paul saladino

Nur die halbe Wahrheit erzählt

Dass man sich oft nur die halbe Wahrheit erzählt, kennen wir. Eines der aktuell besten Beispiele, hatten wir ja hier zerpflückt.

Oft passiert es aus Unwissenheit. Geschenkt. Nicht selten passiert es aber aus Absicht. Das wiederum stößt ziemlich oft ziemlich bitter auf.

Besonders problematisch sind Halbwahrheiten im Gesundheitsbereich. Auch darüber habe ich mich erst kürzlich echauffiert.

Denn es gibt heutzutage unglaublich viele Gesundheitsexperten und solche, die es gerne wären. Gut, die gab es schon immer. Nur ihre potenzielle Reichweite hat über soziale Medien drastisch zugenommen.

Entsprechend viral – also wie ein Virus – verbreiten sich als Folge ihre halbgaren Informationen.

Besonders amüsant war in dem Zusammenhang beispielsweise, wie Arnold S. in seiner Doku (Netflix) stolz berichtet, dass die besten Bodybuilder der Welt damals das Brot weggeschmissen hätten, um nur das Rindpatty zu essen.

Heute stellt er sich hin und behauptet, das sei alles nicht nötig, man solle viel weniger Fleisch essen. Ach ja… Unwissenheit oder Absicht?

Paul Saladino plötzlich kleinlaut

Auch so einer ist Paul Saladino, bekannt auch als Carnivore MD. Der Name ist hier Programm: Eine tierbasierte, also „karnivore“ Ernährung, ist das, was er empfiehlt. 

Doch Vorsicht, Saladino ist mit seinen Warnungen auf dem Level unseres Gesundheitsministers ;-) Er warnte vor…

  • Kohlenhydraten
  • Gemüse/Salaten
  • Bohnen und Hülsenfrüchten
  • Pflanzenölen und „PUFAs“ (mehrfach ungesättigte Fettsäuren)
  • Nüssen und Samen (aus dem gleichen Grund)
  • Zucker
  • Industriefutter sowieso

Deshalb hieß es bei ihm ursprünglich: „Rindfleisch, Kollagen (Knochensuppe), Organe, Fett und Salz.“ Darüber hat er erst 2019(!) ein Buch geschrieben. In der Zwischenzeit hatte er das dann ergänzt mit ein paar Früchten, etwas Honig und Kefir.

Dass wir uns richtig verstehen: Das ist mit Sicherheit etwas besser als das, was Menschen, vor allem in Amerika, sonst so essen. Aber es war ja wieder nur die halbe Wahrheit.

Wie ihm jetzt offenbar auffällt:

Saladino

Die 180°-Wende

Also… karnivore Ernährung doch nicht mehr so geil, obwohl er erst 2019 voller Inbrunst genau darüber ein Buch geschrieben hat? Was kommt 2025? Dass Brokkoli jetzt doch nicht giftig ist? Dass Rindfleisch en masse vielleicht doch nicht das Wahre ist? Mark my words ;-)

Im Video spricht er über seinen Sinneswandel, die Kohlenhydrate betreffend:

  • „Ich war der Meinung, Kohlenhydrate seien nicht gut… das Wiedereinführen von Kohlenhydraten hat meine Gesundheit verbessert“
  • Bei seiner ketogenen Ernährung habe er Krämpfe, Herzrasen, Schlafstörungen bekommen und sein Testosteron sei drastisch abgefallen, er habe Probleme mit dem Elektrolythaushalt gehabt
  • „Ich habe falsch über Insulin gedacht. Ich dachte, ich müsste Insulin immer flach halten“
  • „Ich dachte, der Insulin-Spike nach Kohlenhydratkonsum sei etwas Schlechtes“
  • Dabei sei der temporär erhöhte Insulinspiegel etwas Gutes
  • „Was ich jetzt verstehe: Dein Körper braucht Insulin nach einer Mahlzeit, um den Nieren zu sagen, dass sie Mineralien im Körper behalten sollen“
  • Folglich seien die Elektroylt-Ungleichgewichte unter einer ketogenen Ernährung möglicherweise Resultat einer schlechten Insulinwirkung
  • Der zyklische Anstieg des Insulins sei gesund: für unsere Hormone, für unser Gehirn, für die Glutathion-Bildung und die Aufnahme von Mineralien

Dann kommen drei entscheidende Aussagen:

Dazu gab es eine riesige Datenlage, die ich einfach nicht gesichtet habe.

Ach so, nein? Paul Saladino war ein Cherry Picker, um seine extremen Ansichten zu untermauern?

Und:

Wer keine Kohlenhydrate isst, wird physiologisch insulinresistent.

Damit werde man zwar nicht zum Diabetiker, aber besonders gesund sei das nicht. Schließlich wäre das das Signal des Körpers, Kohlenhydrate zu sparen und uns auf eine Hungersnot vorzubereiten. Kohlenhydrate wiederum würden dem Körper „Überfluss“ signalisieren.

