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Eis im Kontext – Von Übergewicht und Diät

Heute möchte ich gar nicht lange erzählen, sondern kurz und einleuchtend erklären, warum „Eis“ den einen krank und den anderen gesund macht – etwas überspitzt formuliert.

Denn heute wird (Sahne-)Eis in manchen „Gesundheitskreisen“ immer wieder als health food präsentiert. Dürfte die eine oder andere Petra wundern, die mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat.

Also los.

Leptin hemmt weitere Zunahme

Grundsätzlich muss wissen, dass der Körper eigentlich nur ungerne zu schwer ist und zu viel Fettgewebe mit sich rumschleppt. Scheint für viele Menschen in diesem Land nicht wirklich nachvollziehbar zu sein, da der Mensch typischerweise relativ schnell und einfach zulegt.

Allerdings sorgt der Körper bei immer stärker Zunahme dafür, dass auch das Loswerden der Energie zunimmt. Das erkennt man beispielsweise daran, dass Leptin („Satthormon“) ansteigt, aber auch die Schilddrüsenhormone. Das funktioniert jedoch nur bis zu einem gewissen Grat.

Leptinwirkung
Leptin, das vorwiegend im Fettgewebe produziert wird, ist ein mächtiges Hormon. Erhöhte Leptin-Spiegel bei Körpergewichtszunahme sollen eigentlich vor weiterer Zunahme schützen, indem es u. a. das Aktivitätslevel, die Körpertemperatur, den Kalorienumsatz erhöht und Hunger hemmt. 

Darüber hinaus kommt der Körper in eine zunehmend unbekannte Situation. Denn obwohl er sich – aus seiner Sicht! – gegen eine Gewichtszunahme wehrt, hakt es irgendwo und der Körper nimmt weiter zu. Gründe dafür sind erst mal egal. Folge: Resistenzen.

Phase 1

Wissen wir. Insulin wirkt nicht mehr richtig, heißt dann Insulinresistenz. Auch Leptin, was eigentlich satt machen und relativ schlank halten soll, wirkt nicht mehr ordentlich. Nennt sich dann Leptinresistenz. Ein Phänomen, was man bei Übergewicht häufig beobachtet. Alles Merkmale eines entgleisten Stoffwechsels.

Wir haben übrigens sehr viel Literatur zu diesem Thema. Mehr zu Leptin beispielsweise hier.

Die Natur hätte hier längst die Notbremse gezogen und den Menschen in eine Hungersnot oder in eine Nahrungsmittelknappheit geschickt. Wir allerdings leben in einer Welt, wo es Chips, Hamburger und Sahnetorte mit Kaffee gibt. Die Handbremse von Außen kommt da eher nicht.

Und genau in diesem Kontext ist der Gang zur Eisdiele fatal. Nicht, dass das Eis daran schuld wäre. Aber die Stoffwechsellage des Körpers ist hier so angespannt, dass jeder weitere Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen könnte. Fachbegriff hierfür wäre dann Dekompensieren. 

Klassische Anzeichen hierfür können dann totale Dysregulationen des Blutzuckerspiegels, Entgleisen des Blutdrucks, Schlafapnoe, „Druck auf dem Brustkorb“ und vieles mehr sein. Wenn es dumm läuft, haut direkt der Diabetes oder der Herzinfarkt rein.

Der Mensch wacht auf und denkt sich: Okay, jetzt muss was passieren. Er streicht Zucker und hört auf, Pommes und Hörnchen zu essen.

Der Kaloriengehalt der Nahrung sinkt … und damit auch die Fettmasse.

Eis im Kontext
Eis im Kontext: Je nach Stoffwechsellage, kann Eis völlig andere Wirkungen im Körper haben. (1) Der Mensch ist übergewichtig und „Stoffwechselhormone“ wie Leptin laufen am Anschlag, um weiteres Zunehmen zu verhindern. Resistenzen stellen sich ein und die Wirkung dieser Hormone geht zunehmend verloren, was eine noch höhere Ausschüttung als Folge hat. (2) Verliert der Mensch Gewicht, sinken auch die Stoffwechselhormone, u. a. Leptin wieder auf ein Normalniveau. Diese Phase ist durch leichten Gewichtsverlust gekennzeichnet. (3) Im Kontext eines normalen oder niedrigen Körpergewichts, dies ist abhängig von der Genetik, wird das Abnehmen langsamer und die Gefahr steigt, dass man überzieht – mit der Folge, dass Leptin und Co. unter einen kritischen Wert fallen. Folge oft: Heißhunger. Eis in diesem Kontext wirkt sogar förderlich! („Boost“)

Phase 2

Der Körper wird jetzt sehr schnell den „Überhang“ los, heißt in erster Linie: Fettgewebe, das sich sehr schnell los werden lässt. Dieses Fett lässt sich normalerweise sehr schnell mobilisieren, drum verliert jemand innerhalb weniger Wochen oft mehr Gewicht als in den folgenden Monaten.

