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Wir verweichlichen

Heute möchte ich mal ein wohl unpopuläres Thema ansprechen – aber das sollte man aushalten können ;-)

Wir halten nichts mehr aus

Den Blog gibt’s seit nunmehr sechseinhalb Jahren. In dieser Zeit hat sich nach meiner Wahrnehmung ziemlich viel geändert. Vor allem mit Blick auf manche Reaktionen, die wir so bekommen.

Ich möchte vorab dazu sagen, dass sich mein Schreibstil, wie ich finde, heutzutage viel angenehmer gestaltet. Wer das Handbuch aus 2014 kennt, weiß, dass der Ton damals „ein bisschen“ rauer war. Gestoßen haben sich daran zumindest damals nicht so viele Menschen. Und das, obwohl es von sehr vielen gelesen wurde.

Heute ist das anders. Egal zu welchen Inhalten ich schreibe, egal wie differenziert es ist, egal wie viele Disclaimer und wohlwollende Worte ich anbringe, egal wie diplomatisch ich versuche zu formulieren, es kommt so oft mindestens einmal ein Feedback wie:

So kannst du das nicht schreiben, weil das „bestimmten Gruppen“ in die Karten spielt.

Mittlerweile gehen mir diese Aussage ziemlich auf den S*ck, ich frage mich: Haben die Leute heutzutage das Leseverständnis und das Abstraktionsvermögen eines Drittklässlers? Davon abgesehen, dass diese Art des Diskurses überhaupt nichts bringt – ich wiederhole: überhaupt nichts –, weil es nicht eint, sondern spaltet, führt es mittlerweile dazu, dass ich mich ständig dabei ertappe, mich zu fragen, ob ich die Gefühle von irgendwelchen Personengruppen verletze.

  • Vom anderen Geschlecht. Egal, ob Männlein, Weiblein, oder sonstige.
  • Von Menschen, die sich anders ernähren, vor allem von Veganern.
  • Von Homosexuellen.
  • Von überhaupt Andersdenkenden jeglicher Art.
  • Sowieso von Andersgläubigen, egal ob wirklich Religion oder „Ernährungsreligion“.
  • Von anderen Ethnien und Menschen mit anderer Hautfarbe.
  • Sogar von Menschen, die ein anderes Alter haben als ich.

Dabei bin ich extrem liberal und offen erzogen worden, und ich bin der Letzte, der andere in ihrer Freiheit einschränken will. Das wird meines Erachtens auch klar, wenn man sich wirklich mit unseren Inhalten befasst. Im Zweifelsfall suche ich immer den Kompromiss, auch dann, wenn ich meinen Standpunkt eigentlich nicht aufgeben will. Und ich finde, diese Eigenschaft ist gut. 

Der heutige Debatten-Kodex

Und trotzdem fühle ich mich viel zu oft in der Rolle, dass ich mich aus welchen Gründen auch immer rechtfertigen muss. Warum? Was ist los mit dieser Diskussionskultur? Was ist los mit der Gesellschaft? Das wird momentan so dominant und aufdringlich, dass ich mittlerweile einen tiefen Wandel dahinter vermute.

  • Ich beobachte, dass wir kaum noch andere Standpunkte wirklich aushalten können. Damit meine ich: Das, was mir nicht passt, kann man einfach mal stehen lassen. Man muss keine beste Freundschaft daraus machen, aber man muss es auch nicht systematisch „bekämpfen“, oder „canceln“ im Sinne der Destruktion.
  • Man kann sich fetzen, hart debattieren, hart einen Standpunkt vertreten, vielleicht nicht mal abweichen, aber trotzdem um eine Konsensfindung bemüht sein. Diese Eigenschaften sehe ich heute viel seltener. 
  • Stattdessen: Bloß nicht anecken, bloß keine Überspitzungen, keine Übertreibungen, keine Nonkonformität. Und: Das, was ich nicht verstehe, macht keinen Sinn, muss falsch sein. 
  • Unsere Debattier- und Argumentationsmaxime ist die Moral. Wenn es moralisch richtig ist, ist es richtig. Immer. Nach landläufigem Ermessen ist es ethisch und moralisch sicher auch besser, Hühner im Freien zu halten – auch, wenn es die Tiere in Wahrheit krank macht. Egal.
  • Wenn es nicht moralisch korrekt ist, dann spricht man es besser nicht aus. Denn, man könnte ja einmal mehr irgendwelche Gefühle verletzen und im schlimmsten Fall wird man nachhaltig etikettiert. Bewusst. Weil jeder weiß, dass man Menschen und ganze Bevölkerungsgruppen mit einem tweet, auch wenn er noch so dumm ist, diskreditieren und gar vernichten kann. Das hat mittlerweile System.

