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Was ist Energie-Repartitionierung?

Energie- oder Nährstoff-Repartitionierung (engl. energy/nutrient repartitioning) meint im Wesentlichen „Umverteilung von Kalorien“. Partitionierung (engl. partitioning) hingegen klärt die Frage, wie wir bestimmte Nährstoffe verstoffwechseln, genauer: wo. Wohin geht Fett, wohin gehen Kohlenhydrate? Was passiert mit Proteinen? Und kann man durch sein eigenes Verhalten steuern, was der Körper mit Kalorien macht?

Spannende Erkenntnisse aus IF-Experimenten

Das einfachste Beispiel dafür war (oder ist) intermittierendes Fasten. Für meinen Begriff ziemlich bekannt geworden durch 16/8 von Martin Berkhan (leangains). Kennt heute vermutlich keiner mehr, vor 10 Jahren war er sowas wie ein Internet-Held in der Fitness- bzw. Gesundheitsszene, die damals viel, viel kleiner war noch als heute.

Jedenfalls gibt es interessante Nager-Studien dazu.

  • Mästet man bereits dicke Mäuse, werden die logischerweise noch dicker und sehr krank. Sorgt man dafür, dass die die gleiche Zahl an Kalorien in einem Essensfenster zu sich nehmen müssen („time restricted“) sind sie nur ein bisschen fetter, aber fit.
  • Mästet man magere Mäuse auf die gleiche Weise, werden die dick. Mit Essensfenster trotz gleicher Kalorienzahl: schlank und fit.
  • Dabei ist es mehr oder weniger egal, wann man zeitweise die Kalorien einschränkt – solange die Mäuse gezwungen werden, auch mal nix zu essen, bleiben die relativ gesund.

Diese Ernährungsform sei therapeutisch „wirksam gegen fettreiche, fruktosereiche und zuckerreiche Diäten“.

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Mäuse, die intermittierend fasten müssen (Quelle

Interessant, nicht wahr? Hier muss also eine Umverteilung von Energie stattgefunden haben. Das, was vorher fett und krank macht, macht unter anderen Voraussetzungen nicht dick, sondern wird anscheinend irgendwo verbrannt oder zumindest nicht im Fettgewebe, sondern z. B. im Muskel eingelagert. Das Tier bleibt – auch hormonell, Stichwort Leptin, Insulin und Co. – stoffwechselgesund. Der Teufelskreis der Fettleibigkeit wird so durchbrochen.

Nun steht ja bei uns immer wieder die Frage im Raum, warum so viele dick und (stoffwechsel-)krank werden. Die Wissenschaft der Welt rätselt. Festhalten können wir nämlich, dass dieses Schicksal sogar Aborigines ereilt, wenn die aus dem Busch in die Großstadt kommen. Tröstend: Aborigines haben in diesem Fall sogar noch eine viel höhere Diabetes- und Fettleibigkeitsrate als beispielsweise weiße Australier.

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Aborigines und australische Ureinwohner damals (links) vs. heute (rechts). Gleiche Genetik, anderer Lebensstil. 

Vielleicht könnte man einfach sagen:

Um nicht stoffwechselkrank zu sein, sollte man „manchmal“ sowas wie Hunger verspüren :P 

CD36: (Re-)Partitionierung von Nahrungsfett

Ein Beispiel dafür, warum unser Stoffwechsel anscheinend ohne unser Wissen entgleist, ist der Fetttransporter CD36. Dazu gab’s neulich mal einen Newsletter von uns:

Nicht wenige von uns tragen eine Genvariante, die als A-Allel unter dem Polymorphismus-Namen rs1761667 zu finden ist. Das A-Allel senkt die Bildung dieses Proteins, was als Folge dazu führt, dass das fat sensing pro Einheit Fett schlechter wird. Mit anderen Worten: Wir werden blind(er) für die Energiedichte, die wir über Fett zu uns nehmen. Menschen, die diese Variante tragen, brauchen, überspitzt formuliert, eben 150 g statt 100 g Schafskäse, um das ein vergleichbares „Stop, genug gegessen“-Signal zu erleben.

