Was ist die richtige Ernährung? Darüber streiten sich bekanntlich die Geister. Wie viele Strömungen bzw. Glaubensrichtungen gibt es heute? Von low bis high, von O-Saft bis Bratwurst, von Getreide bis Kuhfett – jeder findet schon seine Zugehörigkeit.
Krank finde ich dabei, dass sowas ja wirklich oft Religionscharakter bekommt. Man kann ja nicht mal normal darüber sprechen, ohne dass sich irgendein Sp*nner findet, der einem als Folge die Kommentarleiste zuspammt.
Nein mal im Ernst. Ich finde wirklich erschreckend, dass viele total unreflektiert und aus ihrer Blase heraus Menschen mit anderer Meinung sehr offensiv angehen. Ist das überhaupt nötig?
Denn jede (vermeintlich) gesunde Ernährungsform überschneidet sich inhaltlich und konzeptionell mit anderen gesunden Ernährungsformen. Daher stelle ich heute mal kurz eine Studie vor, über die viel zu wenig gesprochen wird.
Thrifty Genes?
Vor vielen Jahren gab es in der Wissenschaftswelt mal eine Hypothese. Etwa so: Wir sind heutzutage deshalb so fett und metabolisch krank, weil die Evolution für genau diese Charakteristiken selektierte.
Heißt: In Zeiten des Überflusses hat sich der Mensch mit leckerem Essen vollgefressen, wurde schnell fett, konnte sich super reproduzieren und easy die darauf folgende Fastenphase überleben.
Heute, im Dauerüberfluss, machen uns genau diese Eigenschaften schnell krank … und sorgen für unser frühes Ableben, wenn wir nicht gegensteuern.
Klingt zunächst – wie so häufig – logisch. Denkt man aber mal kurz darüber nach, ist das ein bisschen absurd. Es spricht nichts gegen die Annahme, dass wir, vor allem wir Nordmänner, ein bisschen dafür selektiert wurden, schnell(er) Fett anzusetzen.
Aber heißt das zeitgleich, dass wir uns nach jeder erfolgreichen Mammutjagd mästeten? Dann können wir morgen ganz sicher schon mal kein anderes Mammut erlegen.
Und wieso gibt es die hageren Buschmänner? Die leben oft genug neben ihren Mongogonuss-Bäumen. Damit könnten die sich ganz einfach maximal mästen. Überhaupt scheinen Naturvölker trotz häufig großer Lebensmittelabundanz unsere Probleme nicht zu kennen.
Ist die Verarbeitung schuld?
Dass diese Thrifty-genes-Hypothese nicht so ganz stichhaltig ist, lässt sich daran erkennen, dass offensichtlich nicht nur der Mensch anfällig für solche Spielereien ist.
Denn Ratten lassen für eine Salami alles stehen und liegen. Mit einer „cafeteria diet“, wie es im Fachjargon häufig so schön heißt, lassen sich Ratten superschnell fett und krank machen. Seltsamerweise hat sich noch nie eine Ratte an ihren normalen Labor-Pellets überfressen.
Wie dem auch sei. Letztes Jahr im Mai hat der renommierte Stoffwechselforscher Dr. Kevin Hall im ebenfalls recht renommierten Journal Cell eine interessante Studie veröffentlicht.
Er hat 20 Menschen auf einer Station eingesperrt, und im randomisierten Cross-over-Style jeweils mit „unprocessed“ und „ultra-processed“ Nahrungsmitteln gefüttert – was genau das jeweils ist, zeige ich gleich.
Die Erkenntnisse und Ergebnisse sind spannend:
Die Probanden durften so viel essen, wie sie wollten. Das nennt sich ad libitum. Was man sehr schön erkennt: Sobald die Leute statt „gesundem Essen“ hochraffinierte Nahrungsmittel vorgesetzt bekamen, aßen sie im Schnitt ca. 500 Kalorien pro Tag mehr.
Dahinter könnten wir jetzt einen Punkt machen. Das ist die Magie der Ernährung. Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.
Das Resultat ist nämlich, dass der Konsum von hochraffinierten Lebensmitteln entsprechend der höheren Kalorienzufuhr dicker macht – und die gleichen Leute beim Verzehr von gesunden Lebensmitteln abnehmen. Wohlgemerkt ohne bewusste Kalorienrestriktion!