Dahinter steckt in meinen Augen vor allem Angst, Gebrechlichkeit, mangelnde Standhaftigkeit, Probleme mit der eigenen Informationsverarbeitung, Probleme mit der eigenen Frustbewältigung und dem Coping im Allgemeinen. Es ist ganz sicher Ausdruck einer generellen Überforderungen – Stichwort infobesity, Stichwort Globalisierung, Stichwort Corona.

Wir leben in schlimm überhitzten Zeiten. Man könnte sagen: Wir leben in einer maximal nicht-artgerechten Umwelt. Das muss sich auswirken. Das muss ich auf uns und auf die Gesellschaft auswirken. Und das Traurige dabei ist, dass wir uns damit zusätzlich Probleme schaffen, die eine ohnehin zerfetzte Gesellschaft noch weiter spaltet statt zu einen.

Die Biologie hinter dem Mimosentum

Es hat mit Sicherheit auch biologische Gründe. Vor Jahren gab es ein recht „amüsantes“ Buch – Manthropology: The Science of Why the Modern Male Is Not the Man He Used to Be – über die körperliche Leistungsfähigkeit und die Errungenschaften unserer Vorfahren, vor allem der Männer. Der Autor ist der Meinung:

No ifs, no buts – the worst man, period. As a class we are in fact the sorriest cohort of masculine Homo sapiens to ever walk the planet.

Ein Forbes-Artikel argumentierte in eine ähnliche Richtung, wenn auch diplomatischer, titelte vor einigen Jahren: You’re Not The Man Your Father Was. Der Artikel beschreibt wichtige Sachverhalte, etwa:

Studien zeigen, dass der Testosteronspiegel bei Männern seit Jahrzehnten abnimmt. Die prominenteste, eine Studie aus dem Jahr 2007, die im Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism veröffentlicht wurde, ergab einen „erheblichen“ Rückgang des Testosteronspiegels bei Männern in den USA seit den 1980er Jahren, wobei die Durchschnittswerte um etwa 1% pro Jahr zurückgingen.

Dies bedeutet zum Beispiel, dass der Testosteronspiegel eines 60-jährigen Mannes im Jahr 2004 um 17% niedriger war als der eines 60-jährigen Mannes im Jahr 1987.

Eine andere Studie über dänische Männer ergab ähnliche Ergebnisse, wobei bei den in den 1960er Jahren geborenen Männern zweistellige Rückgänge im Vergleich zu den in den 1920er Jahren geborenen zu verzeichnen waren.

Nun könnte man das in moderner Manier wieder weglächeln. Aber das kommt nicht ohne Folgen. Die Verweichlichung findet sich aus vermeintlich unklaren Gründen auch in der Natur. So titelte der Spiegel schon 1994: Ein Ozean von Hormonen.

Impotente Panther, transsexuelle Fische, Alligatoren mit verkümmertem Penis – in der Tierwelt stagniert die Fortpflanzung. Schuld sind Hormonsubstanzen, die zu einer neuen Umweltplage wurden. Auch der Homo sapiens zeigt Wirkung: Seine Zeugungskraft schwindet. (…)

An der Ursache gibt es für die Wissenschaftler keine Zweifel: Schuld an der schleichenden Geschlechtsumwandlung sind die Abbauprodukte weiblicher Sexualhormone (Östrogene), dazu eine Fülle anderer chemischer Substanzen, die etwa als Pestizide in die Umwelt gelangen und im Organismus von Menschen und Tieren dieselbe Wirkung wie Östrogene entfalten.

