Umweltgifte

Umweltgifte: Das Problem mit dem Tier

Es gab mal eine Zeit auf dieser Welt, in der ein Mensch alles essen konnte, was er vorfand.

Vorausgesetzt, es war ess- bzw. genießbar. Alternativ erfand man Verarbeitungsmethoden, die es ess- und genießbar machten. Extensives Verarbeiten gehört in gewisser Weise zur menschlichen Esskultur. So auch die Nutzung von Feuer. Aber das nur am Rande.

Alles ist verseucht – Tiere ganz besonders

Heute sieht die Lage leider anders aus. Man kann es so ausdrücken: Je höher das Trophieniveau des Lebewesens, umso potenziell toxischer wird es bei Konsum. Sprich: Je höher das Tier in der Nahrungskette steht, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich toxische Substanzen anreichern, die Menschen krank machen können.

Das haben wir uns selbst zu verdanken, denn wir verpesten leider die Welt. Nicht ein einziges Tierprodukt, das wir heute essen, hat den Grad der Reinheit, den ein menschliche Organismus bei Verzehr über Jahrmillionen erwarten konnte. Heute tanken wir nämlich fröhlich immer noch was anderes mit:

Zu den potenziellen Umweltgiften gehören anorganische Elemente wie Arsen, Kadmium, Quecksilber, Blei, PAKs, PFAs, Dioxine, Pestizide und andere persistente organische Schadstoffe (POPs), wie z. B. polychlorierte Biphenyle (PCBs), Industriechemikalien, die laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen als einer der zwölf schädlichsten vom Menschen produzierten Schadstoffe angesehen werden.

Schadstoffe in der Natur
Die Geister, die ich rief. (Quelle)

Dass sich solche Substanzen in unserem Essen, in erster Linie in Tierprodukten, anreichern können, hat verschiedene Ursachen:

  • Tiere werden künstlich ernährt und müssen fressen, was es gibt. Sie haben keine Wahl und können ihre „Körperintelligenz“ nicht wie wildlebende Tiere einsetzen. Leider ist das, was diese Tiere zu essen bekommen, häufig Müll, das aus fernen Landen herbeigeschifft wird.
  • Tiere werden häufig so gezüchtet, dass sie sehr schnell wachsen – dieser Masseaufbau steht natürlich in einem reziproken Verhältnis zum Bewegungsreichtum des Tieres. Bewegte Tiere allerdings verfügen über ein ganz anderes Arsenal, um mit toxischen Substanzen klarzukommen. So unterstützt Sport auch die Entgiftung beim Menschen.
  • Entsprechend setzen Stall- und Masttiere mehr Fett an – während wild lebende Tiere häufig extrem mager sind. Viele Umweltgifte sind allerdings fettlöslich und reichern sich entsprechend in hoher Konzentration auch im Fettgewebe der Tiere an.
  • Sollte es sich doch mal um Freilandhaltung mit Bewegungsmöglichkeiten handeln, kommt es nicht selten vor, dass die Betriebe die Tiere an vielbefahrenen Straßen oder in der Nähe von Industrie- und Gewerbeparks aussetzen. Alles, was da so ausgestoßen wird, landet auf den Feldern, auf dem Gras, wo beispielsweise Hühner picken. Wir essen also Reifenabrieb in Form von Mikroplastik.
  • Der extensive Medikamentenkonsum, damit Tiere gesund bleiben können und das Business profitabel bleibt. Das hängt natürlich auch davon ab, um welches Tier es sich handelt – verschiedene Spezies haben unterschiedliche Krankheiten und es gibt unterschiedliche Vorschriften, wie man mit sowas umgehen darf und umgehen muss. Fakt ist, eine gängige Praxis bei der Krankheitsbekämpfung ist die s. g. Metaphylaxe, wo bei Krankheit eines Tieres gleich der ganze Bestand medikamentös behandelt wird. Eine Studie aus Polen fand unlängst heraus, dass zum Teil hohe Medikamenten-Konzentrationen im Boden um eine Geflügelfarm zu messen waren.

Hinzu kommt, dass (Gift-)Stoffe in Tieren meistens besonders bioverfügbar sind. Es ist also nicht nur das Eisen besonders bioverfügbar, sondern auch alles andere, was da noch so drin ist. Pflanzen haben den Vorteil, dass sie diese komplexen Verbindungen erst gar nicht aufnehmen oder großartig anreichern – und die Bioverfügbarkeit ist in der Regel auch geringer. Das ist ein entscheidender Vorteil von Ernährungsformen, die auf Tierprodukte verzichten. Kudos an dieser Stelle an die Veganer der Welt.

Nun kann man sowas wie immer weglächeln … oder sich vor Augen führen, dass das CDC in seinem National Report on Human Exposure to Environmental Chemicals aufzeigt, dass einfach jeder belastet ist. Das ist also kein Märchen oder eine Folklore, sondern leider eine Tatsache. Die Frage ist an dieser Stelle dann immer nur, wie sehr man selbst belastet sein möchte und wie sehr man an eine Relevanz für das eigene Leben glaubt.

