Testosterone 21

Eine außerordentlich klare Sprache

Wenn es um Gesundheit und Leistungsfähigkeit geht, kann man viele Parameter heranziehen, um zu beurteilen oder einzuschätzen, wie es um den Nachbar bestellt ist.

Was die Sprache verrät

Der Habitus eines Menschen ist sehr aussagekräftig. Damit meine ich nicht nur die Körperstatur, sprich beispielsweise Gewicht, Körperfett oder Magermasse. Sondern auch Gang, Sprache, Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Gesichtsmerkmale, Gesichtsfarbe oder … die Sprache.

Alles ist eins. Das, was du bist, reflektiert sich ins Außen. Natürlich kann das nicht jeder lesen oder sehen. Und hinzu kommt, dass Menschen außerordentlich gut in der Täuschung sind („Kleider machen Leute“). Denn instinktiv wissen wir, dass wir vom Gegenüber (oft unbewusst) beurteilt werden.

Rauszoomen, ein Blick von oben auf die Gesellschaft verrät auch sehr viel über die Gesundheit und die hormonelle Beschaffenheit des Kollektivs. Über was sprechen wir? Was sind die Aufhänger? Wen wählen wir? Wer soll uns politisch verkörpern? Was sind die sozialen Tendenzen?

Konstatieren können wir: Rückrat haben wir wenig. Und wir sind weicher denn je. Ganz schlechte Kombination, denn nur Stärke kann Schwäche auffangen. Schwäche kann niemals Schwäche kompensieren. Und auf diesem Bodensatz bewegen wir uns kollektiv aktuell.

Wie Testosteron auf die Gesellschaft wirkt

Man könnte viele (biologischen) Aspekte nennen, die damit korrelieren. Für mich, mit der Ausschlaggebendste: Testosteron. Testosteron verleiht uns eine innere Robustheit, verleiht uns Wille, Antrieb (Dopamin!) und Durchsetzungsvermögen. Ist – wie kann es auch anders sein – aktuell extrem verhasst.

Drum wird alles, was irgendwie mit diesem Hormon zu tun haben könnte als Feindbild gesehen – das Narrativ um den „alten weißen Mann“, der schnelle, große Autos fährt, Frauen anbaggert und andere Menschen über Machtpositionen unterdrückt, ist dafür das Sinnbild. Dabei ist Testosteron gar kein Hormon, das Menschen „schlechter“ oder böse macht. Tatsächlich sollten auch Frauen genug davon haben – auch sie profitieren davon im gleichen Maße.

Alles, was wir heute an technologischen, kulturellen und soziologischen Fortschritten haben, verdanken wir (auch) diesem Hormon – weil es die biologische Basis dafür ist, dass wir uns überhaupt aktiv, aggressiv, mit Elan und im (gesunden) Wettkampf um den Fortschritt bemühen. Testosteron ist also „nach vorne gehen“.

Egal, brauchen wir nicht. Das Resultat davon, weil logische Konsequenz aus verquerem Denken, ist dann der – immer und immer wieder gescheiterte – Versuch, einen Sozialismus zu etablieren. Kapitalismus ist böse, weil Wettkampf böse ist … oder so!

Testosteron als biologische Basis des Verfalls?

Vor über 10 Jahren beschreibt der Anthropologe Peter McAllister, in seinem Buch Manthropology: the Science of Inadequate Modern Man, den modernen Mann als “the sorriest cohort of masculine Homo sapiens to ever walk the planet” – ein Schluss, zu dem er kam als er die Leistungen unserer Vorfahren analysierte.

Tatsächlich sinken die Testosteron-Werte seit vielen Jahrzehnten stetig, einer Studie aus 2007 zufolge um 1 % jährlich. Eine neue US-Studie aus 2021 an Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommt zum Schluss, dass das Testosteron-Median in dieser Kohorte in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 30 % gefallen ist, und zwar BMI-unabhängig.

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Die Testosteronwerte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind in den letzten 20 Jahren drastisch gesunken. Die Autoren nennen u. a. erhöhte Zufuhr von Phytoöstrogenen oder Marihuana-Konsum als mögliche Gründe. Die weitreichenden Folgen sind u. a. mangelnde Libido, erektile Dysfunktion, erhöhter BMI, erhöhte Krebsrate und Unterbehandlung von Testosteronmangel aufgrund Absenken der Cutoffs bei Ärzten und Laboren. 

Die Fertilitätsrate sinkt gleich mit. Die Spermienzahl hat sich in den 40 Jahren mehr als halbiert. Im berühtem Quarks-Video zu diesem Thema ruft der diesbezüglich forschende Wissenschaftler den Menschen „We need to change!!“ zu. Eindringlicher geht’s kaum.

Gründe dafür unbekannt. Aber: Schon 1994 berichtet der SPIEGEL im Artikel Ein Ozean von Hormonen:  „Impotente Panther, transsexuelle Fische, Alligatoren mit verkümmertem Penis – in der Tierwelt stagniert die Fortpflanzung. Schuld sind Hormonsubstanzen (…) Auch der Homo sapiens zeigt Wirkung: Seine Zeugungskraft schwindet.“

Schlussfolgerung? Gesellschaftliche Phänome lassen sich (auch) genau darüber erklären. Ist das toll? Sicher nicht.

Die andere Welt – dein anderes Leben?