Zum Abschluss gibt’s nochmal den klassischen Schwenk in die Anthropologie:

Jäger und Sammler suchen aktiv nach Kohlenhydraten. Der Mensch hatte im Laufe der Evolution wohl massiven Zugang zu Kohlenhydraten.

edubily 2014

Langjährige Leser werden wissen, dass man nahezu jede einzelne Aussage so bei uns im Blog findet. Aber nicht erst seit 2022 oder gar 2019, sondern schon seit es diesen Blog überhaupt gibt (2014).

Schlicht und ergreifend, weil hier jemand Studien lesen kann und viel Praxiserfahrung hat (schon damals hatte).

Das ist halt auch einfach der Unterschied, glaube ich. Ich persönlich würde überhaupt nur Beiträge über Themen schreiben, die ich persönlich erlebt habe und für die es eine hinreichende Datenlage gibt. 

Andere behaupten halt irgendwas… Machen daraus ein revolutionäres Ernährungskonzept, zur „Entschlüsselung der Geheimnisse für optimale Gesundheit“.

Und ja, sowas ärgert mich ein bisschen. Weil sich diese (falschen) Informationen in der Zwischenzeit gestreut haben und bei Menschen hängen bleiben. Jahre später kommen diese Fähnchen im Winde dann auf die Idee, ihre Ansichten drastisch zu revidieren. Ob diese ganze Wahrheit dann aber auch bei den Menschen ankommt, darf bezweifelt werden.

Und weil wir schon dabei sind: Diesen beiden Leuten da im Video würde ich beim Thema Fettverlust sowieso niemals zuhören. Beide könnten essen, was sie wollen und würden vermutlich nur mit viel Mühe zunehmen und eher nie ein klassischer Stoffwechselkranker werden.

skinny thomas delauer

Und solche Leute erklären der stoffwechselkranken Petra, dass sie jedes Gramm Kohlenhydrate meiden sollte, um schlank und fit zu sein. Oh man, wenn es nicht so weh tun würde…

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

13 comments On Nur die halbe Wahrheit erzählt

  • Was essen bei Chronic Fatigue Syndroms?

  • Leider ist dieses Scheuklappendenken gegenüber Carbs und Insulin bei einigen Zeitgenossen weit verbreitet. Da werden aus bloßem, selektivem Anlesen und Bolg Schauen sogar von völlig Fachfremden Bücher und Ratgeber geschrieben und veröffentlicht. Und die Groupies jubeln, sehen sie sich doch in ihrer Blase bestätigt. Und wer mit Dauer-Low-Carb oder Keto nicht die gewünschten Erfolge erzielt, der macht halt noch was falsch, oder nicht intensiv genug. Diese Denke gab (gibt?) es auch in der Kirche; besonders der katholischen. „Sei schön fromm und gottesfürchtig, gehe regelmäßig zur Beichte und bereue, dann wird dir der Herr gnädig sein und es wird dir gut gehen“. Und wenn nicht? Na, dann war man eben nicht fromm genug, nicht gottesfürchtig genug oder hat nicht genug bereut. Das proklamierte Prinzip infrage zu stellen war dagegen ein No-Go, Ketzerei ..

  • Hallo Chris, eine Carnivore Diät schreibt vor, sich hauptsächlich von tiersichen Lebensmitteln zu ernähren, allerdings ist jedem selbst überlassen, ob und wieviele pflanzliche Lebensmittel man in seinem Speiseplan einbaut. Pflanzliche Lebensmittel in seinem Speiseplan zu verteufeln in einer Carnivoren Diät ist absoluter Quatsch und auch wichtig für die Carnivore Diät. Desweiteren ist es wichtig, tierische Lebensmittel von der Weide zu verwenden, da es einen großen Unterschied in der Qualität des Produktes macht, gerade was das Verhältnis zwischen Omega6 und Omega3 angeht. Wie man das allerdings auf Dauer bezahlen soll, ist fraglich. Warum ich hier schreibe ist folgender Grund: Ich leide an Colitis Ulcerosa und habe verzweifelt in meiner Schubphase nach Hilfe im Netz zur Ernährung gesucht und bin dabei auf die Carnivore Ernährung gestoßen, genauer gesagt auf Christoph Lex (https://www.carnitarier.de/2023/08/13/episode-108/), SerienReviewer(https://www.youtube.com/watch?v=S7HkSq_UdOA&t=1575s) und Denny Kircheis(https://www.youtube.com/watch?v=ArNkIn1kQ_M&t=398s). Nach diesen Informationen habe ich den Versuch gestartet, Fleisch zu essen, angefangen mit einer Hühnersuppe. Und tatsächlich wurden meine Schubsymptome nach ein paar Tagen deutlich besser und sind mittlerweile sogar weg. Zurvor hatte ich mich nur von Haferbrei und Möhrensuppe ernährt, was mir sogar empfohlen wurde, aber mir nicht geholfen hat. Nun stehe ich etwas verdutzt da und weiß nicht so richtig, was ich davon halten soll. Ich habe kein Problem mit Fleisch, solange es von der Weide kommt und nicht aus der Massentierhaltung. Die fraglichen aber auch anscheinend bestätigten Erfolge der genannten Personen bei Krankheiten wie z.B. Colitis Ulcerosa stellen mich nun vor der Frage, wie das sein kann, wenn doch Rotes Fleisch als entzündungs- und krankheitsfördernd gilt? Ich möchte keineswegs diese Ernährungsweise als gutheißen, ich bin eher auf der Suche nach Klarheit, wie ich nun damit umgehen soll und freue mich über jeden Rat.

