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Adaptabilität: Besser durch Stress

Newsletter vom 01.03.21

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Adaptabilität ist ein ureigenes biologisches Grundprinzip, eine Grundeigenschaft eines jeden Organismus. Zum Glück. Denn das bedeutet, dass der Körper sich einfach anpasst. Kennt vielleicht der eine oder andere vom Sport. Oder auch nicht.

Adaptabilität macht widerstandsfähig 

In der Idealvorstellung verändert sich das Enzymkorsett unseres personifizierten Chemiebaukastens konstant, und zwar immer so, dass man möglichst gut mit der jeweiligen Umweltbelastung zurechtkommt. Da klingelt’s direkt, nicht wahr? Wenn er das nicht mehr tut, wächst der Körper, wachsen wir nicht mehr mit der Aufgabe, sondern gehen an ihr langsam zugrunde.

Voll ausgeprägte Adaptabilität sorgt dafür, dass wir bei Belastung stärker, besser werden. Belastete Sehnen werden belastbarer mit der Zeit. Knochen, die wir belasten, bauen sich auf und werden stärker. Nieren, die mehr arbeiten müssen, werden größer (kein Witz!). Mentaler Stress macht ganz automatisch psychisch robuster, wir „copen“ automatisch viel besser mit Stressoren.

Warum wir nicht adäquat adaptieren 

Das Gegenteil kennen wir auch: Burnout. Ein Sportler nennt das Übertraining. Und mit Sicherheit kennt jeder von uns das Gefühl, mit den Anforderungen im Moment kaum noch zurechtzukommen. Warum das passiert, kann drei wesentliche Gründe haben:

  • Die Belastung ist aktuell (noch) zu groß. Ist klar: Wer ins Fitnessstudio geht und beim ersten Training versucht, 100 kg auf der Bank zu drücken, wird sich vielleicht wehtun. Beschweren braucht man sich nicht, denn jedem ist klar, dass der aktuelle Kraft- bzw. Fitnesszustand einfach nicht ausreicht, um das Gewicht zu bewegen. Dazwischen liegen viele Trainingseinheiten und … Adaptation.
  • Die Pausen reichen nicht bzw. die Belastungsfrequenz ist zu hoch. Versteht jeder. Wer nicht mehr ordentlich verschnaufen kann, wer seinem Körper nicht die Phasen gibt, in denen er Ressourcen ansammeln und sich auf die belastende Situation einstellen kann, wird zwangsläufig das Gegenteil von Adaptation erreichen.
  • Zu guter Letzt: Die Ressourcen an sich fehlen oder funktionieren nicht. 

Der letzte Punkt ist besonders interessant. Denn in gewisser Weise diktiert er, wie beeinflussend die anderen beiden Faktoren sein dürfen. Und er bestimmt entsprechend, wie schnell und wie gut wir uns an die jeweilige Belastung anpassen können.

Moderne Erscheinungen 

Interessant ist auch, dass wir modernen Menschen ganz häufig entweder Fehlanpassungen (= Maladaptation) oder gar keine Anpassungen zeigen. Selbst wenn der Reiz dafür ist, wir also beispielsweise Stress im Job haben, zeigt unsere biologische Wundermaschine keine biologische Antwort im Sinne einer guten Anpassung an die jeweilige Situation.

  • Diabetes, Insulinresistenz sind ganz sicher Maladaptationen. Der Organismus will sich schützen, vor allem vor zellulärer Energieüberfrachtung. Die Fehlanpassungen aber sorgen dafür, dass der als Folge steigende Blutzuckerspiegel früher oder später krankmacht bzw. die Bauchspeicheldrüse einfach ihren Geist aufgibt.
  • Depressionen und depressive Verstimmungen sind aus der Sicht der Evolutionspsychologie ganz sicher auch Folge eines „Mismatch“ zwischen Umweltanforderungen und biologischer Antwort des Körpers – heißt, unser Körper reagiert falsch oder gar nicht auf die heute oft überfordernde Umwelt.
  • Viele Zivilisationserkrankungen – also Herzkreislauferkrankungen, Neurodegeneration, Diabetes, Krebs und viele andere – gelten in der Fachwelt als ein ebensolches Mismatch, wo Körper und Umwelt nicht mehr harmonieren, wir sozusagen kein passendes Teilchen einer funktionierenden biologischen Matrix mehr sind, und sich als Folge massive biologische Entgleisungen ergeben.