Wie sehen solche raffinierten bzw. gesunden Mahlzeiten aus?
Damit wir ein Bild davon bekommen, was hier hochraffiniert vs. gesund meint, haben uns die Autoren der Studie auch noch schöne Mahlzeiten-Bilder dazu gepackt. Hier mal zwei Bilder:
Hier zwei Wurstbrötchen, ein paar Chips, einen Fruchtjoghurt und Cranberry-Saft. Sieht also ein bisschen aus wie unser Kantinenessen.
Hier das Gegenteil. Rind mit Brokkoli, Reis, Orangen, Pekan-Nüsse und ein Gurken-Tomaten-Salat mit irgendwelchen Samen.
Was sagt uns das?
- Wer einen Schritt in die richtige Richtung machen will, geht morgens nicht beim Bäcker vorbei, sondern isst eine Haferflocken-Bowl mit Früchten … oder so.
- Ernährungswissenschaft scheint eigentlich keine Raketenwissenschaft zu sein.
- Es gibt wohl Faktoren im wenig verarbeiteten Essen, die uns helfen, eine normale Körperkomposition zu wahren. Das hatten wir hier schon mal besprochen.
Das, was wir hier im Artikel nochmal dargelegt haben, ist – für uns edubily-Leser – eigentlich Standardwissen.
„Lustigerweise“ schlagen sich viele Ernährungsfanatiker gegenseitig die Köpfe ein, während sie selten bis nie sehen, dass die Art der Ernährung an sich ein wesentlicher Faktor ist. Und nicht so sehr der Kohlenhydrat-, Fett-, Fleisch-, Zucker-, … usw.-Anteil.
Das Ding ist: Leute verrennen sich in diesen Punkten so sehr, dass sie am Ende davon überzeugt sind, mit ihren veganen Low-carb-Proteinriegeln und -Pulvern eine Diät erfolgreich gestalten zu können. Merken die noch was?
20 comments On Unverarbeitet vs. raffiniert – der Unterschied
verarbeitet vs. unverarbeitet?!?!?
Da gabs doch die somatische Intelligenz??
Und als diese sich im Laufe der Evolution entwicklet hat, gabs sicher keine verarbeiteten Lebensmittel.
Respektive sehr wenig Süßes (Obst, Honig, ..)
Sich mit Karotten zu überfressen ist relativ schwierig.
Ähnliches gilt für rohes Fleisch.
Man teste mal: menge an Steak Tartar, die man mit Genuss essen kann im Vergleich zu einem PorterHouse.
Ich behaupte mal: 500g Tartar kriegt man nur mit Gewalt runter. 500g Porterhouse geht easy (zumindest für passionierte Aasfresser wie mich!)
Theodosius Dobzhansky:
“Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn außer im Licht der Evolution.”
Ich habe schon an der Superkarktkasse erlebt, daß eine junge Frau an der Kasse Sellerie und Poree nicht erkannte bzw. den Namen dieser Gemüsesorten nicht wußte und eine ältere Kollegin fragen mußte, was das denn sei, um dann die richtige Artikelnummer eingeben zu können! Wahnsinn!
Schöner Artikel. Gerade in der heutigen Zeit, in der jeder sich besonders individuell geben muss, scheint keiner zu verstehen, dass die optimale Ernährung für ein Individuum eben etwas äußerst individuelles ist. Etwas, was man durch probieren erfahren muss. Und es kann doch nicht ernsthaft jemand behaupten, nicht kochen zu können – nahezu jeder hat doch ein Smartphone und kann sich Rezepte nach Belieben suchen.
Dazu gehört ja aber es zu wollen und es trauen sich tatsächlich ganz viele Menschen nicht einmal mit Rezepten, da sie es für fast für eine Art Zauberwerk halten, überspitzt ausgedrückt. Dazu kommt noch dass die ersten Rückschläge komme, wenn es darum geht, die einzelnen Lebensmittel einzukaufen. Rohes Fleisch oder Fisch anfassen? Wie sieht frischer Spinat aus? Was kann man denn davon essen? usw. usw. Bitte nicht mich falsch verstehen, dass ist kein sich lustig machen oder ein Vorwurf an betroffene Menschen, sondern eine Erklärung.