Aha. Wir erinnern uns kurz: Unsere Vorfahren waren mal Jäger und Sammler, waren hier in Europa adaptiert an möglicherweise relativ(!) kohlenhydratarme Ernährungsformen. Aber das ist Spekulatius. Fakt ist, seit mindestens mehr als 10.000 Jahren gibt es eine Neuformierung des Energiestoffwechsels. Im Zuge der neolithischen Revolution, die uns aus Anatolien zuteil wurde, gab es einen starken Selektionsdruck hin zu mehr Kohlenhydraten, weniger Tier. 

Macht man eine Genanalyse (und kann diese fachmännisch auswerten, so wie ich), wird man sehen, dass man ein Mischwesen ist. Man ist auf Gen-Ebene weder „Landwirt“ noch „Jäger und Sammler“. In diesem Zwiespalt befinden sich die meisten von uns. Drum werden die meisten von uns mit „Brötchen und Nudeln“ genauso scheitern wie mit „nur Gemüse und Fleisch“. Wir sind, wenn überhaupt, nur noch domestizierte Jäger und Sammler.

Wir teilen uns ein bisschen das Schicksal eines Hundes, der vom karnivoren Wolf abstammt, aber ja doch keiner mehr ist. Ein Hund verfügt zum Beispiel über Amylasen, die ein Wolf nicht hat. Ein Hund kann also Stärke verdauen, der Wolf eher nicht. Umgekehrt würde ich mal behaupten, dass die meisten Hunde nicht mehr überlebensfähig wären in der Wildbahn. Genauso kaputt „gezüchtet“ ist auch der Mensch – eine bittere Wahrheit. 

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Ein bestens gelaunter Chihuahua. Bestimmt ein süßer Hund, aber der reißt keinen Hirsch mehr. 

Genvarianten des CD36-Gens zeigen beispielhaft sehr gut auf, was so ein Selektionsdruck bedeutet. Der bedeutet nämlich: Würden wir zwei Individuen nehmen, die jeweils zwei verschiedene CD36-Varianten tragen – eine, die viel CD36 und viel Fetttransport macht und eine, die wenig CD36 und wenig Fetttransport macht – und würden wir beide auf eine fettreiche Ernährung setzen, würden wir drastischer Weise erleben, was Energie-(Re-)Partitionierung ist:

Bei gleicher Energiezufuhr würden die einen vermutlich stark zunehmen und die anderen … eher nicht. 

Mehr noch: Bei den einen würden die Fettkalorien am Gehirn „vorbeilaufen“, sie würden vielleicht automatisch mehr essen. Die anderen wären schon weitaus früher satt und dazu auch noch energiegeladen. Letzteres ist wichtig: Denn wen das Essen nicht angenehm und tiefgreifend – sprich hormonell – sättigt, wer seine Muskeln nicht mit dem richtigen Substrat füttert, wird immer mehr essen als er faktisch benötigt. 

Fazit

So schließt sich der Kreis. Man sollte sehr genau in sich reinhören, was der Körper, vor allem der Muskel, braucht. Und das hängt stark von deiner Genetik ab, die du besser nicht mit Gewalt umformst. Wenn du für deine Genetik on point isst, wirst du wesentlich effizienter, denn Kalorien werden dann optimal genutzt. Wenn du eine Kohlenhydrat-Genetik mit Fett mästest und umgekehrt … machst du was kaputt, ggf. ohne es zu merken („Ich esse doch nicht viel“).

Ich behaupte einfach mal: Viele von uns fahren mit Kohlenhydraten relativ gut. Wenn das aber „Pommes mit Curry-Wurst“ (= viel Fett zeitgleich) bedeutet, dann wird’s vielleicht schwierig. Die merken dann nicht mal, wie viel Energie sie eigentlich tanken. Paradoxerweise wird dann später gesagt, die Kohlenhydrate seien schuld. Ja, die sind „schuld“, wenn man nicht Kartoffeln isst, sondern frittierte Pommes.

;-)

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

7 comments On Was ist Energie-Repartitionierung?

  • Mal wieder ein glorreicher Artikel der zeigt das es nunmal nicht nur schwarz und weiß gibt und die extremen nicht für jeden funktionieren. Wirklich sehr inspirierend!
    Gibt es eine gute Methode herauszufinden ob man eher auf mehr oder weniger carbs anspricht ohne es Monate mit Protokoll herauszufinden ?

  • Wirklich sehr interessant!

