dann kommt der,
    der es ja tatsächlich erforscht täglich im Labor, und sagt, dass heutige
    (!) Spritzmittel per Löffel gegessen werden könnten. Natürlich geht es
    nicht darum, das Zeug per Löffel zu essen. Aber es sind die Relationen!…“

    Jou, genau DAS reicht mir dann nicht mehr als Aussage welche ich grundsätzlich erst einmal nicht anzweifeln möchte aber dieses trotzdem nicht kann. Mir fehlt dann auch das WAS und WARUM. Um welche Spritzmittel handelt es sich, wo sind die Grenzwerte hierfür, warum sind die Grenzwerte für Spritzmittel A oder B so festgesetzt worden, gibt es negative „Synergien“ mit anderen „Kunstprodukten“ aus anderen Nahrungsmitteln? Wie wirkt denn das eine oder andere Spritzmittel im Körper, wie geht der Körper damit um? Erst wenn ich auf diese Fragen ebenso eindeutige und nachvollziehbare Antworten bekomme, sind meine Zweifel vollends aufgelöst.

    Gruß
    Dieter

    • Sehe ich auch so. Die in der Toxikologie bekannten synergistischen Effekt lassen sich kaum quantifizieren. 1+1 ist also im Zweifelsfall 100 bzw. RIP.

      Auch, wenn 10 kerngesunde Burschen das Spritzmittel löffeln und kerngesund bleiben, könnte ich daran eingehen. Dann bin ich, zumindest jetzt noch, lieber übervorsichtig.

  • Giuseppe Gorgonzola

    Hi Chris,
    ich sehe deinen Artikel als sehr aufrüttelnd und wichtig. Dennoch fällt mir einiges auf was ich gerne mal loswerden möchte.
    In anderen Diskussionen mit „Wissenschaftlern“, oder Menschen die viel gelesen haben und täglich Studien auswerten, ist es als „Normalbürger“ wirklich schwer geworden sich zu äußern.
    Habe mal in einer Forendiskussion zum Thema Getreide/Gluten mich getraut zu sagen, dass mein „Bauchgefühl“ und meine „Erfahrungen“ mir gezeigt haben das mir Getreide nicht gut tut. Es ist eine Kaskade von Pubmed Studien über mich hereingebrochen und ich wurde regelrecht ausgelacht, weil ich mit meinem „Bauchgefühl“ daher kam.
    Das stört mich teilweise schon sehr im Gespräch mit „Euch“ Studienauswerter, da mir das öfters passiert. Mittlerweile versuche ich mich aus solchen Diskussionen rauszuhalten.

    Zu deinem Artikel, es ist sicherlich richtig sich nicht komplett verrückt zu machen. Doch manche Dinge sollten schon hinterfragt werden(Monsanto/Überfischung/Schwermetalle..) Wenn wir alles so hinnehmen, „stumpfen“ wir komplett ab und schlucken alles nurnoch blind in uns hinein.
    Eine gesunde Ausgewogenheit würde beiden Seiten gut tun.
    Ich als „Normalbürger“ der sehr gerne dazulernt, wie hier auf Edubily und auch anderen Seiten. Die andere Seite sollte manchmal aber auch von ihrer Position der „Wissenden“ herunterkommen und die Fragen/Ängste/Sorgen/Erfahrungen auch ernst nehmen und nicht so belächeln und kleinreden.
    Kann Wissen denn nicht ohne Arroganz und erhobenen Zeigefinger vermittelt werden?

    • Hallo Giuseppe,

      in weiten Teilen stimme ich dir durchaus zu.

      Auch darin, dass es (manchmal oder oft) schwierig ist, mit Wissenschaftlern (nein, es geht hier nicht primär um „Studienauswerter“ – heute kann jeder Studien „auswerten“, das macht ihn aber noch nicht zum Wissenschaftler) zu reden. Die sitzen halt oft woanders, forschen eigentlich für die Menschen, schaffen es aber nicht, „Menschen-gerecht“ an den Mann zu bringen.

      Mein Punkt ist, dass ich beobachte, dass viele Menschen sich ein festes Bild von etwas machen, ohne die Hintergründe oder die Tatsachen zu kennen. Nehmen wir als Beispiel Biotechnologie oder Genmodifizierung. Bei den meisten gehen die Alarmglocken schon an, wenn sie die beiden Wörter lesen. Wer sich aber intensiv mit den Hintergründen, auf molekularer Ebene (etc.), befasst, der wird das ganz sicher anders sehen, als jemand, der abends um 20 Uhr in der Tagesschau über BASF und Co. informiert wird.