Weiter kommt dazu, dass durch gesellschaftliche (Ja er wieder mit seiner Gesellschaft :) ) die Rahmenbedingungen ganz andere sind als noch vor 20-30 Jahren. Die erfreulicherweise fortgeschrittene, wenn leider auch immer noch sehr lahmende gesellschafttliche Emanzipation der Frau hat den armen Männern die fürsorgende, kochende Hausfrau genommen und Frauen ebenfalls im Strudel der Leistungs- und Stressgesellschaft gefangen. An dieser Stelle kommt das Argument: „Ja, aber du kochst ja auch und wir kriegen das ja auch hin. Man muss nur wollen.“ Nö, man muss vor allem dazu gebracht werden indem man auch herangeführt wird und die Möglichkeiten aufgezeigt werden. Wenn über Jahrzehnte die Werbung freie Handlungsfähigkeit hatte jeden Scheiß als Superfdood und schnelles, gesundes Essen an den Mann und die Frau zu bringen und gleichzeitig die Politik nichts gegen diesen Trend,die Panscherei der Lebensmittelindustrie, die abartigen Zucht- und Anbaubedingungen in der Landwirtschaft und einem ausufernden Leistungsdruck und Angst des Verlustes oder Nichterreichens eines sozialen Status tut, dann brauch man sich nicht wundern, dass heute keiner mehr selber Hand anlegt bei der Nahrungszubereitung und davon ausgeht, dass in einem belegten Brötchen vom Bäcker mit veganer Salami, jeweils einer Scheibe Tomate und Gurke und 15g Blattsalat gesundes Eiweis, ne Menge Vitamine und Mineralstoffe sind und wenn es dann noch gegen mittag ne Flasche YFood vegan Trinkmahlzeit gibt, der Körper alles bekommt, was er für einen 10h Arbeitstag und abendliches Fitnesstudio benötigt.
…das krampfige Festhalten an der einmal gefassten Meinung, kann ich nicht nachvollziehen.
Wir sind alles Laien…Chris ist natürlich ausgenommen…lesen Verschiedenes, kommen zu einer eigenen Meinung, die aber auf einem lückenhaft Infohintergrund basiert.
Kommen neue Infos hinzu, korrigiert man ggf. seine Meinung. Man lernt eben immer dazu.
Bei einigen scheint das aber nicht der Fall zu sein. Die glauben offenbar irgendwann alles Wichtige zu wissen und dann setzt die religiöse Verbissenheit ein.
Ja, ja…diese binäre Betrachtungsweise der Stoffwechselvorgänge…ich erinnere mich noch an die Diskussion bei den Strunzianern, als ich den Bericht von Chris verlinkte, in dem er schön erklärte, dass die Fettverbrennung eben nicht „per Schalter“ an- und abgeschaltet wird. :-)
Da liefen sie Amok, die Ketofreaks, die Low Carber und High Fetter:-)
Dabei war die Erklärung völlig logisch nachvollziehbar, aber es rüttelte eben an der Religion ;-)
Schön geschrieben und gut auf den Punkt.
Ich habe große Probleme damit, dass wenn man Extrem „A“ infrage stellt oder nur hinterfragt, einem gleich der Vorwurf gemacht wird, man würde das gegenteilige Extrem „B“ propagieren („Wie, du stellst Dauer-Keto infrage? Dann beweis doch erstmal, dass KH-Mast besser/gesünder ist!“). Als ob manche nur noch in Extremen denken können. Aber das ist wohl die Folge, wenn man Stoffwechselvorgänge rein binär betrachtet / erklärt bekommt (Insulin schaltet(!) die Fettverbrennung ab; also von 100% auf 0%).
LG Thorsten
Das ist ja gut und schön, aber ich esse schon seit Jahren keine industriell verarbeiteten Lebensmittel. Backe mein Brot mit Dinkel und Roggenmehl mit selbstgemachte Sauerteig selber. Gehe 4- 5 mal in der Woche ca. 40 Minuten ins Krafttraining und komme auf 8000- 10000 Schritte pro Tag. Esse genug Eiweiss, Nahrungsergänzungsmittel wie Kreatin, Vitamin A, D und B und Omega 3, esse 3-5 mal in der Woche abends Fisch und viel Gemüse und habe Gewichtsprobleme.
