Witz des Jahres: TMAO (aus Rindfleisch) macht nicht krank, sondern gesund

Was haben wir gelitten, die Menschen, die gerne Fleisch und Eier essen. „Jetzt wollen die uns schon wieder unser Fleisch wegnehmen.“

TMAO macht krank – Rindfleisch aber definitiv nicht (wegen TMAO)

Doch mal knackig von vorne. Wir erinnern uns (Artikel vom 15.12.17):

Da hatten sich einige wieder bestätigt gefühlt. Endlich sei bewiesen, dass “rotes Fleisch” Herzinfarkt verursacht. Denn: Aus L-Carnitin, Cholin und Betain entsteht im Darm ein Stoff namens Trimethylamin (TMA), der bei uns in der Leber zu TMAO(Trimethylaminoxid) oxidiert wird. Dieses TMAO wiederum ist der neue Superstar unter den Krankmachern, macht die Gefäße kaputt, hat irgendwie mit Krebs zu tun, kann dick und insulinresistent machen und, zu allem Übel, die Herzfunktion beeinträchtigen.

TMAO entsteht also bei uns in der Leber, wenn wir L-Carnitin, Cholin und Betain zuführen. Natürlich kann man TMAO auch direkt essen. Der letzte Punkt ist interessant, denn TMAO findet sich natürlicherweise im Fisch — das heißt, wann immer wir Fisch essen, führen wir größere Mengen dieses Stoffes zu. Und ich dachte immer, wenigstens Fisch sei aus gesundheitlicher Sicht in Ordnung.

Wichtig:

  • TMAO-Werte sind im Blut erhöht, wenn wir Carnitin (viel im roten Fleisch), Cholin (viel in Eiern) und Betain zuführen

Dumm nur, dass das für isolierte Gaben der Stoffe gilt, nicht aber, wenn sie über die Nahrung zugeführt werden – denn dann liegen sie, wie im Falle von Cholin, in einer anderen Form vor, die die TMAO-Werte eben nicht erhöht (s. Artikel).

  • TMAO macht bewiesenermaßen krank – füttert man Versuchstiere damit, geht das unschön aus.
  • Fisch enthält TMAO. Bei Fischkonsum steigen die TMAO-Werte bewiesenermaßen tatsächlich an – und zwar 50-fach stärker als bei Rindkonsum.

Na, so ein blödes Paradox. Da geht die Rechnung vieler Gesundheitsjournalisten und verblendeter Wissenschaftler mal wieder nicht auf:

Fisch galt und gilt als gesund. Fisch erhöht TMAO-Werte, macht aber nicht krank, im Gegenteil. Bei Rindfleisch darf TMAO dann als Sündenbock herhalten, obwohl Rind TMAO gar nicht erhöht – das wurde lediglich für das enthaltene L-Carnitin beschrieben. Für das Nahrungsmittel gilt das schon wieder nicht.

Niedrig dosiertes TMAO macht sogar gesund!

Doch jetzt kommt der Oberhammer. Ausgehend von völlig verblendeten Menschen. Titelt ScienceDaily soeben doch tatsächlich:

Eat your vegetables (and fish): Another reason why they may promote heart health

Interessant. Gleich geklickt. Lese ich nach, kann ich meinen Augen kaum trauen:

Erhöhte Mengen an Trimethylamin-N-oxid (TMAO) – eine Verbindung, die mit dem Verzehr von Fisch, Meeresfrüchten und einer hauptsächlich vegetarischen Ernährung in Verbindung gebracht wird – kann die Symptome einer Bluthochdruck-bedingten Herzkrankheit reduzieren. Neue Forschungen an Ratten zeigen, dass eine niedrig dosierte Behandlung mit TMAO die Herzverdickung (Herzfibrose) und die Marker für Herzinsuffizienz in einem Tiermodell der Hypertonie reduziert.

Und ich so:

Das ist witzig, oder? Was ist denn das bitte für ein Doppelstandard? Wie sehr kann mich sich denn selbst verarschen?

Nur, damit es klar wird: Wenn Rindfleisch die TMAO-Werte erhöhen würde (!), hätten Wissenschaftler und Autoren ja gar nicht so unrecht, wenn sie darauf hinweisen würden, dass Rindfleisch gegebenenfalls negativen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Doch was ist dann mit Gemüse und Fisch, die ja anscheinend mit höheren TMAO-Werten „in Verbindung gebracht werden“?

Findet man aber heraus, dass etwas erhöhte TMAO-Werte nicht schädlich, sondern sogar förderlich sein könnten (!), schreibt man nicht etwa „Rindfleisch macht gesund“, sondern betont stattdessen extra noch, dass „Fisch und eine hauptsächlich vegetarische Ernährung“ mit erhöhten TMAO-Werten korrelieren – und diese ja nachweislich gesund machen.

