entzuendung 2

Darmgesundheit: Der Feind im Bauch

Newsletter vom 07.03.21


Ach ja, wie sich Dinge ändern. Vor zehn Jahren ungefähr galt man im deutschen Gesundheitsinternet mehr oder weniger als Spinner, wenn man der Meinung war, dass „im Darm die Gesundheit gemacht wird“.

Im Darm wird Gesundheit gemacht?!

In der Zwischenzeit sind Tausende neuer wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Thema erschienen. Mittlerweile gehen Forscher so weit, zu postulieren, dass der Darm sogar kausal für die Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen, wie z. B. Parkinson, verantwortlich sein kann. Wir erinnern uns kurz an einen edubily-Artikel: Vollkommen überdreht erscheint dabei der vermutete Hintergrund, dass das für die massiven Schäden im Parkinson-Nervensystem verantwortliche Protein alpha-Synuclein anscheinend vom Darm übers Nervensystem – z. B. den Vagus-Nerv – ins Hirn wandern kann.

Nun ja. Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht für all die Reduktionisten dieser Welt, die Gesundheit immer in Einzelteile zerlegen wollen. Die Wahrheit ist: Es ist egal, ob jemand Herzkreislauferkrankungen hat, an einer Neurodegeneration leidet, Muskelschwund bekommt oder brüchige Knochen,

es sind immer (!) systemische Erkrankungen. 

Natürlich heißt das auf der anderen Seite auch für den Sportler, dass er nicht voll leistungsfähig sein kann, wenn das System nicht optimal funktioniert. Ein Sportler, der an Optimierung seiner Leistungsfähigkeit interessiert ist, müsste daher genau das Gleiche lesen und tun wie der, der einfach nur wieder gesund sein möchte. Und umgekehrt.

Wie dem auch sei: Dass der Darm auch darüber bestimmt, ob jemand krank wird oder einfach gesund sein darf, ist sogar im Mainstream angekommen. In einer NDR-Sendung meinen Ärzte bzw. Wissenschaftler doch allen Ernstens, dass man den Darm nicht mehr ignorieren könne, wenn es um die Entstehung von Krankheit geht.

Im Darm wird das Immunsystem scharf gemacht

Was viele Menschen leider noch nicht so ganz verstehen: Im Darm wird das Immunsystem des ganzen Körpers auf aggressiv oder lieb gepolt. Denn wenn man die 30 bis 40 Quadratmeter (!) Schleimhaut des Darms rund um die Uhr ärgert, wenn also das Immunsystem quasi immer glaubt, man hat da ein riesiges Bakterium vor der Haustüre sitzen, kann man systemisch gar nicht gesund sein.

Denn dann ist das Immunsystem immer gereizt. Und zwar im ganzen Körper. Ein gereiztes Immunsystem macht dabei aber nicht nur schlapp, raubt also nicht nur Energie, sondern macht auch ein bisschen (arg) depressiv verstimmt – wir sprechen vom s. g. sickness behavior. Zudem können auch plötzlich die harmlosen Bakterien im Mund als Bösewicht erkannt werden, Resultat Zahnfleischentzündungen, oder die armen Knie Opfer einer überdrehten Immunreaktion werden (Arthritis). Bei manchen entzündet sich halt das Gehirn (kein Witz!), dann nimmt man auch nur noch bruchstückhaft am Leben hat.

Wenn Nahrung Antikörper macht 

Entzündungen an sich, vor allem über eine so riesige Fläche wie den Darm, sind also doof, können gravierende Folgen haben. Hintergrund ist, dass der Darm konstant mit Antigenen wechselwirkt. Das sind körperfremde Proteine, z. B. aus Bakterien oder dem Essen. Das Immunsystem im Darm muss dabei in jedem Moment entscheiden, ob es sich hierbei um einen Eindringling handelt, oder ob alles ok ist.

Wenn es blöd läuft, bildet der Körper Antikörper dagegen. Da Antikörper in der Regel gegen Proteine gebildet werden, kann es natürlich auch passieren, dass der Körper Antikörper gegen beispielsweise Proteine aus dem Essen bildet. Das betrifft vor allem jene Proteine, die nicht gut verdaut werden. Ein solches, sehr problematisches, sprich sehr immunogenes Protein ist das allseits bekannte Weizengluten, das man auch Gliadin nennt.

Unsere Verdauungsenzyme tun sich aufgrund der besonderen Eiweißstruktur bzw. Aminosäurensequenz dieses Proteins schwer, es ordentlich zu zerlegen. Das Resultat kann sein, dass diese Eiweißfragmente zu intensiv mit dem Immunsystem im Darm wechselwirken können. Antikörper können gebildet werden, die bei jedem Brötchen-Konsum im Blut anfluten.

Antikörper können krank machen

Leider Gottes erkennen Antikörper häufig nicht nur ein Ziel, also hier die Glutenfragmente an sich, sondern mehrere. Man spricht von Kreuzreaktivität. Dummerweise verfügen viele körpereigenen Proteine, die unser Leben ermöglichen, über ganz ähnliche Sequenzen, weswegen diese Gliadin-Antikörper dann auch an körpereigene Proteine binden. Die Folge ist eine oft schleichende Autoimmunität, wann immer man die Pasta isst.

Binden Antikörper erst mal an Zielproteine, wird’s doof. Denn Antikörper legen durch ihre Bindung die Funktion der Proteine lahm. Zum einen. Zum anderen locken sie weitere Immunzellen an und „markieren“ den „Feind“, so, dass das Immunsystem nun mit voller Wucht angreifen kann. Heißt: Passiert sowas, kann der Körper gar nicht mehr normal funktionieren.

Was isst ein Mensch? 

Es gibt in der modernen Ernährung Bestandteile, die ein Mensch über weite Teile seiner Entwicklungszeit nicht gegessen hat, weil sie in der Wildbahn nicht essbar sind. Dazu gehören viele Speicherproteine von Pflanzen. Diese Speicherproteine nämlich wollen gar nicht gefressen werden und schützen sich durch massiven Fraßfeindschutz. Viele moderne Ernährungansätze (Paleo, „Wheat Belly“, lektinfreie Ernährungsformen, Karnivore Ernährung, Wahls-Protokoll, Paleo AIP etc.) zielen genau auf dieses Problem ab.

Denn unsere Verdauungsenzyme im Darm tun sich schwer, diese Proteine ordentlich zu zerlegen. Die Folge kann eine unbemerkte und immer vorhandene Antikörper-Reaktion gegen diese Bestandteile sein. Und das versaut uns das Leben, ohne, dass wir es merken. Wer also den ganzen Tag Getreide (Weizen, Mais, Hafer, Reis und Co.) isst, wer sich mit Hülsenfrüchten volltankt oder sonstwie ständig große Mengen an pflanzlichen Speicherproteinen zu sich nimmt, legt sich möglicherweise ständig mit dem eigenen Immunsystem an.

Dann wird das Leben eben schwer und man „kämpft“ ständig gegen irgendeinen Feind da draußen. Obwohl der „Feind“ eigentlich gerade im Bauch bekämpft wird. Zu diesem Thema gibt’s aktuell einen Blog-Beitrag von uns. Enjoy.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

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