Hormone mal gecheckt?
Meine Schilddrüsenwerte sind etwas niedrig
TSH nur ein wenig erhöht oder auch periphere Hormone erniedrigt? So oder so, sollte auch ein latenter Mangel bei passender Klinik substituiert werden. Auf jeden Fall Antikörper abklären lassen, falls noch nicht geschehen.
TSH war 7,48 bei der Untersuchung. Habe Insulin Intoleranz Test gemacht und ein paar andere Laborwerte wie Ferritin 123.4
Also bei TSH 7,48 au jeden Falls MAK, TRAk und periphere Hormone, also T3/4, so oder so würde ich dann substituieren. Mit geringer Dosis 24müg starken und nach 6 Wochen TSH-Kontrolle. Zielwert sollte bei Substitution so 1-3 sein. Das ganze natürlich beim doc und nicht eigenständig über irgendwelche Labor und oder Heimtests. Und lass dir nicht erzählen, dass du das selbst zahlen müsstest. Außerdem soll er/sie mal n Blick auf die SD werfen und ggf. mal ne Sono (Ultraschall). Nicht weil es wahrscheinlich ist, das da was ist, aber weil es dazu gehört wenn eine Unterfunktion oder Überfunktion. diagnostiziert wird. Keine Sorge, selbst wenn da positive Antikörper bei herauskommen sollten ist das überhaupt nicht wild. Schilddrüsenhormone einnehmen und das ganze hat keinerlei Auswirkungen.
Danke, fühle mich aber gut. Nicht müde oder antriebslos. Geht das nicht anders? Will keine Medikamente nehmen
Also wenn Antikörper vorhanden sind nicht, nein. Sonst kommt es sehr darauf wen du fragst. Aber eigentlich machst du ja schon alles oder vieles richtig, so dass führ Ernährungsoptimierung ja kaum Platz erscheint. Müdigkeit muss auch nicht dabei sein. man kann auch gar nichts merken und bei TSH ab 10 sollte man immer substituieren, da es sich auch vor allem auf die Herzgesundheit und eigentlich auf fast alles negativ auswirkt. Das blöde an so vielen Dingen ist, die auf Dauer sehr schädlich sind, dass man sie lange nicht bemerkt. L-Thyroxin ist in dem Sinne auch kein Medikament. Es ist einfach das fehlende Hormon und exakt zu dosieren. Damit leben Millionen in Deutschland. Aber das solltest du mit deinem Arzt persönlich besprechen und nicht mit einem im Netz ;)
Trifft es ganz genau.
Das Problem daran ist nur, dass viel zu viele heute gar keinen Bezug mehr zu Nahrungsmitteln haben. So viele wissen gar nicht, wie sie die einfachsten „Gerichte“ selbst zubereiten sollten. Das merkt man doch schon wie man angeschaut wird, wenn man sein eigenes Essen z.B. bei der Arbeit hat un des einfach nur ne bowl oder irgendwas zusammengewürfeltes ist, und die Leute fragen verwundert ob man sowas selber machen könne. Kochen uns Nahrungszubereitung ist heute doch leider größten Teil etwas, was man für 250€/3Stunden mit Weinbegleitung geführt mit Koch 3 mal im Jahr macht.
Hauswirtschaftslehre bzw. Nahrungsmittelkunde und Ernährung müsste Pflichtfach in der Schule werden um dieser immer weiter ausartenden Entfremdung von einer natürlichen Ernährung entgegen zu wirken.
Zu dem Thema kann „Zellnahrung“ von Chatherine Shanahan auch sehr empfehlen. (Wenn du es mir nicht sogar mal empfohlen hast ;) )
Vollste Zustimmung!
Zellnahrung hast du aber glaube ich nicht von mir :-)
Kann mann Deep Nutrition / Zellnahrung denn zustimmen?
Scheint ja auch eher anti carbs zu sein
Ich denke in dem Punkt nicht ganz. Aber das ist ja auch nicht die Hauptaussage des Buches. Und verteufeln tut sie carbs ja auch nicht. Für Nichtsportler 100g aus stärkereichem Gemüse finde ich persönlich nicht zu extrem.