Also: Hier wird auch klar, dass wir im modernen 21. Jahrhundert unseren Körper derart herausfordern, dass wir ihn häufig in die Knie zwingen. Das ist Punkt-1-Grund dafür, warum wir unbedingt einen Lebensstil emulieren (nicht kopieren) sollten, der unserer Jahrmillionen alten Ausstattung entspricht. Der Bäcker und die Süßigkeiten gehören da eher nicht dazu.

Punkt-2-Grund dafür, warum wir unbedingt einen passenden Lebensstil brauchen ist, dass wir unsere Wundermaschine gründlich unterschätzen. Wir wachsen mit dem Glauben auf, dass es normal ist, dass ein Körper irgendwann krank wird. Wir wachsen also schon mit einem Mangeldenken auf. Wir verstehen von Grund auf gar nicht, was ein normaler Körper eigentlich leisten kann.

„Vitamine taugen nix“ 

Aus diesem „Aberglauben“ heraus erwachsen dann viele moderne Kompensationserscheinungen. Menschen befassen sich nicht mehr mit ihrer grundeigenen Robustheit, sondern damit, wie sie ihre Opferrolle am besten aufs Leben projizieren können. Das ist oft Thema bei uns: Dann sind Viren schuld, andere Menschen, die bösen Konzerne oder sonst wer.

Dieses Denken, diese Einstellung und uns noch bekannter als „German Angst“ prägen auch die Informationsdarbietung unserer Medienlandschaft. Vitamine taugen nichts, Vitamin D bringt dich um, Eiweiß schadet der Niere, fürs Immunsystem kann man eh nix tun, das Gehirn wird halt krank, psychisches Leiden hat nix mit dem Lebensstil zu tun … und viele andere.

Es ist leider genau diese Süffisanz, die letztlich ironischerweise dafür sorgt, dass der Körper sich nicht anpasst. Uns geht die Adaptabilität verloren, weil wir nicht verstehen, dass wir dem Körper Ressourcen zuführen müssendamit er sich überhaupt anpassen kann. Wir drängen uns selbst in eine Hilflosigkeit, ohne zu verstehen, dass jeder Organismus der Welt sich maximal gut anpasst, wenn man ihn gut „füttert“.

Jedes Tier weiß das. 

Drum: Wer den ganzen Tag Kekse isst und Transfette tankt, wer seinen Körper mit Schwermetallen druckbetankt, wer überhaupt meint, sich an keine „Regeln des Lebens“ halten zu müssen, der wird zwangsläufig an jeder Herausforderung zugrunde gehen und krank werden. Und dann braucht man auch kein Buch über Resilienz (= Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen) mehr zu lesen.

Jack Lalanne wusste: Von nix kommt nix 

Jack Lalanne war über viele Jahrzehnte bis zu seinem Tod 2011 *die* Fitnessikone der USA. Gerne mal googeln. Seine vielen Leitsätze haben noch heute Gültigkeit:

  • „Viele sogenannte spirituelle Menschen essen zu viel, trinken zu viel, rauchen und treiben keinen Sport. Aber sie gehen jede Woche in die Kirche und beten ‚Bitte hilf meiner Arthritis. Bitte hilf mir, wieder stark zu werden, mach mich wieder jung.“
  • „Es gibt keinen Jungbrunnen. Was Sie Ihrem Körper zuführen, ist das, was Sie von ihm bekommen. Sie würden Ihren Hund nicht mit Kaffee und Donut zum Frühstück füttern, gefolgt von einer Zigarette. Sie werden den verdammten Hund umbringen.“
  • „Der einzige Weg, Ihren Körper zu verletzen, ist, ihn nicht zu benutzen!“

So ist das.

Unsere Werke 

Wer auch eher an Aufgaben und Herausforderungen des Lebens wachsen möchte, statt immer kaputter zu werden, der kann ja gerne unsere Werke lesen. Bessere Anleitungen dazu wird es nicht geben:

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

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