Hört, hört! Stress macht dein Fett braun!

Komischerweise wird mein Artikel „Der kaputte Stoffwechsel“ jetzt populär – als ich ihn gepostet hatte, war er euch zu theoretisch – oder so.

Wer ihn nicht gelesen hat, der sollte das jetzt tun, sonst versteht er womöglich nichts von dem, was ich jetzt poste!


Braunes Fett ist metabolisch aktiv – ähnlich einer Typ1-Muskelfaser, sieht dieses Gewebe unterm Mikroskop rot-braun, „rost“-ähnlich aus. Das ist die Farbe der Cytochrome, eisenhaltige Enzyme, die auf der mitochondrialen Membran lagern.

Also: Sie haben – im Vergleich zu dem „normalen“ Schwabbel – viele Mitochondrien.

Und diese Mitochondrien sind besonders, denn sie haben eine hohe uncoupling-Rate. Uncoupling = Energieverschwendung.

Jetzt habe ich ja behauptet, dass dies das neue Flaggschiff der Wissenschaftler ist.

Manchmal sind Behauptungen tatsächlich korrekt:

In the experiments, GADD45γ acted synergistically with PGC-1α to activate brown fat cell activity.You have to add them together to get the full effect,“ said Kralli, suggesting that ideally, one would stimulate both pathways to boost brown fat thermogenesis.

(Quelle: ScienceDaily)

Ein langer Artikel mit einer wesentlichen message: Forscher finden heraus, dass PGC1-alpha nur teilsweise verantwortlich dafür ist, dass braunes Fettgewebe entsteht. PGC1-alpha „liefert“ quasi nur die Mitochondrien, aber was triggert den Befehl?

Die Antwort ist: Stress.

GADD45y ist ein sehr unbekanntes Gen. Was man aber weiß ist, dass es eine stress response induziert oder zumindest Teil davon ist. Deshalb heißt es auch „growth arrest and DNA damage inducible y“.

Denn eines seiner downstream targets ist p38. Was p38 macht, kann sogar ein Laie anhand eines Wikipedia-Eintrages verstehen:

Sie sind in Signalkaskaden (siehe eingehend unter MAP-Kinase-Weg) eingebunden, deren Auslöser externe Stimuli wie Cytokine, Hitzeschock, Strahlung und osmotischen Schock sind. Sie haben darüber Bedeutung für Zelldifferenzierung, Zellwachstum und Apoptose.[1]

(Auszug Wikipedia: p38)

Was ich persönlich weiß ist, dass Stickstoffmonoxid ein sehr wichtiger Bestandteil ist, wenn es um die zelluläre Vermittlung von Stress geht.

Gadd45γ is a member of the family of stressor sensors (17) that also have been described as tumor suppressors (20, 54). Interestingly, AP-1 and Gadd45γ have been described as nitric oxide-induced genes (19, 45).

(Zhao et al., 2011)

Biologie bzw. Biochemie, macht immer Sinn: NO induziert tatsächlich die Expression von GADD45y.

Das macht auch deshalb Sinn, weil NO eine Rolle bei der Generation von ROS spielt. NO kann nämlich sehr schnell selbst zum freien Radikal werden. Aber wir wissen jetzt mittlerweile, dass ROS sehr, sehr wichtige Signalmoleküle sind und nicht nur todbringende Substanzen.

Ich erinnere dabei an das Konzept „hormesis„.

Jetzt schlagen wir mal einen großen Bogen:

Könnte es sein, dass der kurzfristige Anstieg freier Radikale nach dem Sport, nicht nur dafür sorgt, dass wir überhaupt eine zelluläre Anpassung im Muskel haben (Ristow et al., 2009: „Antioxidants prevent health-promoting effects of physical exercise in humans“), sondern auch dafür, dass wir überhaupt eine zelluläre Anpassung im Fettgewebe haben?

Und weiter: Könnte dieser kurzfristige, aber starke Anstieg von ROS, zusammen mit NO, zu einer erhöhten Expression der GADD-Familie führen?

Womöglich.

Die Idee ist deshalb nicht so „doof“, weil wir (die Leser hier) mittlerweile alle wissen, dass man weißes Fett „brownen“ kann, in dem man Sport macht.

Nur bisher dachte man: Es liegt nur an Irisin oder PGC1-alpha oder an FGF21 oder sonst was.

Jetzt zeigt mein Gedanke: Es könnte der „Impf-Effekt“ der ROS sein, den man braucht, damit das entsteht.

Ich stelle mir auch die Frage: Warum haben adipöse Menschen kein oder wenig braunes Fettgewebe?

Diese Frage bringt mich wieder zum Ursprung aller mitochondrialer Prozesse: Ohne PGC1-alpha, werden sowieso nicht genug Mitochondrien da sein, um alle die genannten Effekte zu induzieren.

Vielmehr haben wir konstant „Stress“ in den Arterien, weil wir den Bogen lange viel zu stark überspannt haben – nach dem Konzept der „hormesis“, dürfte auch klar sein warum: Akut vs. chronisch.


Wem das jetzt alles zu viel war:

  • Du brauchst PGC1-alpha (Schilddrüsenhormone)
  • Du brauchst NO
  • Du brauchst Sport

… damit braunes Fett in deinem Nacken sitzt.

Und zum Schluss noch eine Überschrift, die alles verrät: „GADD45γ: a New Vitamin D-Regulated Gene that Is Antiproliferative in Prostate Cancer Cells“ (Flores et al., 2010)

  • Du brauchst Vitamin D.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

2 comments On Hört, hört! Stress macht dein Fett braun!

  • Hey Chris erstmal vielen dank für deine wirklich tolle Arbeit. Habe mir vor drei Tagen dein Buch bestellt, und seit dem bin ich nahezu nur noch am lesen, lernen und vergleichen. Also ich muss dazu sagen ich überfliege es nicht sondern lese aufmerksam, mache mir Notizen und versuche soweit möglich umzusetzen was geht.

    Jetzt bin ich beim Thema Irisin angelangt und wollte dazu mal nebenbei etwas forschen. Dabei bin ich hier rüber gestolpert: https://www.n-tv.de/wissen/Fitnesshormon-Irisin-ist-ein-Mythos-article14736706.html laut diesem Artikel gibt es Irisin nicht „wirklich“. Ist das jetzt Konform mit diesem Artikel?

    Mach weiter so und hab ein großartiges Wochenende.

    Liebe Grüße Kevin

    • Hey, danke für deine Worte. An der Existenz von Irisin gibt es keine Zweifel, spätestens seit 2015: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26278051

      „This precise state-of-the-art method shows that human irisin is mainly translated from its non-canonical start codon and circulates at ∼ 3.6 ng/ml in sedentary individuals; this level is increased to ∼ 4.3 ng/ml in individuals undergoing aerobic interval training. These data unequivocally demonstrate that human irisin exists, circulates, and is regulated by exercise.“

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