„Wir sind“, so konstatiert das britische Fachblatt New Scientist, „umgeben von einem künstlichen Ozean von Östrogenen“ – einer Hormonflut, die von der pharmazeutischen Industrie gespeist wird. Allein in Deutschland werden jährlich 20 Millionen Packungen Antibabypillen sowie 4 Millionen Packungen gleichfalls östrogenhaltiger Präparate gegen die Beschwerden der Wechseljahre geschluckt und wieder ausgeschieden. Durch die Abwasserkanäle verteilt sich der Hormonschwall übers ganze Land.

Wer glaubt, das hätte sich in der Zwischenzeit geändert … weit gefehlt! Das Wissenschaftsmagazin Quarks hat letztes Jahr zur Abwechslung mal einen vernünftigen Beitrag gebracht, der sich bei Youtube findet. Auch der trägt einen griffigen Titel: Schlechtes Sperma: Warum Kinder zeugen immer schwieriger wird | Quarks. 

Dort werden konkrete Zahlen genannt: Der Mann von heute hat 60 % weniger Spermien im Ejakulat als noch vor vierzig Jahren. Es wird betont: Es sei nicht genetisch bedingt. Ja, so ein Zufall aber auch. Wenn Testosteron sinkt, sinkt die Fruchtbarkeit. Und Testosteron sinkt durch Umwelteinflüsse und wird zudem durch die genannten Östrogene in der Umwelt antagonisiert. Wen wundert’s?

Wir leben in einem Zeitalter, wo männliche Tiere zu Weibchchen werden. Wo das Wasser, in dem Fische und Frösche leben, die Genitalien und die Gonaden der Tiere verkümmern lässt und die Spermienzahl drastisch verringert, wo Männer zunehmend Hodenfehlbildungen und Hodenkrebs haben, und Frauen immer öfter keine Kinder bekommen können. Der Wissenschaftler im Quarks-Video schlägt Alarm:

Diese Studie ist ein Weckruf für uns alle. Jeder von uns, auch die Regierungen der Länder weltweit, müssen endlich verstehen: Irgendwas an unserer Umwelt, an unserem Lebenswandel macht uns krank. Wir müssen handeln. 

Reale Auswirkungen auf unser ganzes Dasein

Unsere Gesellschaft ist im Wandel. In meinen Augen zeigt sich das nicht nur anhand konkreter biologischer Fakten, wie sie hier aufgezählt wurden, sondern auch an unserem Verhalten, an unserer Weltanschauung, an unserem gesellschaftlichen Miteinander, an der Art und Weise, wie wir debattieren, wie wir im Kollektiv funktionieren, wie wir denken, wie wir Probleme analysieren und sie lösen, wie wir mit Konflikten umgehen, wie robust wir im Einzelnen und als Gesellschaft sind.

Testosteron ist hierfür ganz gewiss ein starker Marker, weil es als wichtigstes Hormon des Tierreichs nicht nur die Gesundheit beeinflusst (Stoffwechsel, Knochen, Muskel, Herz, Arterien uvw.), sondern maßgeblich über reproduktive Fähigkeit bestimmt, Verhalten lenkt und Standhaftigkeit verleiht. Uns fehlt im wahrsten Sinne die Robustheit. Und aus diesem Mangel ergeben sich kompensatorische Verhaltensweisen.

Man kann es nur immer wiederholen: Der Mensch sägt an seinem eigenen Ast ohne es zu merken. Wir haben uns viele Blasen konstruiert, führen für diese ganze Meinungs- und Glaubenskriege, geben uns Ideologien hin, lächeln unsere eigene Evolution weg, weil der moderne Homo sapiens über den Dingen steht. Wir zahlen den Preis dafür. 

So lange, bis selbst der Letzte Begriffen hat, dass man sich das Leben als Homo sapiens nicht gestalten kann, wie es einem beliebt. Dass es biologische Grenzen gibt. Ganz empfindlich trifft es Personen, die einfach nicht verstehen können, wieso sie sich mit der Fortpflanzung so schwer tun. Wieso keine Libido da ist, wieso es keine Anziehung zwischen Partnern gibt und wieso man im schlimmsten Fall einfach nicht empfänglich bzw. nicht fruchtbar ist.

