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Gesundheitsprinzipien für das neue Jahr

Wäre es nicht toll, man würde sich nicht mehr in den ganzen Irrungen und Wirrungen der Diäten, Ernährungsformen und Trainingsarten verlieren und stattdessen Prinzipien verstehen?

Also quasi einmal „hinter den Vorhang“ blicken, statt immer nur das Theater vorne zu sehen?

Das geht heute. Wir haben einmal ganz simpel Gesundheitsprinzipien zusammengefasst, die du heute ausdrucken und als täglichen Begleiter mit ins neue Jahr nehmen kannst.

Ist das nicht toll? Also los:

Es geht um Prinzipien!

Wann immer wir über die Vergangenheit von uns Menschen schreiben, über unsere Evolution, über unsere Entwicklungsgeschichte und dem „genetischen Mismatch“, wie es Forscher nennen, zwischen unserer genetischen Ausstattung und der heutigen Umwelt, antworten uns einige offenbar besonders findige Menschen:

„Ja gut, das, was früher war, ist ja ganz nett. Dass unsere Vorfahren Wildschweine gejagt haben und nicht zum Bäcker gegangen sind, mag stimmen, aber die hatten ja auch eine andere Lebensweise!“

Nichts verstanden, leider. Viel zu oft erleben wir noch immer (oder immer mehr), dass Menschen gar nicht abstrahieren. So viel Information, so wenig Leseverständnis. Sie verstehen das, was da steht, so, wie es da steht – und nicht so, wie es gemeint ist. Nämlich im übertragenden Sinne.

So posten wir neulich ein Bild vom amerikanischen Fitnesspapst Jack Lalanne (2011 im Alter von 96 Jahren verstorben), der Jahrzehnte lang wie kein anderer die US-Bürger zum gesunden Lebensstil gebracht hat, mit dem Zitat: „Würden Sie Ihren Hund morgens aufwecken und ihm eine Tasse Kaffee, eine Zigarette und einen Donut geben? Sie würden den Hund umbringen!“

Er spielte darauf an, dass zig Millionen US-Bürger jeden Morgen mit Kaffee, Zigarette und Donut in den Tag starten und sich dann wundern, dass sie krank sind. Was hat das mit dem Hund zu tun? Genau, reichlich wenig.

Mit diesem rhetorischen Mittel versuchte Jack Lalanne uns in eine Meta-Perspektive zu bekommen, damit wir besser verstehen, wie weit weg wir – in unserer Wohlstandsbubble – eigentlich von einer natürlichen Ernährung sind, die jedes Lebewesen auf dieser Erde normalerweise isst.

Es geht also weder um den Hund, noch um einen Donut oder den Kaffee an sich. Trotzdem kommentierte jemand: „Der Hund verträgt ja auch viele Dinge nicht, die ein Mensch gut verträgt“. Ach, nein? Ehrlich? :-)

Wenn wir also über unsere Genetik sprechen, die in drei Millionen Jahren geformt wurde und die uns noch heute prägt, und wir dann zu Naturvölkern schauen oder versuchen zu rekonstruieren, was so ein Jäger und Sammler vor 15.000 Jahren gegessen hat, dann tun wir das, um Prinzipien abzuleiten, damit wir den gengerechten Lebensstil emulieren können – nicht kopieren

Prinzipien einer gesunden Ernährung

Der Physiologe Loren Cordain (und seine Kollegen) haben zur „Paläo-Ernährung“ sensationelle Arbeiten publiziert (QQ), die genau auf diese Kernmerkmale eingehen und herausarbeiten, über welche Prinzipien wir hier sprechen, wenn es um Ernährung geht:

