trainier einfach

Trainier einfach!

Schon mal gefragt, warum ich so selten über Sport schreibe? 

Sportwissenschaft ist langweilig 

Die Antwort auf die Frage ist relativ simpel:

Es ist langweilig!!

War es schon immer. Und das sage ich, der sich seit jeher mit Leistungsphysiologie befasst und drei Jahre Sport studiert hat. In meinen Augen ist Sportwissenschaft oft eher eine Art philosophische Disziplin. 

Das sage ich deshalb, weil man so etwas Einfaches wie Sport und Bewegung, zu dem eigentlich schon in den 90er-Jahren alles gesagt war, mit immer mehr unnützem Wissen immer komplizierter macht.

Wohlgemerkt: Ich kann verstehen, dass man gerne Sportwissenschaftler ist, weil man halt Lust daran hat, sich mit der Materie zu befassen. Für den Rest von uns gilt, dass diese, nennen wir es, „Diversifizierung von Inhalten“ eher ein bisschen an unseren überbordenden Beamtenapparat erinnert: Aus Langeweile wird aufgebläht.

Natürlich werden Sportwissenschaftler das nicht zugeben. Aber wenn ich mir moderne, „State of the Art“-Arbeiten von so genannten renommierten Sportwissenschaftlern ansehe, zum Beispiel Brad Schoenfeld, frage ich mich, wo genau der Mehrwert dieser Aufwände liegt. 

Training leicht gemacht 

Für die meisten von uns wäre die (Trainings-)Welt relativ simpel anhand des Wiederholungskontinuums erklärt:

  • Wenige Wiederholungen, schweres Gewicht = Maximalkraft
  • Viele Wiederholungen (> 15), leichteres Gewicht = (Kraft-)Ausdauer
  • Dazwischen: Hypertrophie

Gesetzt den Fall, die Zahl der Wiederholungen bzw. die Zahl der Sätze orientieren sich an der neuro-muskulären Erschöpfung bzw. am neuro-muskulären Versagen und du trainierst so oft, wie es deine Regeneration zulässt. 

wiederholungskontinuum mit update
Das klassische Wiederholungskontinuum mit „Updates“: Maximalkrafttraining kann positive Effekte auf die Hypertrophie (Muskelwachstum) und auf die (Kraft-)Ausdauer haben. Hypertrophietraining wiederum trainiert die Maximalkraft zu einem gewissen Maß und kann mit positiven Effekten auf die (Kraft-)Ausdauer abstrahlen. Auch mit relativ hohen Wiederholungszahlen (im Kraftausdauerbereich) kann man das Muskelwachstum (Hypertrophie) anregen. (Q

„Neu“ ist *hust*, dass man mit jeder Form des Krafttrainings auch seine Maximalkraft bis zu seinem gewissen Level steigern kann und der Muskel über ein breites Spektrum an Widerstandstraining, sprich Wiederholungszahlen, wachsen kann.

Als neu gilt außerdem, dass man mit Krafttraining förderliche Effekte für die Ausdauerleistungen abgreifen kann. Genau genommen: natürlich nicht neu

Zudem braucht es bekanntermaßen ein gewisses Maß an Trainingsumfang, regelmäßige Belastungssteigerungen und eine große Prise Regeneration (die meisten trainieren eh zu viel). Wie wär’s noch mit folgenden glorreichen Ideen…? 

  • Leute, die besser und weiter laufen können möchten, sollten genau dies tun.
  • Leute, die stärker werden und mehr Gewicht bewegen möchten, sollten genau dies tun.

Man könnte ja ein Punkt dahinter machen. Aber nein… Am besten noch eine Studie publizieren und noch einen speziellen Trainingsplan kaufen.

Die Trainingsprinzipien solltest du kennen 

Wer aufgepasst hat, sieht schon, dass es sich bei den Ausführungen um die Trainingsprinzipien handelt. Teile dieser Erkenntnisse nutzt man in der Bewegungswissenschaft schon vermutlich seit der Antike, denn auch da haben die ja gesehen, dass man den Körper gezielt formen kann.

Aber spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts stehen viele noch heute anerkannten Trainingsprinzipien in Stein gemeißelt fest. Nur:

Man muss sie halt kennen und danach trainieren.

