Dankbarkeit – Highway to Happiness?

Heute gibt es einen Gastartikel vom studierten Sportwissenschaftler Martin Krowicki. Er betreibt einen Blog, auf dem er dir zeigt, „wie du zu mehr Gesundheit, Energie und Lebenszufriedenheit gelangst“.  Heute, hier bei uns, befasst er sich mal mit einer ganz anderen Thematik – nämlich mit der gesundheitlichen Auswirkung von Dankbarkeit. Wir meinen: Gravierend unterschätzt! Deshalb heute eine Perle der ganz anderen Art.


… wir sitzen auf einem der höchsten Felsen im Elbsandsteingebirge; nur 10 Meter abseits des Weges finden wir Ruhe vor dem unaufhörlichen Strom an Touristen. Sie halten den schönen Ausblick mehr oder weniger durch ihre Kamera-Linse fest und gehen unbedacht weiter. Wir haben einen unglaublich schönen Blick auf das eingeschnittene Elbtal, welches sich unter uns ausstreckt. Allmählich verstummen die Stimmen im Hintergrund und wir genießen einen Moment, der uns noch heute in schöner Erinnerung liegt – ein Gefühl von Dankbarkeit durchzieht uns, Dopamin flutet unser Gehirn.

Es ist bekannt, dass positive Emotionen zu neurochemischen Veränderungen führen. Möchtest du dich in nur 15 – 20 Sekunden in einen nachhaltigen Dopaminrausch versetzen? Dies gelingt allein mit der Kraft der Gedanken. In diesem Beitrag stelle ich euch eine „Substanz“ vor, deren tägliche Dosierungsempfehlung nicht hoch genug sein kann: Dankbarkeit.

Gratitude is the Ultimate Performance Enhancing Substance

– Robert Emmons

Dankbarkeit ist eine aktuelle Spielwiese für Wissenschaftler. Immer mehr Studien untersuchen den positiven Einfluss von Dankbarkeit auf unsere Neurobiologie. Dadurch sind die Auswirkungen von Dankbarkeit auf unsere psychische Gesundheit mittlerweile sehr gut belegt.

Neu ist das Thema Dankbarkeit jedoch nicht. Dankbarkeit ist schon immer eine wesentliche Säule der menschlichen Spiritualität. Denken wir nur an religiöse Bräuche wie das Erntedankfest.

Es scheint ein menschliches Bedürfnis zu sein, sich bei der Natur für ihre reichen Gaben zu bedanken. Was zunächst etwas esoterisch angehaucht ist, kann aber den Unterschied zwischen einem glücklichen und einem unglücklichen Menschen ausmachen.

Dankbarkeit steht nicht mehr im Fokus

Im Sturm des Alltäglichen vergessen wir oft den Blick für das Wesentliche. Ein hoher Wohlstand und Konsumorientierung lässt für uns Vieles selbstverständlich werden.

Wir hetzen von einem Termin zum anderen, kaufen uns neue Dinge und werfen die alten Sachen teilweise grundlos weg. Neben all dem Fortschritt vergessen wir inne zu halten. Wir verlieren sowohl an Wertschätzung für die Dinge (Massenproduktion), als auch an Demut vor der Natur (Massentierhaltung).

Dabei ist Dankbarkeit ein ureigenes Bedürfnis des Mensch-Seins und gehört zu einem gesunden Geist grundsätzlich dazu.

Wann warst du zuletzt wirklich dankbar für das saftige Steak, was auf deinem Teller liegt? Wann hast du zuletzt an frischen Erdbeeren gerochen und das Privileg erkannt, sie genießen zu dürfen?

Ich kaufe gern Lebensmittel direkt vom Erzeuger. Dadurch bekomme ich einen besseren Bezug zu dem, was auf meinem Teller landet. Ich kann das Lebensmittel dadurch viel mehr wertschätzen.

Dankbarkeit geht mit dem Bewusstsein einher, dass selbst in kleinen Dingen eine große Besonderheit liegt.

