Damals als ich begann, mich dem Ausdauersport hinzugeben, konnte es mir nicht schnell genug gehen. Es muss immer alles schnell gehen. Okay, ich sollte eher im Präteritum schreiben.
Denn heute weiß ich um die Bedeutung der Basisarbeit.
Was ist Basisarbeit?
Da es mir damals nicht schnell genug gehen konnte, suchte ich wochenlang nach den besten Methoden, um mein Trainingsziel schnellstmöglich zu erreichen. Natürlich auch bei der Ernährung. Ich suchte damals die besten Lernmethoden für mein Studium. Überhaupt, es musste immer alles maximal effizient und effektiv sein.
Viele Menschen suchen heute nach der besten Ernährung. Suchen irgendwo „dahinten“ nach „der Wahrheit“. Jeder, der sich länger mit der Ernährung befasst, weiß, dass das Gute nicht „dahinten“ irgendwo verborgen liegt, ein Geheimnis ist, sondern etwas, was man auf täglicher Basis und ganz einfach umsetzen kann und sollte. Wir verstehen oftmals nicht, dass die vermeintlich „kleinen Änderungen“ eine massiv gravierende Wirkung haben können, wenn wir sie regelmäßig leben. Das hatte ich einmal hier erklärt. Auch hier gilt: Die Basisarbeit ist das, was am Ende zählt. Wie konsequent (Regelmäßigkeit!) ich etwas gelebt habe. Das heißt: Anstatt irgendwo das Geheimnis der Ernährung zu suchen, sollte täglich Basisarbeit auf dem Plan stehen. Ganz konsequent.
Der Punkt ist: Wir wissen ganz genau, was Basisarbeit bedeutet. Dafür brauchen wir niemanden – also auch keine Leute wie mich. Diejenigen – also auch mich – braucht man nur, um wieder daran erinnert und vor allem motiviert zu werden. Große Ikonen wie Jack Lalanne wussten das ganz genau. Das, was diese Herrschaften lebten, war kein „Geheimnis“. Das war pure Inspiration.
Ich verstand lange Zeit nicht, dass man gewisse Wege (oft auch immer wieder!) gehen muss, damit man Zustand X erreicht. Das ist aus der Perspektive eines Ökonoms eine, na ja, ernüchternde Feststellung.
Wieso können wir uns nicht mehr „konzentrieren“?
Heute glaube ich, dass es sich dabei einfach um einen Ausdruck unseres allgemeinen ADHS-Syndroms handelt. Jeder lebt heute in einer so schnellen (und multimedialen) Welt, dass er ein paar wesentliche Gesetze nicht kennt bzw. übergehen will. Vielleicht unbewusst. Denn wenn der Geist konstant mit einem – aus unserer Sicht – perfekten Endzustand konfrontiert wird, wird der Wunsch und gleichzeitig der Drang extrem „mächtig“ – bekommt Macht über uns.
Leider werden wir im Zustand des Es-muss-alles-schnell-gehen auch noch unkonzentriert, verlieren wichtige Zeit, weil wir oft Fehler korrigieren müssen. Diese Tatsache ignorieren wir oft, einfach, weil wir glauben, dass wir durch unsere Maximal-schnell-Methoden auch tatsächlich schneller das Ziel erreichen.
Wir werden das Ziel auch schnell(er) erreichen – vermutlich. Jedenfalls habe ich das so erfahren. Das große Aber zeigt sich allerdings dann. Denn: Aus der Sicht des Schiffbauers sind wir kein großes, ganzes Schiff, sondern ein Schiff, das unfertig das Meer befahren will. Und ja: Es kann und es wird fahren. Doch es weiß nicht, was es bedeutet, auf dem Meer zu fahren. Schlimmstenfalls wird das Schiff innerhalb weniger Tage sinken und nie wieder das Meer befahren können. Soll heißen: Es wäre wohl geschickter gewesen, das Boot noch ein Weilchen länger im Hafen zu halten, um es ordentlich … reifen zu lassen.