Die „Verweichlichung“ ist real, und sie zieht sich durch alles, was unser Leben betrifft.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

24 comments On Wir verweichlichen

  • Ich bin bei allen Punkten bei euch, die hier diskutiert werden/wurden.

    Vielleicht ist das, was wir zum Teil als Verfall wahrnehmen nur eine Erstwahrnehmung von etwas, das uns vorher nicht klar war.
    Wir sind heute so maximal vernetzt, dass wir jeden Pups mitbekommen. Jeder dumme Schreihals hat mit social media ein Megafon in der Hand.

    Querdenker, Veganer und andere “Ideen” hätten sich vor 20 Jahren weder organisieren, noch so lautstark breit machen können.

    Die Menschen, die schlicht einfache Lösungen suchen, undifferenziert hinterherlaufen, die die hier kritisierten Eigenschaften in sich vereinen, gab es möglicherweise immer schon. Nur jetzt können sie einem direkt ins Gesicht springen und den ein oder anderen anstecken.

    • Argh, sorry, falschen Button getroffen & versehentlich gemeldet – so viel zum Denken. ^_^
      Die Edubilys (Edubilies?) werden das schon zu differenzieren wissen – die denken ja mit! ;-)

      Dirk, bin da ganz bei dir – das wird vermutlich ein nicht zu unterschätzender Faktor sein.
      Die Vernetzung des Stumpfsinns – eine der wahren Seuchen des 21. Jahrhunderts.

  • Sehr guter Artikel! Was hilft? Testosteronmessung gesamt/gebunden und ggf. Einnahme DHEA? Testosteronsubstitution? Leider ist das Problem auch gesellschaftlich noch nicht richtig angekommen oder man(n) will es nicht wahrhaben. Reproduktionsmediziner haben volle Wartezimmer und der Mann ab 40 Erektionsprobleme. Sogar der Spiegel hat dem Problem ein ganzes Heft gewidmet – nur klare Aussagen fehlen häufig. Die Kommentare zeigen aber eine teilweise profunde Kenntnis der Problematik!

  • Danke für diesen Beitrag, ein relativer T-Mangel als Faktor der aktuellen Diskurs-Krise finde ich sehr interessant.

    Aus meiner Sicht leistet aber das aktuelle Schulsystem den Hauptbeitrag: Wenn 50% eines Schülerjahrganges Abitur machen sollen, dann muss das Niveau darauf abgestimmt werden, was früher ein guter Realschüler war. (IQ-Verteilung – IQ 100 = 50 % der Bevölkerung liegen dort oder höher). Früher, noch in den 90ern, waren es ca. 20-25%, was ungefähr einem IQ von 110+ entspricht.
    Weil dieser simple Fakt nicht sein kann, weil sie nicht sein darf (ausschließlich behauvioraler Ansatz, „wir müssen die Kinder begaben!“), werden Anforderungen heruntergeschraubt, und das Credo ist: Wir verbauen den Kindern die Zukunft durch schlechte Zensuren. Nicht: Wir verbauen den Kindern und unserer Gesellschaft die Zukunft, indem Wiederkäuen von Inhalten mit wenig Transferleistung und Weiterdenken mit einem „gut“ oder „befriedigend“ belohnt werden.

    Übrigens leite ich daher auch die Herkunft vieler der von Dir kritisierten Blog-Kommentare ab: Wer gewöhnt ist, alles vorgekaut in den Schnabel gestopft zu kriegen, der kommt nicht auf die Idee, dass er eine Holschuld haben könnte, also sich weitergehend mit Blog und Forum auseinandersetzt, bevor er Anfängerfragen stellt.

    Grüße
    Maria
    PS: Ja, ist beabsichtigt alles etwas überspitzt formuliert.

    • Die Frage ist eben, warum wir so einen Verfall beobachten. In meinen Augen ist die Herabsetzung der Standards nicht unbedingt Ursache, sondern vielmehr Folge davon. Das verstärkt sich natürlich dann auch, aber es muss Gründe haben, warum die Standards wirklich überall fallen.