      Das, was heute passiert, nicht nur bei Gesundheit etc.: Überall poppen Peaks auf, die die vermeintliche Wirklichkeit abbilden. Wir sehen ein 30-Sekunden-Video über den armen Bauern in Indien und schon haben wir einen festen Glauben installiert.

      Das soll nicht böse oder erhaben klingen, aber jemand mit naturwissenschaftlicher Ausbildung geht an eine Beweisführung, auch an die persönliche, eben oft anders heran. Das hat aber oft nichts mit der Ausbildung zu tun, denn die Art und Weise des Denkens kann jeder irgendwo mitbringen.

      Du erzählst beispielsweise oben von Gluten. Wir haben auch schon über Gluten berichtet, die eine oder andere Studie hier drauf gepackt. Was ist aber, wenn meine persönliche Empirie, also meine Erfahrung, das nicht bestätigen kann? Ich habe überhaupt keine Probleme mit Gluten, ich lebe mit Gluten genau so wie ohne Gluten. Ab hier beginnen dann normalerweise die Kriege, weil der eine eben meint, er habe „mehr“ recht als der andere.

      Drum gibt es die Wissenschaft. Abgesehen von epidemiologischen Erhebungen, die es oft in Zeitungen schaffen, weil sie wunderbare Headlines generieren (aufgrund des Konfliktpotenzials), gibt es sehr viele gute wissenschaftliche Arbeiten, auf ganz vielen verschiedenen Niveaus (Signalweg-Analysen bis hin zu RCTs).

      Den „Wissenschaftlern“ oder „Studienauswertern“, wie du sie nennst, bleibt oft nix anderes übrig, als sich in ihrer Wissenschaft zu vergraben, weil die Diskussionen um Themen meist viel zu flach daher kommen, eben eher auf emotionaler, statt auf rationaler Basis. Hier knüpft das Konzept von Dunning und Kruger an („Der Unwissende weiß nicht, dass er unwissend ist, weil er nur dann sehen kann, dass er unwissend ist, wenn er wissend ist). Wie will man sowas aber vermitteln, ohne, dass man den anderen beleidigt, ohne, dass beim anderen das Gefühl der Minderwertigkeit entsteht? Geht nicht.

      Drum wäre es natürlich angebracht, den passenden Mittelweg zu finden. Die Sorgen und Ängste durchaus ernst nehmen. Dazu gehört der Wissenschaftler, der sich den Sorgen und Ängsten annimmt und versucht, mit seinem (Hintergrund-)Wissen zu helfen. Auf der anderen Seite gehört aber auch ein vernünftiger, nicht angstgeleiteter Mensch, der sich zu sehr auf Probleme stürzt. Das meine ich immer mit Relationen. Heute werden in jedem Lebensbereich unendlich viele Fässer aufgemacht.

      Jeder einzelne müsste herausfinden, wie „schlimm“ die Schwermetalle im Fisch tatsächlich sind, vor allem mit Blick auf den eigenen Konsum. Ich muss nicht jeden Tag ein Kilo Fisch essen, verstehst du? Und selbst wenn ich Schwermetalle abkriege … Vielleicht kann der Körper sogar damit umgehen? Wer weiß das schon?

      Ich persönlich beobachte eben, dass sich viele Menschen heute wie aufgescheuchte Hühner verhalten. In diesem Zustand wird alles und jeder zum Feind erklärt. Diejenigen, die helfen könnten, spielen auf der Seite der Bösen und wir, die Hühner, werden eh nur ausgenutzt und gejagt.

      Genau diese Phrasen hören wir ständig. Diese Opferhaltung. „Wir, die am Ende der Nahrungskette stehen, kriegen alles ab.“

      Wie soll auf dieser Basis eine gute Diskussion entstehen?

      Das Fremde wird immer Angst machen, deshalb muss man lernen, das Fremde zu erkunden. Genau aus dem Grund gibt es die Wissenschaft und die vielen Hintergründe. Aber man kann sich nicht immer hinsetzen und stur behaupten, die Welt will einen nur verarschen und ausnutzen. Das ist ein Bild im Kopf, das etwas mit der eigenen Ratio anstellt.