  • Prinzip Eiweiß: Unsere Vorfahren haben wesentlich mehr Protein gegessen als wir. Und es ist ja jetzt wirklich eine Binsenweisheit mittlerweile, dass mehr Protein in der Nahrung viele gesundheitlichen Vorteile bietet.
  • Prinzip Fleisch: Eiweiß ist vermutlich das zentrale Prinzip. Es kristallisiert sich jedoch zunehmend heraus, dass Fleisch an sich ein Prinzip ist, da es viele Stoffe mit sehr förderlichen Wirkungen liefert, die der Körper nicht mehr selbst bilden kann. Eine gewisse Menge an Fleisch sollte jede gesunde Ernährung beinhalten.
  • Prinzip Kohlenhydrate: Raffinierte Kohlenhydrate kennt unser Körper nicht. Die Rede ist von Mehlen und Zucker in Reinform. Versteht jeder, nicht wahr? Eine Wurzelknolle, in unserer Sprache: Kartoffel und Karotte, haben unsere Vorfahren sicher auch schon mal gesehen.
  • Prinzip Gräser: Der Mensch isst Gräser, also Getreide, in weiten Teilen von Europa erst seit rund 6000 Jahren. Das macht nur mickrige 0,2 % unserer Entwicklungsgeschichte seit Australopithecus. Heute ernähren wir uns hauptsächlich davon. Meistens auch noch in hochverarbeiteter Form. Vielleicht nicht ganz so gesund?
  • Prinzip Fett: Die Fettsäuren-Komposition vom Wildtier ist eine völlig andere als die, die wir heute zuführen. Bewegtes Fleisch ist gesundes Fleisch. Drum tun dem Körper einfach ungesättigte Fettsäuren gut, die sich z. B. im Olivenöl finden. Alternativ nimmt man halt Wildfleisch oder Fleisch vom Weidetier.
  • Prinzip essentielles Fett: Der Mensch „garniert“ fast alle seine Lebensmittel heutzutage mit raffinierten Speiseölen, die oft reich an pflanzlichen Omega-6-Fetten sind. Kannten unsere Vorfahren nicht. Stattdessen haben die mehr Omega 3 gegessen, vor allem in Form von marinen Quellen, nämlich DHA und EPA. Stichwort Omega-3-Index. Sollte man einfach mal verstehen … und handeln.
  • Prinzip Mikronährstoffdichte: „Der Steinzeit-Mensch hatte doch auch keine Vitaminpillen, oder?“ Dafür hatte die Nahrung unserer Vorfahren in der Regel eine wesentlich höhere Mikronährstoffdichte. Wenn du das Prinzip verstehst, dann emulierst du es, oder? Heißt für viele: mit einer Multivitamin-Kapsel am Tag.
  • Prinzip Makronährstoffe: Wir essen nicht nur das Falsche, wir führen es auch in einem komischen Verhältnis zu. Ernährungsextreme sind heute in, die einen essen „low fat“, die anderen „no carb“ – tatsächlich ist es für die meisten von uns wohl das beste, wenn wir möglichst ausgeglichen essen, das heißt weder high carb, noch high fat.
  • Prinzip glykämische Last: Wir essen zu viele Kohlenhydrate, aber vor allem zu viele raffinierte und schnell verfügbare. Das macht Achterbahn mit unserem Blutzuckerspiegel. Weiß doch jedes Kind. Daher sollte die glykämische Last niedriger ausfallen. Statt Teigtasche gibt’s halt Apfel und Rosenkohl.
  • Prinzip Ballaststoffe: Eine Ernährung auf Basis von raffinierter Kost (Bäckerei!) enthält zu wenig Ballaststoffe. Das Darmmikrobiom muss gefüttert werden. Wildpflanzen enthalten oft viel mehr Ballaststoffe als moderne Zuchtformen. Drum müssen wir uns extra bemühen, genug davon zu essen. Pflanzliche Fasern sind wichtig – drum isst man die Karotte halt mal roh.
  • Prinzip Kalium: Ständig wird über „Salz“ gestritten. Mal darfst du Salz essen, mal sollst du es meiden. Die Wahrheit ist, dass es um Kalium geht. Uns fehlt Kalium in der Nahrung. Kalkulationen zeigen, dass unsere Vorfahren bis zu 10 g Kalium am Tag zugeführt haben. Stichwort Obst, Gemüse, natürliche Kost – Kaliumbomben. Natürlich darf man das dann salzen, weil die Kalium:Natrium-Ratio stimmig ist.
  • Prinzip Milchprodukte: Milchprodukte sind eine hervorragende Nährstoffquelle. War ein Überlebensvorteil in der Bronzezeit. Leider stehen die noch kürzer auf dem Speiseplan als Gräser. Heißt: Wenn du gesundheitliche Probleme hast, dann solltest du eine Zeit lang mal darauf verzichten. Könnte sich lohnen. Ansonsten helfen die sicherlich, Prinzip Eiweiß einzuhalten.