  • Hallo Chris,

    Cyrill hat Recht! Viele deiner Leser schätzen deine Art zu schreiben und zu diskutieren! Mir fällt auch im privaten Bereich zunehmend auf,dass Menschen dünnhäutiger werden. Regelrecht auf Krawall gebürstet. An der Sache orientierte Gespräche und Auseinandersetzungen werden seltener. Es wird sofort persönlich, und man wechselt in eine Art Gefechtsstellung, in der die Sachebene nebensächlich wird. Die Art und Weise, wie wir Medien benutzten tut meiner Meinung nach ihren Teil dazu. Menschen scheint es immer schwieriger zu werden, komplexe längere Gedanken zu forcieren. Dinge werden verkürzt, die Aufmerksamkeitsspanne sinkt, wir stumpfen ab. Sich in einen Dauerkonflokt begeben zu wollen, zeugt davon, dass es für viele eine Art ist, sich zu spüren und wahrzunehmen. Dopamin?! Wir sind anscheinend auf der Jagd nach dem Zeug! Dauerhaft? Im gleichen Moment finde ich immer weniger Menschen, die einen gewissen emotionalen Abstand zu den Dingen haben, ein Zustand, der zwingend erforderlich ist, um sachlich diskutieren zu können und auch Kontroversen aushalten zu können! Serotonin?! Irgendetwas gerät da völlig aus dem Gleichgewicht! Ich nehme das genauso war. Trotzdem, was ist die Alternative ? Ein paar müssen weitermachen! Sich dem entziehen! Aber, auch das ist leider wahr, sie werden immer leiser. Albert Einstein sagte mal: „Wer schweigt stimmt nicht immer zu! Er hat manchmal nur keine Lust mit Idioten zu diskutieren!“

    • Danke für deinen so hervorragenden Kommentar. Der letzte Teil deines Beitrags ist besonders wichtig: Mittlerweile wird mir das zu aufdringlich, im öffentlichen Diskurs zu dominant, es schnürt regelrecht ein. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass sich hier eine völlig neue Art des Miteinanders etabliert bzw. von einigen bewusst etabliert wird. Das darf man einfach nicht zulassen.

      Welche biologischen Hintergründe hier genau wirken, das weiß wohl keiner. Und auch hier dürfte wieder gelten, dass sich das Phänomen aus ganz vielen verschiedenen Gründen zusammensetzt. Serotonin kann auch ein (biologischer) Bestandteil davon sein. Testosteron habe ich als Beispiel genommen, weil es so evident ist, und weil hier oft ein bisschen was falsch dargestellt wird: Testosteron wird häufig mit Aggression, Dominanz und überzogener Dispoten-Männlichkeit assoziiert. In Wahrheit ist es genau umgekehrt: Menschen, die durch Testosteron eine innere Standhaftigkeit bekommen, ruhen eher in sich selbst, halten eher andere Standpunkte aus, können freilich auch „kampfbereit“ in Diskussionen sein, aber sind insgesamt emotional gefestigter und kriegen mehr Abstand ins Denken. Einmal davon abgesehen, dass Testosteron direkt Einfluss auf die Analyse-Fertigkeiten und die Kapazitäten zur Problemlösung des Gehirns hat. Und das alles fehlt m. E. gravierend in der heutigen Kultur.

      • Da frage ich mich nur, was meiden / machen die Denkenden, Besonnenen, … richtig bzw., was der Rest nicht? Chemtrails könnens jedenfalls net sein – oder schützen sich alle aus ersterer Gruppe dagegen & ich bin ein Einhorn, da ich mich dazu zähle & keine Vorkehrungen getroffen habe? ;-)

