Krebs-Zellen lieben nicht nur Zucker

Wenn Krebszellen nicht nur Zucker lieben

Bevor wir mit dem eigentlichen Thema loslegen, möchte ich noch etwas erwähnen. Ende Dezember ist Staffan Lindeberg gestorben. Das war der äußerst sympathische Zeitgenosse aus Schweden, der Vater der großen Kitava-Studie. Und natürlich ein Paläoist. Gestorben ist er wohl an Bauchspeicheldrüsen-Krebs. Ich möchte ihm und seinem Lebenswerk an dieser Stelle einfach gedenken. Ruhe in Frieden.


Grundsätzlich bin ich ja der Meinung, dass wir Laien uns nicht erlauben sollten, über Krebs bzw. die Krebszelle zu schreiben. Ein Laie ist für mich nicht nur jemand, der nichts oder wenig mit Biologie oder sonstigen Naturwissenschaften am Hut hat, sondern auch jene, die keine Tumorbiologen sind.

Der bekannte „educated guess“

Denn das große Problem ist, dass die Biologie enorm komplex ist.

Fairerweise muss man ergänzen, dass viele andere Wissens- oder Arbeitsgebiete enorm komplex sind. Aus diesem Grund gibt es für jeweilige Gebiete Experten, die sich enorm, enorm auskennen. Allerdings lässt sich das Ganze exponentiell darstellen: Je komplexer und anspruchsvoller eine Sache wird, umso detailverliebter wird es. Das impliziert aber, dass der- oder diejenige sich überraschend wenig gut mit anderen Themen-verwandten Gebieten auskennt.

Mal ein Beispiel: Grundsätzlich gehen viele Leute davon aus, dass ein „Biologe“, ein „Biochemiker“ oder ein „Arzt“ sich schon richtig gut auskennt. Viele Menschen glauben allen Ernstes, dass diese Leute mit allen verwandten Themen, also alles rund um Biologie, Ernährung und Co., bestens vertraut sind.

Die Wahrheit ist, dass der beste Biochemiker (o. a.) nur auf seinem Gebiet gut ist. Das kann irgendein spezieller Pathway im Mitochondrien-Stoffwechsel sein. Gleichzeitig, und das habe ich so erlebt, kann es sein, dass dieser beste Biochemiker nicht weiß, dass im Mitochondrium, also direkt nebenan, ein Citrat-Zyklus mit einem Enzym namens Citrat-Synthase vorkommt. Der Hausarzt kennt sich in vielen Fällen sicher bestens mit Husten und Schnupfen aus ( :-) ), aber eben nicht mit NEM und Ernährung.

Wer also so einen (fach- bzw. themenfremden Experten) um Rat fragt, der kann vielleicht einen „educated guess“ erhaschen, da sicher ein grundlegendes Verständnis vorhanden ist. Das heißt aber nicht gleich, dass man sich darauf verlassen kann.

Wenn Krebszellen alles lieben

Seit Beginn dieses Blogs werden wir in aller Regelmäßigkeit nach Krebs in Verbindung mit Kohlenhydraten gefragt. Meistens tauchen dann Begriffe oder Sätze wie „Warburg-Effekt“ oder „Krebszellen brauchen Zucker“ auf. Um ein paar Beispiele zu nennen. Wer sich allerdings mit Krebszellen befasst, der erkennt schnell, dass das ein bisschen, na ja, vereinfacht ist.

Eine Krebszelle braucht auch Zink, Magnesium und andere Spurenelemente. Eine Krebszelle braucht auch Eiweiß, also Aminosäuren, vor allem in Form von Glutamin. Eine Krebszelle liebt essentielle Fettsäuren. Aufgehorcht wurde, als wir sagten, dass Krebs auch Keton-Körper oder Laktat nutzt. Was ich damit sagen will: Eine Krebszelle hat bestimmte physiologische Bedürfnisse, die sich kaum von denen unserer gesunden Zellen unterscheiden. Daher kann man mit Zink-Restriktion und solchen Spielereien auch Krebszellen töten.

Ich bin kein Krebsbiologe und ich will auch keiner sein, dennoch wollte ich dieses Thema — bei aller Oberflächlichkeit — anschneiden. In Form mehrerer Artikel. Zum Beispiel hier (04/15). Das ist jetzt schon wirklich fast Ewigkeiten her. Damals sagten wir: Es gibt wohl einen sogenannten „Reverse Warburg Effect“, bei dem aggressive, sich schnell teilende Tumorzellen ihre Substrate oxidativ, also mit Atmungskette, abbauen. Das ginge, so einige Wissenschaftler, auch und gerade mit Hilfe von … Fettsäuren.

Genannt wurden damals insbesondere Prostatakrebs, Brustkrebs, Blasenkrebs oder Eierstockkrebs.

Neue Studie: Krebszellen lieben auch Fettsäuren

Nun erschien ein Artikel auf doccheck: Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es Krebszellen gibt, die unbedingt abhängig sind von einem Protein namens CD36. Klingt kompliziert, aber dieses Protein sorgt einfach nur dafür, dass Fettsäuren in die Zellen aufgenommen werden können. Daher kommt das Protein auch und gerade im Muskel vor, denn der oxidiert (hoffentlich) viele Fettsäuren.

