Von Individualisierung und krankmachendem Zink-Mangel

Worauf ich am meisten stolz bin? Darauf, dass viele edubily-Leser so weit selbstständig sind, dass sie erkennen, dass Ernährung in Zukunft nur noch über Individualisierung gesteuert wird.

Du bist du

Der erste Schritt dahin ist, zu erkennen, dass wir dafür unser klassisches Konzeptdenken über Bord werfen müssen. Zu erkennen, dass jeder Körper (leicht) andere Bedürfnisse hat und es niemals ein one size fits all geben wird. Zu erkennen, dass Individualisierung bedeutet, dass wir gewisse Stoffe ergänzen müssen. Zu erkennen, dass Mäßigung der Schlüssel ist und die eigene Biologie keine chronischen Extreme mag.

Viele von uns experimentieren wild an sich rum. Vielleicht so wie ich: solange, bis man ein Setting gefunden hat, das für einen selbst gut und dauerhaft funktioniert. Viele Neulinge verstehen nicht, dass das Monate, eher noch Jahre dauern kann. Dass anfängliche Erfolge oft gar keine sind und dass wirklicher, nachhaltiger Erfolg, oft viel, viel mehr von uns verlangt als wir zu Beginn überhaupt erahnen können.

Dies könnte in den nächsten Jahren um ein Vielfaches leichter werden. Firmen wie Vimeda (heute: Lykon) und 23andme werden den Markt revolutionieren und uns Möglichkeiten an die Hand geben, unsere eigene Ausstattung genauestens zu analysieren. Wer dank 23andme weiß, dass er ß-Carotin schlecht in Vitamin A umsetzt, der muss in Zukunft nicht mehr raten oder probieren – der weiß ab sofort: entweder ich esse einmal pro Woche Leber. Oder, ich kaufe Retinylpalmitat als Ergänzungsmittel von guten Firmen ;-)

Neulich las ich, dass aufgrund von Blutzucker-Reaktionen herausgefunden werden will oder kann, wie das Individuum auf verschiedene Kohlenhydratquellen reagiert. Dank der Ergebnisse kann man die besseren Entscheidungen treffen. Robb Wolf, ein bekannter Paläo-Autor, soll in seinem neuen Buch sogar zu einer solchen Messung raten und ausführlich darüber erzählen. Ich habe es noch nicht gelesen, vielleicht weiß jemand mehr.

Kleiner Einschub. Solche Messungen könnten auch problematisch sein. Ich denke da an den dicken Günther (nein, nicht persönlich gemeint), der bei fünf Nudeln einen 200er-Blutzuckerwert erntet. An den Spurenelement-verarmten Durchschnittsdeutschen, der keine Scheibe Brot verträgt. Oder an den monatelang high fat lebenden Paläoist, der nicht versteht, wie die Zelle Glukose-Toleranz überhaupt steuert und urplötzlich von seiner mangelnden Insulinsensitivität überrascht wird.

Soll heißen: Insulinsensitivität und Glukosetoleranz sich nichts in Stein gemeißeltes und man muss sich vorher ein bisschen darum gekümmert haben.

Fakt ist: Das ist die Zukunft.

Zink-Mangel macht die Sau krank

In Zukunft werden wir auch keinen Zink-Mangel mehr haben, weil wir den Zink-Status routinemäßig erfassen werden. So titelt die Ärztezeitung gerade: Zinkstatus wichtig für die Herzgesundheit

Selbst dort setzt sich langsam durch, dass Biochemie einfach funktioniert. Fehlt Zink, bricht halt unser Antiox-System zusammen. Das sollte eigentlich jedem klar sein. Da es sich beim Antiox-System aber um ein Netzwerk handelt (wie immer), werden auch andere Teile in Mitleidenschaft gezogen — z. B. Glutathion oder Vitamin E. Deshalb ist es auch so dämlich, Glutathion steigern zu wollen, wenn man vergisst, dass das nur hilft, wenn das ganze Antiox-Netzwerk funktioniert.

Wir erinnern uns: Zink ist Bestandteil unserer Superoxiddismutasen, die Radikale entschärfen.

Doch lesen wir selbst:

MÜNCHEN. Der Zinkstatus im Körper beeinflusst auch das Herz. Tritt oxidativer Stress auf, ist womöglich ein Zinkmangel vorhanden, der sich am Herzmuskel ablesen lässt. Eine Studie der Technischen Universität München (TUM) zeigt den Zusammenhang des Gesamtgehaltes an Zink im Körper und der Herzgesundheit auf (J. Nutr. 2017, online 15. Februar), teilt die TUM mit. Es wurde Ferkeln für wenige Tage das Nahrungszink in unterschiedlichem Ausmaß vorenthalten. Parallel zum Zinkstatus nahm auch der Vorrat an Glutathion und Vitamin E im Herzmuskel ab. Eine Verschlechterung der Zinkversorgung beeinflusst früh die Fähigkeit des Herzens, mit oxidativem Stress umzugehen. Ebenso zeigte sich, dass Gene, die für die Apoptose verantwortlich sind, in dieser Phase des Zellstresses mit schwindendem Zink hochreguliert werden. „Der Organismus kann den entstandenen Zinkmangel nicht mehr ausgleichen, obwohl unsere Tests nur über wenige Tage liefen“, wird Erstautor Daniel Brugger vom Lehrstuhl für Tierernährung der TU München, in der Mitteilung zitiert. Eine Kompensation des Herzens wurde im weiteren Verlauf beobachtet: „Nach der ersten Phase, in der sich eine Reduktion der Herzzinkgehaltes zeigte, steuerte der Herzmuskel gegen und erhöhte den Zinkgehalt wieder auf das Ausgangsniveau. Dies geschieht zulasten der Zinkgehalte in anderen Organen – allen voran der Leber, Niere und des Pankreas.“(eb)