Umweltgifte machen krank

Zu den klassischen Effekten dieser Schadstoffe sollen zählen:

  • Hautprobleme
  • Herz- und Herzkreislaufstörungen
  • Leberschäden
  • Unfruchtbarkeit
  • Fehlfunktion des Immunsystems
  • … und des Nervensystems.

Man könnte sagen: Diese Stoffe wirken überall im Körper. Aus diesem Grund heißen die Dinger auch endokrine Disruptoren bzw. Xenohormone. Besonders relevant jedoch ist die Wirkung auf den Energiestoffwechsel. Diese Stoffe nämlich haben einen immensen Einfluss auf die Funktion des Energiestoffwechsels. Und wir wissen: Das, was den Energiestoffwechsel bremst, macht insulinresistent (= Insulin wirkt nicht mehr gut) und das macht auf Dauer Diabetes. Verschiedene Umweltgifte erzeugen hierbei eine Vielzahl verschiedenster Alterationen innerhalb der Zelle:

Schadstoffe molekular
Verschiedene Umweltgifte erzeugen vielfältige Beeinträchtigungen der Zellfunktionen. In erster Linie betrifft dies die Funktion des Energiestoffwechsels – komplexe Alterationen, die vor allem mit oxidativem Stress, der Aufnahme von Substraten in die Zelle, der Verwertung von Substraten und der Hormonausschüttung bzw. -Wirkung von Insulin und Glukagon assoziiert sind. (Quelle

Gut zu erkennen ist, dass viele der Effekte über den Arylhydrocarbon-Rezeptor (kurz: AhR) vermittelt werden, den man früher auch Dioxin-Rezeptor nannte, da er in erster Linie Moleküle wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bindet, zu denen auch Dioxine gehören. Dieser Rezeptor steigert dann beispielsweise die Bildung von Entgiftungsenzymen. Mild aktiv scheint dieses Enzym protektiv zu wirken und manche Studien legen nahe, dass der Rezeptor sogar mild aktiv sein muss, damit beispielsweise die Darmgesundheit erhalten bleibt.

Umweltgifte machen insulinresistent und Diabetes

Neuere Studien allerdings zeigen auch, dass dieser Rezeptor in direkter Verbindung mit der Entstehung von Stoffwechselfehlfunktionen – also Insulinresistenz und Co. – und Fettleibigkeit steht. Umgekehrt wurde in mittlerweile vielen Tierstudien gezeigt, dass das künstliche Ausschalten des Rezeptors bei Fütterung der „Western diet“ vor Fettleibigkeit der Tiere schützt (z. B. 1, 2, 3). Im letzten Jahr wurde gezeigt, dass man anhand des hochregulierten AhRs auch zwischen dicken und dünnen Kindern unterscheiden kann.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der AhR eine große und weitreichende Rolle bei Adipositas und den damit verbundenen Komplikationen spielt und, was besonders wichtig ist, eine einfache und effektive therapeutische Strategie zur Bekämpfung von Adipositas, Herzkrankheiten und anderen mit Adipositas verbundenen Krankheiten bieten könnte.

Dass wir uns richtig verstehen: Die Western diet – also das, was man in Europa und Nordamerika so alltäglich isst – alleine und/oder Umweltgifte aktivieren diesen Rezeptor und machen Mensch und Tier auf diese Weise metabolisch krank. Man kann sich vorstellen, dass es sicherlich eine nette Synergie zwischen diesen beiden Umwelteinflüssen (Falsche Ernährung plus Umweltgifte) gibt.

Jedenfalls können Umweltgifte alleine speziell den Insulin-Haushalt komplett durcheinander bringen, was auch hier nochmal schön dargestellt ist:

Schadstoffe Insulinwirkung
Viele Umweltgifte beeinträchtigen die Funktion der Bauchspeicheldrüse (blaue Box links). Viele Umweltgifte haben direkten Einfluss auf den Energiestoffwechsel der Zelle, indem sie insulinresistent machen (rote Box unten rechts). In der Abbildung selbst sieht man ein normales Spektrum an Blutzuckerkontrolle. Man startet im Leben ggf. bei a – durch Bewegung, gesunde Ernährung und Co. kann man die Insulinwirkung z. B. im Muskel verbessern. Das verringert die Insulinausschüttung, man wird zu b. Wer nicht aufpasst und gerne viele Umweltgifte isst, wandert zu c – die Insulinwirkung ist schlecht, es wird sehr viel Insulin aus der Bauchspeicheldrüse gebraucht. Wenn’s dumm läuft landet man bei d oder e. Ersteres ist der erhöhte Blutzuckerspiegel, letzteres der Diabetes. (Quelle)

Unterm Strich fasst diese Arbeit die Inhalte des Artikels gut zusammen:

