Kohlenhydrate ≠ Kohlenhydrate

Jede Ernährungsform ist in gewisser Hinsicht extrem.

  • Low fat Diäten senken den Kalorien-Anteil des Fettes extrem stark – so, dass es undenkbar wäre, auch nur 50g Käse zu essen.
  • no carb Diäten senken den Kalorien-Anteil des Kohlenhydrats so stark, dass jeder Apfel zur Sünde wird.
  • Vegane Ernährung verzichtet völlig auf tierische Produkte – völlig ungeachtet der Tatsache, dass tierische Nahrungsmittel Dinge enthalten, die wir in Pflanzen überhaupt nicht finden, die aber großes therapeutisches Potenzial mit sich bringen (L-Carnitin, Taurin, Carnosin, Kreatin).

Ganz egal welche Ernährungsform wir betrachten, es handelt sich dabei fast immer um Restriktion(en) eines oder mehrerer Bestandteile.

Doch – und das habe ich mehrfach angesprochen – sorgen wir mit dieser Art von Konzeptionalisierung dafür, dass wir womöglich sehr wertvolle Nahrungsbestandteile verlieren, gleichzeitig missachten wir eine Grundwahrheit:

Du kannst ein Nahrungsmittel nicht auf einen Makronährstoff reduzieren.

Diese Tatsache haben wir gesehen, als Ancel Keys verkündete, dass du das Fett reduzieren musst, um Herzinfarkte vorzubeugen. Später hat sich herausgestellt, dass es diverse Typen von Fettsäuren gibt, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben hinsichtlich ihrer Wirkung auf unseren Stoffwechsel. Als Beispiel können wir n3-Fettsäuren anführen, die das Erkrankungsrisiko sogar senken.

Wir müssen lernen, dass Nahrungsmittel ihr eigenes bioaktives Milieu mit sich bringen, das seinerseits in gewisser Weise im menschlichen Körper wirkt – völlig ungeachtet der Tatsache, ob wir dort Dinge finden, die unserem Nahrungskonzept widersprechen.

Viele haben gelernt, dass jedes Gramm Kohlenhydrat, ein Gramm zu viel darstellt – dass jedes Gramm Kohlenhydrat dazu beiträgt, dass du dicker wirst. Aus der simplen Kauslitätsreihe ergab sich somit auch, dass wir jedes Gramm Kohlenhydrat wenn möglich meiden sollen.

Dies hat sich im Unterbewusstsein diverserer Anhänger manifestiert, dass sogar Ängste entwickelt wurden.

Dass aber bioaktive Nahrungsmittel auch ganz anders wirken können, sehen wir in folgendem Beispiel.

Im Journal of Nutrition and Metabolism können wir einen typischen Verlauf lesen: Wir mästen Mäuse mit einer high fat Diät (die in aller Regel nicht nur high fat, sondern auch high carbohydrate ist) – die Mäuse werden dick.

Die Autoren wollten wissen, ob diverse Beeren diese Entwicklung hemmen könnte oder ob sich irgendwelche metabolischen Vorteile aus dem Konsum entwickeln würden.

Getestet wurden

  • Acai,
  • Pflaume,
  • Brombeere,
  • Krähenbeere,
  • Heidelbeere,
  • Himbeere,
  • schwarze Johannisbeere,
  • Preiselbeere.

Auswirkungen auf Stoffwechselparameter

  • LFD-Gruppe erreicht das niedrigste Endgewicht – das ist die dünne Kontrollgruppe, die low fat gefüttert wurden, was für Mäuse typisch ist.
  • die Control-Gruppe ist die gemästete high fat Gruppe, die ein Endgewicht von 40g erreicht.
  • Die am Ende schwerste Gruppe, ist die Gruppe, die mit Acai gefüttert wurde.

Dies ergibt sich aus zwei Punkten: Die Acai-Beere hatte einen minimalen Einfluss auf das Körperfett, erhöhte allerdings auch die Magermasse um ca. 15%.

Alle anderen Gruppen interessieren mich persönlich nicht so sehr, aber

  • Die Lingonberry-Gruppe (Preiselbeere) wahrte das niedrige Körpergewicht trotz der hohen Kalorienzufuhr.

Diese Tatsache ging einher mit einer dramatischen Verbesserung des Blutzuckers (ca. 40% weniger als high fat-Gruppe), einer dramatischen Reduktion des Insulin-Spiegels (ca. 70% weniger als high fat-Gruppe) und somit auch einer deutlich verbesserten Insulin-Sensitivität, gemessen anhand des HOMA-IR index, der dem der dünnen Kontroll-Gruppe entsprach.

Die Preiselbeere wirkt wohl deshalb so positiv, da sie – im Gegensatz zu anderen Beeren – Quercetin enthält. Quercetin ist ein Polyphenol/Flavonoid, von dem gezeigt wurde, dass es den AMPK-Signalweg anspricht (Ahn et al., 2008). Den kennen wir ja mittlerweile alle.

Interessant: Die mit Acai-Beere gefütterte Gruppe hatte eine 5-fach gesteigerte Insulin-Resistenz (HOMA-IR index) und hatte dabei logischerweise auch die höchsten Insulin-Werte.

Take away

Beeren können sich sehr förderlich zeigen, dann, wenn es um die metabolische Gesundheit geht. Es konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Beeren, einer Gewichtszunahme entgegenwirkt und insgesamt sogar verhindern kann.

Alle getesteten Beeren waren in dieser Hinsicht sinnvoll – außer Acai. Die Acai-Beere erhöhte zwar die Magermasse, verschlechterte aber auch die Insulin-Sensitivität, was insgesamt im höchsten Körpergewicht resultierte.

Im Gegensatz dazu scheint die Preiselbeere eine Sonderstellung einzunehmen, da sie Quercetin enthält, was via AMPK wohl für einen anti-obesity effect sorgt.

Auch wenn eine Mäuse-Studie nicht direkt repräsentativ ist bezüglich der Wirkung auf den Mensch, so können wir dennoch erahnen, dass wir nicht jedes Nahrungsmittel nach einem Muster bewerten sollten, wie beispielsweise dem Kohlenhydrat-Gehalt.

Natürliche, unverarbeitete Nahrungsmittel bieten eine bioaktive Grundlage, die sich wohl so verhalten kann, wie wir es nicht erwartet hätten und ungeachtet seiner Makronährstoff-Komposition.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

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