Die Triage-Theorie bleibt aktuell

Den letzten Satz habe ich markiert. Warum? Weil es genau zeigt, warum wir in aller Regelmäßigkeit lesen: „Wenn jeder so einen Mangel hätte, dann müssten die doch alle sterben.“ Eben nicht. Dafür sterben wir aber in 20, 30 Jahren an Herzinfarkt oder leben in der Zwischenzeit mit einem Körper, der eben keine Leistung bringt.

Bruce Ames nannte das „Triage-Theorie“, publiziert seitdem genau dazu. Der Körper versorgt die wichtigsten Organe (Gehirn, Herz, Hoden, Drüsen) bis zum Schluss, während alle anderen Gewebe längst verarmt sind. Im obigen Beispiel sind das „allen voran Leber, Niere und Pankreas“. Das bedeutet gleichzeitig, dass es eine große Spanne zwischen „Mangel“ und „Optimal“ gibt. Gut zu studieren anhand von Selen und Vitamin K.

Pankreas. Zink-Mangel in der Bauchspeicheldrüse. Ich wette, dass eine Pubmed-Suche ergeben würde, dass das langfristig Diabetes oder Insulinresistenz macht. Aber die Zusammenhänge sind zu einfach und zu logisch, als dass sich jemand dafür interessieren würde. Am wenigsten kommt es bei den Menschen an, die am ehesten davon profitieren würden. Die meckern lieber und wollen einfach nicht verstehen, dass das nichts mit „ist doch alles in der Nahrung drin“ zu tun hat.

Wer heute nicht wenigstens ein niedrig dosiertes Multivitamin nimmt, der handelt fahrlässig. Denn das Ganze potenziert sich ja. Mal suboptimale Zink-Werte … Wenn der Rest stimmt, kann der Körper das sicher eine Zeit lang kompensieren. Leider ist ein Zink-Mangel häufig nur ein Marker dafür, dass wir sowieso Spurenelement-arm sind. Blöd nur, dass Kupfer, Selen, Mangan und Eisen selbst alle Bestandteile von wichtigen Antiox-Enzymen sind. Würde man das, wie oben, an Schweinchen testen, gäbe das ganz andere, viel gravierendere Resultate. Das sind dann wir. Die Menschen, die sich durchs Leben quälen und mit 50 an vollverkalkten Herzgefäßen sterben.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

5 comments On Von Individualisierung und krankmachendem Zink-Mangel

  • Two per Day ist sicherlich gut – allerdings bevorzuge ich die vorherige Messung im Blut.

  • Ich schätze, dass je nach Bevölkerungsgruppe auch der Zinkstatus erheblich schwankt.
    Bei der jüngeren bis mittleren arbeitenden, sportlichen und sich normal bis gesund plus Drogeriermarkt ernähren, wird der Zinkstatus vollkommen in Ordnun sein. Abgesehen von in dieser Gruppe eher weniger vertretenen chronisch Kranken oder Ernährungsideologen (Veganer, Frutarier usw.).
    Kinder und Jugendlich sind ohnehin randvoll mit angereicherten Lebensmitteln. Bei älteren und kränkeren Menschen wird dagegen auch der Zinkstatus möglicherweise abnehmen.

    Grade neulich habe ich bei einem sportlichen Bekannten u.a. die Minerale im Vollblut gemessen und siehe da: Zink lag weit! über dem oberen Referenzwert. Andersherum habe ich aber auch Gegenteiliges gesehen, wo dann eine geziele Substitution unter Kontrolle durchgeführt wird.

    Letztlich sollte ein jeder einfach 2x im Jahr den Wert messe: Vollblut-Zink kostet als Selbstzahler-Leistung grade mal 5-6€. Dann macht man noch Kalium Magnesium und Kupfer mit und liegt bei 20€ und gönnt sich ggf. Selen das bei 25€ liegt.
    Wer mehr Budget hat, packt noch Glutathion und G-Peroxidase sowie SOD und AntOX sowie Ox-Status onTop und weiss, was los ist betreffs der Oxidativen und Redox-Systems. Zumindest grob.

    Darauf aufbauend kann man dann ggf. Substituieren oder nicht.

    Grüsse!

  • Welches Multivitamin empfiehlst du?

    • Hi John,

      ich bin zwar nicht Chris, aber als gutes Multi in Sachen P/L hat sich „Life Extension Two Per Day“ bewährt.

      Beste Grüße

  • Hallo Chris
    genau so ist es, Blutwerte ermitteln ergänzen, abwechslung in die Ernährung bringen, möglichst täglich mal durch Bewegung ins schwitzen kommen. Ich könnte das alles sein lassen, aber mir geht es so einfach viel besser. Meine Feststellung ist, dass dies die meisten nicht intressiert die jammern lieber und schlucken tonnenweise Medikamente.

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