Mein Eindruck ist, dass die meisten Sportler heutzutage gar keinen blassen Schimmer haben, was sie überhaupt „trainieren“. In der Ausführung weiter oben finden wir beispielsweise:

  • Prinzip des trainingswirksamen Reizes
  • Prinzip der Variation der Belastung
  • Prinzip der progressiven Belastung
  • Prinzip der Kontinuität
  • Prinzip der spezifischen Anpassung

Speziell der letzte Punkt ist interessant. Denn wenn du auch zu denen gehörst, die überdurchschnittlich athletisch sein wollen, manche nennen es „Super-Sportler“, solltest du möglichst viele der verschiedenen athletischen Leistungsentitäten spezifisch abdecken. Jedenfalls nach meiner bescheidenen Vorstellung. 

athletische Leistungsparameter
Ein guter Athlet deckt möglichst viele dieser Kategorien mit seinem Training ab. 

Keine Wissenschaft aus Sport machen

Es gibt keine mir bekannten sportwissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich nicht durch die Trainingsprinzipien abdecken lassen. Stattdessen erfindet man lieber weitere, völlig unsinnige Begrifflichkeiten wie Time-under-Tension. Welcher Athlet hat das jemals gebraucht?

Da sind wir wieder, beim Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Denn Leute, die sportlich besonders erfolgreich werden wollen, sehnen sich nach Geheimplänen und detailliertem Geheimwissen. In Wahrheit ist es banaler, denn das echte „Geheimrezept“ im Hochleistungssport heißt:

Genetik.

Plus ein bisschen trainieren, meist über viele Jahre. Und zwar hoffentlich einigermaßen nach den Trainingsprinzipien. Die verstehen wir im Grunde schon als Kinder. 

Bauchschmerzen bekomme ich, wenn ich Arbeiten lese, in denen Sportwissenschaftler sogar die Biochemie bemühen, um uns irgendwas über die Trainingsprinzipien zu erklären, die sie dann aber natürlich nicht Trainingsprinzipien nennen, sondern „neues Wissen“ oder, besonders größenwahnsinnig, „neues Paradigma“.

Um es nochmal klar zum Ausdruck zu bringen: Ein Sportwissenschaftler, der Freude hat, jedes Detail der körperlichen Belastbarkeit und Formbarkeit zu verstehen, den respektiere ich natürlich. Für uns Laien hat das aber nahezu keine Praxisrelevanz – verlorene Liebesmüh. Auch hier im Blog. 

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

17 comments On Trainier einfach!

  • Ich finde es unglaublich gut, dass du Mal über Sport schreibst! Ich bin leider absolute Laie und könnte nicht Mal sagen, was die Trainingsprinzipen aussagen. Es gibt bestimmt einige unter den Lesern, die gerne mit Sport anfangen möchten, aber mit der Masse an (Fehl-) Informationen überfordert ist. Ich würde mich unheimlich freuen, wenn es von euch Mal einen Leitfaden zum Anfangen gibt. Gerade, weil man euch vertraut, und es nicht bei irgendwem liest. Liebe Grüße

  • Eventuell ist die Definition „Sport“ ein relativ undefinierter Begriff, dehnbar in seiner Interpretation. Einkauf tragen ohne Auto, weitere Wege zu Fuß zurücklegen, kann genauso Sport sein. Warum soll man es nicht auf die Reihe kriegen körperliche Bewegung mit der Lust an der Sache zu kombinieren? Obwohl ich das „quälen“ zum Muskelversagen kenne, warum soll es denn nicht auch ohne Qual funktionieren und für die physiologisch / neurologische Kaskade an positiven Anpassungen reichen? Vlt überfordern viele ihre Physiologie und wundern sich warum der Impetus sich nicht von selbst einstellt. Klar gibt es belegbare Fakten die zb vorgeben, dass du mit Schwimmen und Radfahren nichts zu einer Osteoporoseprevention beitragen kannst, weil die knochenaufbauende Belastung fehlt. Aber das soll doch nicht bedeuten, dass ich nun stumpf ein Programm abspulen muss, sondern es mit etwas kombinieren kann, worauf ich richtig Bock hab.

    Und Gesund: uns geht es wohl so gut wie noch nie, und du kannst auch ohne den sogenannten „Sport“ gesund sein und lange leben. Vermutlich überschätzen viele, dass weniger oft mehr ist. Leute die ein gestörtes Verhältnis zum Essen haben, „brauchen“ den Sport um sich danach gedanklich das „Fressen“ zu erlauben, weil sie ein Loch stopfen wollen – vlt jetzt etwas weit hergeholt, aber wie gesagt, die Gründe / Motivation zum „Sport“ sind oft – ich nenne es mal – wunderlich… Fragt mal ein paar Leute im Studio die warum frage….