In jüngster Zeit haben sich Umweltgifte, die als endokrin wirksame Chemikalien (EDCs) wirken, als neue Risikofaktoren für Stoffwechselkrankheiten herausgestellt. Zu den EDCs, die mit der Pathogenese von Diabetes in Verbindung gebracht werden, gehören verschiedene anorganische und organische Moleküle sowohl natürlichen als auch synthetischen Ursprungs, darunter Arsen, Bisphenol A, Phthalate, polychlorierte Biphenyle und chlororganische Pestizide. In der Tat gibt es Hinweise darauf, dass EDC-Expositionen über die gesamte Lebensspanne hinweg zu Stoffwechselstörungen führen; darüber hinaus weisen bestimmte Entwicklungsfenster eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber EDC-induzierten Stoffwechselstörungen auf, was sich möglicherweise über Generationen hinweg auswirkt. Wichtig ist, dass die unterschiedliche Exposition gegenüber diabetogenen EDCs wahrscheinlich auch zu rassischen/ethnischen und wirtschaftlichen Ungleichheiten beiträgt. Trotz dieser sich abzeichnenden Zusammenhänge wird dieser unterschätzte Diabetes-Risikofaktor in den klinischen Praxisrichtlinien nicht berücksichtigt. Umfassende Ansätze, um die Flut von Diabetes einzudämmen, müssen auch die Umweltfaktoren berücksichtigen.

Auch wieder besonders typisch der dick markierte Satz. „Trotz sich abzeichnender Zusammenhänge … nicht berücksichtigt.“ Wie immer. In Deutschland muss man sich was Gesunderhaltung angeht immer um alles selbst kümmern. No hate.

Was kannst du tun?

Bevor jetzt wieder mal die Frage (Was kann ich überhaupt noch essen?), die mich wirklich müde macht, kommt, beantworte ich sie vorab:

Möglichst regional. Und schau halt, wo dein Fleisch herkommt.

Du musst nicht den billigen Aldi-Rotz fr*ssen. Du musst dein Fleisch auch nicht beim Asia-Laden kaufen.

Welches Fleisch?

  • Schau, wo die Hühner, von denen du deine Eier kriegst, stehen. Nutz doch mal google – es gibt Geflügelfarmen und deutschlandweit sogar Straußenfarmen. Die kann man sich alle vor Ort angucken.
  • Kauf dein Fleisch eher von Quellen, die dir eine ordentliche Haltung mit möglichst viel Bewegung garantieren.
  • Wiederkäuer dürften den Vorteil haben, dass sie über eine immens intensive bakterielle Vorverdauung im Pansen verfügen, die problematische Moleküle eher mal abbaut.
  • Hinzu kommt, dass man Rinder und Co. nicht so übel wie beispielsweise Geflügel halten kann.
  • Wild frisst zwar auch verpestetes Zeug, aber diese Tiere sind lebensfähig, sprich gesund. Gesundes Fleisch wird auch dich eher nicht krank machen.
  • Meeresfrüchte sind die übelsten Deckschleudern. Nicht umsonst macht belasteter Lachs in Tierversuchen insulinresistent und dick. Iss halt eher mal Fisch aus Bio-Süßwasserzucht.
  • Überleg dir, ob du täglich 5 Eier brauchst.

Wie schütze ich mich?

  • Obst und Gemüse. Die enthaltenen Polyphenole und Co. steigern die Bildung von Entgiftungsenzymen und kurbeln die Entgiftung an.
  • Iss genug Eiweiß, vor allem genug Cystein. Cystein nutzt der Körper bei vielen Entgiftungsenzymen, vor allem in Glutathion, weil die reaktive Sulfhydrylgruppe Schadstoffe bindet.
  • Beweg dich. Das regt die Zirkulation an, mobilisiert Fett und Gifte aus dem Fettgewebe und aktiviert Entgiftungsenzyme.
  • Rieche an deinem Essen und nutze deine Sinne bei der Fleischauswahl. Das Fleisch stinkt nach Scheiße? Dann iss es nicht. Das Fleisch sieht nicht sexy aus? Dann lass es stehen. Es hat einen Grund, warum das so auf dich wirkt. Trust your senses.
  • Sei optimal mit Mikronährstoffen versorgt. Dinge wie Selen und Co. treiben direkt die Entgiftung an und helfen dabei, die Insulinsensitivität aufrecht zu erhalten.
  • Sei gut mit Hormonen versorgt. „Ziele“ solcher Umweltgifte sind meistens oder oft Hormonrezeptoren – dadurch wird die Wirkung der Hormone lahm gelegt. Also: Iss genug Vitamin A und Co.
  • Schaff dir Schilddrüsenhormone an. Schilddrüsenhormone schrauben den Energiegehalt der Zellen hoch und machen den Enzymen Beine. Gute Schilddrüsenleistung = gute Entgiftung.
  • Überleg dir, ob du ständig Tierfett brauchst. Schon Jack Lalanne strich sämtliches Tierfett vom Speiseplan. Man muss nicht täglich große Mengen Tierfett konsumieren.
  • Denk dran, wie man früher Fleisch gekocht hat: Gulasch und Co. schmeißen das Fett aus dem Fleisch. Auch Inuit kochen ihr Fleisch ganz lange. Die Wissenschaft meint: Das schmeißt auch Umweltgifte aus dem Fleisch.

Tja, was bleibt da zu sagen? Ernährung heutzutage ist kompliziert, weil der Mensch alles kaputt macht. Wer es kurz und knackig verstehen will, kann ja noch unser neues kleines Büchlein „Stoffwechsel verstehen“ lesen.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

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