Bist du öfter dankbar, dann wird sich dein Körper durch ein größeres Wohlbefinden bedanken. Dieses Thema wurde nun vor allem durch das Forschungsfeld der „positiven Psychologie“ aufgegriffen.

Als Basis menschlichen Verhaltens, kann Dankbarkeit eine Lösung für die steigende Zahl psychischer Erkrankungen sein.

Einerseits finde ich es alarmierend, dass wir etwas so selbstverständliches wieder erlernen müssen. Anderseits sehe ich es als große Chance. Die Studienlage spricht zumindest dafür.

Ein Danke ist nicht gleichzusetzen mit Dankbarkeit

Bevor wir etwas tiefer in die Studienlage eintauchen, möchte ich kurz den Begriff der Dankbarkeit differenzieren – was ist Dankbarkeit wirklich?

Die einfachste Form von Dankbarkeit erleben wir alle jeden Tag. Eine der ersten gesellschaftlichen Verhaltensweisen, die wir als Kind von unseren Eltern mitgegeben bekommen, ist das kleine Wörtchen Danke.

Das Ausdrücken unserer Wertschätzung in Form eines Dankegehört zu unserem sozialen Leben dazu. Wenn wir dieses Wort bewusst einsetzen, um unsere Mitmenschen besonders wertzuschätzen, können wir dadurch bereits schon viel bewirken.

In unserem Alltag wird dieses Wörtchen aber unbewusst und inflationär gebraucht. Hinter dem Wort Danke steckt oft wenig Emotion, es ist vielmehr ein automatisierter gesellschaftlicher Reflex.

Folglich kann wirkliche Dankbarkeit eher als ein tiefgreifendes Gefühl von Wertschätzung gegenüber einer Sache oder einer Situation beschrieben werden. Wirklich empfundene Dankbarkeit ist neurologisch nachweisbar:

Wirkliche Dankbarkeit ist ein komplexer Zustand von interagierenden kognitiven und emotionalen Komponenten. So ist zum Beispiel der anteriorere cinguläre Cortexaktiviert, wenn wir tiefe Dankbarkeit empfinden (1). Dieser spielt eine entscheidende Rolle in der Regulation von autonomen Funktionen wie der Regulation des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Darüber lassen sich die Effekte der Dankbarkeit, auf die ich später noch eingehe, gut erklären.

Dankbarkeit und Biochemie

No matter what’s going on in the world, the economy, or the news, you have the power within you to create the biochemistry of gratitude right now.

– Dr. C. Northrup

Dass wir unsere Biochemie direkt über unsere Gedanken beeinflussen können, ist nicht unbekannt. Das kennen wir zum Beispiel aus Placebo-Studien (2).

Dr. Robert Emmons ist einer der aktivsten Forscher im Bereich der positiven Psychologie und Dankbarkeit. Er hat viele der physiologischen Effekte von Dankbarkeit untersucht und liefert uns folgende Studienergebnisse:

  • Der subjektiv empfundene Stress kann um 28 Prozent reduziert werden, alleine durch das zweiwöchige Führen eines Dankbarkeits-Tagebuchs (3)
  • Dankbarkeit steht in Verbindung mit 23 Prozent reduzierten Cortisol-Werten (3)
  • Das Praktizieren von Dankbarkeit kann den diastolischen Blutdruck um 16 Prozent und den systolischen um 10 Prozent reduzieren (4)
  • Dankbare Menschen haben zwischen 9 und 13 Prozent geringere HbA1c-Werte, also eine bessere Blutzucker-Kontrolle (5), was damit zusammenhängen könnte, dass Dankbarkeit in Verbindung mit einer bewussteren Ernährung steht
  • Das Üben von Dankbarkeit kann zu einer 7-prozentigen Reduktion von Entzündungswerten bei Patienten mit Herzinsuffizienz führen (6)

Dankbarkeit und Schlaf

Einige Studien befassten sich mit der Wirkung von Dankbarkeit auf Parameter des Schlafes. So wurde zum Beispiel der Einfluss von Dankbarkeitsübungen auf die Schlafqualität analysiert. Die Forscher der Universität Manchester bestätigten ihre Hypothese: Dankbare Menschen können besser schlafen und haben eine verbesserte Schlafqualität (7).

