Fasten

Periodic undereating – Teil II

Dies ist Teil II meiner Reihe zu periodic undereating (Teil 1 hier).

Wir Fragen uns natürlich, was das hier alles soll. Warum sollen wir so leben?

Natürlich dreht sich zunächst alles um den „Langlebigkeits-Effekt“, der durch AMPK vermittelt wird. Aber es geht noch um weitere Effekte …

  • weniger benötigtes Insulin, auch bei einer „großen Mahlzeit“
  • mehr Klarheit im Kopf, weniger Müdigkeit (vermittelt durch Stress-Hormone)
  • die genannten Stress-Hormone sorgen für eine gesteigerte Lipolyse (Fettfreisetzung)
  • was zusammen mit wohl erhöhten hGH-Werten dazu führt, dass wir insgesamt einen härteren Körper bekommen

Macht Sinn soweit.

Spannend jedoch wird die Frage nach dem Protein …

Wie viele von euch glauben noch an das Märchen des „Muskelverlierens“?

Zumindest hinsichtlich der täglichen Mahlzeiten-Frequenz?

Das würde vielleicht zutreffen für jemanden, der einen künstlichen Steroid-Körper hat, aber nicht für jemanden, der einen natürlichen, kräftigen Körper haben möchte.

Der Punkt ist: Stress-Hormone, wie Adrenalin, sind in der Tat nicht katabol, sondern protein sparing, das heißt (körper-)proteinsparend.

Vor einigen Jahren bin ich auf eine interessante Idee gestoßen … das Prinzip der Super-Kompensation finden wir auf jeder Ebene des Lebens. Sowohl in der Zelle, als auch in deinem Gehirn, verankert als Persönlichkeitsmerkmal.

Kurz: Bekommt irgendein ein Teil von dir eine längere Zeit nicht genug von irgendetwas, dann wird dieser Teil dafür sorgen, dass er bei der nächsten Gelegenheit bunkert, Ressourcen erhöht und somit geschützt ist vor genau diesem Stressor, der dafür sorgte, dass du eine ganze Zeit lang „nicht genug“ von irgendetwas bekommen hast.

Gilt das auch für das Körperprotein, also Muskulatur?

Es ist nicht unbekanntes Phänomen, dass der Körper während Nahrungsknappheit einen Prozess einleitet, der Autophagie heißt – fehlt das Nahrungsprotein oder fällt die Kalorienzufuhr zu stark ab, dann „recyclet“ der Körper „Schrottproteine“ in der Zelle, um neue Aminosäuren zu gewinnen.

Das ist ein hervorragender Anti-Aging Prozess, denn dadurch können sich fehlerhafte Protein nicht akkumulieren und kaputte Mitochondrien dürfen sich verabschieden.

Doch was passiert sonst während (kurzzeitiger) Nahrungsknappheit?

Bleiben wir bei Hofmeklers Gedanken: Sporteinheiten sind katabole Prozesse, die die Zelle dazu zwingen „Stress“ wahrzunehmen und dementsprechend zu handeln. Die Zelle also wird versuchen, nach der Sporteinheit das Maximale an Nährstoffen, Hormonen etc. aufzunehmen. Sie macht das in dem sie beispielsweise die Insulin-Rezeptor-Dichte erhöht, die IGF-Rezeptor-Dichte erhöht, Glukose-Transporter translokalisiert, mehr Glykogen-Synthase exprimiert etc. Die Zelle ist nach einer Sporteinheit, nach einem katabolen Prozess, in der Lage, deutlich mehr und deutlich effektiver „anabol“ zu werden – sie reagiert besser auf Insulin, hat vermehrt IGF-Rezeptoren, speichert besser Glykogen etc.

Könnte man vereinfacht sagen, je kataboler du (kurzfristig!) wirst, umso anaboler wird die Zelle danach? Womöglich!

Nach diesem Konzept also wäre es eine völlig dumme Idee, vor einer Sporteinheit „anti-katabole“ Substanzen zu schlucken, denn die würden den Wachstumsprozess wohl verhindern. Kennen wir ja mittlerweile von Antioxidantien.

Biochemiker wissen, dass Kurzzeitfasten im Prinzip genau so wirkt wie eine Sporteinheit. Damit wir uns verstehen: Wir reden hier nicht von tagelanger Nahrungsabstinenz, sondern von einer kurzzeitigen Stimulation des Körpers – kein Disstress, sondern Eustress.