  • derdieHändeüberdemKopfzusammenschlug

    Das wichtigste, vielleicht einzige Mittel scheint mir, in der Praxis, das Denken in Bewegung zu bringen, in Bewegung zu halten, zur Not mit Provokationen. Theorie alleine erreicht meist nicht, bei einer emotionalen Verirrung, die Theorie ist ja schließlich den meisten auch bekannt, wird nur aus emotionalen Gründen abgelehnt.. Manche Zeitgenossen muss man aus der falschen Ruhe eines oft auch für die Betreffenden ungesunden Weltbildes bringen.
    Tut mir leid, wenn ich mit meinem Beitrag vorhin Ihren Artikel gesprengt haben sollte.

  • derdieHändeüberdemKopfzusammenschlug

    was ist mit dem Nachfolgeartikel passiert?

    • derdieHändeüberdemKopfzusammenschlug

      in aller Kürze: es ging um Rassismus bzw. dass es keine Rassen unter den Menschen gibt und warum. ich habe beruflich mit straffälligen Drogenabhängigen zu tun, dabei immer wieder welche vom rechten Rand, wodurch ich mich immer wieder mit dem Thema konfrontiert sehe.
      befürchte die „Theorie“ ist nur „Überbaue“, das Weltbild „gefühlt“ und gerade nicht rationell, sonst würde man es auch kaum zum Rassisten „schaffen“ , der „Überbau“ eher beliebig (!) – und wird nach Belieben durchgetauscht. Man kann – und muss – Rassismus als Haltung – und mit Haltung – beim Einzelnen begegnen.
      Ihre Arbeit ist dennoch unverzichtbar, da der Rassenblödsinn natürlich bei – den Richtigen – als konsensfähig gilt und so eine menschenfeindliche Eigendynamik bekommt.
      Daher vielen Dank für Ihr – leider – notwendiges Engagement.

    • Ich wollte den Artikel noch gar nicht veröffentlichen. Muss aus Versehen passiert sein. :-)

    • Hi Steven, Autoimmunkrankheiten reagieren teilweise sehr stark auf die Ernährung. Bei mir (Hashimoto und Rheuma) sind alle Symptome weg solange ich mich von Fleisch und einigen ausgewählten Pflanzen ernähre. Pflanzen haben in Tat Toxine, und Gluten, Lektine und Oxalsäure verträgt nicht jeder. Als Quelle kann ich neben Saladino auch Terry Wahls empfehlen für Autoimmunspezifische Ernährungsempfehlungen, zum Thema Oxalsäure hat Sally Norton ein sehr gutes Buch geschrieben. Das Wichtigste ist das du auf deinen Körper hörst, und wenn das heisst, dass du erst mal nur Fleisch ist, dann ist das so. Bei eingeschränkten Ernährungsprotokollen ist es wichtig auf die Nährstoffversorgung zu achten, insbesondere Calcium, Magnesium und Mangan muss ich supplementieren. Hühnchen hat sehr wenig B1 (zur Energieproduktion) und Carnitin (brauchst du für die Fettverbrennung), d.h. Vitamin-B-Komplex wenn du zu müde wirst und Carnitin wenn du unterzuckerst oder Muskelschmerzen bekommst helfen auch. Spass macht das ganze nicht, aber das muss es auch nicht.

  • Hi Chris, besten Dank erstmal für deinen tollen und super informativen Blog hier. Lese hier schon lange mit. mal eine Frage die Thematik mit Insulin, der Niere und Mineralienverlust. Kannst Du da nochmal einen Artikel nennen? Als ich eine etwas längere Ketophase gemacht hatte bin ich selbst in einen Kaliummangel gerutscht. Im KH hatte man das damals sogar übersehen. Uncool. Dachte eigentlich auch das ich zu wenig in der Zeit aufgenommen habe. Habe mich mit Kalium und den Wirkungen im Körper intensiv danach beschäftigt. Ich weiß das z.B. Aldosteron und noch etwas die Niere diesbezüglich steuert war mir aber nicht bewusst das es dafür Insulinspikes benötigt. Danke und schönes Weihnachtsfest.

  • Mit seinem „Broccoli ist bullshit“ Gelaber, oben ohne im lokalen Supermarkt, erreicht man halt mehr follower resp. Gaffer als mit der Botschaft, dass ein gesunder Mittelweg zielführender wäre. Das ist langweilig, das ist nichts „Besonderes“ da kann man sich als Nachahmer später nicht auf die Schulter klopfen. Immerhin gibts dadurch lustige Parodien…das ist auch was Wert^^
    Man kann inzwischen so unfassbar viel Geld mit scheisse labern verdienen….

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