Das ist für mich Basisarbeit im weiteren Sinne. Im engeren Sinne würde Basisarbeit auch bedeuten, regelmäßig in den Hafen einzulaufen, der Reparatur (etc.) wegen.
Nun, was hier alles so philosophisch klingt, habe ich mittlerweile mehrfach selbst erfahren.
Ein Beispiel: Ich „wusste“ (dank Studien) alles über Ernährung, lange bevor ich überhaupt die chemische Struktur einzelner Aminosäure kannte. Ich wusste, wie Gene reguliert werden, lange bevor ich überhaupt en detail wusste, was Genregulation ist und wie sie funktioniert. Zuerst das Ziel erreichen (auf molekularbiologischer Ebene alles über Ernährung wissen) und dann … sich vielleicht mal mit den Grundlagen befassen.
Und das, obwohl ich alles hätte besser wissen müssen, da ich selbst Jahrzehnte lang Leistungssportler war und wusste, wie wichtig … Basisarbeit oder „Übung“ eigentlich ist. Techniktraining. Tausendfach den gleichen Bewegungsablauf wiederholen – als Beispiel.
Warum Basisarbeit so wichtig ist
Nun, nachdem ich mich monatelang (gezwungenermaßen, des Studiums wegen) durch die Grundlagen gekämpft habe, tagelang Strukturformeln von Aminosäuren gelernt habe, chemische Eigenschaften ebendieser etc., wusste ich Bescheid. Ich erkannte, wie dumm ich war. Wie ich dem ganzen ein Schnippchen schlagen wollte, aber bitterböse überrascht wurde. Denn freilich: Der Horizont erweitert sich ungemein, wenn die Grundlagen absolut stimmen. Nur so ist man in der Lage, auch richtige Kontexte zu erarbeiten etc. Es wird einem klar, dass es nur so geht. Nur so kann man ein „fertiges“ Schiff werden. Allerdings sieht man das erst, wenn man sich durch harte Arbeit dort hin gequält hat. Vorher meint man, es ginge auch einfach so. Das war wohl – ganz klassisch – das, was Dunning und Kruger meinten.
Genau so habe ich Ausdauerathleten belächelt, die stundenlang vor sich hin radelten (oder sonstige, monotone Bewegungen tätigten). Genau so konnte ich Powerlifter nicht verstehen, die erst einmal monatelang Hypertrophie-Training machten – denn, lt. diesen Menschen, kann man Maximalkraft nur dann ordentlich entwickeln, wenn das Fundament, also die Muskelmasse stimmt. Wer weit, weit über 200 kg beugt, dem glaube ich das.
Für mich beschreiben diese Erfahrungen auch das, was wir heute in unserer schnelllebigen Welt oft sehen können. Heutige Sterne leuchten hell, aber verglühen zügig. Das Fundament, das Gesamtkonstrukt stimmt nicht, fällt in sich zusammen, weil uns die Zeit fehlt, gewisse Dinge reifen zu lassen. Nur so kann auch Nachhaltigkeit entstehen.
Die kuriose „neue“, krankmachende, multimediale Dopamin-Welt
Wir interviewen gerade jemanden, der dem ein oder anderen Kraftsportler (noch) bekannt sein dürfte. Der äußerst intelligente Zeitgenosse formulierte einen Satz ganz wunderbar, sinngemäß:
Gurus haben es leicht. Sie können Studien picken und in den Raum werfen, während seriöse Abhandlungen oft sehr viel Arbeit benötigen.
Das ist etwas, was das Problem sehr gut auf den Punkt bringt. Es ist enorm schwer, populistische Aussagen zu entkräftigen, weil es viel, viel einfacher ist, einzelne Studien in den Raum zu werfen, die Massen zu beeindrucken, als ein gesamtes, wohl aufgebautes und fundiertes Konstrukt aufzubauen. Das ist ein enorm anstrengendes und zeitraubendes Unterfangen. Für wen soll man das machen? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es eh ungern gelesen wird. (Ist anstrengend!) Gleichzeitig aber befasse ich mich täglich mit diesem Problem, weil wir etliche Kommentare (und Mails) beantworten müssen, die genau das fordern. Eine gute, fundierte Antwort, auf eine Idee, ein Verweis, der irgendwo aufgegriffen wurde.