    Spannend wäre die Frage ob es schon Erkenntnisse gibt inwieweit die Epigentik über die determinierte „Ausstattung“ Einfluss hat. Ob es nicht umgekehrt verläuft – sprich – die Epigenetik gibt die Form / Morphologie vor, wenn man auf der Zeitachse die Einflüsse lange genug beobachtet. Also die Gesamtheit der einflussnehmenden Faktoren die letztendlich die Rohmasse geformt haben, dass wir dann aber als vorgegebene physiologische Ausgangslage interpretieren, diese jedoch in „Wahrheit“, durch unzählige Einflüssse davor bereits dazu geführt haben.

    • Ich denke, jetzt wirfst du das eine oder andere durcheinander. Sport unterscheidet sich von willkürlicher Bewegung dadurch, dass man es systematisiert. Das zeigt sich ja daran, dass Sport als Basis die Trainingswissenschaft hat. Und hier gelten halt die im Artikel genannten „Gesetzmäßigkeiten“ – um besser zu werden, musst du physiologische Reize setzen. Am Anfang kann natürlich auch Spazieren förderlich sein, aber der Radius deiner Adaptationsfähigkeit ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Du wirst die Grenzen gemäß deiner Genetik immer weiter verschieben können, so lange, bis sie limiterend wird. Bis dahin folgt das ganze Muster aber einem Potenzgesetz, d.h. du hast in sehr kurzer Zeit mit relativ niedrig schwelligen Reizen erhebliche Leistungszuwächse und später musst du halt „härter“ in die Physiologie gehen, um noch weitere Adaptationen zu bekommen.

      An der Stelle bin ich bei dir: Gesundheitlich greift man sich schon relativ viel mit relativ wenig ab. Man braucht kein Marathonläufer zu sein, um gesundheitliche Benefits vom Sport abzugreifen, im Gegenteil. Das kann auch wieder einen krankmachenden Charakter bekommen, richtig.

      Epigenetik vs. Genetik ist relativ einfach zu verstehen: Augenfarbe, Größe, Fingerabdrücke, Haarfarbe haben eine Heritabilität von fast 1, das heißt, wenn du eineiige Zwillinge hast, sind all die Faktoren nahezu identisch oder zumindest hochgradig ähnlich. Bei anderen, abgestufteren, etwa das Übergewicht oder der IQ, da kannst du via Epigenetik/Umwelt/Prägung sehr viel mehr steuern, obwohl selbst da noch relativ viel genetische Komponente da ist. Entsprechend ist es erwiesen, dass du halt auch durch die beste Epigenetik kein Lance Armstrong wirst, wenn du nicht die passenden Eltern hast :-)

      Das, was auf was du anspielst, klingt ein bisschen nach Lamarck, der glaubte, dass sich – damals so nicht genannte – epigenetische Modifikationen des Verhaltens auf die Nachkommen überträgt. Das hat heute insofern Richtigkeit als wir ja wissen, dass es durchaus epigenetische Prägung bei Spermien und Eizellen gibt, die die Informationen weitergeben. Das hat für uns im Leben als schon geborenes und lebhaftes Individuum aber keine Konsequenz mehr. Da gehst du dann mit dem um, was du hast. Blaue Augen bleiben blau. Und Selektion arbeitet wesentlich über Mutation, das heißt über Gene und SNPs.

      LG

  • Ich liebe einfach den Gedanken von Spaß und Freude am Sport. So plakativ das klingen mag. Wenn man eine Sportart gefunden hat die einem gefällt und man nach paar Wochen auch guten Fortschritt erfährt, dann ist das einfache eine bereichernde Sache! Es macht allein des Fortschritts Willen schon Sinn was zu finden, was der eigenen Genetik entspricht^^ wie fändest du für dich, vllt rückwirkend betrachtet, Sportarten wie Tennis, Eishockey oder gar Polo?

    Liebe Grüße

  • hätteschönseinkönnen

    Genetik?
    Epi – Genetik?

    • Die Rede ist von Genetik. Ronnie Coleman, Rich Froning, Lance Armstrong uva. – die bringen eine Genetik mit, die ihnen herausragende sportliche Fähigkeiten ermöglichen. Genau wie die Ausdauerleistung via VO2max, ist auch das mögliche Muskelwachstum genetisch determiniert. Was viele nicht wissen: Weltklasse-Ausdauerathleten wie ein Armstrong haben ohne Training einen VO2max (also eine aerobe Kapazität), die viele nicht mal durch Training erreichen würden.