  • Andere Meinungen regen doch einen an, selber nachzudenken, sich zu informieren. Aber das sehen meine Kollegen und ich leider nicht mehr. Wir empfinden, dass z.B. Jugendliche immer mehr mit Schwierigkeiten daher kommen. (manchen könnten direkt einen Psychiater dazu gestellt bekommen) Viele haben von so wenig Ahnung und können kaum noch über den Tellerrand schauen und sich aus den Infos die es gibt (vielleicht manchmal zu viele) eine Meinung zu bilden, die nicht einfach ist. Einige suchen geradezu die Einfachheit. Vielleicht nimmt auch deswegen die Vorschiftsflut zu. mmh, wäre doch mal ein Gedanke, warum heute jeder Pups mit einer Din/Iso belegt werden muss. Ich glaube in den 60er/70 Jahren wurde über manches weggesehen oder war einfacher? Sich in allem in Sicherheit wiegen? Keine Ungewissheit mehr aushalten. Zu Pragmatismus: sehe ich heute nur noch selten, es geht eigentlich -auch in der Politik dazu- „muss mich absichern“. Keiner hat mehr die Courage für Fehler einzugestehen. Denke daher rührt auch die Debattenkultur? Schwarz und weiß gibt es, sonst nichts dazwischen?
    Ansonsten, ich lese gerne hier und mag die verschiedenen Standpunkte.

    • Man sieht es auch an Bauten….

      „Stuttgart 21 wird teurer als der neue Berliner Flughafen. 2025 soll er fertig sein und mehr als 8 Milliarden Euro kosten.[..] Das Projekt wurde 1994 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Bauarbeiten begannen am 2. Februar 2010.“

      Elbphilharmonie: „Verzögerungen am Bau + Überschreitung der ursprünglich veranschlagten Baukosten, welche am Ende mit rund 866 Millionen Euro etwas mehr als das 11,24-fache der mit ursprünglich 77 Millionen Euro geplanten betrugen …“

      neuer Berlin- Flughafen: 7.079.900.00€. laut Kostenuhr bis zur Eröffnung.

      Fällt mir nur spontan zur gesamtgesellschaftlichen Unfähigkeit ein.
      Eine Gesellschaft, welche unfähig geworden ist bestimmte Bauwerke zu errichten, welche dieselbe Gesellschaft 100 Jahre davor noch leicht bewältigte, und andere Staaten dieser Erde auch deutlich einfacher zustande bringen.

  • So ist es tatsächlich.
    Und das ist eine wirklich bedenkliche Entwicklung.

    Der gesellschaftliche Mainstream wird psychiatrisch auffällig:
    neurotisch, gereizt, nervös, narzistisch,…und naiv-kindisch
    und irrational. In der Sache falsch.
    Aber lautstark und emotional-manipulativ

    Was fehlt sind:
    Ruhe, Humor, Ausgeglichenheit, Pragmatismus
    Sich Fehler eingestehen. Offenheit für andere Sichtweisen.

    Das gesellschaftliche Leitbild spinnt sich rein in
    – Gendersprache
    – Klimakatastrophen
    – Veganismus
    etc.

    die wirklichen Probleme und Ursachen von zB.

    – steigenden Energiepreisen und Knappheit
    – Mangel und Kostenexplosion an Wohnraum in den Städten
    – geopolitisches wirtschaftlich und militärisch abgehängt sein ggü. Staaten wie China und USA
    usw

    verstehen nur ganz wenige Menschen.

    @Chris: was bringt es ständig daran zu denken wen man wieder beleidigen könnte?
    Wo führt das hin? Der Gedanken und Schreibkorridor wird immer kleiner
    Das beste wäre einfach klar Kante zu schreiben und genau es so hinzuschreiben wie man es meint.
    und vielleicht am Ende des Textes einen juristisch abgesicherten Disclaimer als Kleingedrucktes anhängen…

    • Das kann ich zu 100 % so unterschreiben. Mein Gefühl ist, die Leute haben einfach überhaupt keinen Bock mehr das Gehirn zu benutzen, um differenziert zu denken, Themen konzentriert zu besprechen. Stattdessen wird alles theatralisiert und emotionalisiert. Bei rum kommen dann emotional aufgeblasene, infantil geführte Debatten, wo an Themen vorbei argumentiert wird.

      Zum Beleidigen von Personengruppen: Glaube, man kann sich den entsprechenden Diskursen in den (sozialen) Medien kaum entziehen, entsprechend färbt es aufs eigene Denken ab. Hinzu kommt, dass man merkt, wie schnell man Menschen triggern kann. Vor allem bei Instagram gibt es genug besonders sensible Personengruppen, die sich stundenlang über eine falsch genutztes Wort oder einen missverstandenen Satz echauffieren können. Man hat auch einfach irgendwann keinen Bock mehr auf diese ganze aufgeblasene Emo-Theatralik.