Dafür liefern sie folgende Erklärung:

When falling asleep, grateful people are less likely to think negative and worrying thoughts, and more likely to think positive thoughts. It appears that negative pre-sleep cognitions impair sleep, and gratitude reduces the likelihood of such thoughts, protecting sleep quality.

Heißt: Dankbarkeit nimmt negative Gedanken und sorgt somit dafür, dass wir normal schlafen können.

Eine weitere Studie liefert sogar Kennzahlen: Dankbarkeit kann die Schlafqualität bei Patienten mit chronischen Schmerzen um 10 Prozent verbessern – bei Patienten mit Schlafstörungen sogar um 76 Prozent (8).

Die Ergebnisse zeigen, dass wir bereits mit einem geringen Aufwand von unter drei Minuten mit einem besseren Schlaf und dadurch einer verbesserten Regeneration rechnen können. Dankbarkeit setzt eine positive Spirale in Gang, die vielfältige gesundheitliche Effekte haben können. Nebenwirkungen: keine!

Dankbarkeit und Psychologie

Dadurch, dass wir den Fokus auf etwas Positives lenken, verdrängen wir negative Gefühle wie Wut, Angst, Hass, Sorge. Dankbarkeit ist ein wahrer Stimmungsbooster und trägt zu einem langfristigen Wohlbefinden bei.

Eine der bekanntesten Studien hierzu stammt von Dr. Martin Seligmann. Er ließ 600 Probanden Übungen zur Erhöhung des Glücks durchführen. Dabei sind zwei der sechs Maßnahmen besonders hervorzuheben:

  • Das tägliche Aufschreiben von Dingen, die besonders toll waren
  • Tägliche Dankbarkeit in Form eines Dankbarkeitsbriefes ausdrücken

Die Befragungen nach einer Woche sowie nach einem, drei und sechs Monaten zeigten, dass sich das Wohlbefinden der Probanden jedes Mal weiter steigerte. Sie knackten sozusagen immer wieder den eigenen Highscore im Glücklichsein. So wurde zum Beispiel das Risiko an Depressionen zu erkranken um 41 Prozent reduziert (9).

Bedenken wir: Wenn eine Woche Dankbarkeit so viel bewirken kann, könnte das tägliche Üben einen enormen Fortschritt für deine Lebenszufriedenheit bedeuten. Dankbarkeit scheint also ein „Highway to Happiness“ zu sein, wie es Tony Robbins so schön formulierte.

Eine zweite Studie stammt von der University of California. In der Untersuchung von Emmons und McCullough (2003) wurde festgestellt, dass die Durchführung von Dankbarkeitsübungen für 21 Tage unser Gehirn dazu bringt, dauerhaft positive Gedankenmuster anzunehmen.

Die Forscher beobachteten eine breite Palette an positiven Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden: Teilnehmer, die 21 Tage lang Dankbarkeit übten, entwickelten eine höhere Lebenszufriedenheit, waren optimistischer für die Zukunft, hatten weniger körperliche Beschwerden, schliefen besser und länger. Sie wurden außerdem offener und hilfsbereiter gegenüber ihren Mitmenschen (8).

5 Tipps um Dankbarkeit zu lernen

Dankbarkeit ist nicht nur die größte aller Tugenden sondern auch die Mutter von allen.

– Marcus Tullius Cicero

Dankbarkeit ist zum Glück nicht schwer erlernbar, da es evolutionsbedingt zum Menschsein dazu gehört. Doch aufgrund unseres stressigen Alltags und der hohen Konsumorientierung geht dieser wichtige emotionale Baustein schnell unter. Doch durch einfache Übungen kannst du schnell zu einem dankbareren Menschen werden.