Nun fallen auch die Spiegel von „Stoffwechselhormonen“ wie Leptin. Das ist gut. Zum einen, weil Leptin nun wieder richtig wirkt, wir sind wieder Leptin-sensitiv. Zum anderen, weil es zeigt, dass Hormone wieder auf ein basales Level fallen können. Die Stoffwechsel-Dysbalance hebt sich weitestgehend auf.

Zwischen dem hohen und dem niedrigen Körpergewicht bzw. zwischen hohen und normalen Leptin-Spiegeln gibt es eine „Gold-Phase“, in der das Abnehmen besonders leichtfällt. Hier können Menschen quasi ohne Probleme fasten oder kommen auch mit relativ großen Kaloriendefiziten klar. Meistens ist man hier super agil in der Diät.

Das liegt daran, dass die hohen Werte der „Stoffwechselhormone“ (Leptin und Co.) etwas verzögert fallen. Wir profitieren auch hier vom Überhang unserer „fetten Tage“. Das heißt, für ein paar Tage oder Wochen können wir ein sehr großes Kaloriendefizit fahren, ohne dass wir uns dabei schlecht fühlen.

Phase 3

Danach gehen wir aber in eine völlig andere Stoffwechselsituation über. Denn wer jetzt weiter abnimmt oder abnehmen möchte, muss ein bisschen aufpassen. Ab diesem Punkt nämlich, und das ist der völlig normale Stoffwechselzustand, wird man ein kleineres Fenster an Möglichkeiten haben – heißt, wir können das Kaloriendefizit nicht mehr so groß halten. Bei den meisten Menschen ist das bei vielleicht 500 bis 1000 Kcal pro Tag.

Hier kommt der größte Impact der Genetik bzw. der eigenen Setpoints ins Spiel. Leute, die „genetisch“ schlanker sind, haben zwar häufig stärkere Probleme, wenn sie starkes Übergewicht haben. Denn um dort hinzukommen, müssen sie sich schon sehr, sehr viel „Mühe“ geben und viel kaputt machen. Aber sie haben meistens auch mehr Spielraum um schneller, sprich mit einem größeren Defizit in niedrigere Körperfettbereiche zu kommen.

Menschen, die eher zu Übergewicht neigen, tolerieren normalerweise auch mehr Körpergewicht. Bei diesen Menschen dauert es aber nicht selten auch länger, bis sie wirklich schlank sind. Und sie sind auch sehr viel anfälliger für Stoffwechselprobleme in der Diät, sprich für ein zu starkes Abfallen der Leptin-Werte bei niedrigem Körpergewicht.

Denn: Grundsätzlich gilt für jeden, dass Abnehmen irgendwann einfach langsamer voran geht und die Gefahr steigt, dass man überzieht und die „Stoffwechselhormone“, also z. B. Leptin, unter einen kritischen Wert sinken. Das ist oft scheiße, weil man dann leider oft nur noch an Essen denkt und sich der Körper aktiv gegen eine weitere (zu schnelle) Körpergewichtsabnahme wehrt.

Eis im Kontext

Wer aber im Kontext einer gesunden Stoffwechsellage oder gar im Kontext einer „Diät-Stoffwechsellage“, ein großes Eis isst, wird in der Regel davon profitieren, weil es einen kleinen „Stoffwechselboost“ gibt, zu dem man bei Google unter dem Suchbegriff Leptin-Boost reichlich Literatur findet.

Das ist eigentlich ein geniales Beispiel für Kontextabhängigkeit. Interventionen können je nach Kontext einfach völlig anders wirken. Und niemand kann wirklich sagen, wo genau du dich entlang des Spektrums befindest. Genau aus diesem Grund sind Körpergefühl und persönliche Erfahrungen so wichtig. Weil am Ende des Tages nur du selbst wissen kannst, wo ungefähr du stehst.

Heißt: Leider, leider bist auch doch ein „Tier“, wie ein Löwe in der Savanne, das selbst leben muss. Das nimmt dir niemand ab. Weder die Biochemie-Studie, noch der Therapeut oder dein Arzt. Jeder muss ein gewisses Maß an Körperintelligenz kultivieren. Und das geht vielen, vielen Menschen heutzutage erschreckenderweise völlig ab.

An dieser Stelle könnte man wieder lästern, zum Beispiel über Veganer. Aber das lassen wir heute :-)

 

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

3 comments On Eis im Kontext – Von Übergewicht und Diät

  • Wenn ich es richtig verstanden habe, sollten wir übergewichtigen Stoffwechselkranken also unsere 16:8, 18:6, etc. Diät eben nicht 24/7 betreiben, sondern regelmäßig Cheat Days einlegen ( bzw. bei 20:4 nach Hofmekler an das OVEReating denken). So erklärt sich auch das rätselhafte Plateau, ab dem die Diät keine sichtbaren Erfolge mehr bringt und man (also ich) verzweifelt über Low carb in der keto Ecke landet ;)

  • Und wieder muss Petra Weinen…

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