      Ich kenne genügend Wissenschaftler, die in den Bereichen arbeiten. Das sind alles gute Menschen, die sicher keinem ein Bein ausreißen wollen. Ganz im Gegenteil. Wenn es die nicht gäbe, würden wir immer noch am entzündeten Zahn sterben.

      Ich glaube, uns ist dank der vielen Schreckensszenarien das Urvertrauen verloren gegangen. Klar, das muss man sich wieder erarbeiten, aber nicht dadurch, dass man überall Probleme sucht, die einen selbst vielleicht niemals betreffen. Don’t fight the straw man.

      Kritisches Denken ist wichtig. Angsterfülltes hilft aber keinem.

      (Hier mal etwas anderes: http://scienceblogs.de/naklar/2016/09/16/der-monsanto-wahnsinn/?all=1 )

      • Giuseppe Gorgonzola

        Danke für deine sehr ausführliche Antwort. Ich denke das eine „menschliche Wissenschaft „der richtige Weg ist.
        Ganz speziell zu dem Link zu Monsanto, den ich schon gelesen hatte. Glyphosat sehe ich jetzt auch etwas entspannter und ich lasse mich nicht verrückt machen. Aber was ist wenn zu dem Glyphosat noch die Schwermetalle kommen, Feinstaub, Umweltgfifte. .etc und am Ende ist das weniger schlimme Glyphosat der Tropfen der das ganze Faß zum überlaufen bringt? Vielleicht läst dieser Tropfen meine Zellen Amok laufen und ich werde krank? Wenn alles so harmlos ist wie behauptet muss ich mir ja überhaupt keine Sorgen machen und die Konzerne können weiter entwickeln und sprühen usw.
        Geht es wirklich nicht mehr ohne Großkonzerne, die bestimmt auch nützlich sind, aber die wahrscheinlich auch „Dreck am Stecken „haben. Oder ist es schon normal das Bayer für soundsoviel Milliarden Monsanto übernommen hat? Will das nicht als „alltäglich“ hinnehmen wollen. Weiter offen für alles sein, aber nicht zu unkritisch, eben ein gesunder Mittelweg.
        LG
        Giuseppe

      • An der Vokabel „Urvertrauen“ bleibe ich hängen. Ich glaube, das immer verbreitetere Fehlen desselben ist ein wichtiges Fundament für das, was Du beschreibst. Urvertrauen bekommt man von seinen Eltern – oder eben nicht. Was meinen Körper angeht, hat mir Sport ein Urvertrauen auf meine Robustheit gegeben. Aber wie viele Erwachsene treiben regelmäßig Sport? Wie viele davon quälen sich auch mal, gehen auch mal über ihre Grenzen? Außerdem bin ich der Meinung, dass es da draußen jede Menge Leute gibt, die sich mehr darüber definieren, gegen was sie sind. Da ist das Contra wichtiger als sich darum zu kümmern, dass es bei einem selbst besser wird. Lieber mit der peer group gegen das Böse als mit Geduld und Mühe für sich selbst.

  • Es scheint so, als hättest Du – aus welchem Grund auch immer – einen dicken Hals. OK – da bist du nicht alleine.

    Tatsächlich ist das Thema eher ein „dramatisches“. Denn die Verunsicherung derer, die eigentlich nur möglichst vieles in ihrem Leben richtig machen wollen, ist auch bei vielen anderen Punkten als bei der Ernährung entsprechend ausgeprägt.

    Es wird zu beinahe jedem Thema mehrmals täglich eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Wer einen Job und/ oder noch ein paar andere fordernde Dinge/ Menschen am Hals hat, der kann sich nicht zu jedem Thema, das ihn gerade betrifft, Stunden und Tage recherchieren und sich einlesen oder gar dauerhaft am Ball bleiben.

    Leider kannst du im Alltag weder deiner Bank noch deinem Arzt noch deinem Lebensmittelhändler noch deinem Autoverkäufer, deiner Werkstatt, deinem Stromanbieter, deinem Elektroartikelhändler… blind vertrauen. Und den Medien sowieso nicht. Du brauchst zu nahezu allen Themen ein gewisses Maß an Spezialistenwissen, um einigermaßen einordnen zu können, was dir gerade verkauft werden soll. DAS ist für Otto-Normalverbraucher nicht leistbar.

