Gehen ist, ohne Frage, gesund.
Doch manchmal reden Menschen heutzutage so vor sich hin und erzählen den Leuten ganz stolz, dass sie „noch die 10.000 Schritte für heute voll bekommen“ müssen. Grund in der Regel natürlich … Abnehmen. :-)
Falsche Prio
Man ist dann ein bisschen gefangen zwischen Bewunderung (die Person will ja…) und Mitleid (die Person weiß nix…). Also die kennen offenbar die zwei wichtigsten Kredos des Gewichtsverlusts bzw. der guten Körperkomposition einfach nicht.
- Fettverlust macht man primär in der Küche.
- Auf die sportliche Intensität kommt es an.
Punkt 1 ist einfach zu verstehen. Es ist ja toll, dass du dich viel bewegst und 10.000 Schritte vor dich hinwatschelst. Das wird aber sehr sicher nicht darüber entscheiden, ob du Fett verlierst (oder nicht). Das entscheidet sich an dem, was du in den Mund steckst (und was, aber vor allem wie viel nicht).
Für Punkt 2 muss man was über Sportphysiologie wissen: Natürlich kannst du 10.000 Schritte gehen, es wird aber nichts für dich tun, außer vielleicht etwas Wasser in den Beinen und ein bisschen mehr Fettverbrennung in der Beinmuskulatur. Wat sollsch damit?

Das MET ist entlarvend
Wenn du das Metabolic Equivalent of Task (kurz: MET) kennst, lässt sich auch ziemlich schnell umrechnen, wie viel dir deine 10.000 Schritte bringen. Mit dem MET-Wert kriegst du einen Faktor an die Hand, der dir genau sagt, wie stark du deinen Kalorienverbrauch durch Bewegung im Vergleich zur Ruhe erhöhst.
Einfaches Gehen (4 km/h) hat einen MET-Wert von 3. Um deine 10.000 Schritte zu sammeln, brauchst du etwa 90 Minuten. Folglich hast du 3 MET x 90 Minuten „sportlich“ investiert, das sind 270-MET-Minuten.
- Wärst du gejoggt, hättest du die MET-Zahl schon verdreifacht
- Ein intensives Workout kann die MET-Zahl sogar verfünffachen (z. B. 15 MET)
- Selbst zügiges Treppensteigen hat einen MET-Wert von 8-9 (Faktor 3 mehr)
- Harte Gartenarbeit (Löcher buddeln) und Krafttraining trudeln auch bei ca. 6-7 ein (Faktor 2 mehr)
Entsprechend kannst du die benötigte Bewegungsdauer mit dem Faktor kürzen:
- 10.000 Schritte (90 Minuten rumlatschen!) entsprechen einer halben Stunde joggen
- 10.000 Schritte entsprechen 20 Minuten eines intensiven Workouts
- 10.000 Schritte entsprechen einer halben Stunde Treppensteigen
- 10.000 Schritte entsprechen einer Dreiviertelstunde der intensiven Gartenarbeit oder des schweren Krafttrainings
Mit dem feinen Unterschied, dass du von Gartenarbeit oder Krafttraining wenigstens einen Bizeps bekommst und ganz sicher einen wesentlich höheren Nachbrenneffekt hast. Der Muskel muss ja nach Krafttraining regeneriert und aufgebaut werden. Das verschlingt viel Energie.
Es wäre daher vielleicht eine bessere Idee gewesen, einfach 5000 Schritte am Tag zu gehen und dir den Tag stattdessen mit einem knackigen Workout zu versüßen – dann so 2,3,4 x Woche.
Geheimnis Gewicht
Kommen wir nochmal zum Thema Essen. Da hatte ich die Tage einen spannenden, weil erhellenden Beitrag gelesen. Der handelte vom Tennis-Star Zverev. Dieser sagte nämlich erst kürzlich:
„Für mich ist Essen Zeitverschwendung“
Der Tennis-Star erklärt: „Ich bin kein schlechter Esser, aber ich esse unfassbar wenig. Man muss mich zum Essen zwingen.“
Auch im Urlaub langt Zverev nicht kräftig zu: „Ich genieße im Urlaub nicht das Essen. Ich bin keiner, der im Urlaub sagt: Boah, geil schlemmen.“
Damit ist auch schon das ganze Geheimnis seiner Physis erklärt. Der isst einfach nicht besonders viel. Punkt. Gut, das ist sicher genetisch bedingt bei dem Kollegen. Aber auch wir wissen ja inzwischen, dass dein Gehirn plastisch ist und das tut, was du ihm befiehlst.
