Mit diesen „Tricks“ hemmst du Entzündungen

Neulich sprachen wir, immerhin kurz, über Entzündungen des Zahnfleisches. Die Pathogenese ist sicher komplex. Was wir – alle, die daran leiden oder litten – wissen, ist, dass es sich dabei um eine Entzündungsreaktion handelt.

Und die kann man ja, glücklicherweise, (aus-)bremsen. Vielleicht nicht gänzlich ausknipsen, solange der Verursacher nicht weg ist, aber vielleicht so modulieren, dass der Körper wieder die Chance hat, die Stelle zu heilen. Zumindest verlangsamen wir durch Abschwächung der Entzündungsreaktion die Gewebezerstörung. In dem Fall hieße das: Das Zahnfleisch „legt sich“ wieder an die Zähne, kommt seiner Barrierefunktion wieder nach und, ganz wichtig, löst sich nicht so schnell in Luft auf, was uns natürlich Zeit verschafft.

Denn ganz klar: Es ist richtig blöd, wenn das Zahnfleisch weg „gebrannt“ wird durch das Entzündungsfeuer. Denn, was man so nicht direkt weiß, das Zahnfleisch geht nicht (nur) kaputt, weil ein paar Bakterien mit z. B. Enzymen wie Kollagenasen daran knabbern, sondern weil das eigene Immunsystem die Bakterien bombardiert und dabei auch eigene Zellen in den Tod reißt.

Grundsätzlich gibt es etliche (!) Wege, um Entzündungsreaktionen zu hemmen. Auf die vielen verschiedenen Wege gehen wir vielleicht in Zukunft ein – in einem weiteren, dann ausführlichen Blog-Post. Ich bin nur vor einigen Wochen über zwei hübsche Studien gestolpert, die – einmal mehr – aufzeigen, wie schnell man Entzündungen potenziell los werden kann. Bevor die beiden Studien allerdings in meinem Lesezeichen-Ordner untergehen, hier die Kern-Aussagen:

  • Vitamin D und Calcium 

Mickrige 800 IE Vitamin D und 2 g Calcium (pro Tag) können jeweils alleine oder in Verbindung ganz deutlich Entzündungsreaktionen hemmen, was sich anhand bestimmter Entzündungsmarker, die gleichzeitig Entzündungsmediatoren sind, zeigt.

Klassische Entzündungsmediatoren bzw. -marker sind TNF-alpha, Interleukin 6 (IL6), Interleukin 1ß (IL1ß) und IL8. Euch dürfte insbesondere Interleukin 6 mittlerweile bekannt sein. Interleukin 6 zeigt sich als Janusköpfchen, denn IL6 macht das Immunsystem scharf, was z. B. super ist für ein gesundes, starkes Immunsystem. Gleichzeitig kann es aber auch (chronische) Entzündungsreaktionen befeuern und entsprechend verstärken. Der bewegte Muskel sezerniert IL6, kann so die Serum-Konzentration zeitweise ver-100-fachen. Das schützt, wie in einem anderen Artikel besprochen, vor Krebs. Auch große Speckmassen in der Bauchhöhle produzieren IL6. Wer gleichzeitig irgendwo eine (chronische) Entzündung im Körper hat, wie eben Zahnfleischentzündung, der muss entsprechend aufpassen, dass keine zu großen Mengen IL6 produziert werden – egal woher.

TNF-alpha, Interleukin 1ß und Interleukin 8 stimulieren ebenfalls eine Entzündungsreaktion.

In the vitamin D(3) supplementation group, TNF-α decreased 13%, IL-6 32%, IL-1β 50%, and IL-8 15%; in the calcium supplementation group, IL-6 decreased 37%, IL-8 11%, and IL-1β 27%.

Leider ergab sich kein synergistischer Effekt, wenn beide Substanzen zusammen eingenommen wurden. Aber es zeigt sich, speziell bei IL6, ein deutlicher Abfall der Konzentration. Die Autoren legen dar, dass die Ergebnisse statistisch nicht signifikant sind, dennoch verringerte sich der Z-Score des allgemeinen Entzündungsstatus um rund 80 % in der Vitamin-D-Gruppe.

Vitamin D und Calcium interagieren auf zellulärer Ebene stark, modulieren zusammen den Calcium-Einstrom in Zellen. Der Calcium-Einstrom in die Zellen wiederum induziert Entzündungsreaktionen. Es scheint paradox, allerdings hemmt die Calcium-Gabe den Calcium-Einstrom in die Zellen. Auch darüber haben wir mehrfach schon berichtet. Aus diesem Grund – vermutlich – hemmt die Calcium-Gabe die Entzündungsreaktion.