    Aber: Die Studie hat mal wieder nur männliche Versuchstiere genutzt laut Quelle – ten weeks old male mice‘. Das heißt, die Auswirkungen für männliche Hormonumgebung wurde untersucht.

    Für Frauen gibt es ein paar Studien, die weniger gute Ergebnisse zeigen. Hypothese: Männer können den Auswirkungen des Fastenstresses durch höhere Testosteronwerte besser abpuffern als Frauen. Sind die mittlerweile widerlegt?

    Beispiele:
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15833943/
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20452283/

    • Wir sagen ja nicht, dass jede(r) fasten muss. Unser Punkt war ja Energierepartitionierung am Beispiel von IF. Im Verlauf haben wir ein weiteres Beispiel (CD36-Genpolys) mit Blick auf unterschiedliche Verwertung unterschiedlicher Makronährstoffe je nach Genotyp genannt. Aber allgemein gilt, dass Frauen besser reagieren, wenn sie konstanter essen dürfen. Das haben wir im Blog aber auch schon alles thematisiert, einfach mal die Suche nutzen. Wir sind darüber hinaus ohnehin kein Freund von IF, sondern nennen es temporäre Kalorienrestriktion, was bedeutet, dass es darum geht, mal mit „Kalorien zu spielen“, statt immer ein gleiches Muster an absoluter Kalorieneinschränkung zu fahren. Und davon profitieren auch Frauen. Aber halt nicht die essgestörten, die ohnehin nur ein Salatblatt frühstücken.

      • Ist mit „mit Kalorien spielen“ letztendlich nur gemeint, dass man – anstatt zu fasten – zum Frühstück/Mittagessen/Abendessen mal wenig, mal ausreichend, mal mehr isst? Ich hab noch immer nicht so richtig herausgefunden, wie das praktisch konkret aussehen kann.

  • Hey, ich habe den Blog erst entdeckt und finde die Artikel, welche ich bis jetzt gelesen habe, sehr gut. Meine Gedanken zu diesem Thema: Ich frage mich immer wieder, ob es am Ende nicht tatsächlich sinnvoll ist, eine Art Trennkost zu bevorzugen in Hinblick auf das Vermeiden der Kombination Fett + Kohlenhydrate. Bei Typ 2-Diabetikern scheint es durchaus Erfolge mit reinen Kohlenhydratdiäten („Haferkur“) als auch mit ketogener Ernährung zu geben, was für mich ein Hinweis darauf ist, dass weder die eine noch die andere Gruppe an sich „ungesund“ ist, sondern der Stoffwechsel durch die Kombination belastet wird. Dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob für die ausreichende Trennung der Makronährstoffe 24h nötig sind, oder ob man die Trennung auch innerhalb eines Tages in Form einer fettreichen kohlenhydratarmen Mahlzeit (wegen Cortisol-Insulin-Beeinflussung vielleicht eher morgens) und einer fettreduzierten kohlenhydratreichen Mahlzeit durchführen kann.

    • Also prinzipiell sollte man herausfinden, mit was der Körper am besten oder besser arbeitet. Je nach individueller Voraussetzung hat man eine größere oder kleinere Kapazität zur Oxidation von Fetten bzw. Kohlenhydraten. Makros zu trennen macht m. E. wenig Sinn. Davon profitieren höchstens die von dir genannten T2D. Ansonsten gilt für T2D, sowie für jeden anderen, dass das wichtigste ist, die Kalorienbilanz leicht negativ oder zumindest ausgeglichen zu halten. Dann ist es quasi egal, welches Energiesubstrat man zuführt.

  • Super interessanter Artikel!
    Ich selbst habe kein Plan ob Carbs oder Fette besser für Mich sind, da ich aufgrund einer langen Essstörung ehrlich gesagt Hunger, Sättigung und sonstige Signale meines Körpers nicht mehr deutlich wahrnehmen kann.
    Fahre allerdings ganz gut damit an Trainingstagen die Kohlenhydrate hoch zu schrauben, Fette aufs Minimum am Abend meistens und an Restdays wiederrum die Fette hoch und Carbs reduziert. Ist das sinnvoll oder gegen meine Chemie? Bist ja soweit ich weiß ein Fan von „Zyklen“ ? :)
    IF betreib ich nicht zwanghaft, kommt aber durch Schichtdient manchmal automatisch dazu…

    Lg

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