Wenn du eine Art Dankbarkeits-Routine entwickelst, wirst du bald automatisch deine Sichtweise auf alltägliche Dinge ändern. Die zugrundeliegenden neurologischen Prozesse sind ähnlich der NLP.

Du wirst die Zeit mit deiner Familie, ein gutes Abendessen oder die Aussicht aufs Meer viel mehr wertschätzen. Du wirst nicht pausenlos nach dem nächstbesten Dopaminrausch jagen, da du lernst dich mit dem Hier und Jetzt glücklich zu fühlen.

Du könntest die folgenden Tipps für mehr Dankbarkeit nutzen:

  • Schreibe dir jeden Abend oder während deiner Morgenroutine drei Dinge auf, für die du dankbar bist
  • Übe Dankbarkeit bei deinen Mahlzeiten, nutze hochwertige Lebensmittel und schätze ihre Herkunft, kaufe gutes Fleisch & Gemüse vom Bauern
  • Verwende das Wort Danke nicht inflationär – wenn dir jemand etwas Gutes tut, dann sprich deinen Dank ganz bewusst aus, meine es Ernst und verleihe dem Nachdruck. Dein Gegenüber wird sich viel wertgeschätzter fühlen
  • Sprich mit deinem Partner über Dinge, für die ihr dankbar seid, so könnt ihr gemeinsam den Fokus auf das Positive lenken – es tut der Beziehung sicher gut (auch hierfür eignet sich eine Routine vor dem Schlafengehen)
  • Schau dir alte Fotos und Erinnerungen an, sei dankbar für die Momente, die du erleben konntest
  • Wenn du schöne Orte besuchst, leckeres Essen genießt oder dich mit Freunden und Familie triffst, genieße den Moment. Du musst nicht Hunderte Fotos schießen, sei lieber dankbar und lebe bewusst

Jeden Abend notiere ich mir drei Dinge, für die ich dankbar bin. Der Zeitaufwand dafür liegt bei maximal drei Minuten – von den Effekten zehre ich den ganzen darauf folgenden Tag.

Das Fazit zur Dankbarkeit

Wenn es dir um deine Verbesserung deiner Gesundheit geht, solltest du immer zuerst an den Basics arbeiten. Bevor du also in hochkomplexe biochemische Prozesse deines Körpers eingreifst, solltest du zunächst mit simpleren Methoden beginnen. Dankbarkeit ist eine davon.

Mache den vorgeschlagenen Selbsttest für 21 Tage und notiere dir jeden Abend drei Dinge, für die du dankbar bist. Du wirst spüren, wie viel Potential allein in der Kontrolle deiner Gedanken liegt. Nimm die Herausforderung an und erlebe jeden Tag als etwas besonders – mit lediglich drei Minuten Zeiteinsatz!

Referenzen

1 Fox, G. R., Kaplan, J., Damasio, H., & Damasio, A. (2015). Neural correlates of gratitude. Frontiers in Psychology, 6, 1491. http://doi.org/10.3389/fpsyg.2015.01491

2 Benedetti, Fabrizio; Carlino, Elisa; Pollo, Antonella (2010): How Placebos Change the Patients Brain. In: Neuropsychopharmacology 36, 339, DOI: 10.1038/npp.2010.81.

3 Cheng, Sheung-Tak; Tsui, Pui Ki; Lam, John H. M. (2015): Improving mental health in health care practitioners: randomized controlled trial of a gratitude intervention. In: Journal of consulting and clinical psychology 83 (1), S. 177–186. DOI: 10.1037/a0037895.

4 Krause, Neal; Emmons, Robert A.; Ironson, Gail; Hill, Peter C. (2017): General feelings of gratitude, gratitude to god, and hemoglobin A1c: Exploring variations by gender. In: The Journal of Positive Psychology 12 (6), S. 639–650. DOI: 10.1080/17439760.2017.1326520.