Sorry, aber …

Risitas bekommt einen Lachkrampf: Fisch ist gesünder als Rind, weil …

Doch das ist nicht alles. Es kommt noch besser. Sagen die Wissenschaftler in diesem Magazin doch tatsächlich:

Ein neues Ergebnis unserer Studie ist, dass[eine] vier- bis fünffache Erhöhung des TMAO-Werts keine negativen Auswirkungen auf den Kreislauf hat. Im Gegensatz dazu ist eine niedrig dosierte TMAO-Behandlung mit einer reduzierten Herzfibrose und Herzinsuffizienz bei spontan hypertensiven Ratten verbunden. Es scheint, dass eine fischreiche und vegetarische Ernährung, die für das kardiovaskuläre Risiko vorteilhaft oder zumindest neutral ist, mit einem deutlich höheren Plasma-TMAO verbunden ist als eine rote fleisch- und eireiche Ernährung, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen soll.

Also, jetzt dreht ein Wissenschaftler den ganzen Spieß um und behauptet doch tatsächlich, dass Fisch genau deshalb gesund sei, weil es die TMAO-Werte stärker erhöht als Rindfleisch – jedenfalls möchte etwas in mir dies genau so verstehen.

Der Artikel schließt ab mit:

Eine indirekte Schlussfolgerung aus der Studie könnte die herzgesunden Vorteile einer fisch- und gemüsereichen mediterranen Ernährung unterstreichen.

Fisch und Gemüse. Nicht etwa Rind und Eier – die bleiben erst mal „ungesund“. Und zum Thema „Mediterran“: Das Erste, was ich am Strand im Italien-Urlaub gegessen habe, waren dicke Scheiben Rindersalami.

Oh Leute, da kriegt man ja Kopfschmerzen von, von diesem Blödsinn. Was lehrt uns das? Infobesity macht dumm – oder zumindest durcheinander. Auch hier finden wir also den klassischen Fall von …

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Referenz

https://www.sciencedaily.com/releases/2018/11/181106073239.htm

 

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

6 comments On Witz des Jahres: TMAO (aus Rindfleisch) macht nicht krank, sondern gesund

  • 1) TMAO wird also Körper selbst in der Leber aus TMA hergestellt.
    2) TMAO macht den Körper (angeblich) krank.
    3) Für zu entsorgende (krankmachende) Stoffwechselprodukte hat sich im Laufe der Evolution üblicherweise ein Weg entwickelt wir der Körper das Zeug wieder los wird.

    Aussagen 1-3 passen alle überhaupt nicht zusammen.
    Wenn man jetzt noch als Arbeitshypothese die Fähigkeit der Leber TMA wieder in die (wertvollen) Aminosäuren zu zerlegen annimmt, und die Leber dies nicht tut, wird das schon seinen Grund haben.

    Wie so oft bei religiös Verblendeten (Veganern und Klimaweltrettern) reicht Nadelspitzenwissen aus um komplett aufs große Ganze zu schließen und dies auch sofort weit und laut zu verkünden.

    Chris, was sagst du zu der Arbeitshypothese? Meinst du die Chemiefabrik Leber hätte die Fähigkeit TMA wieder zu zerlegen? Und wenn nicht, hatte sie diese entwickelt, wenn sie notwendig gewesen wäre?

    LG
    H

    • Hi H,

      ehrlich gesagt denke ich so nicht, weil es oft zu naturalistischen Fehlschlüssen führt. „Aber der Neandertaler hat auch XY gemacht…“ – ich sehe mir die Biochemie an, mit der TMAO giftig sein. Versuche die Mechanismen zu begreifen. Und dann schaue ich, was TMAO erhöhen kann. Natürlich muss man passende Kontexte dazu finden, etwa: wie hoch kann TMAO steigen, bevor es schädlich wirkt und erreiche ich das mit der Nahrung realistischerweise überhaupt?

      Meiner Erfahrung nach ist TMAO nur relevant, wenn man täglich sehr carnitin- und cholinreich isst. Also etwa täglich 300 g Rind und fünf Eier. Menschen, die besonders anfällig für metabolische Entgleisungen sind, werden diese Butter zuerst und dick aufs Brot geschmiert bekommen, andere können das vielleicht anders wegstecken.

      Man braucht daraus also keine Raketenwissenschaft in irgendeine Richtung zu machen. Auch Veganer brauchen Cholin und Carnitin, aber auf der anderen Seite muss man’s damit nicht übertreiben.

      Was den TMA/TMAO-Abbau angeht: Da können unzählige, auch körperfremde Enzyme eine Rolle spielen. Ich denke nicht, dass die Leber TMA groß abbaut, eher wird es über den Urin ausgeschieden.

      LG Chris

  • Habe gerade die Ernährungsdocs auf N3 gesehen. Die rieten einem Kandidaten vom Verzehr von Eiern und Fleisch ab um das TMAO zu senken. Empfohlen wurde pflanzliches Eiweiss…der Mann aß 300g Eiweiss pro Tag, fast ausschließlich tierisches.
    Der Mann hatte hohe TMAO-Werte. Eine Mahlzeit hatte z.b. 500g Steak plus 500g Rosenkohl.
    Zusätzlich war er prädiabetisch, übergewichtig, erhöhte Fette, kurz metabolisches Syndrom.

    • Hm ja, gut. Wer 500 g Rind und 300 g Eiweiß ballert, muss sich auch nicht wundern. Das hat mit „gesunder Zufuhr von Fleisch und Eiweiß“ auch nix mehr zu tun.

  • Da kriegt man ja Kopfschmerzen von so viel Verblödung….

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