  • …. ein Mike Tyson der mit „zarten“ 14 Jahren bereits in der Lage war 25 jährige zu verprügeln sagt alles hinsichtlich genetischem Rohmaterial.

    Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist finde ich die Motivation hinter dem Sport / Bewegung. Wenn man sich darauf hin mal reflektiert eröffnet / erübrigt es oft die innere Schweinehund Überwindung. Wenn du zb Boxen an sich geil findest, die Bewegung, das Sparring usw.. dann läuft es von alleine. Der seelenlose Social Media Fitness Kult geht ins Leere. Bewegung sollte mal einfach nur Spass machen und keine Selbstversklavung zum Ziel haben. Einfach trainieren sein ganzes Leben lang nur um der Gesundheit wegen ist Verschwendung von Lebensqualität. Wenn ich trainieren „muss“ ist der Zug bereits abgefahren.

    • Mit deinen letzten 2 Sätzen gehe ich nicht d’accord. Mir macht das Training phasenweise mehr Spaß, phasenweise weniger. Ohne Sport kann man nicht gesund sein. Genauso wie mein Essen nicht immer super geil schmecken muss, sondern manchmal einfach gut für mich sein und ok schmecken darf, so diszipliniere ich mich häufiger auch zum Sport. Macht nicht immer so viel Spaß, wird aber trotzdem gern gemacht. Weil ich weiß, dass es gut für mich ist und weil es mir danach gut geht. Manchmal muss man eben unangenehme Dinge tun und im Großen und Ganzen ist man damit dann häufig zufrieden, auch wenn’s nicht gerade die Erfüllung war.

    • Ich verstehe, worauf du hinaus willst. Ich bin auch der Meinung, dass man etwas ausüben sollte, das einem Spaß und Freude macht. Am Ende des Tages lebt man genau deshalb. Zum Glück gibt es so viele verschiedene Sportarten, dass man schon was finden kann, was einem Spaß macht.
      Ich verstehe aber auch den Kommentar von Marco: Gesundheit selbst ist „lebensfreudelimitierend“, d. h., ohne Gesundheit macht das Leben erheblich weniger Spaß. Wenn es also umgekehrt bedeutet, dass ich ein bisschen was einbringen muss, auch ggf. ohne „Spaßfaktor“, was sich dann aber doppelt und dreifach oder unbezahlbar zurückzahlt, dann sollte man das auch tun.
      LG

    • Zum klassischen Muskel Training muss ich mich fast immer zwingen, klar das Gefühl danach und das Wissen um die Fortschritte ist schon gut und könnte/ sollte, theoretisch, die Überwindung schmälern. Ist aber so.
      Bei Tennis sieht es anders aus, für mich. Und ich denke genau darum geht es auch. Ich habe für eine Frau eine erstaunlich starke Rückhand. Das macht Spaß. Es liegt mir, die kurzen schnellen Sprints und die Kraft in den Armen umzusetzen. Und wenn du so eine Sportart gefunden hast; läuft das automatisch…und das quälen zur Hantelbank muss man sich nicht mehr allzu oft geben^^ blöd wenn man Sport halt gar nicht mag. Dann muss man auf ne Pille warten. Gibt’s da bald was bei edubily?

      • Ja es gibt bereits „Pillen“ die Sport imitieren sollen.

        Dazu solltest du dich mal auf polnischen Peptide Shops umschauen, da wirst du fündig.

        Und nein das ist kein Aufruf oder Empfehlung dies tatsächlich zu tun.

      • Knorpel und Skelett brauchen eine gewisse Belastung, um nachhaltig existieren zu können. Kann das eine „sport-immtierende“ Pille auch?

        • hätteschönseinkönnen

          bissl cancerogen sind die meisten dann auch noch

        • Genau das ist ja der springende Punkt. Allgemein, muss man sich mal überlegen was hier versucht wird. Sicher ist die Forschung darum irre spannend, aber gefühlt halt auch irgendwie Verrat an der Menschheit^^
          Der „bewegte Mensch“ ist das perfekte Zusammenspiel aller Systeme im Körper. Das funktioniert, SO ist es gewollt….und das versucht man zu hintergehen. Wie gesagt, faszinierend, aber woanders wäre die Forschung vllt wichtiger 😂

  • „Fitness-YouTuber/ Podcaster hassen diesen Trick!“ 😄

    Schön auf den Punkt gebracht, wie immer. Danke!

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