- Wenn du dich des Öfteren vollstopfst, wird dein Gehirn genau das erwarten.
- Wenn du eine Zeit lang weniger isst, wird sich dein Gehirn (und dein Körper btw) darauf einstellen – es wird der Normalzustand.
Das hat natürlich nichts mit Diät zu tun, sondern mit einer tiefgreifenden Umprogrammierung des Körpers. Da werden dann neue neuronale Verschaltungen aktiv, Enzyme wachgeküsst und ganze Muskelfasern programmieren sich um. Das ist ja das Gegenteil von dem Trend, der bei der allgemeinen Kalorienzufuhr westlicher Gesellschaften seit Jahrzehnten anhält (wird immer mehr).

Denken
… ich weiß, fällt manchen schwer. Und es kann ja auch fürchterlich kompliziert sein, zugegebenermaßen.

Aber: Wenn man sich doch schon so viel Mühe gibt, dann doch bitte mit den richtigen Schaltern und Hebeln. Sonst verpufft doch wieder alles und man ist danach entweder total gefrustet oder kommt nur sehr schleppend voran.
Das muss man halt wissen. Im Infoüberflusszeitalter heutzutage gar nicht so leicht, da gebe ich dir recht. Gibt ja den Blog.
9 comments On 10.000 Schritte
:) ja, tatsächlich der einzige Blog den ich noch regelmässig lese, auch immer mal wieder ältere Beiträge. Sogar die Newsletter speichere ich ab. So viel geballtes Wissen auf einen Schlag! Danke! Ich bin nun seit 5 Jahren in der Perimenopause und mit meinen schwachen Nebennieren verzweifle ich manchmal fast. Jetzt habe ich nun noch seit einem Jahr eine leichte Fatigue aufgrund Covid, habe ich aber erst vor einem Monat herausgefunden. Ausser rumwatscheln geht zurzeit gar nichts mehr, was so frustrierend ist wenn man sich anderes gewohnt ist. Ich habe jetzt mit IHHT begonnen und merke, dass die Energie langsam wieder kommt. Ich hoffe, es wird bald wiedwr möglich sein rumzuspringen und den Puls wieder zu erhöhen ohne gleich einen Crash zu haben, auch wenns vielleicht dank den sinken Hormonen nie wieder wird wie früher. Und immer wenn ich nicht weiterkomme fange ich wieder an zu lesen (auchh euer Buch). Also nochmals Danke!
Liebe Gaby,
erst mal herzlichen Dank für die netten Worte!
Dass du etwas nachhaltiger an Covid erkrankt bist, tut mir leid. Ich drücke die Daumen, dass du da schnell wieder Fortschritte machst. Schau mal im Blog, ob du ein paar Ansätze dazu findest kannst vielleicht. Ansonsten: alles Gute schon mal!
Und: Natürlich bezieht sich „Watscheln“ gerade nicht auf Menschen, die das tun müssen, weil sonst nichts mehr geht… Im Gegenteil, ich habe großen Respekt, wenn man gegen den Strom (einer Erkrankung) schwimmt und sich aufrafft und *irgendwas* tut. Bald wird’s dann sicher auch wieder mehr!
Liebe Grüße
Ich finde den Beitrag für mich persönlich bereichernd und wie immer auch gut geschrieben. Die MET-Zahl kannte ich noch nicht.
Tendenziell sehe ich in der Formulierung einen geringfügigen Widerspruch zum NEAT-Energieverbrauch, der allgemein als bedeutende Komponente des Energieverbrauches gewertet wird und eben nicht viel mit Sport zu tun hat und belastungsarm/regenerationsfreundlich Energieverbrauch ermöglicht. Und bewegungsreiche Alltagsgewohnheiten über den gesamten Tag zu implementieren, ist für viele Menschen(vorallem ältere/schwächere/eingeschränkte) ein sinnvoller Versuch positive Gewohnheiten zu etablieren.
Da die Übergänge fließend sind, würde ich pers. auch immer Nicht-Sportlern empfehlen, zumindest zu versuchen, sowas wie exercise-snacks einzubauen.