Das sind Prinzipien einer gesunden Ernährung. Wer würde ernsthaft anzweifeln, dass eine Ernährung auf Basis von überwiegend unverarbeiteten Lebensmitteln, mit reichlich Obst, Gemüse, qualitativ hochwertigem Fleisch bzw. vielen mageren Proteinen, guten Fetten, vielen Ballaststoffen und so weiter … gesund ist? Niemand muss also so leben wie früher. Aber um gesund zu bleiben, muss man Prinzipien verstehen.

Natürlich bist du ein Individuum, das die o. g. Prinzipien in das persönliche Leben integrieren muss – daher wird dann jeder von uns eine leicht abgewandelte Form davon im Alltag haben. Ob Kaffee dann dazu gehört oder nicht, musst du rausfinden. Wenn wir die Prinzipien „Nix zuführen“ (= mal fasten) oder „Nicht ständig das Gleiche“ (= Nahrungsmittelvielfalt), die sich in drei Millionen Jahren sicher auch stark eingebrannt haben, beherzigen, dann gibt’s halt wirklich auch mal gar keinen Kaffee. So what?

Halten wir fest: Es geht nicht um Hunde. Es geht auch nicht um ein Pinselohrschwein. Es geht nicht mal um das Essen unserer Vorfahren und schon gar nicht darum, dass du zum Frühstück ein Reh erlegen sollst. Es geht um Prinzipien, um Gesetzmäßigkeiten, die tief in unserer Physiologie verankert sind.

Prinzipien für die Bewegung

Übrigens kann man das auch mit Sport bzw. Bewegung machen. Und da kommt raus:

  • Prinzip kardiovaskuläre Fitness: Viel moderate, lockere Bewegung (Spazieren, Radfahren, Gartenarbeit, Haushalt, Wasserkisten tragen etc.) auf täglicher Basis
  • Prinzip Training: 2-3 x wöchentlich an die körperliche Belastungsgrenze gehen (Krafttraining, Ausdauersport, Sprints usw.)
  • Prinzip Natur: Gerne im Freien (Stichwort Serotonin, Kälte/Wärme, Waldbaden)
  • Prinzip Gemeinschaft: Besonders gerne in einem sozialen Umfeld
  • Prinzip Trainingsspezifität: Am besten möglichst vielseitig (Crossfit macht es vor)
  • Prinzip Spiel: „Power of play“ – spielend sporteln: Ballsport zum Beispiel

(Vgl. Q) Klingt … einleuchtend. Nicht wahr? Deckt sich mit Erkenntnissen aus der modernen Sportwissenschaft.

Das Leben ist leicht … manchmal

Niemand muss sich fragen, wie konkret ein Neandertaler trainiert hat, wenn man … Prinzipien versteht. Und die waren die letzten hunderttausend Jahre gültig und werden auch in tausend Jahren noch gültig sein. Ist das nicht ein unfassbar erleichternder Gedanke?

Drum: Man stelle sich vor, man würde diese Prinzipien-Liste in ein Word-Dokument kopieren, ausdrucken und im neuen Jahr danach handeln. Das könnte es gewesen sein.