Ich jedenfalls kann Positives berichten mit Blick auf die Calcium- und Vitamin-D-Gabe. Beide Substanzen nutze ich seit Monaten und Jahren.

Hopkins, M. H.; Owen, J.; Ahearn, T. u. a. (2011): „Effects of Supplemental Vitamin D and Calcium on Biomarkers of Inflammation in Colorectal Adenoma Patients: A Randomized, Controlled Clinical Trial“. In: Cancer Prevention Research. 4 (10), S. 1645-1654, DOI: 10.1158/1940-6207.capr-11-0105.

  • Alpha-Linolensäure („Parental-Omega-3-Fettsäure“) 

Oft wird heute über DHA und EPA gesprochen. Über eine andere, „kurzkettigere“ Omega-3-Fettsäure sprechen wir seltener: Alpha-Linolensäure. Alpha-Linolensäure ist die „pflanzliche Omega-3-Fettsäure“, die auch als Parental-Fettsäure bezeichnet wird, da aus ihr EPA bzw. DHA potenziell gebildet werden können. Für EPA klappt das, für DHA – zumindest in Menschen – nicht. Drum ist DHA essentiell.

Wie so oft: Jede Fettsäure hat ein eigenes Wirkspektrum. Es geht also nicht, dass wir – ganz pauschal – sagen: Ja, Omega-3-Fettsäuren wirken so und so. Nein! DHA wirkt so. EPA wirkt so. EPA und DHA wirken so. Alpha-Linolensäure wirkt so. Alpha-Linolensäure, DHA und EPA wirken so. Soll heißen: Es gibt gemeinsame, aber auch spezifische Funktionen.

Alpha-Linolensäure selbst wirkt stark anti-entzündlich. Das ist bekannt.

Following treatment with ALA, a significant decrease was demonstrated in the protein content of TNF-α to 23.81% (P < 0.001), IL-6 to 46.71% (P < 0.001), IL-1β to 20.86% (P < 0.05), and IL-8 to 52.21% (P < 0.001).

Auch hier wurden also die gleichen Entzündungsmarker bzw. -mediatoren untersucht und auch die Größenordnung ist ganz nett. Untersucht wurde hier allerdings in vitro die Wirkung auf Epithelzellen. Es handelt sich also nicht um eine in-vivo-Studie.

Das Interessante an dieser Arbeit ist jedoch, dass hier verglichen wurde mit Dexamethason – also einem dem Cortisol sehr ähnlichen Stoff. Und das ist bekanntlich die Antwort von Ärzten (und der Pharma) auf (chronische) Entzündungen.

Die Arbeit sagt: Alpha-Linolensäure wirkt ähnlich stark wie Dexamethason.

Erdinest, Nir; Shmueli, Or; Grossman, Yoni u. a. (2012): „Anti-Inflammatory Effects of Alpha Linolenic Acid on Human Corneal Epithelial Cells“. In: Investigative Opthalmology & Visual Science. 53 (8), S. 4396, DOI: 10.1167/iovs.12-9724.

Was nehmen wir mit?

Fraglich ist, ob wir uns von kombinierter Gabe auch kombinierte Effekte erhoffen können. Nichtsdestotrotz zeigt sich, einmal mehr, dass wir kostengünstig und selbst Entzündungen deutlich ausbremsen können, ganz ohne Medikation.

Speziell was das Zahnfleisch angeht: Ich habs persönlich erlebt. Entzündungen lassen sich ganz deutlich abschwächen, durch entsprechende Interventionen (z. B. s. o.).

Aber, mal ganz ehrlich: Der „gesunde Lebensstil“ kann hier entscheiden. Wer die Sonne liebt, calciumreich isst und ab und an Leinöl bzw. ein paar Leinsamen tankt, der wird ganz sicher noch mehr erhalten, als das, was hier geschildert wurde. Mir kommt gerade Frau Budwig in den Sinn. Budwig-Quark löffeln am ligurischen Meer. Himmlisch! Wo wir bei Psycho(neuro)immunologie wären.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

11 comments On Mit diesen „Tricks“ hemmst du Entzündungen

  • Ist konjugierte Linolsäure gleichzusetzen mit Alpha-Linolensäure?

    • Nee, das sind komplett verschiedene Fettsäuren. Konjugierte Linolsäure leitet sich von der Omega-6-Fettsäure Linolsäure ab – es ist im Prinzip eine tierische Transfettsäure, da sie im Pansen von Wiederkäuern entsteht. Die Alpha-Linolensäure ist hingegen eine Omega-3-Fettsäure, die vor allem in pflanzlichen Ölen vorkommt, besonders im Lein-, Walnuss- und Rapsöl.

  • Ist mit der Empfehlung von 2g Calcium reines Calcium gemeint?
    Also reichen z.B. 2g Calciumcitrat aus, oder braucht man 10g Calciumcitrat um auf 2g reines Calcium zu kommen?