    Du weißt, dass du zu wenig weißt, um die „Fußangeln“ zu erkennen. Und dann reagiert man natürlich besonders sensibel auf die Säue. Oh Gott, schon wieder etwas, was ich nicht auf dem Schirm habe… Die Verunsicherung der Menschen ist teilweise riesengroß! Beim Erkennen des eigenen Unvermögens und der daraus resultierenden „Panik“, kann man vorübergehend schon mal die Realität aus den Augen verlieren. Zumal man teilweise viel Zeit braucht, um einordnen zu können, welche „Bedrohung“ ernst ist und welche eher nicht.

    Für mich ist genau DAS der Grund, warum ich seit geraumer Zeit hier mitlese. Ich will mir hier einen Teil meiner Kompetenz für mein Leben erwerben. Deshalb: Herzlichen Dank für die Internet-Seite – Ihr seid super!

    • Kann man alles nachvollziehen.

      Wenn man sich aber fragt, wie groß der Impact TATSÄCHLICH ist, dann gelingt es in vielen Momentan vielleicht die innere Ruhe zu bewahren. Vor allem wenn man endlich akzeptiert, dass der Körper nicht aus Glas besteht.

      Anstatt also, wie in jedem Lebensbereich heute, überall 100 % zu wollen, sollte man – in naturwissenschaftlicher Manier – vielleicht einfach mal kurz an Normalverteilungen oder Potenzgesetze oder so sonst was denken.

      DAS sollte die Ausbildung sein. Nicht wieder das quasi (psychisch) krankmachende Youtube-Video, das zeigt, wie … [beliebig einsetzbar].

      Nur als Beispiel: Soeben habe ich eine Studie gelesen. Dort wurde schön gezeigt, dass sich die Sicht auf GMO deutlich ändert, wenn vorher eine Vorlesung gehört wird, die die Hintergründe dazu erläutert. Also das, was ich vor einigen Tagen hier angeschnitten hatte.

      Einer meiner Professoren erforscht Pflanzenkrankheiten, Pilzbefall etc. Das ist ein hochintelligenter Mann, hat schon in Stanford gelehrt. Manche Leser haben Angst ein paar Weintrauben zu essen. Dann kommt der, der es ja tatsächlich erforscht täglich im Labor, und sagt, dass heutige (!) Spritzmittel per Löffel gegessen werden könnten. Natürlich geht es nicht darum, das Zeug per Löffel zu essen. Aber es sind die Relationen! Diese Wissenschaftlicher entwickeln konstant weiter. Was denken die Leute denn, was die 40 Jahren auf die Äcker geschmiert haben? Stattdessen mehr Verunsicherung.

      Ein anderer Professor von mir hat uns mal deutlich erklärt, dass beispielsweise die BASF einem den Vogel zeigt, wenn man mit irgendeiner Wunderchemikalie kommt, die aber gleichzeitig sehr gefährlich für den Menschen sein könnte. Was können wir hier immer Lesen? BASF und Co. wollen den Menschen umbringen. Die können auch nicht alles verticken wie sie wollen.

      Grundsätzlich: Es geht um eine andere Stufe des Denkens. Nicht immer nur gucken, was schadet mir (was ich eh nicht beweisen oder nachvollziehen kann), sondern sich so bilden, dass man gewisse Sachverhalte auch ohne Experten relativ gut einschätzen kann.

      Aber dieser übertriebene Drang nach Kontrolle … das ist heute echt ein Phänomen, das sich überall findet. Einige meiner Freunde sind Lehrer. Da stehen die Mütter schon morgens um 8 vor der Tür, wollen wissen, wieso, weshalb, warum. Wieso muss meine Tochter so viele Hausaufgaben machen? Wieso muss mein Sohn eine Extraarbeit machen?

      Natürlich muss man sich nicht alles gefallen lassen und klar müssen Bereiche, die nicht optimal sind (z. B. häufig das Patient-Arzt-Verhältnis) verbessert werden. Aber doch nicht dadurch, dass man vor allem Angst hat.

  • Es hätte gerne auch noch explizit erwähnt werden können, dass Reis gewisse Mengen an Arsen enthält :D

    Oder wie wär’s noch hiermit: Die Luft heutzutage ist sehr verschmutzt. Deswegen sollte man lieber aufhören, zu atmen.
    xD

  • Ziem arroganter Artikel!

  • Danke für deinen sehr interessanten Kommentar!

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