Wow! :-)

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

8 comments On Gesundheitsprinzipien für das neue Jahr

  • Hi Chris,
    zum Prinzip Makronährstoffe habe ich eine Frage:
    Ab wann bzw. welchem prozentualen Anteil spricht man eigentlich von „High Carb“, von dem manchmal die Rede ist?

    • Kommt immer auf den Kontext an. Wer hauptsächlich auf Basis von Stärkequellen mit niedrigem Fettanteil lebt, lebt High carb. Aber auch hier gilt es zu differenzieren, denn es macht einen Unterschied ob jemand über- normal- oder unterkalorisch isst uva.

      • Danke, Chris! Ich wäre neugierig, wie das bei mir ist?
        Wenn ich meine Ernährung protokolliere/tracke, kommt immer folgende Verteilung raus:
        20-25 % Eiweiß, 25-30 % Fett, 50-55 % Kohlenhydrate (inkl. Ballaststoffe).
        Mein Gewicht ist zwar stabil, aber halt sehr gering, daher esse ich vermutlich unterkalorisch.

  • Hi Chris,
    Zum Thema Kalium hätte ich auch die Frage ob die Zufuhr von anorganischen Kaliumchlorid sinn macht oder kann das der Körper nicht gut aufnehmen. Mach mir immer ne Mischung aus NaCl und KCl und salze damit mein essen.

    Und danke wie simpel und doch so umfassend du das Thema “Gesunder moderner Lifestyle“ beschreibst

  • Servus Ihr Lieben,

    ich Mische mir gerne an Trainingstagen (3x/Woche) noch zusätzlich ca. 5g Kaliumchlorid am Tag ins Trinkwasser. Auch sinnvoll wenn kein Training stattfindet? LG und Danke für den konstanten Content ;)

  • Echt klasse Zusammenfassung. Die Prinzipien sind einfach für jedermann zu verstehen und danach zu leben dürfte nun nicht wirklich schwer sein.

    Ein paar Anmerkungen/Fragen habe ich trotzdem:
    Diese kalkulierten 10 g Kalium finde ich schon heftig. Vor allem für Europäer. Da müssten unsere Vorfahren ja täglich kiloweise Knollen und Wildpflanzen gegessen haben? Ich weiß nicht ob es in unseren Breitengraden hier Obstsorten gab die hohe Kaliumwerte hatten? Witzigerweise kam auch die Kartoffel erst im 15. Jahrhundert nach Europa..

    Welches Natrium:Kalium Ratio sollte man anstreben. Gibt es da Orientierungswerte?

    Danke Chris!

    • Ich denke, es gibt keine konkrete Ratio. Es ist nur so, dass die Ratio von Kalium zu Natrium(chlorid) heute unter 1 ist. Ich denke, die Ratio sollte immer >1 sein. Männer nehmen also heute z. B. 10 g Salz zu sich (40 % Natrium), entsprechend sollte die Kaliumzufuhr mindestens über 4 g liegen.

      10 g Kalium ist btw gar nicht so utopisch. Natürliche Lebensmittel enthalten oft zwischen 300-1000 mg Kalium pro 100 g. Nehmen wir mal 500 mg Kalium pro 100 g Lebensmittel, dann sind das 2 Kilo Essen. Das klingt zunächst viel, aber ehrlich gesagt, isst man so viel, wenn man gesund isst. Ein Apfel kann ja schon mal 200 g wiegen. Abends 500 g TK-Gemüse. Dann mal 400 g Fleisch. Das sammelt sich ziemlich schnell. Essen in der Wildbahn ist nun mal oft kalorienarm und volumenreich und da muss man schon einiges essen, mehr als wir. Das wird auch ein europäischer Jäger und Sammler geschafft haben. Ob es im Neolithikum später so war, weiß ich nicht.

      Beste Grüße

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