Danke Matthias für deinen Kommentar. Wo genau siehst du einen geringfügigen Widerspruch zum NEAT?
Ich mein, die MET-Zahl ist keine Zahl, die sich nur auf sportliche Aktivitäten bezieht, sondern per definitionem ja heißt, „Metabolic equivalents of task“ – im Vergleich zum Sitzen hat einfaches Gehen ja schon etwa den dreifachen Energieumsatz. Das liegt natürlich nicht nur am Energiebedarf für die Bewegung an sich, dort ist auch schon NEAT mit abgedeckt.
Ist jetzt meckern auf hohem Niveau und ich verrenne mich ein wenig im klein-klein: Ich fand beim Lesen des ersten Abschnitts die Einordnung über die Schritte nen bisschen negativ gefärbt: „abwatscheln“, „Mitleid“, „wird nichts für dich tun…“ Ich weiß ja wie du es meinst, du belegst es auch und so ich das auch.
Dennoch ist es bspw. für viele Menschen(ältere, eingeschränkte, faule) schon ein riesiger Gewinn, wenn sie mit ganz festen Gewohnheiten brechen und anstatt abends auf der Couch zu snacken, dafür eben mal an der Luft 1-3 Km spazieren gehen. Das ist ja nicht nur ein nüchternes (verbrauchsmäßig schwaches) Kalorienspielchen sondern hat eine Signalwirkung auf Psyche und Motivation. Insofern würde ich pers. jede Art der Bewegung, die nicht viel mit Sport zu tun hat(NEAT), nicht negativ konnotieren.
Dennoch erfreue ich mich in aller Regelmäßigkeit an deine direkte und scharfe Art zu schreiben. Vllt. ist der Blog auch unter Kaffeeeinfluss entstanden… ;)
Danke Matthias für das Präzisieren. Ich verstehe deinen Standpunkt natürlich. Und vielleicht habe ich die 5. oder 95. Perzentile unter- bzw. oberhalb ausgeklammert, im Sinne von, ich bin zu weit weg von dieser Lebensrealität von z. B. alten Menschen. Trotzdem, bei allem, was ich weiß, würde ich auch hier sagen, weil ich es im näheren Umfeld so erlebe: Statt mit dem Rollator 2 km zu gehen, kann man in jedem Alter versuchen, ganz andere Reize zu setzen. Ich sehe das Gehen hier als Ausrede bzw. als Unkenntnis darüber, was der Körper auch noch in solchem Alter leisten kann. Die Leute denken halt, ich bin 75 und es geht nix mehr. Dieser Glaubenssatz sorgt aber dafür, dass es tatsächlich so ist. Der Funktionalitätsverlust ist bis dahin schon enorm, weil diese Menschen meistens schon Jahrzehnte keine intensiven Reize mehr gesetzt haben. Das ist m.E. verschenktes Potenzial, man kann ja jetzt sofort wieder anfangen. LG
Ich stimme Deinen Aussagen zu. Fürs Abnehmen reicht es nicht, sich ausschließlich auf ‚10000 Schritte pro Tag‘ zu konzentrieren. Das ist nicht die effektivste und effizienteste Art abzunehmen.
Es sei denn, dass das schon richtig viel ist im Gegensatz zu vorher. Ein Schritt, in Bewegung zu kommen. Und dann vielleicht weitere Schritte zu machen.
Dein unten verlinkter Artikel ist ganz oben angepinnt in meiner Favoritenliste:
https://genetisches-maximum.de/praevention/besser-10-untertrainiert-als/
LG
Maria
PS: Aus meiner N=1 Erfahrung kann ich sagen, dass es viel einfacher wird, sich gesünder zu ernähren usw., nachdem ich den Ichbewegemichüberhauptmal-Schritt für einige Monate gegangen bin. Weil ich vor zwei Jahren nicht mal 3km am Stück mit 4km/h gehen konnte, ohne bei 80% HRmax zu sein, wenn es kurz bergauf ging.
Hi Maria,
ja, das ist aber auch schon ein Extrem – also Gehen erzeugt 80% HRmax ist ja nicht „normal“ oder durchschnittlich. Wenn die körperliche Leistungsfähigkeit so weit abgerutscht ist, muss man sich natürlich vielleicht erst mal wieder etwas hocharbeiten. :-) LG