      Aber einer Sache kannst du dir sicher sein … :-) Ich werde immer sagen, was ich denke, auch wenn es einigen (und im Nachhinein möglicherweise mir selbst) wehtut.

      • Ihr als edubily kommt wohl um Instagram nicht herum.. weil sich da eben potenzielle Neukunden tummeln.. Instagram als Fitness und Beauty- Welt . Klar muss man da mit Marketing rein und in den sauren Apfel beißen und das was da kommt dann aushalten.
        Als Privatmensch kann man das zum Glück lassen.

        Zum Triggern der Menschen… jaa
        Mangelernährung, Bewegungsmangel, Umweltgifte klar..
        dann das von dir angesprochene Infobesity , globalisierter Wettbewerb, 24/7 Erreichbarkeit.
        Lärm, etc pp.
        aber der Hauptfaktor ist…. dass diese Menschen nie die Erfahrung gemacht haben, dass sich der Mainstream irrt, irren kann. Und zwar gewaltig.

  • Hallo Chris,
    der Artikel spricht mir aus dem Herzen. Wir sind eine infantile Gesellschaft geworden.
    Mach weiter so. Wer es nicht aushält kann ja wegbleiben. Du brauchst dann nur ein anderes Geschäftsmodel, weil Dir die Kunden fehlen. Ob es ein „Aufwachen“ gibt? Für diesen Weg der Erkenntnis fehlt wegen zu geringem Testosteron wohl der innere Antrieb,

    @Irina: Mir geht es auch so.

    Mfg Stefan

    • Hey Stefan,
      also, erstaunlich viele halten es schon jahrelang aus, ich bin guter Dinge, dass uns ein gewisser Stamm erhalten bleibt :-) Und mit dem Verstehen und den Hormonen ist es wohl so wie immer: Das begreift man nur, wenn man plötzlich andere T-Werte hat. Insofern bezweifle ich, dass es da ein Aufwachen gibt.
      LG

  • Also… Ich finde: so kannst du das nicht schreiben… :)

  • „…Irgendwas an unserer Umwelt, an unserem Lebenswandel macht uns krank. Wir müssen handeln. “ Das wird nicht passieren, wie auch? Wir bekommen das Gift nicht mehr raus aus unserer Umwelt. Seit den 70er Jahren sinkt auch der durchschnittliche IQ kontinuierlich (reversed Flynn Effect). Je älter ich werde, umso mehr halte ich mich von „normalen“ Menschen fern. Selbst mit Freunden von früher kann ich über vieles nicht mehr diskutieren, weil sie mit meinen Ansichten nicht klarkommen.

    • Jap, das mit der Intelligenz bräuchte einen eigenen Beitrag. Ich beobachte seit Jahren, dass die Fragestellungen immer „unterkomplexer“ werden. Auch die Art der Argumentationen. Wie im Text dargelegt: Leseverständnis und Abstraktionsvermögen auf normal-hohem Niveau findet man kaum noch, das ist wirklich erschreckend – und das sehe ich immer wieder an den Antworten, die wir bekommen.

  • Interessant wäre es ja mal zu wissen welche Testosteronwerte denn die Menschen vor 20,40 oder 60 Jahren denn so gehabt haben.

    • Meinst du jetzt absolut oder relativ? Die relative Veränderung wird ja im Text genannt. Absolute Zahlen sind ja populationsspezifisch. Studien einer Kohorte in Nordamerika werden andere Zahlen nennen als Studien, die man in Berlin macht. Der Trend dürfte weltweit aber der gleiche sein.

  • Im privaten oder beruflichen Umfeld macht es mir äusserst Spass zu polarisieren. Ich habe eine gewisse Lebenserfahrung und meine Frau kennt mich ?
    Wenn man wie Du in der Öffentlichkeit steht ist das sicher ein anderes paar Schuhe, das kann ich schlecht bewerten. Doch die treuen und sicher meist auch stillen Leser schätzen Deinen Stil sehr und können sehr gut damit umgehen. Kacke wenn die anderen Stimmen immer lauter und vor allem lauter werden.

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