5 R.A. Emmons (2016). The Little Book of Gratitude: Create a life of happiness and wellbeing by giving thanks. Gaia Verlag.

6 Mills, P. J., Redwine, L., Wilson, K., Pung, M. A., Chinh, K., Greenberg, B. H., Chopra, D. (2015). The Role of Gratitude in Spiritual Well-being in Asymptomatic Heart Failure Patients. Spirituality in Clinical Practice, 2(1), 5–17. http://doi.org/10.1037/scp0000050

7 Wood, A. M., Joseph, S., Lloyd, J., & Atkins, S. (2009). Gratitude influences sleep through the mechanism of pre-sleep cognitions. Journal of Psychosomatic Research, 66, 43-48. DOI: 10.1016/j.jpsychores.2008.09.002

8 Emmons, Robert A.; McCullough, Michael E. (2003): Counting blessings versus burdens: an experimental investigation of gratitude and subjective well-being in daily life. In: Journal of personality and social psychology 84 (2), S. 377–389.

9 Seligman ME, Steen TA, Park N, Peterson C. (2005). Positive psychology progress: empirical validation of interventions. Am Psychol. 2005 Jul-Aug;60(5):410-21. DOI: 10.1037/0003-066X.60.5.410

 

11 comments On Dankbarkeit – Highway to Happiness?

  • Hat die Sonne heute deine Haut gewärmt? War das Essen in der Kantine heute extra gut? Stand deine Frisur heute gut? Ist dein Schnupfen weg? So, wie wir ungewollt ständig negative Dinge aus Erlebtem und dem Alltag ziehen und auch viel davon negativ interpretieren (“ Wow toll, die Sonne scheint und ich muss arbeiten) so können wir unsere“ Filter“ auch für positive Dinge umstellen. So ein Dankbarkeitstagebuch ist sicherlich ein guter Schritt!

  • „Und nun zur “Dankbarkeit”. Ich kann dieses Gefühl als solches nicht entwickeln. Ich bin auch nicht religiös. Ich freue mich über schöne Natur, auch über Kunst, über schöne Menschen und solche, die etwas für mich tun. Ich würde das jetzt nicht Dankbarkeit nennen, denn Dankbarkeit muss einen Adressaten haben.“ (Michael)

    Ich finde folgendes trifft es ganz genau:

    „Folglich kann wirkliche Dankbarkeit eher als ein tiefgreifendes Gefühl von Wertschätzung gegenüber einer Sache oder einer Situation beschrieben werden. Wirklich empfundene Dankbarkeit ist neurologisch nachweisbar“ (Text)

    Wertschätzung. Ich würde mich ebenfalls weder als religiös noch esoterisch beschreiben, dennoch bin ich als Naturwissenschaftler wahnsinnig fasziniert von der „Existenz“ und damit auch von biologischen und physikalischen Erkenntnissen. Ich muss akzeptieren, dass es vermutlich aus rein logischen Gründen niemals verstanden werden kann, was außerhalb bzw. vor Konzepten wie dem Urknall oder alternativen Theorien vorhanden oder auslösend war. So bleibt mir nichts als Faszination und Ehrfurcht übrig. Andere lösen das durch einen konkreten Gott auf. Einige nennen es „Kraft“. Wie auch immer, am Ende bleibt der Gedanke, dass die Natur und alles Leben schon ziemlich faszinierend ist!

    Um auf das Thema zurückzukommen: Wenn man sich nun die genannten Gedanken mal vor Augen führt, ohne reflex-artig „Esoterik-Quatsch“ zu denken, kommt man schon schnell zu dem Schluss, wie wahnsinnig toll es doch ist, die Möglichkeit zu haben ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Viele können das nicht.