Ori Hofmekler also beschreibt undereating im Wesentlichen als „großen Prozess“, der biochemisch eine Sporteinheit mimt, also nachahmt.

Was also würde passieren, wenn du – in physiologischen Rahmen – kurzfristig deutlich weniger Kalorien, womöglich auch deutlich weniger Protein zu dir nimmst?

Deine Zellen werden danach maximal anabol, das heißt aufnahme- und synthesefähig. 

Wenn du also den „Zyklus“ vollendest und am Ende deines Tages eine große Mahlzeit isst (oder dafür ein Essensfenster verwendest), dann werden die Nährstoffe maximal und effektiv in die Zelle kommen, Hormone optimal wirken können.

Denn: Häufig kommt es nicht auf Hormon-Konzentration im Blut an, sondern um die Wirkung im Zielorgan via Rezeptoren. Stimmen die nicht, bringt auch der beste Hormonwert nichts.

Ich habe mal freihand ein Bild gezeichnet, das die Gedanken zusammenfassen sollen:

Die dunkle Wellen-Linie stellt das undereating plus große Mahlzeit dar, die wir am Abend finden. Der mediane Wert ist in rot dargestellt.

Die X-Achse also stellt die Uhrzeit dar. Die Y-Achse meinetwegen das ausgeschüttete Insulin.

Die hellen Wellen-Linie stellt das typische Essverhalten dar – hier gezeigt anhand drei großen Mahlzeiten (ohne Snacks). Der mediane Wert ist in blau dargestellt.

Insgesamt soll klar werden: Die Insulin-Kurven verlaufen tagsüber deutlich niedriger während eines undereatings als während eines typischen Essverhaltens.

Gleichzeitig zeigt die Grafik auch, wann wir AMPK erwarten und wann wir mTOR erwarten, stellvertretend für „katabole“ und „anabole“ Prozesse – natürlich sehr vereinfacht dargestellt.

Abschließend

Um auf meine Eingangsfrage („Die Frage nach dem Protein“) zurückzukommen …

Angenommen, diese klassische Superkompensation wirkt auch hinsichtlich Protein-Zufuhr und Protein-Synthese – was würde passieren, wenn man dem Körper ein paar Tage einfach das Protein entzieht? Würden wir danach eine muskuläre Superkompensation erleben?

:-)

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

5 comments On Periodic undereating – Teil II

  • Das ist ein interessanter Artikel. Wie verhält es sich hier zu einem „Intra-Workout“ Getränk, dass ein 25-30g Kohlenhydrate und EAAs hat? Auch im Hinblick, dass man vor dem Training eine Mahlzeit mit KH und Proteinen konsumiert hat.

    Beste Grüße

  • okay, danke für die Antwort. Dann wechsle ich mal vom chronischen zum temporären Stress und hoffe es pendelt sich alles wieder ein. :)

  • Hört sich spannend an. Aber gerade dieser ,,Stresszustand,, der Produziert doch wieder Chortisol , welches mein Fett mit Superkleber an meinem Bauch befestigt. Wir haben ja alle ein Leben, welches oft auch noch Stress mit sich bringt. Obwohl ich super clean esse und auch 5 mal die Woche trainiere hat mir das böse Chortisol in der letzten Zeit 4 Kilo geschenkt ( besten Dank auch). Wieso sollte dies nun gerade beim Undereating das Gegenteil bewirken?

    • Ich denke, dass viele bereits Erfahrung damit gemacht haben, dass sie während stressigen Zeiten weniger Essen (müssen) und oftmals auch abnehmen.

      Was viele nicht verstehen ist, dass die einzig lipolytisch wirksamen Substanzen im Fettgewebe eben Katecholamine sind.
      Auch Cortisol selbst ist ein kataboles Hormon hinsichtlich des Körperfettes – es sind erst die chronischen Zustände, die das Gegenteil provozieren.

      Ich denke auch nicht, dass man Disstress, wie wir ihn im Beruf erleben, mit Eustress, wie wir ihn beim kurzzeitigen – richtig praktizierten – Fasten vergleichen können.

      Du schreibst, dass du 5x die Woche trainierst – damit setzt du beispielsweise deutlich zu viel Stress auf dein System, wenngleich manche mit so hohen Trainingsvolumen klar kommen.

      Viele Bodybuilder nutzen gerade diese lipolytische Eigenschaft von diversen Adrenalin-Abkömmlingen, um die genannten Effekte hervorzurufen.

      LG, Chris

  • Interessant wie immer. :) Sehr schöner zweiter Teil. :) Mehr mehr mehr. :)

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