Wie dem auch sei. Eine komplett andere Welt lernt man kennen, wenn man Weston Price liest: Ernährung und körperliche Degeneration. Wie treffend alleine dieser Titel. Jeder sollte dieses Buch gelesen und als Standardwerk zuhause stehen haben.

Ich muss zugeben: Ich liebe diese Sprache in diesem rund 80 Jahre alten Buch. Sie ist so klar, präzise, teils schroff, manchmal grenzwertig. Aber sie fühlt sich an wie der klare Gebirgsbach. Wir, wir kennen nur noch das trübe, stinkende stehende Gewässer.

Diese Sprache ist völlig offen im Ausdruck. Es gibt keine Verbote. Kein Überlegen, wer sich vom Inhalt oder von der Art der Formulierung angegriffen fühlen könnte.

Eben jener Price schreibt unter dem Punkt Welche Weisheiten können Naturvölker uns vermitteln folgendes:

Der Leser könnte möglicherweise Vorbehalte hegen, da viele der vorgeschlagenen Lösungen nicht der orthodoxen Sichtweise entsprechen. Ich schlage jedoch vor, Schlussfolgerungen so lange zurückzustellen, bis der Leser mit Hilfe des neuen Ansatzes den körperlichen und mentalen Zustand seiner eigenen Familie, seiner Geschwister und Verwandten und nicht zuletzt derjenigen Menschen untersucht hat, die ihm im Beruf oder auf der Straße begegnen.

Stichhaltig. Gilt noch heute, siehe Artikel. Weiter:

Jeder, der sich mit der Materie befasst, wird überrascht sein und sich fragen, wie es möglich sein konnte, von so deutlich sichtbaren Zeichen des Verfalls der modernen reproduktiven Effizienz umgeben zu sein, ohne dass irgendjemand dies bisher bemerkt oder untersucht hat. (…)

Reproduktive Effizienz. „Wat ist dat denn eh?“, wird sich der eine oder andere Fragen. Für Price ist Gesundheit, Robustheit und Fortpflanzungsfähigkeit im Grunde das Gleiche. Scheint sich zu bestätigen.

Die meisten Menschen werden die Zeilen dieses Artikels aber nicht verstehen, weil sie es nicht können. Ihnen fehlt der Kontrast, der theoretische Zugang zum Thema und vor allem die eigenen Erfahrungen. Jemand, der nie erfahren hat, dass man sich sprichwörtlich neu erschaffen kann, wird es nicht verstehen. Jemand, der nie erfahren hat, dass es da draußen in der Wildbahn wirklich noch gesunde Menschen ohne Allergien, Diabetes und Autoimmunität gibt – und dass das völlig normal ist! –, wird es nicht verstehen.

Doch Price erklärt uns auch, warum das so ist:

Offenbar verstehen viele Urvölker die Sprache der Natur weit besser als unsere modernen Gruppen. Doch sobald sie unser modernes Ernährungskonzept übernehmen, geraten sie in die gleiche missliche Lage wir.

Die Sprache der Natur verstehen. Sich an die Regeln der Evolution halten. Wenn man versucht das einem normalen Menschen heutzutage zu erklären, kommt als Antwort nicht selten, dass man „früher auch Frauen geschlagen“ habe. Wie doof muss man sein?

Jedenfalls: Wäre es nicht so stichhaltig und würde es die moderne Wissenschaft nicht wieder und wieder bestätigen – ganz aktuell sind die Tsimane das Volk der Wahl unserer Medien, einfach mal googeln –, ich würde Weston Price nicht zitieren.

Tja, und so schließt sich der Kreis einmal mehr. Reise unbekannt. Entwicklung unaufhaltsam. 

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

3 comments On Eine außerordentlich klare Sprache

  • Vielen Dank für den inspirierenden Buchhinweis zu Weston Price!

    Ein Tipp: Das englische Original „Nutrition And Physical Degeneration“ ist bei archive.org legal zu finden, es kann dort gelesen oder als PDF heruntergeladen werden.

  • Arne, das SHBG wird sehr stark vom Kohlenhydratstoffwechsel beeinflußt. So haben übergewichtige Frauen mit Störungen im KH-Stoffwechsel oft ein sehr niedriges SHBG, in der Folge hohe freie Androgenwerte und dann z.B. ein PCOS.
    Du dagegen wirst vielleicht eher lowcarb essen oder die KHe durch regelmäßigen Sport niedrig halten, deshalb höheres SHBG. Solange aber auch das Testo hoch ist und dadurch das freie Testo im Normalbereich, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Entscheidend ist eh nicht der Laborwert, sondern wir Du Dich damit fühlst (siehe Kernaussage des Artikels).
    „Nutrition und physical degeration“ ist übrigens ein Augenöffner und immer wieder spannende Lektüre!

  • Danke wieder mal für den wertvollen Artikel! Habt ihr auch eine Art Zusammenfassung, wie sich das Testosteron durch Lebensstil und Ernährung erhöhen und SHGB reduzieren lässt? Ich sehe beispielsweise auch hier einen Zusammenhang mit dem chronischen Konsum von Kaffee.

    Soweit ich das selbst beurteilen kann pflege ich einen sehr gesunden Lebensstil (bis auf den Kaffeekonsum – ich arbeite dran). Letztens habe ich meine Blutwerte nehmen lassen und es kam heraus, dass ich ein Testosteron im oberen Referenzwert habe, aber mein SHGB deutlich über dem Referenzwert liegt. Als Gründe dafür bin ich unter anderem auch auf einen hohen Kaffeekonsum gekommen.

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