    Als ich dieses Jahr für einige Wochen in Norwegen unterwegs war, habe ich genau diese „Dankbarkeit“ oder „Wertschätzung“ empfunden. Jeden Tag. Zum Beispiel, als ich zur Mitternachtssonne auf einen Berg auf den Lofoten gestiegen bin und die Mitternachtssonne genossen habe – zusammen mit einem verrückten Tschechen, den ich vorher kennengelernt hatte. Oder nach einer harten, verregneten Tageswanderung, als ich endlich wieder im Trockenen war und mich einfach nur ausruhen konnte.

    Selbst wenn einem dieser Luxus verwehrt bleibt, trifft das auch auf den Alltag zu. Hier erkennen wir aber meistens den Wert vieler Dinge bzw. Umstände nicht – anders, als z. B. auf Reisen, muss ich (persönlich) hier selbst oft aktiv reflektieren.
    Da ist das pure Glück, wenn jemand vollkommen fremdes eine total nette Geste zeigt. Die Möglichkeit, fast jeden Tag ein super leckeres Essen genießen zu können. Aus der Kälte nach Hause zu kommen und sich mit Tee, Heizung und Decke aufwärmen zu können.
    Oder einfach, wenn man sich mal vor Augen führt, dass es verdammt nochmal nicht selbstverständlich es ist, dass man seine Krankheit durch gute medizinische Versorgung, Bildung und Infrastruktur und damit die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Recherche sowie durch ein gesichertes Einkommen gut im Griff hat und endlich wieder ein Leben ohne viel Leid führen kann.

    Ob man das nun Dankbarkeit oder Wertschätzung nennt – geschenkt. Wenn es da ein wissenschaftliches Konzept gibt, das messbar ist und Dankbarkeit heißt – gerne. Glück greift da zu kurz. Wahres und nachhaltiges Glück empfinde ich, wenn ich darüber nachdenke, wie viel das alles eigentlich wert ist und dass vermutlich 90 % der Menschheit es schlechter hat. Dann bin ich einfach dankbar – und zwar allen Umständen, die zu meiner glücklichen Situation geführt haben (dazu kommt dann allerdings oftmals auch etwas Trauer, Mitgefühl und Demut).

    Insofern kann ich Chris nur zustimmen – scheiß doch auf die paar Prozent Rendite, die dein erfolgreicher Kollege durch sein tolles Aktienportfolio erreicht, das Auto eines deutschen Premiumherstellers das dein Nachbar fährt usw. Nicht immer nur nach oben vergleichen, sondern mindestens genauso oft nach unten. Die Blase verlassen. So abgedroschen es klingt – freu dich nen Keks darüber, was du jeden Tag für ne geile Scheiße erlebst (erleben kannst/könntest), und sei doch einfach dankbar – wenn du dafür nen Adressaten brauchst, dann den Menschen, die es dir ermöglicht haben und ermöglichen (den großen Erfindern, Politikern, Menschenrechtlern, aber auch der Busfahrerin, dem Krankenpfleger, dem Koch, deiner Mutter, den Menschen außerhalb (und innerhalb) unserer Wohlstandsgesellschaft, die dafür hart arbeiten, aber oft nicht daran teilhaben können – und gerne auch dir selbst) :)

    • Also ganz ehrlich nichts zu finden worüber man dankbar ist, das ist schon arm. Für mich ist meine eigene Gesundheit und die meiner Familie nicht selbstverständlich. Und jeder der tagsüber unterwegs ist und manche Schicksale da draußen sieht sollte verdammt dankbar sein, dass es ihm und seinen liebsten hoffentlich besser geht. Das nur als Beispiel. Kann man f alle Lebensbereiche nutzen.

  • Hinter dem Wort „Dankbarkeit“ verbirgt sich ein komplexer Begriff, in den Sozialwissenschaften auch als Konstrukt bezeichnet. Damit sind z.B. persönliche Erfahrungen, Einstellungen, soziale Prägungen (frühere und aktuelle), auch Veranlagungen etc. verbunden. Auch diese Begriffe sind wieder höchst erklärungsbedürftig.
    Wer sich in empirischer Sozialforschung auskennt, weiß um die Probleme, solche Konstrukte in messbare Determinanten zu zerlegen. Allein solche sphärischen Beschreibungen wie oben bringen nicht viel.