Die Wissenschaftler fütterten ihren Nagetieren dann anstatt der normalen Ernährung eine fettreiche Kost. Wohlgemerkt: Keine ketogene Kost. Statt 30 % der Mäuse bekamen nun 80 % der Mäuse Metastasen. Behandelten die Wissenschaftler den Tumor vorher mit Palmitinsäure (eine Fettsäure), stieg die Metastasenhäufigkeit von 50 % auf 100 %.

Gilt das für alle Fettsäuren? Nein, meint eine Wissenschaftlerin. Es gebe Fettsäuren, die sogar vor Metastasierung schützen. Das stehe in der nächsten Publikation. Außerdem zeigten die Wissenschaftler, dass ein Ausschalten von CD36 die Metastasenbildung hemmt.

OK. Also. Was haben wir von der leidigen Diskussion um die Dinge, die man bei Krebs in den Mund schiebt oder besser nicht? Genau. Bisher nichts. Denn einem normalen Krebskranken hilft es nicht, pauschal zu sagen, er möge bitte auf den Zucker oder das Fett verzichten. Denn es gilt, dass es sowohl Tumore gibt, die Zucker gerne haben, als auch Tumore, die gerne im fettreichen Milieu gedeihen. Was ist mit Protein? Genau. Keine Ahnung. Zu komplex.

So kommt es, dass wir zunächst akzeptieren sollten, dass es nicht die Anti-Krebs-Diät gibt. Ich bin mir aber sicher, dass die Zukunft viel bessere Diagnostik-Möglichkeiten bringen wird und mit diesen Möglichkeiten wird es entsprechend leichter werden, den jeweiligen Tumorstoffwechsel besser einschätzen zu können.

Ich allerdings muss mir in aller Regelmäßigkeit die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wenn sich irgendein Mütterchen, z. B. an Brustkrebs erkrankt, jetzt statt dem Marmelade-Brot die Butter via Butter-Kaffee einverleibt. Das wiederum beruht meistens auf einem „educated guess“ — in diesem Zusammenhang vielleicht tödlich falsch.

PS: Für mich ist es einfach enorm banal „Krebs“ oder „kein Krebs“ auf einen Makronährstoff zu reduzieren. Pflanzen enthalten zig Tausende Phytochemikalien, die alle irgendwelche Pathways an- und abschalten könnten. Vitamin A und Co. sorgt für eine ordentliche Differenzierung von Zellen und hemmt so in vielen Fällen die Tumorentstehung. Sport kann via IL6 das Immunsystem anfeuern und Tumore killen … Und so weiter. Heißt: Wenn berichtet wird, dass Naturvölker keinen Krebs kennen (ob das so stimmt …), dann liegt das sicher nicht am Fett oder am Kohlenhydrat, sondern an ganz anderen Dingen. Das hatte ein Herr Weston Price mal erforscht. Zwar nicht mit Blick auf den Krebs … aber der hat verstanden, dass es im Leben dieser Menschen Faktoren gibt, die bei uns nicht mehr so präsent sind.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

9 comments On Wenn Krebszellen nicht nur Zucker lieben

  • Jaja…was wohl Herr Dr. Strunz dazu sagt …

  • aber der hat verstanden, dass es im Leben dieser Menschen Faktoren gibt, die bei uns mehr so präsent sind.??
    NICHT mehr so präsent sind – oder?

  • Krebs… Ich habe mir vor einiger Zeit Vorsorge-Gedanken gemacht.
    Es gibt so viele Studien auf pubmed und im Internet.

    Wichtig ist: nicht auf Zusammenfassungen gucken, keinem Bild/Spigel/usw. glauben, sondern selbst nachforschen, eigene Schlüsse ziehen.

    Vitamin D, richtiger Zimt, Brokkoletti – wäre ein Anfang.

    Warum werden die Menschen in Japan ein Drittel seltener krank als die Deutschen? (http://globocan.iarc.fr/Pages/fact_sheets_population.aspx)-> Möglicherweise wegen Jod?

    Der einzige sichere Marker, der schon 6 bis 7 Jahren auf kommende Krebserkrankung schließen lässt ist der (Lyso-)Phosphatidylcholin Konzentration im Blut. (http://www.deutschlandfunk.de/dkfz-studie-blutfette-sagen-krebs-voraus.676.de.html?dram:article_id=350959)-> Ist Lecithin Einnahme die beste Vorsorge?

    Was ist z.B. dran an der Geschichte, dass Krebs nur bei einem Sauerstoffmangel in der Zelle entsteht und kein Sauerstoff mag? Und nicht nur das. Das falsche Atmen, ist für einige, z. B. mich, DER Hauptgrund für Infarkte. -> Wenn nur der durchschnittliche Deutsche verstehen würde, was Bohr-Effekt besagt.

    Es gibt sehr viele interessante Infos, sucht einfach!

  • Wäre ja wirklich zu schön um wahr zu sein, einfach durch hinzufügen/entfernen eines Nahrungsmittels/-gruppe Krebs und alle sonstigen Krankheiten zu heilen. Sicher können wir durch intelligente Kombination vorbeugen, (machmal) heilen oder zumindest Symptome abschwächen. Aber leider greift auch hier die Regel: Alles soll so einfach sein wie möglich – aber nicht einfacher

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