Der weltbekannte, vielleicht der bekannteste Biochemiker der Welt, Bruce Ames, war einst Chef-Toxikologe der USA. Der hat auch den berühmten Ames-Test erfunden. Der muss also wissen, was Gifte sind und wie die wirken. Wir hatten schon mal über seine Aussagen berichtet. Und dieser Mann meinte in einem quasi uralten Vortrag allen Ernstes:
We are designed to live in a world of carcinogens.
Wir entgiften permanent
Was meint der? Der meint, dass der ganze Organismus von uns gemacht dafür ist, mit krebserregenden Substanzen umzugehen. Wir sind eine Entgiftungsmaschine. Denn: Ungefähr die Hälfte von menschengemachten Substanzen ist krebserregend, aber auch etwa die Hälfte an Stoffen, die man sonst so in der Natur findet, sprich, die „natürlich“ sind. Der Körper verfügt entsprechend über ein großes Arsenal an Möglichkeiten, um damit fertig zu werden.
But should we really worry about all these things? You worry about if you are really worried about low doses. And I guess I’m less and less worried about low doses really being important. I think it’s when you get close to the toxic dose that we want to worry…
Er ergänzt, dass 150 mcg Pestidzidrückstände im Essen zu finden sind, wovon vielleicht 50 mcg krebserregend sind. Zeitgleich enthält eine Tasse Kaffee 4000 mcg an krebserregenden Substanzen. Nur, um mal eine Perspektive und Relationen aufgezeigt zu haben. So weit, so gut. Der Mensch entgiftet also konstant.
Es dürfte nur allerdings die eine oder andere Feinheit im Unterschied zwischen „natürlichen“ und „menschengemachten“ Chemikalien geben. Ersteres kennt der Körper in Form von komplexen Nahrungsmittel-Matrizes seit Millionen von Jahren. Letztere schleichen sich mehr oder weniger unbemerkt ins Essen, übergehen beispielsweise die Entgiftungsmechanismen des Tieres, das wir essen, und sind auch nicht Teil einer komplexen Nahrungsmittelmatrix. Zudem sind die Molekülstrukturen oft mehr oder weniger „neu“.
Wir essen zu oft das Gleiche
Auf diese Weise wird es trotz ähnlicher toxikologischer Profile schwierig für den Körper, adäquat darauf zu reagieren. Doch auch das ist nicht das eigentliche Problem, das eigentliche Thema. Denn der Mensch hat noch ein ganz anderes „Entgiftungssystem“, das man versteht, wenn man sich mal mit Kost von Ureinwohnern diverser Kontinente befasst. Beispiel Aborigines. Aborigines essen Hunderte, vielleicht Tausende verschiedener Nahrungsmittel. Die essen einfach alles, was da so rumläuft und rumhängt.
Wir können ja mal zählen, wie viele verschiedene Lebensmittel bei uns so am Tag auf dem Speiseplan stehen. Ich sag mal so: Die Variation ist stark eingeschränkt. Aus diesem Grund sind wir mehr oder weniger darauf angewiesen, Essen zu essen, das nicht nur ein verträgliches, sondern ein ausgezeichnetes Toxikologie-Profil aufweist. Und das wird in der heutigen Zeit nicht durch „natürliche“ Chemikalien erschwert, die dem raffinierten Essen eh quasi entzogen werden.
- Der menschliche Körper wird immer stärker mit menschengemachten Chemikalien konfrontiert.
- Und der Raffinationsprozess selbst lässt zudem neue „Gifte“, wie Transfette entstehen.
Wir brauchen „natürliche“ Gifte
Der „Witz“ an der Geschichte ist nur, dass wir dem Essen viele natürliche „Gifte“ entziehen, die der Körper aber eigentlich zum Funktionieren braucht. Das hatten wir schon mal am Beispiel von Brokkoli erörtert. Die „Gifte“, die er enthält, aktiviert in milder Aktivität Entgiftungsenzyme in uns, was wiederum gesund hält. Mehr noch: Es scheint, dass ein Organismus diese Stimuli braucht, um überhaupt gesund zu bleiben. Denken wir da mal an Sport und an die Bedeutung der Bewegung.
Unterm Strich bedeutet das:
- Wir kriegen mehr von Dingen, die unser Körper nicht kennt.
- Wir kriegen weniger von Dingen, die unser Körper braucht, weil er das seit Millionen von Jahren so kriegt.
Ich behaupte einfach mal ganz frech: Das ist kein naturalistischer Fehlschluss, sondern eine Tatsache und eine der Grundlagen, warum wir heutzutage maladaptiv sind und der Körper immer schlechter auf die Umwelt bzw. das Umfeld reagiert. Wir rauben uns die Anpassung, weil wir uns auf diese Weise jenen Lebensraum nehmen, an den wir angepasst sind. Deshalb werden wir als Gesellschaft immer kränker – alternativ verweichlichen wir eben.
Auch Ökosysteme sind deshalb krank
Dahinter steckt auch die Annahme oder der Verdacht, dass ganze Ökosysteme am Kränkeln sind, weil schon Lebewesen auf niedrigem Trophieniveau eine schlechte Anpassung an das zeigen, was der Mensch über seine Industrieanlagen und Co. so in die Welt pustet. Das Resultat ist, dass Substanzen immer persistenter werden und sich „unnatürlich“ anreichern. Man könnte auch so weit gehen und sagen, dass auch das ganze Ökosystem auf dieser Erde eine „Entgiftungsschwelle“ hat, ab der die Toxinladung die Gesundheit des Ökosystems beeinträchtigt. An diesem Punkt dürften wir angekommen sein.
Heißt unterm Strich: Es besteht eine gute Chance, dass ein Körper sehr, sehr robust ist und eine gute Menge an Toxinen ohne Probleme wegstecken kann. Das ist normal. Leider trifft das auf viele von uns nicht zu, da viele von uns diese ureigene Robustheit schon gar nicht mehr haben und der Sumpf all jener Probleme auch dafür sorgt, dass es immer schwieriger wird, diesen Zustand schnell wieder zu erreichen. Das wiederum heißt:
Dein gesamtes Lebens(stil)konzept muss stimmen – und man sollte sich nicht wissentlich vergiften.
Daher der letzte Post.
1 comments On Toxikologie: Wie viel Gift passt in dich rein?
Sehr informativer Artikel. Viele NEM Hersteller werden das sicher nicht lesen wollen, insbesonder die „Entgiftungsgurus“ :)
Der WIKI Beitrag über die Nahrungsmittel der Ureinwohner, lässt mich öfter an den Verzehr von Insekten denken.