    Entsprechend ist es verständlich, wenn dieser Artikel auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Gehört ja auch nicht unbedingt zum Fachgebiet der Sportwissenschaften…

    Alternativ gibt es in dieser Richtung wesentlich bessere Konzepte, wie das MBSR-Programm. Dieses ist seit fast 40 Jahren inzwischen weltweit im Einsatz, ist durch zahlreiche empirische Studien und neurologische Untersuchungen bestätigt, und wird von den Krankenkassen bezuschusst (!). Kurz gesagt stehen dahinter Elemente des Buddhismus (Meditation, Achtsamkeit), aber ohne religiöse Wertevermittlung, sowie Yoga.

    Für den Einstieg nach „Sternstunde Philosophie Jon Kabat-Zinn“ googeln (YouTube Video). Zwei Bücher dazu sind auch als offizielle Hörbücher bei YouTube zu finden.

    • Also ich bin da anderer Meinung. „Dankbarkeit“, so wie es im Artikel vermittelt wird, ist keine Raketenwissenschaft – entsprechend soll der Artikel verstanden werden. Jeder kann innerhalb weniger Minute nachprüfen, wie oder ob sich das Befinden ändert, wenn man kurz innehält, reflektiert und seine Perspektive, die man im Moment hat, neu einfärbt.

      „Ich bin froh, dass
      – es mir/meinen Kindern/meinem Partner/meiner Familie gut geht
      – ich mich täglich an der frischen Luft bewegen kann
      – wir in Deutschland in vielen Bereichen, vor allem was Essen angeht, verwöhnt sind
      – ich immer ein paar wertvolle Inputs bei edubily mitnehmen kann“

      Bei den meisten Beispielen zählt der Vergleich. Wir machen mit „Dankbarkeit“ sozusagen genau das Gegenteil von dem, was wir im Alltag oft tun: Uns mit Leuten, sozialen Schichten oder ganzen Populationen bzw. Ländern vergleichen, die besser aussehen, mehr verdienen, mehr haben, noch besser essen, noch besser versichert sind, in einer noch besseren Umgebung leben. In dieser Perspektive hinken wir immer hinterher und fühlen uns entsprechend.

      Ob man das im Artikel – wohl einfach – erklärte Konzept der „Dankbarkeit“ für sich nutzt oder gar braucht, steht auf einem völlig anderen Blatt. Jetzt aber hier zu verlangen, dass ein Sportwissenschaftler diese Themen nicht aufarbeiten darf (vielleicht hat er seine Abschlussarbeit sogar im Bereich Sportpsychologie geschrieben?) oder gar zu fordern, dass man noch komplexere, tiefgreifendere, und „evidenzbasiertere“ Methoden wie Mindfulness vorstellen möge, halte ich an dieser Stelle für weit überzogen.

      An dieser Stelle geht es um … Perspektivenwechsel, der einfach und schnell umzusetzen ist, und die Tatsache, dass „Gedanken“ (im weiteren Sinne) Einfluss auf die gesamte Körperchemie haben. Nochmal: Für einige sind das banale Zusammenhänge, andere können davon sehr profitieren. Im Übrigen wird das Bild hier in den Kommentaren auch sehr verzerrt, denn per Mail gab es genug positive Resonanz zum Artikel!

      (Einmal davon abgesehen, dass Martin einige wissenschaftliche Veröffentlichungen referenziert.)