  • Hi Chris,
    danke für den wie immer hilfreichen Artikel.
    Ich habe eine Frage zum Calcium:

    Sobald ich täglich Milchprodukte (z.B. Quark esse), kriege ich Halsschmerzen (> mein Rachen „entzündet“ sich leicht, ist sogar optisch sichtbar). Ich habe keine Ahnung, woran das liegt – habe das aber nun insgesamt 4 Mal getestet und es passiert einfach. Einmal Quark und dann 2-3 Tage Pause ist ok. So komme ich aber natürlich nicht auf genug Calcium. Habe auch keine Lust jetzt täglich 1 Kg Brokkoli zu essen.
    Trinke nun 1 L Gerolsteiner pro Tag, da sinds immerhin 350mg Calcium.

    Supplemente vertrage ich irgendwie nicht. Habe mal stumpf Calcium von Taxofit probiert, 800mg Tabletten, da bekomme ich Bauchweh. Dann habe ich 2-3 Wochen Dolomit Pulver versucht, das geht zwar besser, aber auch hier andauernd Luft im Bauch.

    –> Irgendwelche Tipps, wie ich an mehr Calcium komme, ohne 4 L Gerolsteiner trinken zu müssen, wovon ich 1. aus Kostengründen und 2. aufgrund der Menge an Kohlensäure gern absehen würde (das stille Gerolsteiner stammt aus einer anderen Quelle offensichtlich, zumindest enthält das nicht solche Calcium-Werte)?
    Wäre dankbar für Tipps

    (natürlich auch von anderen :-))

    Danke & Liebe Grüße
    Antje

    • Hallo Antje,
      es gibt verschiedene andere Möglichkeiten. Bisher hast Du mit Carbonaten ergänzt (bei Taxofit bin ich mir nicht sicher, zumindest die 850er Tabletten mit Vitamin D enthalten aber auch Calciumcarbonat). Zusammen mit der Magensäure reagiert das und ergibt Calciumchlorid und Kohlendioxid, daher der Gasbauch. Alternativ könntest Du auch direkt Calciumchlorid einnehmen (ist als Lebensmittelzusatzstoff E509 zugelassen). Das ist ein relativ gut wasserlösliches Calciumsalz. Eine weitere Möglichkeit wäre, nicht ganz so gut wasserlöslich, Calciumcitrat als Nahrungsergänzung zu verwenden. Auch das sollte nicht zu den von Dir beschriebenen Problemen führen. Noch eine Methode, die Du ausprobieren könntest: ich ergänze mit Magnesiumcarbonat, was ebenso wie Dein Dolomitpulver schlecht löslich ist und Kohlendioxid erzeugen kann. Man braucht dazu ein bißchen Geduld. Ich nehme morgens einen frischen Orangensaft und rühre einen Teelöffel von dem Pulver in den Saft, lasse das 15 – 20 min stehen und rühre alle 5 min. um. Mit der Zeit bilden sich dann kleine Bläschen. Schließlich ist das Carbonat weg und man hat Orangensaft mit weniger Säure und eine dissoziierte Mischung von Magnesiumcitrat, -ascorbat und was sonst eben noch an Säuren so drin steckt. Jedenfalls scheint mein Körper das gut aufzunehmen, mein letzter Bluttest ergab einen Magnesiumwert von 1,5mmol/L im Vollblut (nicht Serum!!). Das Gleiche könntest Du mit Calciumcarbonat probieren bzw. Deinem Dolomitpulver. Oder Du versuchst es mit einem möglichst säuerlichen Apfelsaft. Da würde sich dann Calciummalat in dissozierter Form bilden (und ein bißchen Sprudel). Kann aber dauern, weil Dolomit (Calcium-Magnesium-Carbonat) so reaktionsträge ist. Übrigens enthält das Gerolsteiner mit viel Kohlensäure vermutlich mehr Calcium, weil die Kohlensäure das Wasser etwas saurer macht und damit mehr Calcium in Lösung gehalten werden kann.

      Viele Grüße
      Ashton

      • Wow, vielen lieben Dank!!

        • Wie schauts aus mit Eierschalenpulver? Es soll wohl knapp 500-1000 mg Calcium pro TL liefern. Ist das Safe?

          • Und woraus bestehen Eierschalen hauptsächlich?
            Richtig, aus Calciumcarbonat. Das Wesentliche dazu habe ich oben
            bereits geschrieben. Es dürfte wohl kaum einen großen Unterschied machen, ob das Calciumcarbonat aus Eierschalen oder anderen Quellen stammt.

  • Kommt ja wie gerufen! Danke für die Auffrischung! :-))

    Gruß Lutz

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