Hinzu kommt die von mir erläuterte Tatsache und etwas, was ich heute immer wieder vermitteln will: Es ist von größter Bedeutung, sich selbst maximal zu bilden. Gerade im Grundlagenbereich. Nur so kann man Sachverhalte ordentlich einordnen und einen langfristigen Nutzen daraus ziehen. Leider sehe ich heute, dem ADHS-Zeitalter sei Dank, genau das Gegenteil. Heute glaubt jeder, er könne sich alles erarbeiten und das auch noch schnellstmöglich. Und in aller Vermessenheit wird das auch so gelebt. Mit allen Konsequenzen.
Hier können wir direkt wieder an das Dopamin-Thema anknüpfen. Die Dopamin-Sucht macht uns krank. Denn was gibt uns am wenigsten Dopamin? Harte, konzentrierte, strukturierte, lange Arbeit. Daher werden wir immer versuchen, dem aus dem Weg zu gehen. Geht heute ja einfach in einer Dopamin-Rezeptor-desensitivierten Welt, wo wir mit Dopamin gemästet werden. Genau das ist das Problem.
So wird alles unwichtig – außer das, was Dopamin schenkt.
PS: Ich weiß – heute hat keiner die Zeit, sich selbst „maximal zu bilden“, schon gar nicht „biochemisch“ auf „Uni-Niveau“. Soll ja auch keiner. Genau das meine ich. Grundlagenarbeit beginnt mit einfachen Fragestellungen. Bevor man sich für die biochemische Wirkung von Magnesium interessiert, sollte man lernen, welche Stoffe überhaupt essentiell sind und was das bedeutet. Bevor man sich mit irgendwelchen Ernährungsformen befasst, sollte man wissen, was Kalorien sind, wo wir Kalorienangaben auf Lebensmittelverpackungen finden. Das klingt vielen Leuten zu banal, aber genau das ist es. Wer will denn über Ernährung Bescheid wissen, wenn er diese Basisarbeit nicht abgeleistet hat und immer wieder ableistet? Ich war selbst überrascht, wie viele Menschen gar keine Ahnung haben, in welchen Nahrungsmitteln überhaupt „Zucker“ (Saccharose) zu finden ist, wo viel Eiweiß enthalten ist. Und so weiter …
Es ist nicht unüblich, dass Klienten vor lauter „Chrom“ und „neuen Trainingsmethoden“ vergessen, überhaupt korrekt und mit viel Fleiß zu trainieren, vergessen, überhaupt ordentlich zu essen und die Ernährungsziele zu erreichen. Alle Konzepte aller Gurus kennen, aber überhaupt keine Ahnung haben, in welchem Kontext das Ganze zu sehen ist – z. B. ob das für MICH (respektive für den Klienten) überhaupt relevant ist.
So lange auf ein Ziel in der Ferne geschielt, bis man über die eigenen Beine gefallen ist.
Konzentration!
1 comments On Warum die Basisarbeit für deinen Erfolg so wichtig ist
Hey Chris, ein wirklich gelungener Artikel, der einige unserer Probleme der heutigen Zeit auf den Punkt bringt. Doch wie schaffen wir diese Probleme wieder aus der Welt? Zum einen den Guru, der sich mal kurz herablässt ne Weisheit kund zu geben und zum anderen all die Lemminge oder Schäfchen, die unbedacht hinterher trotten? Leider ist meine Hoffnung nicht sehr groß, dass sich hier tatsächlich etwas ändert – aber trotzdem gilt: positiv denken und handeln! Also Vorbild sein!
Liebste Grüße, Dominique