      LG

  • Es ist völlig klar, dass die Psyche die Vorgänge im Körper stark beeinflusst, wenn sie nicht sogar
    der Masterregulator ist. Meiner Auffassung nach ist Anti-/Reverse-Aging, was mein Thema ist, nur möglich,
    wenn die Psyche entsprechend programmiert ist. Wer an Altern und Sterben glaubt, kann auch körperlich nicht
    jünger werden. Interessant, wenn auch zu weit gehend, ist das Buch von Margit Burkhart: Gewöhnen Sie sich das Altern ab!
    Viele Menschen glauben daran, dass sie durch Pillen und Pulver oder Cremes oder Kleidung oder oder jünger werden. Es wird nicht funktionieren, wenn die Psyche das anders sieht. Wer denkt, dass er jetzt gleich eine Erkältung bekommt, dann wird er sie auch bekommen. Muss aber echt sein, das Denken, nicht irgendwie vorgespiegelt.

    Und nun zur „Dankbarkeit“. Ich kann dieses Gefühl als solches nicht entwickeln. Ich bin auch nicht religiös. Ich freue mich über schöne Natur, auch über Kunst, über schöne Menschen und solche, die etwas für mich tun. Ich würde das jetzt nicht Dankbarkeit nennen, denn Dankbarkeit muss einen Adressaten haben. Ein Dankbarkeits-Tagebuch? Ich wüsste nicht was da reinschreiben sollte. Mein Gewicht schreibe ich täglich auf und freue mich wenn es gleich geblieben ist oder ein bissel weniger (wobei ich mit 72 kg/170 cm seit Monaten voll zufrieden bin). Wem soll ich danken? Mir, denn ich war sehr achtsam mit dem Essen. Also ich weiß nicht, ob Dankbarkeit der richtige Ansatz ist. Es sind einfach Glücksgefühle, und die empfindet jeder anders oder in anderen Stiuationen. Wenn man überhaupt keine entwickelt, sollte man aufmerksam werden. Es gibt auch eine emotionale Demenz.

  • Mir geht es ähnlich wie treu. Allerdings lächerlich kann ich das Thema nicht finden. Ich frage mich nur, ob es überhaupt noch einen Bereich in unser so aufgeklärten Zeit gibt, der nicht wissenschaftlich untermauert sein will.
    Das das Lebensgefühl das A und O schlichtweg für alles ist? Wer würde das nicht kennen? Diese Überinformation über alle erdenklichen Bereiche des Lebens geht mir auch etwas auf den Keks.
    Schuster bleib bei deinem Leisten. Altmodisch? Vielleicht. Eure biochemischen Beiträge finde ich klasse und die stehen weit oben bei mir.

  • Ich weiß nicht, ich kann beim besten Willen mit diesem schon tausendmal irgendwo gelesenen Bla-Bla nichts anfangen. Und bin dabei durchaus dankbar, für mein bisheriges Leben. Auch der Blog ist nichts, was man nicht schon genau so oder ähnlich gelesen hat. Als wenn diese ganzen Happy-und Selbstoptimierungsheinis nur voneinander abschreiben. Wenn ich schon lese „Die besten Wachmacher- von 0 auf 100“! Und ja, what a surprise, Licht, Wasser, Sauerstoff, Bewegung sind tatsächlich Wachmacher! Wer hätte das gedacht? Nun ja, man muß erstmal wach sein, um sie ordentlich zu nutzen… Aber dann gibt´s ja dafür noch Kaffee, Tee usw. Bei allem Respekt, aber Gähn und lächerlich!

    • Hey, dein Kommentar ist schon etwas „offensiv“. Vielleicht gibt es andere Menschen, die von solchen — in deinen Augen banalen — Inhalten profitieren! :-) Für dich kommen dann halt andere Artikel und Blogs infrage. LG

      • …und ich bin genau so ein Mensch! Obwohl auch für mich das Thema positives Denken etc. natürlich nicht neu ist, war der Artikel für mich gerade heute genau richtig und inspirierend. Wichtig zur Erinnerung und Untermauerung – ganz herzlichen Dank dafür!

  • Ein sehr gutes Buch dazu (könnte man beim Titel nicht denken :-) ist „Fuck It – Die Lösung“ von John C. Parkin.
    Liegt bei mir stets in Griffnähe.

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