Retinsäure ist ein Form des Vitamin A's

Retinsäure und die dünnen Ausdauermäuse

Aus Retinol, dem richtigen Vitamin A, macht der Körper Retinsäure. Diese Retinsäure ist ein Hormon, was dafür verantwortlich ist, dass sehr profund Proteine hergestellt werden, die den kompletten Fettstoffwechsel steuern, sowohl in der Muskel- als auch in der Fettzelle. Das macht RA (retinoic acid) so gut, dass Forscher begeistert verlauten lassen: “RA may be a uniquely efficacious agent in the therapy and prevention of the metabolic syndrome” (zu deutsch: Retinsäure könnte ein einzigartiger Wirkstoff sein zur Therapie, sowie zur Prävention vom metabolischen Syndrom).

Retinsäure und die Fettsäuren

Aus Retinol wird Retinsäure. Retinsäure bindet an zelluläre Rezeptoren, diese diffundieren in den Zellkern. Dort angekommen induziert dieser Retinsäure-Rezeptor-Komplex die Expression verschiedener Gene.

Und was ist da so wichtig?

Abnehmen leicht gemacht: Der Muskel sollte, wenn möglich, der Abnehmer für die im Überfluss vorhandenen Fettsäuren sein. Jetzt muss also die Kapazität zur Fettsäure-Oxidation (der biochemische Ausdruck für das Verbrennen bzw. Nutzen von Fettsäuren als Energiequelle) stimmen und/oder die Fähigkeit der Fettzellen, Fettsäuren in den Blutkreislauf abzugeben (genannt Lipolyse) erhöht werden.

Daraus folgt: Fettzellen leeren sich, Muskulatur oxidiert, wir haben weniger Heißhunger auf Kohlenhydrate, weil der Muskel ja jetzt Fett verbrennen kann.

Kleines Schmankerl: Die Kapazität bezogen auf die Fettsäure-Oxidation im Muskel ist direkt verantwortlich für unseren sportlichen Erfolg. Zumindest, wenn es um die Ausdauer geht.

Aber weiter …

Daniel Berry und Noa Noy von der Universität in Cleveland, Ohio, verfütterten ihren Tieren viel Fett und viel Zucker. Eine Gruppe war dabei glücklich und erhielt zusätzlich Retinsäure.

Wollen wir doch mal kurz die Ergebnisse anschauen und kommentieren:

image

Abb. 1: Körpergewicht der mit Retinsäure gefütterten Mäuse nach 5 Wochen

Nach 5 Wochen sehen wir, dass eine Gruppe dick ist (im Bild oben, rechts) und eine relativ weniger wiegt (+RA, links). Das ist erst einmal noch nicht soo beeindruckend.

image

Abb. 2: Nahrungsaufnahme in g pro kg Körpergewicht pro Tag

Jetzt sehen wir das Erstaunliche: Die Retinsäure-Mäuse aßen fast ein Drittel mehr!

image

Abb. 3: Veränderung verschiedener Körpergewebe nach 5 Wochen RA-Behandlung

Klar ersichtlich wird auch: Die dicken Kontrollmäuse haben fast 150 % mehr Fettgewebe. Heißt auf den Menschen übertragen: 30 % anstatt 15 % Körperfett. Schafft so mancher Mensch kaum mit Diät!

Wichtig und take-home: Beim metabolischen Syndrom ist ein wichtiger “Schalter” innerhalb der Zelle wenig aktiv, der auch verantwortlich ist für die oben benannten Erfolge. Gemeint ist PPARdelta.

PPARdelta wird durch Retinsäure aktiviert!

Also dachte ich: Vielleicht aktiviert Retinsäure PPARdelta nicht nur in der Fett- sondern auch in der Muskelzelle …

Und siehe da:

 ATRA treatment triggered a dose-dependent increase in the muscle mRNA expression levels of selected enzymes, transporters and transcription factors involved in fatty-acid oxidation, respiration, and thermogenesis namely: muscle-type carnitine palmitoyltransferase 1, acyl CoA oxidase 1, subunit II of cytochrome oxidase, uncoupling protein 3,peroxisome proliferator–activated receptor-γ co-activator −1α and peroxisome proliferator–activated receptor-δ (PPARδ). The treatment also resulted in the upregulation of the mRNA levels of acetyl-CoA carboxylase 2 (ACC2), a key regulatory enzyme for mitochondrial fatty-acid oxidation in muscle. Skeletal muscle protein levels of PPARδ and retinoid X receptor γ, a partner for many nuclear receptors involved in lipid metabolism, were increased after ATRA treatment. Muscle lipid content was decreased.

Wem das alles zu viel und zu viel Englisch war, dem übersetze ich das mal: Retinsäure verursacht einen dosisabhängigen Anstieg an sämtlichen, ja eigentlich allen wichtigen Enzymen, Proteinen und Strukturen, die an der Energiegewinnung aus Fettsäuren beteiligt sind. Und dann rutscht mal soeben raus, dass Retinsäure neben dem Carnitin-Transporter, auch noch UCP3 (uncoupling protein) und – jetzt kommt’s – PGC-1alpha hochreguliert. Da klingelt’s natürlich bei mir und hoffentlich bei jedem, der sich um seine Mitochondrien kümmern will. PGC-1alpha macht nämlich Mitochondrien …

Jetzt denke ich natürlich wieder PPARdelta und der “regulation of running endurance“ und weiß: Ausdauer ist essbar.

Und welche Real-Life-Relevanz hat das? 

Schwierig zu sagen. Immer schwierig, wenn man in solche Gebiete vorstoßt.

Ich weiß eine Sache: Es gibt All-Trans-Retinsäure, aber auch andere Retinsäuren, als Medikament. Diese erhöhen die Retinsäure-Spiegel ganz dramatisch. Oft auch mit fatalen Nebenwirkungen.  Das wollen wir freilich nicht. Aber: Wir können uns deutlich mehr Retinsäure selbst machen. Vielleicht nicht therapeutisch. Doch selbst wenn wir das Ganze nur ein bisschen in die richtige Richtung drücken würden: Kleinvieh … macht auch Mist.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

1 comments On Retinsäure und die dünnen Ausdauermäuse

Leave a Antwort:

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .

Site Footer